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Freie Software im Empire

Maintainer: Benni Bärmann, Version 1, 28.06.2002
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Freie Software im Empire

(1) Seit einiger Zeit sorgt ein Buch für ziemlich grosses Aufsehen, nämlich "Empire" von Michael Hardt und Antonio Negri. Spätestens seit dem die deutsche Übersetzung erschienen ist, gibt es auch hierzulande einen regelrechten Hype um das Buch und inzwischen kann man auch schon einen Gegen-Hype feststellen, weil am laufenden Band Verrisse erscheinen. Ich will das jetzt nicht im Einzelnen wiedergeben, wer sich dazu ein Bild machen will, sollte vielleicht einfach mal mit "Empire", "Negri" und "Hardt" googlen und wird genügend Lesestoff finden. Alle Seitenangaben im Folgenden beziehen sich auf die deutsche Ausgabe.

(2) Nachdem ich das Buch tatsächlich gelesen habe (Uff!), möchte ich einfach mal ein paar Punkte in die Runde werfen, von denen ich denke, dass sie für unsere Diskussion interessant sein könnten um so eine hoffentlich rege Diskussion anzustossen, explizit auch mit denen, die das Buch _nicht_ gelesen haben. Das werden ja die meisten sein, alleine schon, weil es fette 450 Seiten mitbringt. Deswegen auch zuerst eine

ultrakurze Zusammenfassung.

(3) "Empire" ist die Beschreibung für die Weltordnung in der wir leben. Die Macht hat kein Zentrum mehr, sie ist vielmehr überall, sie durchzieht unser Leben als "Biomacht", die Nationalstaaten verlieren an Bedeutung, Kriege werden zu Polizeiaktionen, es wird immateriell und vernetzt produziert. Die Institutionen der "Disziplinargesellschaft" (Schule, Gefängnis, Klink, ...) verlieren ihre Begrenzung und werden über die ganze Gesellschaft ausgedehnt und daraus bildet sich die allgegenwärtige "Kontrollgesellschaft". Das Empire kennt kein Aussen mehr, es umfasst die ganze Welt, das ganze Leben.

(4) Dennoch ist seine Macht nur scheinbar. Das Empire kann immer nur reagieren auf die Aktionen der "Multitude" (Menge, Vielheit). Sie ist es, die kreativ und produktiv ist und dadurch das Empire erst erschafft. Das Empire ist nichts ohne die Multitude.

(5) Da es kein Aussen mehr gibt ist jede Politik, die sich auf einen Standpunkt ausserhalb des Empire bezieht verfehlt, statt dessen gilt es die Multitude zu sich selbst kommen zu lassen und so das parasitäre Empire abzuwerfen und den Kommunismus zu erreichen. Dies geschieht im Prozess der Durchsetzung dreier Rechte, die da sind: Weltbürgerschaft, sozialer Lohn und Wiederaneignung.

(6) Soweit meine Extrem-Eindampfung. Im folgenden will ich auf ein paar Aspekte näher eingehen, die für die Oekonux-Diskussion besonders interessant sind.

Immaterielle Arbeit

(7) In der Postmoderne hat sich die Produktionsweise verändert, sie wird zunehmend immateriell. Es gibt drei Typen immaterieller Arbeit:

- industrielle Arbeit

(8) In der herkömmlichen industriellen Arbeit werden immer mehr Tätigkeiten automatisiert, so dass ein Großteil an Tätigkeiten übrig bleibt, der kommunikativ und abstrakt ist. Fabber bzw. Rapid Prototyping oder auch Franz global-lokale Eigenarbeit-Netzwerke wären ein Beispiel dafür.

- abstrakte Arbeit

(9) Noch weiter geht die Immaterialisierung bei der abstrakten Arbeit. Dieser Arbeitstypus ist aufs engste mit dem Computer verbunden. Arbeit ist nur noch kommunikativ-vernetzte Symbolverarbeitung. Programmieren fällt sicher darunter.

(9.1) Re: - abstrakte Arbeit, 23.11.2007, 10:55, Juli Bierwirth: Ich hätte jetzt Hardt/Negri nicht so gelesen, das sie "abstrakte Arbeit" als einen eigenen Arbeitstypus zu fassen versuchen, sondern eher als Bewegungsrichtung vorallem der industriellen Arbeit, die immer abstrakter würde. Was, etwa für affektive Arbeit angewendet, auf eine Rationalisierung von Affekten und Emotionen hinausliefe. Davon ab: ich finde den Gebraucht dieser Begrifflichkeit bei Hardt/Negri ganz furchtbar. Sie holen ihn sich bei Marx, auch wenn er nicht das geringste mit dem zu tun hat, was Marx beschreibt. Bei ollem Marx beziehen sich die Begriffe von konkreter und abstrakter Arbeit schließlich nicht auf 2 unterschiedliche Formen von Tätigkeiten, sondern auf ein und dieselbe Tätigkeit unter zwei Blickwinkeln: einmal wird das konkret-stoffliche verfahren betrachtet, das einen gebrauchswert produziert. und dann wird die abstrakt-gesellschaftliche dimension der tätigkeit betrachtet, das nämlich arbeit als arbeit, also im gesellschaftlich notwendigen durchschnitt verausgabt wurde. damit wurde es marx möglich, das spezifisch kapitalistische an kapitalistischer warenproduktion zu beschreiben. dieser kritische impuls geht m.e. bei hardt/negri flöten.

(9.1.1) Re: - abstrakte Arbeit, 23.11.2007, 11:40, Benni Bärmann: Ja, das Wort ist nicht besonders geschickt gewählt, weil es zu Mißverständnissen einlädt (siehe zB http://www.keimform.de/2007/11/19/ums-ganze-oder-sandkasten/). Aber deswegen muß der Begriff ja nicht falsch sein. Dass der Begriff "abstrakte Arbeit"(Hardt/Negri) nix mit dem Begriff "abstrakte Arbeit"(Marx) zu tun hat sollte klar sein. Ob jetzt mit "abstrakte Arbeit"(Negri/Hardt) eine Bewegungsrichtung oder ein eigener Typ gemeint ist, ist eine interessante Frage, ich les die Tage vielleicht nochmal nach.

- affektive Arbeit

(10) Darunter sind alle Arbeiten zu verstehen, die Gefühle oder Identitäten produzieren. Darunter fällt Hausarbeit und Krankenpflege genauso wie Werbung und Showbusiness.

(11) Die Gemeinsamkeit dieser drei Typen beschreiben Hardt und Negri so: "In jedem dieser Typen der immateriellen Arbeit steckt die Kooperation bereits vollständig in der Form der Arbeit selbst. Immaterielle Arbeit beinhaltet unmittelbar soziale Interaktion und Kooperation. Der kooperative Aspekt der immateriellen Arbeit wird mit anderen Worten nicht von außen aufgezwungen oder organisiert, wie es in früheren Formen von Arbeit der Fall war, sondern die Kooperation ist der Arbeitstätigkeit vollkommen immanent. (...) Heute haben Produktivität, Reichtum und das Schaffen eines gesellschaftlichen Surplus die Form der kooperativen Interaktion angenommen, die sich sprachlicher, kommunikativer und affektiver Netzwerke bedient. Indem sie ihre eigenen schöpferischen Energien ausdrückt, stellt die immaterielle Arbeit das Potenzial für eine Art des spontanen und elementaren Kommunismus bereit." (S. 305)

(12) Die Kommunikationstechnologien - allen vorran das Internet - führen zu einer Dezentralisierung dieser informationalisierten Produktion. Zentralisiert wird hingegen die Kontrolle über die Prozesse in den neuen "global citys".

(13) "Das neue an der neuen Informationsinfrastruktur ist die Tatsache, dass sie in die neuen Produktionsprozesse eingelassen und ihnen vollständig immanent ist. Information und Kommunikation führen die heutige Produktion an, und sie sind die eigentlich produzierten Waren; das Netzwerk selbst ist Ort der Produktion wie der Zirkulation." (S. 310)

(14) Dies alles kummuliert in: "Die Begründung des Privateigentums, dieses Begriffs der klassischen Moderne, löst sich so in der postmodernen Produktionsweise in gewisser Hinsicht auf." (S. 313)

(15) Das alles sind ganz ähnliche Gedanken, wie sie im Oekonux-Projekt entwickelt wurden. Die Formel "Freie Software = Selbstentfaltung + Internet" bezeichnet etwas ganz ähnliches. Produktion und Distribution fallen im Internet zusammen, aus Produzenten und Konsumenten werden Prosumenten, Selbstentfaltung wird zur Produktivkraft, Selbstentfaltung und Selbstverwertung stehen im Widerspruch (Vorsicht: in "Empire" wird "Selbstverwertung" anders verwendet als bei uns, eher in Richtung "Selbstentfaltung"), Intelectual Property Rights sind absurde Versuche Verwertung wieder einzuführen und dies alles ist eine Keimform für eine nicht-wertförmig organisierte Gesellschaft. Zur netzwerkartigen Produktionsweise Freier Software hab ich ja andernmails gerade etwas geschrieben.

(15.1) Die meinen was sie sagen, 29.11.2007, 13:24, Stefan Meretz: Ich habe nochmal die Seite 305 vom "Empire" aufgeschlagen und dort wiedergefunden, was ich seinerzeit am Rand bei "Selbstverwertung" notierte: "Selbstentfaltung". Ich gewann damals wirklich den Eindruck, dass Hardt/Negri "eigentlich" das meinen und nur wegen ihrer schlampigen Kategorienverwendung das falsch bezeichnen. Heute denke ich das nicht mehr. Von Juli habe ich gelernt (persönliche Mitteilung), dass für Negri eine Welt ohne Wert undenkbar ist (in Auseinandersetzung mit Gorz übrigens), für ihn ist das ein ontologisches Faktum. Für ihn ist also nur die Frage, wer drüber verfügt, die Multitude oder das Empire. Ich habe mich auch immer gewundert, warum es nix zum Fetischismus von Negri gibt und das immer auf meine Unbelesenheit geschoben. Aber das ist wohl, Juli zufolge, eine systematische Leerstelle. Klar, das würde nämlich den Wert als ontologisches Faktum in Frage stellen, was ja aber in Negris Denke nicht gehen kann. -- Ich muss zugeben, dass ist für mich ein Schock. Ich lege doch immer wieder eine zu wohlmeinende Lesart an den Tag, ich tauge nicht zum Hardcore-Theoretiker. Aber damit kann ich leben. [Ich hoffe, Juli, du wirst deinen Text irgendwann veröffentlichen, danke einstweilen für den Entwurf]

(15.1.1) Re: Die meinen was sie sagen, 29.11.2007, 13:40, Benni Bärmann: Lustigerweise hat Juli mir genau den selben Text auch geschickt, aber ich hab darin keine Belege für seine These gefunden, dass Negri (oder die Postoperaisten) den Wert für übergesellschaftlich halten. Der Wert ist einfach nicht ihr zentrales Thema, es geht da nur um das Wertmaß (und dessen Unmöglichkeit heutzutage - was ja ganz nah dran ist an Deiner Universalgüterthese). Ich hab das immer so gelesen, dass der Wert - weil ohne Meßbarkeit - seine Fähigkeit als gesellschaftsvermittelnde Kraft verliert. Was ist daran überhistorisch?

(15.1.1.1) Re: Die meinen was sie sagen, 30.11.2007, 09:44, Juli Bierwirth: Und eben das belegt doch bereits meine These: der Wert ist kein Thema, genauso wie sich Kritische Theorie in aller Regel nicht mit Luft oder Schwerkraft beschäftigt - weil selbige nicht als gesellschaftlich wahrgenommen werden. Und so geht das auch bei Negri: Das Wertmaß kann sich ändern, klar. Aber das es keinen Wert mehr gibt? Niemals! Sowohl Negri als auch andere PostoperaistInnen beteuern regelmäßig das es nun ein "anderes" Wertmaß gebe - und das sich dies von der gesellschaftlich durchschnittlichen Arbeitszeit dadurch unterscheide, das es sich nicht messen lasse - ganz so als wäre das vorher gegangen. Bei Bedarf haue ich hier auch gerne noch ein paar Zitate rein.

(15.1.1.1.1) Re: Die meinen was sie sagen, 02.12.2007, 12:01, Benni Bärmann: Ja, bitte die Zitata, das würde mich interessieren. Daraus, dass sich jemand mit etwas nicht beschäftigt, abzuleiten, dass er ihm eine spezifische Form zuweist, halte ich allerdings für sehr gewagt. Dann könnte ich der Wertkritik ja auch vorwerfen, weil sie sich um Transformation keine Gedanken macht, dass sie alle Stalinisten seien. Wäre genauso logisch.

(16) Was ich aber am Ansatz der "immateriellen Arbeit" bevorzuge ist seine größere Reichweite. Er bezeichnet eine ganze Pallette von Phänomenen und Freie Software ist unter dieser Perspektive nur noch ein weit fortgeschrittenes Beispiel einer umfassenderen Sicht. Besonders deutlich wird das im Fall der "affektiven" Arbeit. Wärend wir die beiden anderen Typen immaterieller Arbeit schon ausführlich diskutiert haben, kam affektive Arbeit bisher bei uns kaum vor. Interessant wären dabei zwei Fragen, nämlich einmal wo in der Produktion Freier Software affektive Arbeit auftritt (Tux, M$-Bashing, Hackerkultur, ...) und zum anderen, wo es im weiten Feld affektiver Arbeit Projekte gibt, die ähnlich arbeiten wie Freie Software. Auch ein weiterer Grund, sich Freie Musik (oder Filesharing als Vorform davon) nochmal ganz genau anzugucken.

(16.1) Beispiele?, 23.11.2007, 10:48, Juli Bierwirth: Wie wäre es denn mit der Kinderladenbewegung aus den 60ern? Is nicht gerade Postfordismus, okay. Aber letztlich... Dann könnte mensch vielleicht die ganzen Psycho-Selbsthilfegruppen dazuzählen. Was heißt die ganzen - auch die werden weniger. Was auf einen interessanten (möglichen) Trend verweist: das nämlich, während affektive Arbeit im Produktionsprozess an Wichtigkeit gewinnt, sie in selbstverwalteten Zusammenhängen eher daran verliert.

(16.1.1) Re: Beispiele?, 23.11.2007, 11:44, Benni Bärmann: Ja, das was es an Aktualisierungen der "Kinderladenbewegung" (Sudbury, aktive Schulen, ...) gibt, beobachte ich aufmerksam. Erster Anlaufpunkt ist vielleicht die Kategorie "Lernen" auf keimform.de: http://www.keimform.de/category/lernen/

(17) Wenn wir also ernsthaft an der Frage arbeiten wollen "ob die Prinzipien der Entwicklung Freier Software eine neue Ökonomie begründen können, die als Grundlage für eine neue Gesellschaft dienen" kann (Siehe www.oekonux.de), ist es meiner Meinung nach angesagt nicht nur unsere theoretische Sichtweise auf Freie Software zu versuchen zu verallgemeinern, sondern auch umgekehrt umfassendere Sichtweisen auf das Beispiel Freie Software zu spezialisieren. Und "Immaterielle Arbeit" bietet da eine hervorragende theoretische Herangehensweise, denke ich.

Wertkritik und (Post-)Operaismus

(18) Wie ich gerade gelernt habe (nicht aus "Empire", sondern von meinem Freund Bodo) scheint es im neueren Marxismus zwei Traditionen zu geben, eine wertkritische und eine operaistische. "Empire" ist sozusagen die aktuellste Version der operaistischen Sicht, diese Richtung wird meist als Postoperaismus bezeichnet, weil sie zusätzlich Gedanken von postmodernen Philosophen benutzt. "Krisis" ist ein bei uns bekannter Vertreter der wertkritischen Sicht. Worin unterscheiden sich diese beiden "Schulen"?

(19) Für die wertkritische Schule ist die treibende Kraft hinter dem Kapitalismus das Wertgesetz. Ein abstrakter Mechanismus regiert die Menschen. Alles ordnet sich dem Gesetz aus Geld mehr Geld zu machen unter. Stefan Meretz nennt das immer die "kybernetische Maschine".

(20) Ganz anders die Operaisten: Für sie ist die Geschichte immer eine Geschichte sozialer Kämpfe. Es sind immer "die Leute", "das Proletariat" oder eben "die Multitude" die agieren und alle Veränderungen bewirken. Wenn auch - und das ist wichtig - unter nicht von ihnen gewählten historischen Bedingungen. Das Kapital oder eben das "Empire" reagieren nur, passen sich an, um ihre Herrschaft aufrecht erhalten zu können.

(21) Bei Marx finden sich wohl beide Sichtweisen (sagt Bodo, ich selbst hab fast keinen Marx gelesen) und tatsächlich erscheint es mir ziemlich offensichtlich das in einem noch näher zu bestimmenden Sinn beide Sichtweisen "richtig" sind. Darin spiegelt sich wohl letztlich die Verfassung des Menschen als ein Wesen, dass einerseits die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt aber eben auch von ihnen bestimmt wird.

(21.1) Zu einfach?, 23.11.2007, 10:59, Juli Bierwirth: Also das is mir zu einfach. Denn die Momente in den Fußnoten, die etwa Negri als "Nachweis" für seine Sicht anführt überzeugen mich nicht wirklich. Und widersprechen tatsächlich den vielen Textstellen in denen Marx sehr eindeutig sagt, dass das Kapital sich gegenüber den Menschen, die es geschaffen haben, verselbständigt und ihnen die direkte Einflussnahme auf das, was da passiert. Eben die Meretz'sche "kybernetische Maschine".

(21.1.1) Re: Zu einfach?, 23.11.2007, 11:48, Benni Bärmann: Ein paar Jahre später hab ich etwas mehr gelesen und lesen lassen. Mein Eindruck jetzt: Marx hat in der Phase zwischen dem kommunistischen Manifest und dem Kapital so gedacht dann aber später sich im "Kapital" ganz dadrauf beschränkt die Funktionsweise eben jenes nachzuvollziehen. Das bringt notwendig eine Sichtweise mit sich, die die "kybernetische Maschine" in den Vordergrund stellt. Meine These wäre also, wenn Marx lange genug gelebt hätte diesen "kybernetischen" Teil auszuarbeiten, dann hätte er sich irgendwann auch wieder vermehrt den Handlungen der Menschen zugewandt. Was mir in der ganzen Marxologie immer zu kurz kommt ist zu bedenken, dass der Mann halt auch nur ein Mensch war und deswegen sterblich ;-)

(21.1.1.1) Re: Zu einfach?, 30.11.2007, 09:48, Juli Bierwirth: Genauso wäre es aber auch möglich, die Veränderungen in der marx'schen Theorienbildung auf Erkenntniszuwachs zurückzuführen - das ließe sich m.E. auch werkgeschichtlich wesentlich konsistenter durchziehen. Davon ab, möchte ich mich gegen die Annahme verwehren, Marx hätte sich vor dem Kapital mit den Handlungen der Menschen auseinandergesetzt und später dann das systematische Prozessieren in den Vordergrund gestellt. Er hat vielmehr herausgearbeitet, wie aus den Handlungen der Menschen ein systematisches Prozessieren wird, dem die Menschen sich dann letztlich unterwerfen (müssen - solange sie den Laden nicht wegkicken). Insofern kann hier m.E. von einer Verquickung von Handlungs- und Strukturtheorie gesprochen werden.

(21.1.2) Re: Zu einfach?, 30.11.2007, 13:08, Hans-Gert Gräbe: Der Automatismus, der sich im Bild der Meretz'schen "kybernetischen Maschine" transportiert, wird nach meinem Verständnis Marx in keiner Weise gerecht. Das Ganze ist m.E. nicht zu verstehen, wenn die verschiedenen - insbesondere zeitlichen - Skalen, auf denen sich Änderungen im "Alltagsleben" und im Kapital- bzw. allgemeiner Wertverhältnis vollziehen, nicht angemessen berücksichtigt werden. Dann erscheint das Kapitalverhältnis in der Tat wie ein Automatismus. Sabine Nuss hat in ihrem Buch z.B. die Änderung der Eigentumsregimes innerhalb dieser Gesellschaft schön herauspräpariert.
Außerdem sind die Verhältnisse - selbst das Wertverhältnis - deutlich komplexer und miteinander verzahnter als sich das hier darstellt. Somit ist die zentrale Frage an die "Wertkritiker", wieviel des Funktionierens dieser Zivilisation mit dem Wertverhältnis automatisch aufgegeben würde und welchen Ersatz sie zu bieten haben. Die Diskussion darüber bleibt dann schnell im Sande stecken wie etwa meine Einwendungen zur Peer Economy von Christian Siefkes.

(21.1.2.1) Re: Zu einfach?, 04.12.2007, 22:33, Wolf Göhring: Hans-Gert fragt: "wieviel des Funktionierens dieser Zivilisation mit dem Wertverhältnis automatisch aufgegeben würde und welchen Ersatz sie zu bieten haben?"

Na, ganz einfache antwort: Waffen koennte man nicht mehr kaufen, heroin auch nicht mehr. Soeldner waeren unbezahlbar. Menschenhandel wuerde sich auch nicht mehr lohnen.

Doch nur ein mafia-pate fragt dann noch, wie sich das ersetzen liesse.

(22) Etwas näher kommen wir diesen Problemen vielleicht, wenn wir uns angucken, was die spezifischen Schwächen der beiden Ansätze sind.

(23) Um es platt zu sagen: Wertkritiker neigen dazu, zu schwarz zu sehen. Das allmächtige Wertgesetz hat uns fest im Griff und ein aussteigen ist zwar theoretisch möglich aber man wird immer den Eindruck nicht los, dass es von Aufsatz zu Aufsatz, von Gedanke zu Gedanke schwieriger wird. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass sie ihre Analyse von einem "äusseren Standpunkt", der sozusagen ausserhalb des Wertsystems steht und von dem aus man vermeintlich die Wahrheit erkennen kann aus starten und dann nach und nach feststellen, das ihnen dieser äussere Standpunkt immer mehr unter den Füßen wegrinnt. Bei Krisis kann man das momentan erkennen, wenn sie den Begriff des Subjektes kritisieren (siehe http://www.opentheory.org/subjekt3/text.phtml). Am Schluss bleibt nur noch radikale und fundamentale Kritik als Selbstzweck. Keimformen sind so nicht denkbar, weil letzten Endes schon der Gedanke daran zwingend korrumpiert ist.

(23.1) 01.07.2002, 14:11, Benni Bärmann: Ich war zu blöd OpenTheory zu bedienen, deswegen jetzt nochmal nachgereicht: Der Text als Link: http://www.opentheory.org/subjekt3/text.phtml

(24) Um es genauso platt zu sagen: Postoperaisten neigen zur Blauäugigkeit. Noch der kleinste Seufzer wird in ihren Augen zum Akt des Widerstands überhöht.

(25) Auf theoretischer Ebene könnte man sie mögicherweise ganz ähnlich kritisieren, wie das Stefan in seinem "Dschungel der Kooperation" (http://www.opentheory.org/dschungel/text.phtml) mit der Freien Kooperation getan hat. Auch hier gewinnt man manchmal den Eindruck, dass die gesellschaftliche Ebene die es noch jenseits der Kooperationen und Institutionen gibt und die sich eben im Kapitalismus unter anderem im Wertgesetz zeigt, manchmal aus dem Blick gerät. Es wird nicht sichtbar, welche Aktionen der Multitude dazu geeignet sind, das Wertgesetz (oder auch das Patriarchat oder jedes andere fundamentale Herrschaftsverhältnis das nicht erschöpfend durch Institutionen beschreibbar ist) zu knacken und welche zu seinem Erhalt beitragen. Beim Lesen von "Empire" hatte ich jedoch das erste Mal das Gefühl, dass dort tatsächlich an der Lösung dieser Probleme gearbeitet wird. Allerdings blieb viel von diesen Versuchen für mich noch dunkel. Es ist viel die Rede vom Begriffspaar Immanenz/Transzendenz. Es wird betohnt, dass das Empire einerseits aus seiner Eigenlogik heraus zu immer mehr Immanenz strebt aber andererseits auf Transzendenz zur Aufrechterhaltung seiner Herrschaft angewiesen ist. Aus diesem Widerspruch speist sich die Möglichkeit zur Überwindung des Empire.

(25.1) 01.07.2002, 14:12, Benni Bärmann: Stefans Text als Link: http://www.opentheory.org/dschungel/text.phtml

(26) Bei Oekonux haben wir traditionell mehr mit dem wertkritischen Ansatz gearbeitet und ich will deswegen mit diesem Text auch ein bisschen Werbung für die andere Seite machen.

(27) Meiner Meinung nach passt der Postoperaismus eigentlich besser zu Oekonux, weil ja der Selbstentfaltungs-Begriff und seine Herleitung aus der kritischen Psychologie, genau auf der "spezifischen Möglichkeitsbeziehung" des Menschen zur Welt aufbauen, also auf den Aktionsmöglichkeiten des Einzelnen, was doch prima zum Operaismus passt, wärend die Wertkritik sich da ein bisschen sperrt (insofern ist die Ablehnung der kritischen Psychologie durch das Krisisumfeld vielleicht nicht nur persönlichen Vorlieben geschuldet, sondern folgerichtig).

(27.1) Wahlverwandtschaft, 23.11.2007, 11:04, Juli Bierwirth: Zumindest würde ich durchaus zustimmen, das es eine Art Wahlverwandtschaft zwischen Kritischer Psychologie und (Post-)Operaismus gibt. Beide sind in der Lage, die Handlungsmodi von Menschen in konkreten sozialen Auseinandersetzungen aufzugreifen und zu beschreiben. Das können Kritische Theorie, Wertkritik und auch eine daran angelehnte Psychoanalyse m.E. tatsächlich nicht. Dafür geht ihnen natürlich das formbestimmte Verharren vieler dieser Handlungen, die sich erst aus dem allgemein-kritischen Zusammenhang ergeben, aus den Augen. Imho.

Die drei Rechte

(28) Am Schluss des Buches gibt es ein Kapitel, das beschreiben soll, wie das Empire untergehen wird oder vielmehr bereits schon untergeht. Die Multitude kommt zu sich selbst, wird sich ihrer bewusst und entledigt sich der parasitären Herrschaft des Empire. Dies geschieht im Prozess der Durchsetzung dreier Rechte. Der Begriff des "Rechts" ist dabei mit vorsicht zu geniessen, da es in diesem Fall nicht wirklich einen Adressaten gibt, von dem man diese Rechte einfordern könnte. Das Empire taugt ja mangels Zentrum gerade nicht als Adressat. Es geht also auch hier wohl eher um einen netzwerkartig verlaufenden Prozess. Was haben diese drei Rechte mit unserer Debatte zu tun?

"Das Recht auf Wiederaneignung"

(29) Das dürfte für unsere Diskussion das spannendste der drei Rechte sein, wie vielleicht folgendes Zitat ganz gut illustriert:

(30) "Die Menge benutzt nicht nur Maschinen zur Produktion, sondern wird auch selbst zunehmend zu einer Art Maschine, da die Produktionsmittel immer stärker in die Köpfe und Körper der Menge integriert sind. In diesem Zusammenhang bedeutet Wiederaneignung, freien Zugang zu und Kontrolle über Wissen, Information, Kommunikation und Affekte zu haben - denn diese sind einige der wichtigsten biopolitischen Produktionsmittel. Doch die Tatsache allein, dass diese Produktionsmittel in der Menge selbst zu finden sind, bedeutet noch nicht, dass die Menge diese auch kontrolliert. Eher lässt das die Entfremdung davon noch niederträchtiger und verletzender erscheinen. Das Recht auf Wiederaneignung ist somit in Wahrheit das Recht der Menge auf Selbstkontrolle und autonome Eigenproduktion." (S. 413)

(30.1) Ausnahme?, 23.11.2007, 11:10, Juli Bierwirth: Mag sein, dass das für Freie Software gilt. Im industriellen Produktionsprozess, würde ich meinen, gilt das nicht. Oder weiß dort tatsächlich jede ProduzentIn, wo die Vorprodukte her- und die fertigen Gegenstände hinkommen? Wohl kaum. Stattdessen sind die dafür notwendigen Kommunikationswege derartig automatisiert, das sich die genaue Verteilung der Kenntnis mittlerweile wohl sogar aller Beteiligten entzieht.

(30.1.1) Re: Ausnahme?, 23.11.2007, 12:02, Benni Bärmann: In dem Teil der industriellen Produktion der sich zunehmend immaterialisiert ist das Bewußtsein des Gesamtprozesses sicherlich größer als am Fließband.

(30.1.1.1) Re: Ausnahme?, 30.11.2007, 09:56, Juli Bierwirth: Ja? Ließe sich hier nicht auch andersherum argumentieren? Das durch die zunehmend komplexere Technik die Menschen mehr und mehr zu derem Anhängsel werden, von Ausnahmen abgesehen kaum noch in der Lage sind die Apperate zu bedienen und ihnen all das zu entlocken, was ihnen als Möglichkeit innewohnt? So argumentiert zumindest Ernst Lohoff im "Wert des Wissens". Ich weiß nicht ob das aufgeht, würde mich aber auch nicht wundern, wenn die Netzwerkhypthese da auch ein stückelweit Sachen idealisiert. Letztlich hilft uns hier aber tatsächlich nur die Empirie weiter...

(30.1.1.1.1) Re: Ausnahme?, 01.12.2007, 11:40, Benni Bärmann: Klar, ließe sich so argumentieren, das ist ja auch die klassische anti-fordistische Argumentation. Nur ist der Fordismus halt zwar immer noch präsent aber nicht mehr hegemonial. Ich bin auch gar nicht sicher, ob Empirie so viel weiter hülfe. Wie soll das denn gehen? Etwa so: "Haben sie ein Bewußtsein des Gesamtkomplexes? Bitte Ankreuzen, Ja, Nein, Weiß nicht". Wohl kaum. Trotzdem kann man auf solchen Wegen sicherlich interessante Sachen rausfinden, wenn man etwas geschickter ist, als ich das jetzt angedeutet habe.

Generell bin ich aber skeptisch gegenüber dem Ziel. Ist es denn überhaupt wünschenswert dieses Bewußstsein zu haben? Ich denke es ist wünschenswert, dass man es sich jederzeit besorgen kann, wenn es einen interessiert. Aber es gibt sicherlich auch ein großes Bedürfnis nicht immer über alles Bescheidwissen zu müssen. Für ein Recht auf Nicht-Wissen im Kommunismus und anderswo!

(31) In dieser Perspektive ist Freie Software geradezu _das_ Paradebeispiel für Wiederaneignung und die Kämpfe um (Software-)Patente und Intelectual Property Rights sind die zentralen sozialen Kämpfe um dieses Recht.

"Das Recht auf einen sozialen Lohn"

(32) Die Existenzgelddebatte hatten wir hier ja auch schon und ich habe meine Meinungen dazu - und insbesondere warum das für Freie Software relevant ist - ja auch schon mal zusammengefasst. Siehe: http://co-forum.de/index.php4?Grundsicherung%20und%20Oekonux.

(32.1) Re: "Das Recht auf einen sozialen Lohn", 01.07.2002, 14:12, Benni Bärmann: und wieder als Link: http://co-forum.de/index.php4?Grundsicherung%20und%20Oekonux

(33) Das in "Empire" geschilderte Recht auf einen sozialen Lohn erschöpft sich meiner Auffassung nach aber nicht in einer Existenzgeldforderung an den Staat sondern geht mehr in Richtung eines allgemeinen Rechts auf ein gutes Leben unabhängig von konkreten Tätigkeiten wie Arbeit - was sich in einer konkreten historischen Situation aber durchaus als Forderung an den Staat artikulieren kann. Allerdings finde ich eine der Schwächen des Buches, das diese erweiterte Sichtweise der Existenzgelddebatte nicht sehr explizit geschildert sondern sich eher aus dem Rest des Buches ergibt und vielleicht ja nur für mich ...

(33.1) Problem wird deutlich, 23.11.2007, 11:14, Juli Bierwirth: Das wird so bei Negri sicherlich nicht deutlich. Wahrscheinlich meint er es auch tatsächlich so. Aber dadurch, das er die unterschiedlichen Ebenen von formal-abstrakten und konkret-sinnlichen Momenten im Kapitalismus nicht trennt, geht ihm diese Unterschiedung auch irgendwie durch die Lappen. Besser: muss ihm durch die Lappen gehen. Hier rächt sich gewissermaßen die kategoriale Nachlässigkeit...

"Das Recht auf Weltbürgerschaft"

(34) Es geht um die Durchsetzung von Bewegungsfreiheit für die Menschen. Damit ist aber nicht nur gemeint, dass man sich physisch bewegen kann, sondern noch weitergehender, dass auch kulturell diese Bewegung wirklich lebbar wird. Wir haben uns bisher mit diesen Fragen noch nicht sehr viel befasst, dennoch denke ich, dass es auch hier einige Berührungspunkte gibt.

(35) Zum einen ist Freie Software vielleicht genau auch eine Möglichkeit, die diese Bewegungsfreiheit zumindestens im virtuellen ermöglicht. Projekte für Linux in Entwicklungsländern oder an Schulen sind da vielleicht eine Richtung die versucht Ausgrenzungsmechanismen, die anders als die herkömmlichen Grenzen funktionieren zu unterlaufen.

(35.1) Analphabetismus, 23.11.2007, 11:20, Juli Bierwirth: Was genau Linux an Schulen, in denen weite Teile der Jugend nicht mal alphabetisiert sind, jetzt genau qualitativ verbessern soll, is mir nich klar. Auch hier rächt sich imho die etwas idealisierende sichtweise von negri&co, wenn das gute neue schon im hier und jetzt gesucht wird...

(35.1.1) Re: Analphabetismus, 23.11.2007, 11:52, Benni Bärmann: Kennst Du das OLPC-Projekt? Da kann man viel dran kritisieren, aber da wird gerade versucht Alphabetiserung durch Freie Software (und billige Hardware) zu machen. Ich finde das zumindestens spannend und beobachte es aufmerksam.

(36) Der kürzlich gemailte Veranstaltungshinweis auf das Grenzcamp in Strassburg enthielt auch einige Hinweise darauf, wie diese Fragen für uns wichtig werden könnten (Siehe: www.dsec.info).

Freie Kooperation und Empire

(37) Wir haben ja über Christoph Spehrs Konzept der "Freien Kooperation" in der Vergangenheit viel und ausführlich diskutiert. Deswegen will ich kurz versuchen dieses Konzept mit "Empire" zu vergleichen. Zunächst einmal stechen die Ähnlichkeiten ins Auge. Beide Konzepte gehen von einer radikalen Immanenzperspektive aus. Es gibt kein Aussen. Kein höheres Gesetz das unser Handeln leitet, sondern Geschichte entwickelt sich in sozialen Kämpfen. Dennoch gibt es natürlich auch wichtige Unterschiede.

(38) Freie Kooperation geht in einem gewissen Sinne weiter als "Empire", weil konkrete Bedingungen genannt werden nach denen man entscheiden kann, ob Kooperationen erzwungen oder Frei sind. Die "drei Rechte" ergeben sich dann eher follgerichtig aus diesen Überlegungen zusammen mit noch einigen anderen. Wie immer wenn man konkret wird, bietet man natürlich auch eine größere Angriffsfläche, so haben sich ja viele der Kritiken an Freier Kooperation, die wir diskutiert haben vor allem an diesen konkreten Kriterien orientiert und diese als systemkonform ausgemacht. Das ist ein prinzipielles Problem mit der Immanenzperspektive, denke ich und zu "Empire" wird man ähnliches sagen können (und manche der am wenigsten inspirierenden Verrisse haben genau das getan). Ich denke jedoch auch, dass es keine Alternative zu dieser Perspektive gibt, wenn man irgendeine praktische Bedeutung entfalten will.

(39) "Empire" geht in einem gewissen Sinne aber auch weiter als Freie Kooperation. In Software-Engeneering-Sprache gesprochen ist Freie Kooperation der Bottom-Up-Ansatz, wärend Empire nach dem Top-Down-Prinzip funktioniert. Freie Kooperation hat gesamtgesellschaftliche Verhältnisse nur als Kooperation von Kooperationen von Kooperationen im Blick, was deren Analyse manchmal erschwert. Empire funktioniert umgekehrt. Von den globalen juridischen, ökonomischen und politischen Verhältnissen wird die Macht der Multitude abgeleitet. Das gewärleistet einen besseren Blick auf die globalen Phänomene aber naturgemäß bleibt die Sicht auf die Alltagsphänomene etwas unscharf und eben "von oben herab".

(39.1) 23.11.2007, 11:25, Juli Bierwirth: "Von den globalen juridischen, ökonomischen und politischen Verhältnissen wird die Macht der Multitude abgeleitet." Aber wie passt das denn zu der Überlegung, die Kämpfe der Multitude würden die gesellschaftliche Entwicklung diktieren? Da würde ich das eher sogar andersherum sehen, das Spehr die Tiefe der Eingriffe auf unser aller Handeln wesentlich besser denken und fassen kann.

(39.1.1) 23.11.2007, 11:58, Benni Bärmann: Ich meinte die Struktur der Ableitung im Buch. Sie fangen ja mit den großen Dingen an. In "Wirklichkeit" gibt es natürlich immer beide Einflußrichtungen, es ist also eher eine Frage der Darstellung als von Ursache/Wirkung.

(40) In Christophs Buch "Die Aliens sind unter uns" findet sich ja neben dem Konzept der Freien Kooperation, das dort eher am Rande behandelt wird, auch eine ausführliche Diskussion aktueller Herrschaftsverhältnisse. Wenn man die dort beschriebenen "Zivilisationen" (Aliens, Zivilisten, Maquis, Faschisten) mit den in "Empire" beschriebenen Kategorien in Verbindung bringt, ergibt sich für mich folgendes Bild: Die Aliens sind eigentlich identisch mit dem Empire, Maquis und Zivilisten bilden die Multitude und der Faschismus kommt nicht wirklich in mehr als einer Nebenrolle vor. Darin liegt für mich auch eine besondere Stärke des Konzeptes der Zivilisationen. Zur "Multitude" gehört man immer irgendwie dazu und muss sich nicht mal besonders anstrengen wärend Christoph den Moment der Wahl, zum Maquis zu gehen oder eben Zivilist zu bleiben, betont. Natürlich ist an beiden Sichtweisen was dran, nur in "Empire" wird letzteres oft etwas unterschätzt und vielleicht ergibt sich gerade daraus der Eindruck der Blauäugigkeit und des übertriebenen Optimismus, den viele beim Lesen des Buches haben.

(40.1) An sich und Für sich, 23.11.2007, 11:28, Juli Bierwirth: Nee, das find ich nicht. Aber ich find die Frage spannend. Die Multitude zeichnet sich ja gerade dadurch aus, das sie kein Bewußtsein hat von dem, was sie tut. Sie wäre sozusagen die postmoderne Version der "Klasse an sich": sie hat ein objektives (wie auch immer erkanntes...) Interesse an gesellschaftlicher Veränderung. Der Maquis wäre dann die "Klasse für sich": Er (unschön, das der schon wieder männlich ist...) ist tatsächlich emanzipativ unterwegs, ist überzeugt von der Notwendigkeit emanzipatorischer Veränderung.

Fazit

(41) "Empire" wimmelt von Anknüpfungspunkten an unsere Diskussion und deswegen kann ich jedem nur empfehlen sich durch das Buch durchzuwühlen. Aber auch ohne das alle das Buch gelesen haben, könnten wir ja trotzdem vielleicht manche der Sichtweisen, die dort aufgezeigt werden verstärkt in unserer Diskussion berücksichtigen. Das würde mich freuen. Gerade eben hab ich eine Mail gekriegt, dass die WAK-Leute einen Workshop zu Empire auf dem Kongress planen. Scheinbar haben also auch schon andere die Relevanz des Buches für unsere Diskussion entdeckt. Für mich noch ein Grund mehr, mich auf Berlin zu freuen.

(41.1) 19.09.2002, 16:38, Benni Bärmann: Es gibt noch einen anderen Text mit ähnlichem Inhalt, der allerdings nicht so ganz Oekonux-intern formuliert ist: http://www.opentheory.org/fs_emp_emp/text.phtml


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