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Mailing-Listen als entscheidender Backbone

Maintainer: Stefan Merten, Version 1, 10.07.2003
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Mailing-Listen als entscheidender Backbone -- Zur verblüffenden Einfachheit von Systemen zur Entscheidungsfindung

Abstract

(2) Machen .

(3) Dieser Text liegt als kommentierbarer Open-Theory-Text [http://www.opentheory.org/mailinglisten/] vor.

Einleitung

(4) Evt. überarbeitetes Positionspapier

Mailing-Listen als zentrale Tools

Zur Technik

Grundlegende Organisation

(7) * Anmelden und abmelden per Mail oder Web-Oberfläche

(8) * Postings an die Listenadresse werden per Mail an alle TeilnehmerInnen verteilt

(9) * Administration durch eine oder wenige Personen über Mail oder Web-Oberfläche

(10) * In der Regel entsprechende Verwaltungssoftware

(11) - Majordomo [http://www.greatcircle.com/majordomo/]

(12) - Mailman [http://www.list.org/]

(13) - Viele andere

(13.1) 10.07.2003, 17:41, Karl Dietz:
Listserv http://www.lsoft.com

(13.2) 23.07.2003, 08:48, Karl Dietz:
EZMLM http://www.ezmlm.org

(14) * Automatische Archivierung

(15) - MHonArc [http://www.oac.uci.edu/indiv/ehood/mhonarc.html])

(16) * Einrichtung einer Mailing-Liste

(16.1) 23.07.2003, 18:22, Karl Dietz:
Listen mit wiss.Inhalt gibt es kostenlos bei: http://www.listserv.dfn.de

(17) - Benötigt in Eigenregie lediglich einen Internet-Server, der regelmäßig einige Mailboxen pollt

(17.1) 11.07.2003, 12:58, Ano Nym: anglismen vermeiden

(17.1.1) no angels?, 15.07.2003, 00:58, Uwe Berger: oder mal einen link sätzen zu einer übersetzunsseite. Es ist schon lustig, wie das manchmal durch den automatismus entzerrt wird und die unterschiedlichen "Denk-cluster" zutage treten, die in anderen Sprachen einsehbar werden.(write right, left felt left, lektion-*ring, lechts und rinks. Oder sprachlich anpissen, dann stinkt der Drink, Dringlichkeit inkless/tintenlos im internätz verbreiten. Warum soll angelsächsisch dem deutschen so fremd sein? Ist Niederlande niederträchtig, Plattdeutsch den lateinischen Höhen gar verdächtig? Wer hat unser Denken in grammatikalische zufalls- und einfallslosigkeit geführt? Was dürfen/wollen wir nicht fühlen oder erinnern? anamnese und ordiNation, ach da ist sie wieder - die population...

(18) - Mit Werbung sogar kostenlos möglich (Yahoo Groups! [http://groups.yahoo.com/]).

(18.1) 11.07.2003, 12:59, Ano Nym: naja, wenn du bei der Fitug eine Liste einrichten willst um über DMCA zu diskutieren, ist das auch nur eine Frage der Kontaktperson. Aber im Prinzip gibt es nur wenige nichtkommerzielle Mailhoster.

(18.1.1) 20.09.2003, 12:57, Stefan Merten: Ja, wenn ich eineN kenne, die eineN kennt, etc., dann geht das. Aber wie du sagst: Einfach so ist es nicht wirklich einfach.

(18.2) 13.07.2003, 18:05, Karl Dietz:
Bei offline-Nutzung der YahooGroups wird keine Werbung mitgeliefert. Die gibt es "nur" online. Die YahooGroups bieten auch: Umfragen, Terminkalender, Dateibereich u.a. zwei Listen als Bsp: KRISIS-newsletter und CONTRASTE-list.

Abgrenzung gegen andere Medien

(19) * IRC / Web-Chats

(19.1) Re: Abgrenzung gegen andere Medien, 23.07.2003, 18:26, Karl Dietz:
ein grosser Unterschied ist: synchrone vs. asynchrone Kommunikation.

(20) * Newsgroups

(21) * Weblogs

(22) * Wiki Wiki Web [http://c2.com/cgi/wiki?WikiWikiWeb]

(22.1) 04.07.2004, 16:43, Ano Nym: http://www.wikiservice.at/gruender/wiki.cgi?ForenWikiVergleich

(23) * OpenTheory [http://www.opentheory.org/]

(23.1) 13.07.2003, 17:55, Karl Dietz:
OpenTheory bietet jedem ot-Projekt ebenfalls eine eigene Mailingliste.

(24) * Vergleich mit diesen Medien?

Varianten

(25) * Web-Archiv oder nicht

(26) - Kann öffentlich sein oder Zugangsbeschränkungen unterliegen

(27) - Kann durchsuchbar sein oder ohne Suchfunktion

(28) - Verschiedene Indizes (chronologisch, nach Threads, nach AutorIn)

(29) * Moderiert oder offen

(30) * Offen für Postings von Nicht-TeilnehmerInnen (Problem: Spam, Spam-Filter helfen)

(30.1) 10.07.2003, 17:48, Benni Bärmann: Das größte Problem dabei ist, dass es hierbei nicht um "Teilnehmer" und "Nicht-Teilnehmer" geht, sondern um deren Mailadressen. Dabei landen Teilnehmer, wenn sie von mehreren Adressen aus posten, sehr schnell bei den Nicht-Teilnehmern. Abhilfe würden "stille" Adressen schaffen, die zwar schreiben dürfen, aber nichts empfangen. Jeder Teilnehmer könnte sich beliebig vieler solcher Adressen anlegen. Keine Ahnung ob es schon eine Software gibt, die sowas unterstützt...

(30.1.1) Allow-Lists, 12.07.2003, 16:21, Stefan Meretz: Das kann jede halbwegs gute Maillist-Software, meistens heissen diese Listen "Allow-Listen". Das Problem ist die Pflege: Viele User kapieren den Unterschied zwischen "Person" und "Mail-Adresse" nicht: "Wieso wurde die Mail abgewiesen, sie kam doch von mir"? Das alles gilt nur für geschlossene Listen, Stefan meinte jedoch komplett offene Listen (wie [ox]).

(30.2) 11.07.2003, 13:00, Ano Nym: Und all die schönen Probleme mit Spam und Trolls...

(30.2.1) Trolls in Mailing-Listen, 15.09.2003, 12:24, Stefan Merten: Trolls sind zunächst mal ein soziales Problem und kein technisches. Deswegen ist es auch in gewisser Weise problematisch, mit Technik etwas gegen solcherlei Störungen zu unternehmen. Spannend ist aber die Frage, wie auf Mailing-Listen mit Trolls umgegangen wird - sozial und ggf. technisch.

(30.2.1.1) Re: Trolls in Mailing-Listen, 15.09.2003, 12:27, Stefan Merten: Sozial scheint mir "Don't feed the troll" eine einfache und verbreitete Lösung zu sein, die den Trolls offenbar einen wichtigen individuellen Gewinn ihrer Störung nimmt. Allerdings klappt das nur, wenn es keine Troll-Familien gibt und sich überdies alle dran halten.

(30.2.1.2) Re: Trolls in Mailing-Listen, 15.09.2003, 12:30, Stefan Merten: Technisch gibt es individuelle Lösungen auf der Basis individueller Filtermechanismen in der je verwendeten Mail-Technologie. Das löst aber nicht das Problem, dass Trolls einen - oft nachhaltigen - Einfluss auf die Atmosphäre einer Mailing-Liste haben. Überdies ist dies auf nicht-technischen Listen kaum eine Lösung, weil die Lösung für zu viele Leute zu kompliziert ist.

(31) * Öffentlich in dem Sinne, dass alle Interessierten teilnehmen können, oder geschlossene Gruppen

(31.1) 11.07.2003, 12:46, Ano Nym: Aber: es wird auch eine totalitäre transparenz via Google indivxierung erzeugt.

(32) * Schreibbar für alle TeilnehmerInnen oder nur eingeschränkten Personenkreis (Abgrenzung Newsletter)

(33) * Explizites Reply-To auf die Liste oder private Replies

(33.1) 10.07.2003, 17:50, Benni Bärmann: Es gibt immer mal wieder Leute, die sagen Reply-To auf die Liste sei böse, dafür müssten die Clients sorgen. Erfahrungsgemäß funktioniert es aber nicht, wenn die Clients dafür sorgen, weil die meisten Clients das nicht können, bzw. die Leute zu blöd oder zu faul sind, sie zu bedienen.

(34) * Liste der TeilnehmerInnen kann öffentlich, nur den TeilnehmerInnen zugänglich oder ganz geheim sein

(35) * Hier wenn nicht anders vermerkt: Öffentliche, unmoderierte, mindestens für alle TeilnehmerInnen schreibbare, archivierte Mailing-Listen mit mindestens für die TeilnehmerInnen offener TeilnehmerInnenschaft

Eigenschaften

(36) In vielen virtuellen Projekten sind Mailing-Listen das zentrale Mittel nicht nur der Kommunikation sondern auch der Entscheidungsfindung. Ergänzt wird dieses Mittel in den unten näher untersuchten Beispielen in unterschiedlichem Maße durch private Mail und lediglich im Fall der Forschungsprojekte durch Telefon und gelegentliche Treffen. Dass Mailing-Listen als mehr oder weniger ausschließliches Kommunikationsmedium und damit als Medium zur Entscheidungsfindung dienen können, ist einigen technischen und sozialen Eigenschaften dieses Mediums geschuldet.

(36.1) Re: Eigenschaften, 11.07.2003, 13:01, Ano Nym: können trotzdem das persönliche Treffen nicht ersetzen.

(36.1.1) Re: Eigenschaften, 20.09.2003, 13:01, Stefan Merten: Es wäre interessant herauszuarbeiten, was das persönliche Treffen bietet, was Mailing-Listen nicht bieten. Spontan fällt natürlich die ganze Körperlichkeit ein. Dann dürften die meisten Menschen auch noch nicht als Kulturtechnik verinnerlicht haben, mit so stark entkörperlichter Kommunikation umzugehen, so dass erlerntes Sozialverhalten in Stereo-3D-Umgebungen naheliegender ist. Der relativ aggressive Tonfall auf vielen Mailing-Listen dürfte hier ein Indiz sein.

(36.2) Re: Eigenschaften, 12.07.2003, 16:28, Stefan Meretz: Auf dem LT habe ich gelernt, dass auch IRC für Entscheidungsprozesse eingesetzt wird, und zwar für solche, in denen die Differenzen nicht mehr so groß und die Notwendigkeit schneller Absprache hoch ist (Bsp. Debian-Projekt).

(36.2.1) Re: Eigenschaften, 15.09.2003, 12:30, Stefan Merten: Danke für den Hinweis!

Technische Eigenschaften

(37) Ein wesentlicher Vorteil aller Mail-Kommunikation gegenüber vielen klassischen Kommunikationsformen wie Diskussionen auf Treffen oder Telefonkonferenzen ist die Asynchronität der Kommunikation. Während bei Kommunikationsformen, die auf Sprechen und (gleichzeitigem) Zuhören beruhen, alle Beteiligten gleichzeitig an der Kommunikation teilnehmen müssen, kann eine Mail zu einem beliebigen Zeitpunkt geschrieben werden und zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt gelesen werden. Damit werden zeitliche Restriktionen aufgehoben, die sprachliche Kommunikationsformen oftmals schwierig machen.

(38) Auch die Dauer einer Diskussion ist durch die Asynchronität nicht durch der Diskussion äußerliche Faktoren begrenzt. Es ergibt sich ein stetiger Diskussionsfluß, der vor allem durch die Ideen und Gedanken der TeilnehmerInnen, also der Diskussion immanenten Faktoren reguliert wird.

(39) Diese Asynchronität macht Mailing-Listen weiterhin zu einem non-exklusiven Medium, bei dem alle Beteiligten sich unabhängig von den anderen äußern können. Daher bedarf es auch keinerlei Regulation der Äußerungen wie sie die Exklusivität sprachbasierter Kommunikationsformen oftmals sinnvoll erscheinen lässt (Redelisten).

(39.1) Exklusivität, 11.07.2003, 09:32, Guido Brombach: In gewisser Weise sind gerade die schriftbasierten kommunikationsmedien exklusiv, nicht nur, dass sie trotz ihrer scheinbar einfachen Bedienung nicht von allen benutzt werden können, sondern darüber hinaus stellt die Schriftsprache besondere Anforderungen an den Benutzer, auch wenn wie in 52 (glaube ich) schon gesagt Schrift- und Sprechsprache zu einer andersartigen Ausdrucksform verschmelzen. Grundsätzlich besteht eine Hemmschwelle eher beim Schreiben, als beim Sprechen.

(39.1.1) Re: Exklusivität, 12.07.2003, 08:31, Benni Bärmann: Das stimmt so nicht. Ich würde es eher so sagen: Es gibt Leute, die haben größere Hemmungen beim Sprechen in Gruppen und solche, die haben größere Hemmungen beim Schreiben.

(39.1.1.1) Re: Exklusivität, 15.09.2003, 12:32, Stefan Merten: Ich würde Benni zustimmen, dass es zumindest nicht so einfach ist. Ich habe schon mehrfach Leute erlebt, die sich auf Mailing-Listen ziemlich extrovertiert verhalten haben, während sie in Stereo und 3D doch sehr zurückhaltend waren.

(40) Neben der zeitlichen Unabhängigkeit bieten Mailing-Listen auch eine räumliche Entkopplung. So ist es nicht nur möglich, sondern zum Beispiel in der Freie-Software-Bewegung gängige Praxis, dass die TeilnehmerInnen an einer Mailing-Liste über den gesamten Globus verstreut leben. Lediglich die Sprachbarriere - in der Regel ist die Verkehrssprache auf internationalen Mailing-Listen Englisch - ist also ein Hindernis, um an einer globalen Diskussion teilzunehmen.

(40.1) 11.07.2003, 13:02, Ano Nym: Wenn man mal anguckt wie viele Deutsche Listen in englisch ablaufen nur weil ein Italiener dazutreten könnte. Wir haben immer ein wenig Minderwertigkeitskomplexe mit der deutschen Sprache. Interessant wäre für mich, ob es auch Dialektmailinglisten gibt.

(41) Ein weiterer Vorteil von Mail allgemein ist, dass alle Äußerungen automatisch in der Schriftform vorliegen. Dadurch ist ein späterer Bezug auf einen allen Beteiligten vorliegende Fixierung einer Äußerung ohne weitere Maßnahmen wie zum Beispiel Protokolle möglich. Zusätzlich zum Text kann per Mail heute auch jede erdenkliche digitale Information übertragen werden. So ist es z.B. auch möglich, die textuelle Kommunikation einer Mailing-Liste mit Bildern anzureichern.

(42) Da die Beiträge zu Mailing-Listen bereits als digitale Daten vorliegen, können sie leicht in ein Archiv einer Mailing-Liste eingepflegt werden, dass im Web allen Interessierten oder einer ausgewählten Gruppe zur Verfügung steht. Archive von Mailing-Listen ermöglichen den späteren Neueinstieg in eine laufende Diskussion und können gleichzeitig eine Öffentlichkeit schaffen, die über die direkten TeilnehmerInnen einer Mailing-Liste hinausgeht. Darüber hinaus können mittels eines Web-Archivs die in einer Mailing-Liste fließenden Informationen durch Suchdienste wie Google zeitnah und ohne menschliches Zutun einer allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

(42.1) Fixierung einer Äußerung, 11.07.2003, 09:36, Guido Brombach: Ist in Kombi mit der 41 und in Ergänzung zur 125 zu sehen: Genau diese "Fixierung der Äußerung" mag zwar für eine diskussion hilfreich sein, kann aber auch abschrecken, da das Geschriebene für die "Ewigkeit" dort steht und häufig auch durch das Ausspüren der Beiträge von Suchmaschinen zu Widersprüchen in anderen Kontexten führen kann.

(42.1.1) Re: Fixierung einer Äußerung, 15.09.2003, 12:35, Stefan Merten: Da gebe ich dir Recht. Ich bin hier ambivalent. Auf der einen Seite habe ich halt gelernt, dass Dinge im Internet immer flüchtig sind. Das konterkariert ein wenig den aus der Papierwelt kommenden Ewigkeitscharakter. Andererseits hat die doch geringere Flüchtigkeit als in einem Chat - was ist da mit Protokollen? - einem 3D-Treffen oder einem Telefonat auch eine gewisse disziplinierende Wirkung. Das ist ja vielleicht auch nicht schlecht.

(43) Mailing-Listen verzahnen dynamische und statische Aspekte einer Kommunikation. Eine Äußerung auf einer Mailing-Liste kann selbst jederzeit erfolgen. Hierdurch erreichen Mailing-Listen eine hohe Dynamik. Gleichzeitig ist eine einmal gemachte Äußerung aber statisch und nicht mehr rückholbar. Erst ein Reply auf eine Äußerung erzeugt einen neue Dynamik, die sich dann in so genannten Threads (Diskussionsfäden) niederschlägt. Die Threads, die in vielen Archiven als eigener Index ausgebildet sind, bilden also sowohl den dynamischen als auch statischen Aspekt einer Mailing-Liste ab.

(44) Die Teilnahme an einer Mailing-Liste umfasst in aller Regel mindestens mehrere Wochen, oft aber auch Jahre. Mailing-Listen haben also eine vergleichsweise stabile TeilnehmerInnenschaft. Diese Stabilität gibt TeilnehmerInnen, die einen Reply zu einer Äußerung auf der Mailing-Liste machen, eine hohe Gewissheit, die AutorIn der ursprünglichen Äußerung auch zu erreichen. Auf dieser Grundlage bilden sich relativ leicht Dialoge und Polyloge heraus, die in anderen Medien auf Grund der flüchtigen TeilnehmerInnenschaft oft nicht in Gang kommen.

(45) Gleichzeitig bilden die Threads die einzige, schwache Strukturierung die Mailing-Listen ohne weiteres Zutun aufweisen. Dieser Unstrukturiertheit kann zwar durch regelmäßige Zusammenfassungen durch einzelne TeilnehmerInnen eine gewisse Struktur hinzugefügt werden, allerdings wird dies wohl öfter gewünscht als umgesetzt. Diese Unstrukturiertheit ist das wohl am häufigsten geäußerte Manko von Mailing-Listen.

(46) Als Mail-basiertes Medium sind Mailing-Listen ein typisches Push-Medium: Ohne eigene Aktivität werden die Äußerungen auf der Mailing-Liste allen TeilnehmerInnen zugestellt. Bei Mailing-Listen mit hoher Schreibfrequenz führt das zwar leicht zu einem relativ hohen Mail-Aufkommen, gleichzeitig entlastet diese Eigenschaft die TeilnehmerInnen allerdings von den Mühen, die dynamisch aktualisierte Pull-Medien den NutzerInnen aufbürden. Archive fügen Mailing-Listen allerdings die Pull-Eigenschaft hinzu, so dass alle Vorlieben optimal befriedigt sind.

(46.1) 11.07.2003, 13:04, Ano Nym: oekonux ist dafür legendär. eine Alternative is das Usenet mit seinen abonnierten Gruppen.

(47) Als Internet-basierte Kommunikationsform haben Mailing-Listen praktisch eine unbeschränkte TeilnehmerInnenzahl. Alle, die möchten, können sich an öffentlichen Mailing-Listen beteiligen.

(47.1) Weitere Eigenschaft, 03.10.2003, 11:36, Stefan Merten: Die Beiträge in Mailing-Listen haben bei den EmpfängerInnen alle die gleiche Sichtbarkeit. Bei klassischen Medien ist dies anders, wo kapitalkräftige Gruppen eine höhere Sichtbarkeit kaufen können. Die Aktivität von LobbyistInnen ordnet sich damit nicht anders ein, als Aktivitäten von Privatpersonen. Eine Orientierung auf ein fachlich gutes Ergebnis wird dadurch begünstigt.

Soziale Eigenschaften

(48) Mailing-Listen sind mehr oder weniger thematisch gebunden. Das heißt, dass die TeilnehmerInnen angehalten sind, sich mit Äußerungen auf der Liste ausschließlich auf das Thema der Mailing-Liste zu beziehen (on-topic). Äußerungen, die sich nicht auf das Thema der Mailing-Liste beziehen (off-topic) sind in der Regel mehr oder weniger verpönt. Diese thematische Bindung einer Mailing-Liste erfordert eine Regulation, die in unmoderierten, für alle offenen Mailing-Listen von den TeilnehmerInnen selbst erbracht werden muss.

(49) In den meisten Mailing-Listen haben zumindest alle TeilnehmerInnen jederzeit Schreibrecht. Dadurch können sie jederzeit zu den Diskussionen Stellung beziehen, die auf der Mailing-Liste aktuell stattfinden. In einigen Mailing-Listen ist es darüber hinaus auch Nicht-TeilnehmerInnen möglich, an eine Mailing-Liste zu schreiben. Im Gegensatz zu Medien mit Schreibmono- oder -oligopolen können sich bei Mailing-Listen also alle einbringen, die das wollen.

(50) Neben der aktiven Teilnahme an einer Mailing-Liste ist auch eine passive Teilnahme möglich. Tatsächlich dürfte bei den allermeisten Mailing-Listen die Zahl der mehr oder weniger passiven TeilnehmerInnen die Zahl der aktiven sogar bei weitem übersteigen. Schreibrecht für alle führt also nicht dazu, dass alle davon tatsächlich Gebrauch machen. Allerdings haben auch passive TeilnehmerInnen grundsätzlich die Möglichkeit zum sofortigen aktiven Eingreifen sollten sie dies für erforderlich halten.

(51) Die Teilnahme an einer öffentlichen Mailing-Liste kann grundsätzlich anonym erfolgen. Selbst wenn auf einer Mailing-Liste die eigene Identität eigentlich offen gelegt werden soll, so ist es in der heutigen Internet-Infrastruktur doch relativ leicht möglich, die eigene Identität durch Angabe eines gefälschten Namens zu verschleiern. Dies ermöglicht, sich auch in solchen Fällen zu äußern, wo eine Person bei bekannter Identität negative Folgen außerhalb der Mailing-Liste befürchtet.

(52) Zwar sind Mailing-Listen grundsätzlich an die Schriftform gebunden, wie bei Mail allgemein üblich ist diese Schriftform aber eng an sprachliche Kommunikationsformen angelehnt. Der Tonfall auf einer Mailing-Liste ist sehr viel persönlicher als beispielsweise in einem Brief oder einem Artikel für eine Zeitschrift. Auch die Möglichkeit, in einem Reply die Kommentare unmittelbar hinter das zu setzen, was kommentiert werden soll, entspricht der Möglichkeit sprachlicher Kommunikation unmittelbar auf das soeben Gesagte einzugehen. Muss der formale Stil klassischer schriftlicher Kommunikationsformen mit ihren Regeln explizit gelernt werden, so stehen die Mittel sprachlicher Kommunikationsformen allen Menschen in mehr oder weniger großem Umfang zur Verfügung. Auch diese Eigenschaft senkt also die Einstiegshürden.

(53) Als Mail-basiertes Kommunikationsmedium ist die Benutzung von Mailing-Listen für die TeilnehmerInnen nahezu kostenlos. Die Kosten der Teilnahme belaufen sich lediglich auf den Empfang und gegebenenfalls das Senden von Mails, die bei dem ressourcen-schonenden Medium Mail recht gering sind. Aber auch der Betrieb einer Mailing-Liste ist mit wenig Kosten verbunden.

(54) Da Mailing-Listen als Kommunikationsmedium bereits seit einiger Zeit existieren, gibt es auch eine Reihe von Software, die den Betrieb von Mailing-Listen weitgehend automatisieren. Es ist für den Betrieb einer Mailing-Liste also reichlich Infrastruktur vorhanden und wegen des hohen Verbreitungsgrads ist auch das Know-How für die Verwaltung einer Mailing-Liste verhältnismäßig weit verbreitet.

(55) Auch die Teilnahme an einer Mailing-Liste ist denkbar einfach. Für eine passive Teilnahme genügt eine Subskription der entsprechenden Mailing-Liste, die beim Einsatz einer Verwaltungssoftware ohne administrativen Eingriff erfolgen kann. Für die aktive Teilnahme genügt es bei offenen Mailing-Listen, eine Mail an die Adresse der Liste zu senden.

(56) Zwar strukturieren sich Diskussionen in Mailing-Listen anhand von Threads in gewissem Rahmen, es entsteht aber nicht von selbst eine strukturierte Sammlung der Informationen, die in einer Mailing-Liste geflossen sind. Eine solche strukturierte Sammlung braucht vielmehr explizites Handeln einzelner Personen. Dies kann z.B. durch eine regelmäßige Zusammenfassung wichtiger Diskussionen entstehen (siehe zum Beispiel Kernel Traffic [http://kt.zork.net/] für Zusammenfassungen von Diskussionen aus der Freien-Software-Szene).

(56.1) strukturkorrektur, 11.07.2003, 02:07, Uwe Berger: http://kt.zork.net/

(57) Insbesondere wenn eine Mailing-Liste der Entscheidungsfindung dient, hat es sich bewährt parallel zu der Mailing-Liste Web-basierte Tools wie Wiki Wiki oder OpenTheory einzusetzen. Damit können die Äußerungen zu einem bestimmten Thema strukturiert gesammelt werden, wobei bei diesen Tools weiterhin die Möglichkeit besteht, dass alle die Aufbereitung verändern können.

(57.1) 11.07.2003, 13:05, Ano Nym: wird denn opentheory noch von anderen genutzt oder ist das hier Eigenwerbung? Stellt Euer System doch mal vor, damit kann man wuchern.

(58) Durch ihre abgegrenzte TeilnehmerInnenschaft bilden Mailing-Listen einen sozialen Raum, der das Entstehen einer Community begünstigt. Eine lebendige Mailing-Liste erinnert ihre TeilnehmerInnen durch jede Mail an ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten (virtuellen) Gemeinschaft.

(59) Diese Gemeinschaft ist durch den gemeinsamen Bezug auf das Thema der Mailing-Liste begründet. Ein kritischer Aspekt für die Herausbildung einer Community bildet dabei erfahrungsgemäß der Umfang des Themas. Ist das Thema einer Mailing-Liste zu klein, so wird die kritische Masse für eine Community nicht erreicht. Ist andererseits das Thema einer Mailing-Liste zu weit, so ist der gemeinsame Bezug zu unklar und es fehlt die Orientierung der TeilnehmerInnen, die Voraussetzung für eine Community ist.

(59.1) Weitere Eigenschaft, 03.10.2003, 11:48, Stefan Merten: Mailing-Listen werden oft als zeitaufwendig empfunden. Die Möglichkeit sich an vielen Stellen einzuklinken wird als Überforderung erlenbt. Hier spiegelt sich allerdings nur die Möglichkeit wieder, sich in sehr viele politische Prozesse einzuklinken, die in klassischen Formaten schlicht nicht gegeben ist. Es handelt sich also um eine Vergrößerung von Handlungsmöglichkeiten. Wie angesichts der gestiegenen Möglichkeiten durch das Interenet allgemein benötigen die Menschen zunehmend eine neue Kulturtechnik, die den individuellen Umgang mit solchen Möglichkeiten vereinfacht.

(59.1.1) Re: Weitere Eigenschaft, 03.10.2003, 11:48, Stefan Merten: Eine Herangehensweise, die auch in der Freien Software praktiziert wird, ist das Vertrauen darauf, dass die entsprechenden Gruppen ihre Sache schon gut machen werden und ein individueller Eingriff daher nicht notwendig ist. Allerdings bietet sich bei Bedarf die Möglichkeit - im Gegensatz zu klassischen Politikansätzen.

Partizipation und Transparenz durch Mailing-Listen

(60) Literaturverweis Demokratietheorie

(61) Betrachten wir Mailing-Listen nun unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten, so ist festzustellen, dass sie hervorragende Voraussetzungen für demokratische Prozesse bieten.

(61.1) vom demokraTisch fällt vielleicht auch mal was runter, 11.07.2003, 02:18, Uwe Berger: Es hat nämlich nur ein Prozent der Weltbevölkerung Zugang zu Computern. Und wie können wir die 99% beteiligen in unserer Eile? Vielleicht mit wachsendem Mitgefühl? Betrachten und diskutieren, daß nur ein Prozent am Handeln ist.

(61.1.1) Re: vom demokraTisch fällt vielleicht auch mal was runter, 11.07.2003, 13:08, Ano Nym: innerhalb der Teilnehmergruppe? Über Mailinglisten wird häufig Information über politische Vrogänge ausgetauscht, damit schafft die Mailinglist-Community einen ausserparlamentarischen Ring um das politische System, der den Mitwirkern an der Meinugnsbildung weit überlegen ist. Eigentlich leisten Mailinglisten heute mehr zur politischen diskussion als die Parteien. Man könnte nebenbei daraus die Forderung ableiten, eine Partei habe unmoderierte Mailinglisten bereitzustellen.

(61.1.1.1) Re: vom demokraTisch fällt vielleicht auch mal was runter, 20.09.2003, 12:50, Stefan Merten: Danke auch für diesen Hinweis. In ähnlicher Form habe ich so etwas auch schon gedacht, aber es ist eine gute Idee, das Thema an dieser Stelle einzubringen.

(61.1.2) Re: vom demokraTisch fällt vielleicht auch mal was runter, 20.09.2003, 12:49, Stefan Merten: Sollte ich den Hinweis tatsächlich noch nicht im Text haben, so werde ich etwas a la "Gilt nur für die, die Zugang haben können und wollen" aufnehmen.

(62) Asynchronität und Schriftform entlasten die TeilnehmerInnen von lästigen Nebenbedingungen, die auf gesprochener Sprache basierende Kommunikationsformen mit sich bringen. Dadurch können auch Personen an einer Diskussion partizipieren, die anderweitig dazu nicht in der Lage wären (z.B. auf Grund familiärer oder beruflicher Verpflichtungen oder auch auf Grund von Behinderungen). Auch die Tatsache, dass Mailing-Listen mit minimalem sachlichen und Kostenaufwand genutzt werden können, erhöht die Partizipationsmöglichkeiten zumindest der Personen, die über einen Internet-Zugang verfügen. Da auch der Betrieb einer Mailing-Liste nur weniger Ressourcen bedarf, ist auch die Einrichtung eines solchen Forums tendenziell allen möglich. Ein Web-Archiv ermöglicht überdies den jederzeitigen Zugang zu vergangenen Diskussionsbeiträgen.

(63) Mailing-Listen schaffen damit eine Öffentlichkeit und eine Transparenz, wie sie in anderen Medien nur schwer und nur mit teilweise erheblichem Zusatzaufwand zu bekommen ist. Wie kaum ein anderes Medium bieten Mailing-Listen nicht nur die Möglichkeit einer passiven Rezeption auch für große Personengruppen, sondern sie bieten gleichzeitig die Möglichkeit aktiven Eingreifens.

(64) Zwar sind die Voraussetzungen für demokratische Systeme in hohem Maße gegeben, es wird sich allerdings später zeigen, dass sich auf dieser Grundlage keine demokratischen Systeme im engeren Sinne ausbilden, sondern dass die gegenüber hergebrachten Medien relativ größeren partizipativen Möglichkeiten zu konsensorientierten Systemen führen.

(64.1) 11.07.2003, 13:09, Ano Nym: demokratie? was ist das? Volksherrschaft, also die Herrschaft/kontrolle der vielen. Eine funktionierende Zivilgesellschaft ist dabei wichtiger als das Abstimmungsverfahren.

Beispiele

(65) Auswertungsgrafiken für alle Mailing-Listen machen: Wer kommuniziert wie oft? Wieviele diskutieren? Wer diskutiert mit wem?

(65.1) Re: Beispiele, 11.07.2003, 09:27, Guido Brombach: Gab es da nicht auf der letzten ox ein Referat von Silvonen über die Aktivitäten einer finnischen LUG? Hier ist der Link: http://home.edu.helsinki.fi/~jsilvone/Linux/silvonen.pdf Das sollte wohl dann auch in die Literaturliste aufgenommen werden. Ich wußte nur nicht worunter ich schreiben sollte...

Allgemeines

(66) * Alle näher untersuchten Beispiele sind nicht in der Dimension von Gesamtgesellschaft aber umfassen doch teilweise relativ große Communities

(66.1) Re: Allgemeines, 11.07.2003, 13:10, Ano Nym: die dem Rest der Gesellschaft durch die Technik überlegen sind.

(67) * Alle Beispiele haben ein relativ konkretes Projekt, dem das gemeinsame Interesse gilt

(68) * Aus der Praxis: War bzw. bin an den näher untersuchten Beispielen zumindest später maßgeblich beteiligt

A-Infos

(69) * Ca. 1000 internationale TeilnehmerInnen

(70) * Bindung der TeilnehmerInnen mittelmäßig, da es sich um einen Standard-Service handelte

(71) * Ca. 5-12 aktive OrganisatorInnen

(72) * Im Wesentlichen ein Nachrichtendienst mit angeschlossener Diskussionsforum

(73) * Orga-Gruppe bildete sich aus Diskussionsrunde

(74) * Freies Projekt

(75) * Kommunikation praktisch ausschließlich über Mailing-Listen und sehr wenig private Mail

Projekt Oekonux

(76) * Ca. 300 TeilnehmerInnen überwiegend aus dem deutschen Sprachraum, dazu viele BesucherInnen der Web-Sites

(77) * Bindung der TeilnehmerInnen relativ hoch, da Teilnahme freiwillig und aus persönlichem Interesse (Beleg: niedrige Fluktuation (mit Zahlen belegen))

(77.1) 11.07.2003, 13:13, Ano Nym: Bindung nach Veranstaltungen. Normalerweise zerlaufen Konferenzen recht schnell. Mit Mailinglisten entsteht dann ein Diskussionskreis.

(77.1.1) 20.09.2003, 13:05, Stefan Merten: Interessanter Hinweis. Habe ich viele Versuche erlebt, aber die wenigsten haben funktioniert. Allerdings ist auch Oekonux praktisch so entstanden ;-) .

(78) * Ca. 5-8 aktive OrganisatorInnen

(79) * Groß angelegte Diskussion rund um Freie Software und ihre möglichen gesellschaftlichen Konsequenzen

(79.1) 11.07.2003, 13:11, Ano Nym: nicht wirklich gross, weil ihr befangen in marxistischer Theorie seid. Wenn auch in der aufgeklärten Krisis-Variante

(79.1.1) 24.03.2005, 23:00, Ano Nym: Quatsch, wir haben sogar einen Weltfaschisten auf der Liste ;o)

(79.1.1.1) 27.03.2005, 05:20, Ano Nym: Oh, das ist aber tatsächlich sehr groß.

(80) * Orga-Gruppe bildete sich aus Diskussionsrunde

(81) * Freies Projekt

(82) * Kommunikation praktisch ausschließlich über im Web archivierte Mailing-Listen und ziemlich seltene Treffen (Konferenzen)

(83) * Zuweilen Unterstützung durch OpenTheory-Projekte

(83.1) 10.07.2003, 17:53, Benni Bärmann: und Wiki ... auch wenn Du es nie benutzt hast.

Verbmobil / SmartKom

(84) * Jeweils ca. 30-100 (je nach Mitarbeitsgrad) deutsche MitarbeiterInnen

(85) * Bindung der MitarbeiterInnen ist erheblich durch Job vorgegeben

(86) * Explizite Systemgruppe bestehend aus 6-9 MitarbeiterInnen übernimmt Koordinationsfunktionen

(87) * Entwicklung großer KI-Systeme

(88) * Forschungsprojekte mit bezahlten MitarbeiterInnen

(89) * Halbjährliche große Treffen und gelegentliche fachliche Workshops

(90) * Kommunikation vorwiegend über Mailing-Listen und private Mail

Weitere Beispiele

(91) * Funktionieren alle auf ähnlicher bzw. gleicher Grundlage

(92) * W3C-Mailing-Listen und Archive

(93) * IETF-Mailing-Listen und Archive

(94) - Zitate aus RFC 2026 als Beleg

(95) * Freie-Software-Projekte mit ihren Mailing-Listen und deren Archiven

(96) * Docutils-Mailing-Listen

(97) * Diese Beispiele bedürfen eingehender Untersuchungen, da hier Entscheidungen in Gruppen täglich ganz praktisch gefällt werden

Entscheidend ist die Community!

(98) Zwar basiert jede Sozialität auf einer bestimmten Technologie, die Technik liefert aber immer nur die Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich soziale Prozesse abspielen können. Und letztlich sind es die sozialen Prozesse zwischen Menschen, als deren Ergebnis zum Beispiel Entscheidungen vorbereitet, getroffen und umgesetzt werden. Die verwendete Technologie ist also relativ zweitrangig gegenüber dem sozialen Prozess.

(98.1) Re: Entscheidend ist die Community!, 11.07.2003, 12:57, Ano Nym: Ich bin ein anhänger des technologischen Materialismus. Die art und Weise wie die Technik strukturiert, organisiert wird bestimmt wie es zugeht. Wenn die mailingliste von der Telekom erfunden worden wäre, müsste man sich vermutlich mit dem Ausweis beim Postamt anmelden und politische Kräfte würden die mailingliste als bigBrother verteufeln und sicherheitsinfrastrukturen fordern. Technologie - Organisation - menschliches Verhalten in dieser Reihenfolge. Ich würde es für wichtig halten, dass ihr noch darauf eingeht warum die Liste das Usenet mit seiner Blockwartmentalität, seinem Spam und seiner Grossrechnerzentriertheit und den komplexen intrasparenten Entscheidungsverfahren abgelöst hat. Des weiteren ob eine Art neues Usenet erzeugt werden könnte mit dezentralen Listenservern und selbst definierten Policies.

(98.1.1) Re: Entscheidend ist die Community!, 15.09.2003, 12:41, Stefan Merten: Mailing-Listen dürften von Idee und Technik her älter sein als das Usenet. Als ich noch im Usenet unterwegs war (10+ Jahre her), gab es auf jeden Fall schon Mailing-Listen. Damals empfand ich das Usenet überhaupt nicht so, wie du es beschreibst. An aktuellen Berichten wäre ich höchst interessiert.

(99) Da Technologie allerdings die praktischen Rahmenbedingungen für jeden sozialen Prozess setzt, können soziale Prozesse sich auf unterschiedlicher technologischer Grundlage recht unterschiedlich entwickeln. Im Extremfall kann ein Wechsel beispielsweise der Kommunikationstechnologie zu einer qualitativen Änderung der sozialen Prozesse führen. Die Technologie schafft diese neuen Qualitäten allerdings nicht, sondern sie ermöglicht lediglich deren Entfaltung. Sind solche neuen Qualitäten im sozialen Prozess nicht bereits angelegt, so kann sie keine Technologie der Welt schaffen.

Entscheidungsprozesse

(100) Selbstredend sind auch Entscheidungsprozesse als soziale Prozesse zu verstehen. Auch sie sind also durch den technologischen Rahmen beeinflusst und die Möglichkeiten, die Mailing-Listen schaffen, haben durchaus Einfluss auf Entscheidungsprozesse.

(101) Es wäre allerdings verkürzt, Entscheidungsprozesse auf den Moment des Treffens einer Entscheidung zu verkürzen. Vielmehr muss für ein umfassendes Verständnis von Entscheidungsprozessen zum Einen der Diskussionsprozess betrachtet werden, der die unterschiedlichen Aspekte eines Sachverhalts beleuchtet und beurteilt. Unter demokratischen Bedingungen sollte dieser Diskussionsprozess in einer größtmöglichen Öffentlichkeit und Transparenz stattfinden und es ist optimal, wenn auch eine aktive Partizipation für möglichst viele möglich ist.

(102) Öffentlichkeit, Transparenz und die Möglichkeit zur aktiven Partizipation sind aber nicht nur abstrakte Forderungen, sondern ihre praktische Anwendung schafft die Grundlage dafür, dass mehr Ideen in einen Entscheidungsprozess einfließen können, dass mehr Perspektiven auf das diskutierte Problem dargestellt werden, und nicht zuletzt, dass die Einsicht in den Problemraum und mögliche Lösungen bei allen Beteiligten sich im Laufe der Diskussion ergeben und nicht nachträglich erzeugt werden müssen. Auf diese Weise ist es einerseits möglich, dass eine möglichst optimale Lösung eines Problems einfacher zu finden ist, da alle Beteiligten in den Diskussionsprozess einbezogen sind. Andererseits ist die Akzeptanz für eine gefundene Lösung hoch, da die Beteiligten sich nicht übergangen fühlen.

(103) Zum Anderen ist es verkürzt, einen Entscheidungsprozess mit dem Finden einer Entscheidung als abgeschlossen zu betrachten. Eine umfassende Betrachtung eines Entscheidungsprozesses muss vielmehr auch die Umsetzung einer Entscheidung in den Blick nehmen, denn was nützt die beste Entscheidung, wenn sie anschließend nicht umgesetzt wird? Dies ist auch in Rechnung zu ziehen, wenn wir die Effektivität verschiedener Entscheidungverfahren betrachten. Ob ein Entscheidungsverfahren gelingt, muss letztlich daran entschieden werden, ob die gefundenen Entscheidungen auch umgesetzt werden. Eine reine Betrachtung des Zeitraums, den ein Entscheidungsverfahren für das Treffen der Entscheidung braucht, ist in dieser Sicht eine untergeordnete Größe. Eine Entscheidung, die lange gereift ist, dann aber von allen Beteiligten konsequent umgesetzt wird, ist durchaus effektiver, als eine Entscheidung, die zwar schnell gefällt wurde, dann aber von den Beteiligten aktiv oder passiv boykottiert wird.

(104) Die Frage der freiwilligen Umsetzung wirkt sich umso stärker aus, je größer der Freiheitsgrad derer ist, die eine getroffene Entscheidung umsetzen sollen. So ist es insbesondere bei Freien Projekten wie denen der Freien Software nicht möglich, die TeilnehmerInnen strukturell oder direkt zu zwingen. Jede gefundene Entscheidung muss also von denen mitgetragen werden, die sie umsetzen sollen. Aber auch in Verhältnissen, in denen die ausführenden Personen zur Ausführung einer Entscheidung gezwungen werden können - Lohnarbeitsverhältnisse mögen hier als Paradebeispiel dienen -, ist ein Mittragen der Entscheidung von großem Vorteil. Ungezählte Entscheidungen sind schon am aktiven, meist aber passiven Widerstand derer zerschellt, die die Entscheidung umsetzen sollten. Dies gilt um so mehr, umso mehr die Ausführenden kreative Leistungen erbringen.

(105) In dieser Betrachtungsweise rückt die Community in den Blick, die den auf ein Thema bezogenen sozialen Prozess trägt. Die Art und Weise, wie Entscheidungsprozesse laufen, beeinflusst die Bildung einer Community erheblich. Öffentlichkeit, Transparenz und die Möglichkeit zur Partizipation schaffen eine tendenzielle hohe Integration der Beteiligten in die Community. Umgekehrt führt eine hohe Integration der Beteiligten, eine funktionierende Community zu einem hohen Maß an Partizipation wo es notwendig ist.

(106) These: Gleichzeitig bildet sich in einer Community eine je eigene Kultur der Entscheidungsfindung. Das Maß an Öffentlichkeit, Transparenz und aktiver Partizipationsmöglichkeit, das durch den technologischen Rahmen von Mailing-Listen möglich ist, scheint mit hoher Regelmäßigkeit zu Strukturen zu führen, die anstatt als demokratisch besser als konsensorientierte Entscheidungsmodelle bezeichnet werden.

Konsens vs. Demokratie

(107) These: Anstatt demokratischer sind tatsächlich konsensorientierte Entscheidungsmodelle die soziale Grundlage der heutigen Internet-Infrastruktur. Dies drückt David Clark vom MIT aus, wenn er das Motto der IETF (Internet Engineering Task Force) als "We reject kings, presidents and voting. We believe in rough consensus and running code." zusammenfasst. Tatsächlich sind die Standards, die die Grundlage des Internets bilden, wesentlich in Mailing-Listen erstellt worden. Die zahllosen Entscheidungen, die bei einer solchen Standardisierung getroffen werden müssen, sind also wesentlich konsensorientiert auf Mailing-Listen getroffen worden. Dass das Internet heute funktioniert, ist ein Beweis dafür, dass konsensorientierte Entscheidungsverfahren mit hoher Effektivität funktionieren und hervorragende Ergebnissen bringen können.

(107.1) Re: Konsens vs. Demokratie, 03.10.2003, 11:33, Stefan Merten: Der Demokratie-Begriff müsste differenziert werden:
* Demokratie als Fortsetzung repräsentativ-demokratischer Staatssysteme
* Demokratie als Entscheidungsverfahren (Abstimmungen, Mehrheiten)
* Demokratie als politische Basiskultur
Dann sollte klar gemacht werden, um welchen es hier geht.

(108) In den näher untersuchten Beispielen sind demokratische Abstimmungen, die zu Mehrheitsentscheidungen führen, nicht nur unbeliebt, sondern würden auch eine synchrone Unterbrechung des ansonsten asynchronen Entscheidungsprozesses auf einer Mailing-Liste erfordern. Immerhin muss für ein demokratisches Abstimmungsverfahren zumindest eine Deadline gesetzt werden, bis zu der die Stimmen abgegeben werden muss.

(109) These: Tatsächlich entwickelt sich durch die permanente Partizipation aller Beteiligten ein Diskussionsprozess, bei dem es gar nicht notwendig ist, an einer Stelle per Abstimmung eine Entscheidung zu erzwingen. Vielmehr durchlaufen Vorschläge für eine Lösung so lange einen Zyklus von Diskussion, Modifikation und neuem Vorschlag, bis keiner der Beteiligten mehr widersprechen muss. Auf Mailing-Listen sind Entscheidungsprozesse somit integraler Bestandteil einer permanenten Diskussion, während die Bestimmung einer demokratischen Mehrheit eine von der problemorientierten Diskussion abgetrennte Sphäre bildet. Im Gegensatz zu einem Abstimmungsverfahren stellt sich eine Entscheidung dann ein, wenn gegen einen Vorschlag keine Bedenken mehr erhoben werden. Der Time-Out wird damit zur wesentlichen Größe in einem konsensorientierten Entscheidungsverfahren.

(110) These: Setzen repräsentative Demokratiemodelle darauf, dass die Beteiligten durch RepräsentantInnen vertreten werden, so ist dies unter den Bedingungen jederzeitiger Partizipationsmöglichkeit nicht mehr notwendig und tatsächlich ist in den näher untersuchten Beispielen auch von Repräsentation praktisch niemals die Rede. Die technische Möglichkeit der unmittelbaren Partizipation, des unmittelbaren Eingreifens in Entscheidungsprozesse scheint zumindest explizite repräsentative Strukturen zwanglos überflüssig zu machen.

(110.1) 10.07.2003, 17:56, Benni Bärmann: und was ist gewonnen, wenn die Repräsentanten jetzt implizit sind?

(111) These: Die Art und Weise der konkreten Entscheidungsfindung strahlt auf den gesamten Prozess der Entscheidungsfindung aus. Wenn das Ziel eines solchen Prozesses Konsens ist, so werden die TeilnehmerInnen - im eigenen Interesse - versuchen, alle Bedenken zu berücksichtigen, so dass niemand mehr widersprechen muss. In demokratischen Modellen, in denen der Sieg in einer Abstimmung das individuelle Ziel eines Entscheidungsfindungprozesses ist, entwickelt sich dagegen eine ganz andere Dynamik. So ist es in konsensorientierten Entscheidungsprozessen nicht sinnvoll, Parteien zu bilden, die zur Organisation von Mehrheiten dienen. Vielmehr kooperieren die Individuen direkt und auf vielfältige Weise miteinander und müssen sich keiner Parteilinie und keinem Fraktionszwang beugen.

(111.1) 11.07.2003, 12:50, Ano Nym: Es gibt ja bestimmte Radikaldemokraten, die immer über alles abstimmen müssen. Damit verliert man u.u. die Handlungsfähigkeit. Bei Mailinglisten ist das eher die Ausnahme. mailinglisten kann man mehr wie traditionelle Clubs oder Szenen ansehen. Man trifft sich und tauscht sich aus, und dann geht es wie bei der Atomexplosion: die kritische Masse wird erreicht und der laden explodiert.

MaintainerInnen-Teams

(112) In zwei der näher untersuchten Beispiele haben sich aus einer relativ großen Community MaintainerInnen-Teams gebildet, die sich explizit um die Organisation des jeweiligen Projekts und damit seinen Fortbestand und seine Weiterentwicklung kümmern. Auch die Working Groups der IETF oder des W3C können als solche MaintainerInnen-Teams betrachtet werden, die sich dediziert um Entscheidungsprozesse kümmern, die für eine große Community von Bedeutung sind. Wird Herrschaft als eine Service-Leistung für eine Community verstanden, so bilden die MaintainerInnen das Herrschaftspersonal. Gemeinsam ist allen solchen Teams, dass sie sich praktisch ausschließlich über spezielle Mailing-Listen organisieren.

(112.1) Re: MaintainerInnen-Teams, 11.07.2003, 09:38, Guido Brombach: Kann man statt Herrschaft auch von Macht sprechen? Oder sieht jemand in der Bedeutung der Wörter einen Unterschied? Nur, damit es auch für mich etwas klarer wird, da ich leider die H.-Debatte in der ox-Liste nicht mitverfolgt habe.

(112.2) Re: MaintainerInnen-Teams, 11.07.2003, 13:18, Ano Nym: Sagen wir doch lieber Dienst, der Unterschied zwischen Herrschaft und Bürde ist hier sehr offensichtlich.

(112.3) Re: MaintainerInnen-Teams, 12.07.2003, 16:42, Stefan Meretz: Was ist denn "Herrschaft als Service-Leistung"?

(112.3.1) Re: MaintainerInnen-Teams, 20.09.2003, 13:27, Stefan Merten: Na z.B. Spam-Bekämpfung.

(113) Diese MaintainerInnen-Teams bilden sich spontan aus einem Bedürfnis der jeweiligen Personen heraus. Sie werden praktisch nie gewählt, sondern bestehen im Wesentlichen aus den Menschen, die sich freiwillig für eine solche Aufgabe entscheiden.

(114) In den meisten Fällen sind MaintainerInnen die Leute, die besonders viel für ein Projekt geleistet haben und leisten und sich besonders dafür einsetzen. Darunter sind oft die ProjektgründerInnen, die in einigen Fällen auch als explizite MaintainerInnen eine leicht herausgehobene Stellung gegenüber den restlichen Team-Mitgliedern haben. Oftmals gilt der Grundsatz der Volunteerocracy: "The one who does the work calls the shots." (siehe z.B. Community Council Proposal, VI., P. [http://council.openoffice.org/CouncilProposal.html]).

(114.1) Call the shots, 13.07.2003, 08:30, Wolfram Pfreundschuh: Dass ist das alte Problem von Gründern und MitmacherInnen. Der/Die GründerIn könnte auch sagen: "Never touch a working machine". Sie haben einen deutlichen Vorsprung an Erfahrung, Wissen, Information, Know-How und jetzt auch noch Daten und Zusammenhängen. Besonders bei Administratoren wirkt sich das zwangsläufig so aus, dass sie sich in ihrer Funktion vereinseitigen, dass sie die Schwächlichkeiten der neuen Anwender, auch ihre Naivität, Themenwiederholung usw. auf Dauer ganz im Widerspruch zu ihrem Interesse erleben, dass "ihre Sache" weitergeht. Deshalb finde ich ein System von Rückkopplung und Mitentscheidungsfähigkeit der User nötig, vielleicht in einem Schlüsselverhältnis der User-Zeit o.ä., vielleicht in einem Verhältnis der Bindung an administrativen oder sonstwie organisatorischen Mitarbeit oder aus beidem.

(114.1.1) Re: Call the shots, 20.09.2003, 13:32, Stefan Merten: Wo siehst du genau das Problem, wenn es Leute gibt, die eine höhere Kompetenz haben als andere? Versuche mal bitte, es jenseits von Machtgefälle zu betrachten.

(114.1.2) Re: Call the shots, 20.09.2003, 13:34, Stefan Merten: Die Zwangsläufigkeit sehe ich nicht unbedingt, aber ich finde es nicht unnbedingt ein Problem, dass sich ein Projekt weiter entwickelt und dann eben auch andere Anforderungen an die TeilnehmerInnen stellt, die aktiv beitragen wollen. Wenn es noch "Rampen" gibt, die von Null zu diesem entwickelten Projekt führen, sollte es doch kein Problem geben - oder?

(115) Die Machtmittel solcher MaintainerInnen sind in allen Freien Projekten extrem beschränkt. Da die ProjektteilnehmerInnen alle freiwillig an einem Projekt teilnehmen, hat eine MaintainerIn nur wenig Möglichkeiten, eine TeilnehmerIn zu etwas zu zwingen. So ist bei unmoderierten Mailing-Listen ja auch gar keine a-priori-Kontrolle über die Äußerungen von TeilnehmerInnen gegeben, die also auch nicht zu einer Einschränkung des Schreibrechts genutzt werden kann. Im Höchstfall ist eine Verbannung aus dem Projekt möglich, die insbesondere eine Verbannung von den entsprechenden Mailing-Listen und damit einen Ausschluss zumindest von der aktiven Partizipation bedeutet.

(116) MaintainerInnen sind aber auch selbst auf den Good-Will der TeilnehmerInnen angewiesen und haben auch von daher ein Interesse daran, zumindest wichtige TeilnehmerInnen im Projekt zu halten. Insgesamt besteht die Aufgabe einer MaintainerIn also vor allem darin, den Konsensprozess zu befördern und für dessen organisatorischen Rahmen zu sorgen.

Konklusion

Entscheidungsverfahren angesichts moderner Technik

(118) Betrachten wir Entscheidungsverfahren umfassend, indem wir sowohl die Phase der Entscheidungsfindung als auch die Phase der Umsetzung einer Entscheidung betrachten, so können wir feststellen, dass Mailing-Listen als technologischer Backbone von Entscheidungsverfahren reichlich Chancen bieten. Die Partizipationsmöglichkeiten, die Mailing-Listen einerseits auf Grund ihrer offenen Struktur und andererseits auf Grund der einfachen und kostengünstigen Technik bieten, machen sie zu idealen Werkzeugen, um Entscheidungen unter Personengruppen zu treffen, die geographisch und/oder zeitlich voneinander getrennt sind. Tatsächlich basieren sehr, sehr viele virtuelle Projekte auf Mailing-Listen als zentralem Backbone - nicht zuletzt die, die die Standards für den virtuellen Raum selbst schaffen. Das Archiv einer Mailing-Liste schafft eine permanente Öffentlichkeit, die auch diejenigen integriert, die sich der Dynamik einer Mailing-Liste nicht direkt aussetzen wollen.

(119) Die soziale Dynamik, die auf Mailing-Listen entsteht, unterscheidet sich erheblich von der, sie sich in demokratisch orientierten Gruppen ausbildet. Anstatt einer Ausrichtung auf das Erringen von Mehrheiten entstehen konsensorientierte Modelle, deren Ziel die maximale Einbeziehung aller Beteiligten ist. Probleme werden so lange diskutiert, bis keiner mehr widersprechen muss. Anstatt, dass sich Parteien ausbilden, die eine regelmäßige Mehrheitsbeschaffung zum Ziel haben, bringen sich die je Beteiligten an einem Prozess mit ihren Meinungen, Ideen und Wünschen als Individuen ein. Da sie auf einem Konsens basieren, haben die gefundenen Lösungen dennoch eine hohe Bindungskraft, so dass die Lösungen effektiv umgesetzt, zumindest aber nicht durch eine Minderheit torpediert werden.

(120) Es scheint, dass die durch das Internet und insbesondere durch Mailing-Listen zur Verfügung gestellte Technologie regelmäßig zu einer sozialen Dynamik führt, die sich in demokratisch geprägten Offline-Communities gewöhnlich nicht ausprägt. Diese konsensorientierte Dynamik ermöglicht ein Maß an Partizipation, friedlicher Konfliktlösung und Berücksichtigung aller Bedürfnisse, wie es in demokratischen Communities nur selten erreicht wird. Mailing-Listen können von daher mit einigem Recht als ein wichtiges Phänomen angesehen werden, das demokratische Werte in einer neuen, noch partizipativeren, noch inklusiveren Struktur aufhebt.

Wofür andere Tools?

(121) Wenn nun Mailing-Listen aber schon solche durchschlagende Wirkung haben, so ist zu fragen, wozu es dann eigentlich noch anderer Tools bedarf. Zwar ist die Frage erlaubt, ob Mailing-Listen auch auf gesamtgesellschaftliche Probleme skalieren, aber immerhin werden in den Strukturen von W3C und IETF Entscheidungen für sehr große Communities getroffen. Und auch dort kommen die Beteiligten ohne Abstimmungen aus.

(121.1) Re: Wofür andere Tools?, 11.07.2003, 12:51, Ano Nym: Es gibt ja auch voting-Tools.

(121.1.1) Re: Wofür andere Tools?, 15.09.2003, 12:45, Stefan Merten: Hast du da Referenzen?

(121.1.1.1) Re: Wofür andere Tools?, 27.09.2003, 17:46, Karl Dietz:
alle listen bei YahooGroups haben die Rubrik "Umfragen" - damit kann sehr einfach eine Umfrage oder Abstimmung erstellt werden.

(122) Mailing-Listen sind wie kaum ein anderes Tool in der Lage, eine Community zu fördern. Wird die soziale Dynamik als entscheidender Faktor von Entscheidungsverfahren gesehen, so muss jedes andere Tool daraufhin befragt werden, ob es eine soziale Dynamik in ähnlicher Weise befördert.

(123) Eine der wenigen Nachteile von Mailing-Listen ist die fehlende Feinstrukturierung von Diskussionen. Allerdings ist für eine inhaltliche Strukturierung in allen Medien ein Mensch nötig, der Inhalte in eine bestimmte Struktur bringt. Hierzu ist es günstig, auf beispielsweise Wiki-Seiten auszuweichen, die eine bestimmte strukturierte Information in statischer Weise vorhalten. Nützlich wären Tools, die die Erzeugung einer inhaltlichen Struktur einer Mailing-Liste einfacher machen.

Welche Fähigkeiten werden benötigt?

(124) Wird ein Internet-Zugang vorausgesetzt, so sind Mailing-Listen von der Technologie her sehr einfach zu handhaben. Die Frage nach den Fähigkeiten ist also vor allem eine nach den sozialen Fähigkeiten. Da Mailing-Listen stark an den üblichen Formen eines gesprochenen Gesprächs bzw. einer gesprochenen Diskussion orientiert sind, sind ähnliche soziale Fähigkeiten gefragt wie in der gesprochenen Kommunikation. Wie bei vielen anderen Internet-basierten Formen, müssen die TeilnehmerInnen hochfrequenter Mailing-Listen die Fähigkeit des individuellen Filterns von Informationen haben. Da keine exekutive Moderation erfolgt, müssen die TeilnehmerInnen sich selbst moderieren.

(125) Eine erhöhte Anforderung stellt sich in vielen Mailing-Listen dadurch, dass alle Äußerungen in einer großen Öffenbtlichkeit, bei offenen Archiven sogar potentiell vor einer Weltöffentlichkeit gemacht werden. Dies erhöht die Hürde, tatsächlich eine Äußerung zu machen. Da eine quasi-anonyme Teilnahme aber in praktisch allen Fällen möglich ist, ist auch diese Hürde zu meistern. Dennoch bleibt die Anforderung an die Beteiligten, ihre Bedenken, Wünsche und Ideen auch tatsächlich zu formulieren und nicht darauf zu warten, dass dies Andere für sie erledigen.

(125.1) 11.07.2003, 12:52, Ano Nym: Privatheit vs. Öffentlichkeit, ich sehe das aber kritischer. Dein Arbeitgeber braucht nur deinen Namen in eine Suchmaschine einzutippen und findet dich auf diversen Mailinglisten mit deinen postings.

(125.1.1) 15.09.2003, 12:46, Stefan Merten: Nur, wenn du mit deinem Klarnamen unterwegs warst. Und davon abgesehen kann das gut oder schlecht sein...

(126) Dies kann dadurch erleichtert werden, dass das Klima auf einer Mailing-Liste freundlich ist und auch Beiträge aktiv ermutigt werden, die vielleicht zunächst seltsam oder gar abwegig klingen. Dies wiederum ist eine Anforderung an alle Beteiligten auf der Mailing-Liste: Erfahrungsgemäß kann ein aktives schwarzes Schaf einer Mailing-Liste nachhaltig Schaden zufügen.

(126.1) 13.07.2003, 23:50, Karl Dietz:
was verstehst du genau unter einem "aktiven schwarzen schaf"? bzw. wie definierst du es? bzw. kannst du bsp. nennen.

(126.1.1) 15.09.2003, 12:49, Stefan Merten: Ein "aktives schwarzes Schaf" ist oben wohl als Troll bezeichnet worden. Eine Person, die gegen die Regeln der Mailing-Liste verstösst und damit die nicht respektiert, die diese Regeln als Gewinn sehen und sich möglicherweise gerade deswegen an einer Mailing-Liste beteiligen. Off-Topic-Mails sind ein einfaches Beispiel.

(126.1.1.1) 16.09.2003, 23:12, Karl Dietz:
ok. wobei "troll" recht klar definiert ist. und "aktives schwarzes schaf" eher nicht. aber wenn du diese beiden benennungen synonym siehst. ok. but? wozu dann eine neue benennung. noch eine frage: wie def. du phase4 in diesem kontext?

(126.1.1.1.1) 20.09.2003, 14:04, Stefan Merten: Was ist die klare Definition zu Troll?

(126.1.1.1.1.1) 27.09.2003, 17:40, Karl Dietz:
http://www.hyphenologist.co.uk/killfile/anti_troll_faq.htm

(126.1.1.1.2) 20.09.2003, 14:05, Stefan Merten: "Aktives schwarzes Schaf" hatte ich nicht wirklich tief überlegt. Meine Hoffnung war, dass jedeR eine Idee von dem bekommt, was ich meine.

(126.1.1.1.3) 20.09.2003, 14:19, Stefan Merten: Ich habe von Phase4 bisher nicht viel mitbekommen. Nach dem was ich mitbekommen habe, betrachte ich sie aber überwiegend als aktive StörerInnen, von denen noch dazu mindestens einer einen starken Hang zu Verschwörungstheorien hat. Für mich hat das nichts mehr mit irgend etwas Sachbezogenem zu tun, sondern ich würde hier ganz andere Kategorien hinzu ziehen, um das Phänomen zu verstehen.

A. Positionspapier

(127) Im ersten Teil werden Mailing-Listen als zentrale Tools zur Entscheidungsfindung beleuchtet. Während ein Abschnitt sich der Technik von Mailing-Listen zuwendet, werden in einem weiteren Abschnitt technische und soziale Charakteristika von Mailing-Listen herausgearbeitet und ihre Eignung für Entscheidungsfindung werden hinsichtlich Transparenz und Partizipation erörtert.

(128) Im zweiten Teil untersucht der Beitrag drei Beispielprojekte, an denen der Autor selbst beteiligt war oder ist. Die Beispiele stammen aus unterschiedlichen Domänen (ein politisches Service-Projekt (A-Infos), ein politisches Diskussionsprojekt (Projekt Oekonux), sowie die Tätigkeit in der Integrationsgruppe zweier großer Software-Projekte (Verbmobil und SmartKom)). Allen Projekten ist gemein, dass sie weitgehend oder vollständig im virtuellen Raum angesiedelt sind. Die Beispiele werden anhand ihrer Charakteristika kurz vorgestellt. Ferner wird auf Ähnlichkeiten dieser Beispiele zu Freie-Software-Projekten und zur Entwicklung des Internet hingewiesen.

(129) Der dritte Teil fasst Entscheidungsfindung als Prozess auf, der in einem sozialen Raum statt findet und neben dem Treffen einer Entscheidung auch den Weg zu einer Entscheidung und ihre Umsetzung in den Blick nimmt. In diesem Zusammenhang wird auf die Unterschiede zwischen konsensorientierten und demokratischen Entscheidungsmodellen eingegangen. Das Modell der MaintainerInnen-Teams, die sich spontan in Projekten bilden, wird erörtert. Nicht zuletzt wird darauf eingegangen, wie die durch die Internet-Technik möglichen sozialen Interaktionsformen Entscheidungsfindung gegenüber nicht-virtuellen Communities insgesamt erheblich verändern.

(130) Die Konklusion wendet sich noch einmal der Frage der Tools zu und fragt, ob es angesichts einer Vielzahl funktionierender Projekte überhaupt weiterer Tools zur Unterstützung von Entscheidungsfindung bedarf und was diese ggf. wirklich leisten müssten. Abschließend wird ein kurzer Blick auf die sozialen Fähigkeiten geworfen, die TeilnehmerInnen an solchen Entscheidungsfindungen beherrschen sollten.

(130.1) 11.07.2003, 13:17, Ano Nym: es muss auch klar gemacht werden, dass Communitys "von oben" nicht funktionieren werden, siehe die ganzen Portale der Regierunsstellen für die viel Geld aus dem Fenster geworfen wurde. Ja sogar Projekte wie Berlios waren aus diesem Grund zum Scheitern verurteilt. Erst kommen initiatoren, dann Leute die partizipieren, aber es gitb keine "Wir machen jetzt eine Community" Sachen - ausser man hat etwas anzubieten.

(130.1.1) 20.09.2003, 13:21, Stefan Merten: Ich würde sagen, Communities funktionieren wenn sie funktionieren. Dadruch, dass es so einfach ist, eine Mailing-Liste zu gründen, werden auch solche gegründet, nach denen tatsächlich kein Bedarf besteht und die dann entweder stumm bleiben oder von Trolls bevölkert werden.

B. Literatur

(131) * FLOSS-Studie

(132) * Cathederal and Bazaar

(133) * Homesteading the Noosphere

(134) * The Magic Cauldron

(135) * Oekonux-Links

(136) * http://council.openoffice.org/

(137) * Debian-Vertrag

(138) * http://www.ietf.cnri.reston.va.us/structure.html

(139) * http://www.ietf.cnri.reston.va.us/rfc/rfc2026.txt

(140) * c't-Artikel zu virtuellen Gemeinschaften

(140.1) 18.07.2003, 18:46, Karl Dietz:
noch eine lit-stelle: Mailinglists und ihre Strukturen : empirische Daten am Beispiel der Mailinglists f=FCr Soziologie und Luhmannsche Systemtheorie Martin Rost. - Vers. 1.0, August 2000. - [Kiel], 2000. - Tab., graph. Darst. 84 Lit. (aus VAB)

(140.1.1) 15.09.2003, 12:47, Stefan Merten: Gibt's da einen Link?

(140.1.1.1) 16.09.2003, 23:08, Karl Dietz:
ich weiss ihn grad nicht, aber zB per google und: vab rost - müsste er schon fast da sein. der link zur VAB ist auch in der ot-linkliste drin. ok. soweit. - noch eine frage: wo wird dieser artikel veröffentlich? bzw. ist er es schon? tnx. k.

(140.1.1.1.1) 20.09.2003, 13:45, Stefan Merten: Der ganze Artikel wird bisher nicht veröffentlicht. Ein ganz kurzer Abriss (knapp 4(!) Seiten in winzigem Format) kommen in die Proceedings der GI-Jahrestagung_2003 Präsentieren tue ich in Kürze im dortigen Workshop_zu_e-Democracy

(140.1.1.2) 20.09.2003, 13:39, Stefan Merten: Der Link ist http://www.netzservice.de/Home/mr/home/auswmail.html

(140.3) 07.10.2003, 12:50, Karl Dietz: #Karl Dietz: Mailinglisten und Newsletter - moderne Werkzeuge für Information und Kommunikation. in: Schnittstelle. Zeitschrift von AKRIBIE, Bielefeld.

(140.4) 01.07.2004, 01:19, Ano Nym:
http://fte.tegtmeyer.net/ml.html


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