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Open Source - 5. Generalisierung
Maintainer: Frank Bauer, Version 1, 05.01.2002
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv
(1) Daten [1] werden im Internet zur flüchtigen Ware. Zeitschriften, Bücher, Musiktitel und Videos sind - z.T. entgegen einer Erlaubnis des Inhabers der Urheberrechte und somit illegal - digitalisiert verfügbar und nahezu uneingeschränkt reproduzierbar. In Netzwerken zirkulieren inzwischen Daten, deren Übermittlung lange Zeit Telefon, Hörfunk, Fernsehen oder Printmedien vorbehalten waren. Die wesentlichen technischen Voraussetzungen für die Übertragung des Open Source-Modells auf die Entstehung, Entwicklung und Verbreitung digitaler Informationen scheinen offensichtlich gegeben zu sein [2].
(2) Obwohl sich mittels elektronischer Datenverarbeitung prinzipiell jegliche digitalen Informationen manipulieren und vervielfältigen lassen können, bestehen jedoch Unterschiede in der individuellen Nutzung und Bedeutung dieser Informationen. Aus diesem Grund gilt es zunächst zu überlegen, ob sich die verschiedenartigen Daten überhaupt für eine dezentrale, kooperative Entwicklung eignen [3].
(3) Im Gegensatz zu solchen Informationen, die vorwiegend im Bereich der Bildung und Wissenschaft entstehen und genutzt werden, erscheint die gemeinschaftliche Weiterentwicklung derjenigen Daten, welche in erster Linie der Würdigung dienen sollen, sich dem Ausdruck der individuellen Kreativität des Urhebers zuschreiben lassen und nur in geringem Maße formalisierbar sind - bei denen es sich also im weitesten Sinne um Unterhaltung und/oder Kunst handelt - weniger sinnvoll [4]. Unter der Annahme, dass akustische und bildliche Daten sowie Kombinationen dieser Erscheinungsformen in erster Linie der Unterhaltung dienen bzw. der Kunst zuzuschreiben sind und dass ihr Urheber - aufgrund von Bedenken, dass ihr ursprüngliches Motiv bzw. ihr Inhalt verlorengehen oder entfremdet werden - einer gemeinschaftlichen, nicht vollständig kontrollierbaren Manipulation dieser Informationen ohnehin in den wenigsten Fällen zustimmen wird, sollen derartige Daten im folgenden nicht weiter berücksichtigt werden [5]. Zudem scheint vor allem die organisatorische Umsetzung einer nicht zuletzt geographisch verteilten Entwicklung derartiger Informationen nur schwer realisierbar zu sein. Aus diesen Gründen konzentrieren sich die folgenden Überlegungen auf schriftliche Daten [6].
(4) Nachfolgend soll untersucht werden, inwiefern das Konzept einer verteilten, DV-technisch unterstützten und lizenzrechtlichen Bestimmungen unterliegenden Softwareentwicklung auf Texte im Allgemeinen angewendet werden kann.
(5) Es ist anzunehmen, dass die Nutzung der vorhandenen, für freie Softwareprojekte typischen DV-technischen Mittel [7] für eine verteilte, gemeinschaftliche Fortschreibung von schriftlichen Daten jeglicher Art ohne weiteres möglich ist. Voraussetzung ist lediglich, dass der Zeichenvorrat, der die Grundlage dieser Daten bildet, von den einzusetzenden DV-Werkzeugen unterstützt wird. Gleichermaßen kann das Concurrent Versions System (CVS) mit beliebigen Textdateien umgehen und ist prinzipiell für einen solchen Zweck nutzbar.
(6) Eine wesentliche Eigenschaft der Open Source-Community ist die ständige Überprüfung und Kritik des Quellcodes durch die Projektteilnehmer mit dem Ziel der Fehlerbehebung. Ein solcher nicht-linearer Peer Review-Prozess ist prinzipiell für schriftliche Daten im Allgemeinen denkbar. Es ist jedoch fraglich, ob Texte generell sinnvoll auf diese Weise fortgeschrieben oder aktualisiert werden können, da im Gegensatz zu Software die Korrektheit zahlreicher Texte häufig nicht überprüft werden kann und subjektiven Vorstellungen unterliegt [8]. Davon abgesehen ist jedoch anzunehmen, dass die Übertragung der in Abschnitt 3.2 genannten organisatorischen Aspekte freier Softwareprojekte auf beliebige textbasierte Projekte möglich ist [9].
(6.1) Re: 5.2 Organisatorische Übertragbarkeit, 16.01.2002, 23:04, Frank Bauer: Die Veröffentlichung der vorliegenden Arbeit auf open theory ist in gewisser Weise als Experiment hierzu zu verstehen. In diesem Zusammenhang möchte ich mich noch einmal bei Stefan Meretz für seine unschätzbare Hilfe bedanken.
(7) In der Vergangenheit wurden eine Vielzahl von Lizenzen mit dem Ziel formuliert, den Gedanken freier Software auf beliebige Texte zu übertragen. Die Initiatoren dieser Lizenzen versuchten i.d.R., die Bestimmungen der GPL an derartige Daten anzupassen bzw. die GPL zu verallgemeinern. Da ihr Inhalt überwiegend das Urheberrecht betrifft [10], soll zunächst die grundsätzliche Verträglichkeit der einer Vielzahl derartiger Lizenzen zugrundeliegenden GPL mit dem deutschen Urheberrechtsgesetz (UrhG) untersucht werden [11], bevor einige dieser sog. Open Content-Lizenzen vorgestellt werden.
(8) Zu den zentralen Bestimmungen der GPL zählt die uneingeschränkte Erlaubnis, jederzeit Vervielfältigungen des Werkes [12] vornehmen und es auf beliebigen Medien verbreiten zu dürfen. Nach §§ 15, 29 UrhG steht dem Urheber dagegen zunächst das alleinige und unübertragbare Recht an der Verwertung seines Werkes zu. Die Formulierungen der Ziffern 4 und 5 GPL deuten jedoch darauf hin, dass durch das Zustandekommen des Lizenzvertrags jedem Lizenznehmer lediglich ein einfaches und an verschiedene auflösende Bedingungen [13] geknüpftes Nutzungsrecht an dem Werk gemäß § 31 UrhG Absatz 1, 2 eingeräumt wird [14]. Durch diese Bestimmungen ist gewährleistet, dass das Urheberrecht bei dem ursprünglichen Autor der Software verbleibt.
(9) Problematisch ist dagegen die in Ziffer 2 GPL eingeräumte Erlaubnis, beliebige Bearbeitungen des Werkes herzustellen und zu verbreiten. Dem Urheber steht in diesem Zusammenhang nach § 14 UrhG das Recht zu, Entstellungen und Beeinträchtigungen, die seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk gefährden können, zu untersagen [15]. Für den Lizenznehmer besteht demnach prinzipiell das Risiko, dass der Urheber das eingeräumte Nutzungsrecht nach § 14 UrhG widerruft.
(10) Ein weiteres Problem wird durch Ziffer 9 GPL hervorgerufen. Dieser Punkt besagt, dass dem Urheber die Möglichkeit zusteht, durch einen entsprechenden Vermerk sein Werk der jeweils aktuellen Version der GPL, welche bei Bedarf an geänderte Bedingungen - bspw. aufgrund technologischen Fortschritts - angepasst werden kann, zu unterstellen [16]. Durch einen solchen Vermerk können somit zukünftig mögliche Verwendungsmöglichkeiten des Werkes lizensiert werden. § 31 Absatz 4 UrhG erklärt jedoch die Einräumung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten für ungültig, ein solcher Vermerk ist demnach unwirksam [17].
(11) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die GPL grundsätzlich mit dem deutschen Urheberrecht konform ist und ihre zentralen Bestimmungen überwiegend als rechtlich bindend bewertet werden. Dennoch sind nach diesem Gesetz einige ihrer Klauseln unwirksam. Die Free Software Foundation (FSF) bemüht sich nicht zuletzt aus diesem Grund darum, spezielle Versionen der GPL zu erstellen, welche an die Bedürfnisse und Besonderheiten eines Staates und dessen gesetzliche Bestimmungen angepasst sind [18].
(12) Zu den nach dem UrhG geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören u.a. Sprachwerke, wie bspw. Schriftwerke, Reden und Computerprogramme. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des UrhG ist lediglich, dass es sich bei diesen Werken um "persönliche geistige Schöpfungen" nach § 2 UrhG handelt.
(13) Im Open Source-Umfeld finden sich verschiedene Lizenzen, deren Autoren im wesentlichen das Ziel verfolgten, den Gedanken freier Software auf beliebige schutzfähige Schriftstücke zu übertragen [19]. Derartige Lizenzen, welche größtenteils in Anlehnung an die GPL formuliert wurden, erlauben i.d.R. jedem, die ihr unterliegenden Dokumente - ggf. bis auf sog. unveränderliche Abschnitte [20] - uneingeschränkt zu nutzen, zu modifizieren, zu kopieren und zu verteilen, wobei modifizierte Dokumente wiederum derselben Lizenz zu unterliegen haben. Darüber hinaus sind das Datum, der Autor und der Inhalt der Veränderungen an geeigneter Stelle kenntlich zu machen.
(14) Zu den gebräuchlichsten dieser Open Content-Lizenzen zählen die GNU Free Documentation License der Free Software Foundation [21], die OpenContent License [22] sowie die Open Publication License [23].
(15) Die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine offene und verteilte Entwicklung bzw. Fortschreibung beliebiger schriftlicher Daten nach dem Open Source-Modell sind demnach gegeben.
(16) Die Übertragung des OSS-Modells auf beliebige Texte scheint prinzipiell möglich zu sein, einige vorwiegend softwarebezogene Dokumentationen wurden zudem bereits unter entsprechenden Lizenzen veröffentlicht [24]. Open Source-Projekte, welche herkömmliche Texte außerhalb des softwaretechnischen Bereichs zum Gegenstand haben, sind jedoch lediglich ansatzweise auszumachen. Eine mögliche Ursache hierfür könnte darin bestehen, dass die Anzahl potenzieller Interessenten für die Fortschreibung derartiger Texte nicht groß genug ist. Zudem scheint der mit der Aufbereitung der Texte für eine Veröffentlichung im Internet verbundene Aufwand vergleichsweise hoch zu sein. Schließlich ist anzunehmen, dass eine wesentliche Schwierigkeit bei der Übertragung des OSS-Modells auf beliebige Schriftstücke in einer geeigneten und sinnvollen Modularisierung derselben besteht.
(17) Eine Generalisierung des Open Source-Modells erscheint theoretisch möglich. Jedoch ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt - nicht zuletzt aus den eingangs genannten Gründen - nicht abzusehen, dass entsprechende Projekte jenseits der Softwareentwicklung die Popularität freier Softwareprojekte erlangen werden.
(18) [1] Unter Daten sollen Zeichen oder kontinuierliche Funktionen verstanden werden, die aufgrund von bekannten oder unterstellten Abmachungen und zum Zwecke der elektronischen Verarbeitung Informationen darstellen. Ihre Erscheinungsform kann schriftlich, akustisch und/oder bildlich sein. Vgl. Biethahn/Mucksch/Ruf (1996), S. 4 f. und Mertens/Bodendorf/König/Picot/Schumann (1996), S. 54 f. Die Begriffe Daten und Information werden im folgenden synonym zueinander genutzt.
[2] Vgl. Köppen/Nüttgens (2000), S. 231 und Meyer (1998), S. 178.
[3] Darüber hinaus müsste im einzelnen geklärt werden, worin der Quellcode der Daten besteht.
[4] Vgl. Stallman (2001b). Es gibt bereits Projekte, die der sog. Net Art zuzuschreiben sind. Obwohl jedoch Net Art ebenfalls auf Software basiert, haben derartige Projekte mit dem OSS-Konzept lediglich das Internet als Kommunikations- und Publikationsmedium gemeinsam. Vgl. Shulgin (2001). Darüber hinaus gibt es seit kurzem mit den Varianten der OpenMusic License und der EFF Open Audio License verschiedene Lizenzen, welche im wesentlichen versuchen, den Gedanken freier Software auf akustische und audiovisuelle Daten zu übertragen. Die Design Science License schließlich wurde als eine das Copyleft-Konzept umsetzende Lizenz für beliebige, dem Urheberrecht unterstehenden Werke formuliert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist jedoch nicht absehbar, welche Bedeutung ihnen zukommen wird. Vgl. OpenMusic Initiative (Hrsg.) (2001), Electronic Frontier Foundation (Hrsg.) (2001) sowie Stutz (2001).
(19) [5] In diesem Zusammenhang ist ferner anzunehmen, dass die Vielzahl der Audio- und Video-Dateiformate eine Übertragung des OSS-Konzepts auf akustische und bildliche Daten erschweren kann. Trotz verschiedener Kompressionsverfahren verursacht schließlich die Bearbeitung, Speicherung und Übermittlung von Audio- und Videodateien einen vergleichsweise hohen rechentechnischen Aufwand.
[6] Der Quellcode einer Software, bei dem es sich um lesbare Anweisungen, formuliert in einer Programmiersprache handelt, gehört demnach ebenfalls zu den schriftlichen Daten, welche allgemein aus Buchstaben, Ziffern und Sonderzeichen eines gegebenen endlichen Zeichenvorrats bestehen und aufgrund bestimmter Regeln zusammengesetzt werden.
[7] Vgl. Abschnitt 3.3.
[8] Um eine Verifizierung beliebiger Texte überhaupt durchführen zu können, müsste zunächst definiert werden, worin ihre Korrektheit besteht.
[9] Einen ersten Ansatz hierzu bildet das Projekt Open Theory, vgl. Open Theory (Hrsg.) (2001).
[10] Aus diesem Grund soll an dieser Stelle auf die Untersuchung der Verträglichkeit des in den meisten (Software-)Lizenzen enthaltenen Gewährleistungs- und Haftungsausschlusses mit dem Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) verzichtet werden.
(20) [11] Obwohl die GPL in den USA formuliert und auf die dortigen Verhältnisse ausgerichtet wurde, ist nach dem Territorialitätsprinzip des internationalen Urheberrechts davon auszugehen, dass bei Fragen, die die Inhalte und den Schutz von Urheberrechten betreffen, das Recht des jeweiligen Schutzlandes anzuwenden ist. Vgl. Metzger/Jaeger (2001) S. 58 f. und Schulze (2001), S. 277 f.
[12] Nach dem UrhG wird jede, den urheberrechtlichen Bestimmungen unterliegende Schöpfung als Werk bezeichnet.
[13] Vgl. Ziffer 4 GPL.
[14] Vgl. Schulze (2001), S. 73 und S. 156 ff.
[15] Vgl. Schulze (2001), S. 84 f.
(21) [16] In Ziffer 9 GPL heißt es u.a.: "If the Program specifies a version number of this License which applies to it and "any later version", you have the option of following the terms and conditions either of that version or of any later version published by the Free Software Foundation."
[17] Vgl. Metzger/Jaeger (2001), S. 67 f. und Schulze (2001), S. 166 ff.
[18] Vgl. Free Software Foundation (Hrsg.) (2001g).
[19] Indem die GPL den Source Code lediglich als "the preferred form of the work for making modifications to it" definiert, ist sie gleichermaßen auf beliebige Daten anwendbar. Voraussetzung ist, dass ein solcher Source Code im Einzelfall existiert und bestimmt werden kann.
[20] Vgl. Anhang A: GNU Free Documentation License.
(22) [21] Die GNU Free Documentation License unterscheidet nach der Art und Weise, in der die ihr unterliegenden Dokumente vervielfältigt und veröffentlicht werden, transparente (transparent) von nicht-transparenten (opaque) Kopien. Eine transparente Kopie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie in einem allgemein zugänglichen Format mit einfachen Texteditoren eingesehen und verändert werden kann. Bei der Veröffentlichung von Dokumenten in einem nicht-transparenten, d.h. nicht in dieser Form lesbaren und i.d.R. proprietären Format, muss jedoch der Zugriff auf die transparente Version gewährleistet sein.
[22] Content wird hier lediglich als "anything that isn't just executable" verstanden. Vgl. OpenContent (Hrsg.) (2001a).
[23] Die Open Publication License bietet dem Autor zudem die Optionen, ohne seine vorherige Erlaubnis weder wesentliche Änderungen an seinem Dokument durchführen zu dürfen noch sein Dokument oder von diesem abgeleitete Arbeiten in "standard (paper) book"-Form zu verbreiten. Nimmt der Autor nur eine dieser beiden Optionen wahr, handelt es sich nicht mehr um ein freies Dokument. Vgl. OpenContent (Hrsg.) (2001b) und (2001c).
[24] Vgl. Linux Documentation Project (Hrsg.) (2001).
(23) Open Source Software konnte in vielen Bereichen der Softwarenutzung zweifelsohne an Bedeutung gewinnen und sich gegenüber proprietärer Software durchsetzen, der Prozess ihrer Entwicklung und Verbreitung scheint sich trotz vereinzelter Anstrengungen traditioneller, kommerziell orientierter Unternehmen nicht aufhalten zu lassen. Die Leistungen einer vermeintlich unprofessionellen und unwissenschaftlichen Hackerkultur scheinen zudem Kritiker, welche die Konzepte und Methoden der Open Source-Community mit "Graswurzelaktivitäten" [1] vergleichen, eines Besseren zu belehren. Freie Software wird proprietäre Software nicht völlig ersetzen oder verdrängen, sie kann jedoch den Softwaremarkt zunehmend beeinflussen und verändern.
(24) Vertreter der Wirtschaft äußern in diesem Zusammenhang die Ansicht, freie Software gefährde Arbeitsplätze und behindere die Realisierung innovativer Entwicklungen [2]. Dagegen scheinen jedoch gerade die Bereiche Internet und Kommunikation, in denen offene Standards von wesentlicher Bedeutung sind, Perspektiven für Unternehmen im Open Source-Umfeld zu eröffnen [3]. Überschaubare softwarebezogene Investitionsausgaben können zudem die Gründung derartiger Unternehmen begünstigen. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass die wirtschaftliche Bedeutung freier Software im Allgemeinen wesentlich von einem zunehmenden Angebot qualitativ hochwertiger Produkte abhängen wird. Letztendlich wird in erster Linie der Wettbewerb als selektiver Mechanismus darüber entscheiden, inwiefern sich das Modell freier Software in ökonomischer Hinsicht durchsetzen kann [4].
(25) Möglicherweise scheint die eigentliche Innovation des Open Source-Modells weniger in der Software selbst, sondern vielmehr in der Reflektion eines organisatorischen Trends zur zunehmenden, grenzenüberschreitenden Kooperation von Menschen über Netzwerke zu bestehen. Die Effizienz freier Softwareprojekte beruht vor allem darauf, unterschiedliche Individuen und Kompetenzen zu integrieren und deren Wissen zu verwerten. Die Open Source-Community gelangte zudem offensichtlich zu der Erkenntnis, dass das Netzwerk nicht nur ihr Kommunikationsmedium, sondern gleichermaßen ihr Publikationsmedium ist. In diesem Zusammenhang besteht jedoch die Gefahr, dass durch ihre zunehmende Popularität und der für jeden offen stehenden Beteiligung Umstände herbei geführt werden, welche sich nachteilig auf die Entwicklung freier Software auswirken können [5]. Der Zwang zum Konsens und die Notwendigkeit zahlreicher Kompromisse aufgrund organisatorischer Skalierungsprobleme können das gemeinschaftliche Streben nach der bestmöglichen Lösung unterwandern und Auflösungserscheinungen begünstigen. Ein Ausweg aus diesem Dilemma bestünde in der Softwareentwicklung unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit, jedoch würde sich die Open Source-Community hiermit den exklusiven Charakter proprietärer Softwareentwicklung, gegen den sie einst angetreten ist, zu eigen machen [6].
(26) Open Source Software kombiniert Erfahrungen aus der Entwicklung und dem Vertrieb von Software mit den Bedingungen einer zunehmenden, weltweiten Vernetzung. Untersuchungen über die Prämissen und Konzepte eines derartigen offenen Systems, das auf der eigenmotivierten Bereitschaft seiner Mitglieder basiert, Informationen uneingeschränkt mit der Gemeinschaft auszutauschen, können zukünftig von allgemeinem Interesse sein. Die Fähigkeit, die mit den Konzepten der Open Source-Community verbundenen Fragen zu beantworten, kann im gleichen Maße steigen, wie sich die Open Source-Bewegung selbst weiterentwickelt. Freie Software vereint technische und gesellschaftliche Entwicklungen unserer Zeit. Inwiefern sie sich als ein neues Modell für die Softwareentwicklung im Speziellen und für eine offene, dezentralisierte Kooperation im Allgemeinen eignet, wird sich in Zukunft herausstellen [7].
(27) [1] Endres (2000), S. 317.
[2] Vgl. bspw. Mundie (2001). "Wenn man öffentliche Mittel dafür einsetzt, um nichtkommerzielle Gebrauchssoftware zu verbreiten, macht man nichts anderes, als einer Industrie, die Arbeitsplätze schafft, das Wasser abzugraben." Endres (2000), S. 318. Anstelle auf ihre vermeintliche Benachteiligung hinzuweisen könnte die Softwareindustrie überlegen, inwiefern sie das Potenzial der OSS-Entwickler für ihre Zwecke nutzen kann.
[3] Die Bedeutung dieser beiden Bereiche unterstreicht die Tatsache, dass auf sie ca. 30% der über SourceForge.net koordinierten Projekte entfallen, vgl. VA Linux Systems (2001a).
[4] Inwieweit die Bedingungen wirtschaftlichen Handelns, welche auf einem Missverhältnis von knappen Gütern zu unbegrenzten Bedürfnissen basieren, überhaupt auf OSS als freies, öffentliches Gut zutreffen, bleibt gleichermaßen abzuwarten.
[5] Vgl. Bezroukov (2001) und Zawinski (2001).
[6] Vgl. Hofmann (2001).
[7] Vgl. Nüttgens/Tesei (2001c), S. 21 f.
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Vorwort
Inhalts- und Abkürzungsverzeichnis
Kapitel 1: Einleitung
Kapitel 2: Grundlagen
Kapitel 3: Open Source Software-Projekte
Kapitel 4: Ökonomische Implikationen
Kapitel 5: Generalisierung