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Atomenergie
Maintainer: Markus Schaal, Version 1, 03.03.2001
Projekt-Typ:
Status: Archiv
(1) Welche Auswirkungen technisches oder menschliches Versagen in einem Atomkraftwerk haben kann, hat das Unglück von Tschernobyl ein für alle mal deutlich gemacht: Ein Gebiet von der Größe mehrerer Landkreise wurde in der Ukraine für mehrere Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte unbewohnbar, mehrere tausend Menschen einschließlich vieler Kinder sind bisher an den unmittelbaren Folgen der Strahlung oder ihren Spätfolgen gestorben. Volkswirtschaftlich gesehen hat der Unfall bisher weit mehr als 10 Milliarden DM an Schäden verursacht.
(2) Keine Technologie ist 100% sicher, das bestreiten selbst die Atomenergiebefürworter in den westlichen Industrienationen nicht. Die modernste Technologie kann versagen; die Technologiegeschichte ist voll davon: Titanic (Schiffsuntergang), Exxon Valdez (Supertankerunglück), Challenger (Raketenexplosion), Eschede (ICE-Ungklück), Concorde (Flugzeugunglück), Kaprun (Bergbahnunglück). Außerdem gab es schon mehrere ernsthafte Störfälle in russischen, französischen, englischen, japanischen, und amerikanischen Atomkraftwerken. Marode Reaktoren werden - in Westeuropa vor allem in Frankreich - über Jahre hinweg weiterbetrieben. Eine transparente Informationspolitik wird wegen massiver wirtschaftlicher Interessen, unerträglicher Arroganz und lächerlichstem Nationalstolz auf eine der menschenverachtensten Militärtechnologien nicht betrieben.
(3) Die Befürworter behaupten, dass das Risiko bei Atomkraftwerken sehr klein sei. Außerdem sei das Leben eben prinzipiell gefährlich, das fängt schon beim Zigarettenrauchen und Autofahren an: Im Durchschnitt sei es viel sicherer, neben einem Kernkraftwerk zu wohnen, als auf der Autobahn zu fahren.
(4) Das mag statistisch stimmen - allerdings nur für den einzelnen Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt! Summiert man alle potentiellen Folgeschäden eines Reaktorunglücks über die Jahrzehnte hinweg auf, ergibt sich ein ganz anderes statistisches Bild: allein die langjährige Unbewohnbarkeit eines mehrere hundert Quadratkilometer umfassenden Gebietes und ganzer Städte und Dörfer ist eigentlich statistisch unfassbar und auch mit hunderten von Autounfällen schwer zu vergleichen.
(5) Das Problem bei Kernkraftwerken ist, dass ein einziger (!) schwerwiegender Unfall ein Gebiet von der Größe eines kleines Bundeslandes für mehrere Jahrhunderte endgültig verseuchen kann, und noch nach Jahrzehnten gesundheitliche Schäden für tausende von Menschen verursachen kann, die z.B. qualvoll an Leukämie oder anderen Krebsleiden sterben müssen. Die meisten anderen Technologien können zwar ebenfalls schwerwiegende Unfälle verursachen und über lange Zeiträume eine ähnliche Anzahl an Opfern produzieren (beispielsweise sterben jährlich zig-tausende von Menschen auf der Straße), aber es handelt sich dann um viele Einzelunfälle, die sukzessive auftreten, und dem Menschen prinzipiell die Möglichkeit lassen, durch kluges und eigenverantwortliches Handeln Risiken zu minimieren oder aus Technologien frühzeitig auszusteigen, bevor es zu schlimm wird. Keine der anderen Technologien - mit der potentiellen Ausnahme von besonders gefährlichen Chemikalien wie z.B. Dioxine oder der Biotechnologie, deren Folgen sich zur Zeit noch nicht abschätzen lassen, hinterlässt für Generationen schwerwiegendste Folgeschäden.
(6) Zu den gravierenden Unfallrisiken der Atomenergie kommt übrigens noch das bisher noch immer nicht gelöste Problem der Endlagerung der radioaktiven Abfälle. Wie man übrigens auf die Schnappsidee einer Endlagerung in Salzstöcken kommen konnte, bleibt rätselhaft: Dass Salzgestein zwar Erschütterungen aufgrund einer gewissen Flexibilität zu dämpfen hilft scheint attraktiv für die Vermeidung von Erdbebenrisiken zu sein, aber andererseits musste doch auch klar sein, dass Höhlen in Salzgestein aus dem gleichen Grund eben auch nicht die stabilsten sein können. Auch die Vorschläge, den strahlenden Müll ins All zu schießen oder in der Antarktis im ewigen Eis zu versenken, zeigen, dass auch die Experten in dieser Frage keine befriedigenden Lösung haben.
(7) Ein Ausstieg aus der Atomenergie muss deshalb sofort erfolgen und nicht erst nach 30 Jahren. Dem Problem der Endlagerung muss man sich leider trotz allem stellen, weil der radioaktive Abfall nun mal da ist. Wichtig ist hierbei, ein geologisch möglichst sicheres Gebiet in großem Abstand zu Grundwasservorkommen und Siedlungsgebieten zu finden.