Home Was ist ot ? Regeln Mitglieder Maintainer Impressum FAQ/Hilfe
Gegenbilder, Kap. 1: Einführung
Maintainer: Gruppe Gegenbilder, Version 1, 18.08.2000
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv
(1) Mit der EXPO 2000 wird eine schöne Fassade vorgeführt. Die EXPO will faszinierende Bilder vermitteln und die Herzen der Menschen für ihr Zukunftskonzept gewinnen. Im Unterschied zu einem Disneyland geht es jedoch nicht um eine fiktive Welt, sondern um die reale Zukunft. Diese Zukunft dürfen die Menschen jedoch nicht selber gestalten, sie ist nicht offen, sondern sie haben zu nehmen, was die EXPO so bunt auftischt und dürfen dann bestenfalls noch "Nachfragen anregen" (Birgit Breuel, EXPO-Chefin). Die Damen und Herren dürfen höflich befragt werden, was sie für die Zukunft vorgesehen haben.
(1.1) Re: 1.1 ernüchternde Nacht, 04.05.2003, 12:44, Uwe Berger: es ist immer eine reale Welt in fiktiven Zukünften. Die Ankunft verhält sich genauso zum Betrachter, wie die Zukunft. Das ist nur nicht 'Zeitreise', sondern mehr 'Zeitspeise', ein 'in sich fühlen' eben nicht 'außersich sehen'. Und ist es nicht höflich, dann herrscht ´ne Gewalt.
(2) In diesem Buch machen wir es uns und Euch nicht so "leicht". Wir tischen Euch nichts auf, was Ihr zu schlucken habt, wir verkünden keine Weisheiten. Wir setzen darauf, daß wir zu einer konsequenten Kritik der EXPO-Inhalte nur kommen, wenn wir alle SELBER DENKEN. Einige Überlegungen dazu wollen wir Euch im folgenden vorstellen. Wir sind die "Gruppe Gegenbilder", unterschiedliche Menschen aus ökosozialen Bewegungen und Theoriezusammenhängen, die sich zusammengefunden haben, um dem Utopie- und Theoriemangel etwas entgegenzusetzen und einen neuen Anfang zu machen bei der Entwicklung von Visionen und Träumen, aber auch Konzepten und Experimenten. Nach Jahren Resignation, Langeweile und Verkrustung, veralteten Aktionsformen und erstarrten Inhalten benötigt politische Bewegung einen neuen Entwicklungsschub hin zu einem visionären, zugleich aber auch kämpferischen, widerständigen und unabhängigen, breiten Netz vieler Aktionsgruppen, Projekte, Einzelpersonen und Zirkel, Häuser und Plätze.
(2.1) Vorbereitungen zur Visionsfindung, 03.05.2001, 18:28, Oliver Bachmann: Lassen wir einfach das geschehen was sowieso schon von vornherein klar war. In jeder Straße bilden sich deutschlandweit kleine Traumzentren, in denen das in die Tat umgesetzt wird, was die Menschen zum schöneren Leben anleitet. Sich gemeinsam kennenlernen. Keller, Partykeller, kleine WGs zu Wohnräumen zusammenschließen um besser zu funktionieren. Noch besser, sich genug Freiraum nehmen zu können um sich zu entwickeln...
(2.2) Mangel, 04.05.2003, 12:50, Uwe Berger: Es ist doch eher ein Mangel an Praxis und `real in den Dingen sein´, und zwar gemeinsam. Jeder verdrückt sich so gut er kann in eine Beobachter Position. Wir müßten SELBER LENKEN und SCHENKEN...
(3) Wir leben in einer visionslosen Zeit. Neue Ideen für die Zukunft sind kaum noch gefragt. Viele Menschen haben sich in die Privatheit zurückgezogen. Individualität ist nur noch das, was es im "Supermarkt der Lebensstile" zu kaufen gibt - nur eine lebenswerte Utopie für alle scheint gerade nicht im Angebot zu sein. Wirklich Neues bewußt zu schaffen scheint keinen Reiz mehr auszuüben. Die Dinge entwickeln sich wie von selbst. Zumindest scheint es so oder wird von denen so verkauft, die tatsächlich die gesellschaftlichen Entwicklungen steuern.
(3.1) 10.08.2001, 12:18, wolfli ??: Die Wunschmaschinen produzieren Wünsche und Utopien. Die Verhältnisse benötigen Utopien.Der Kapitalismus hat ein Utopie- wie auch Determinismusproblem.Die Wunschmaschinen gehören in den Kapitalismus. ("Erdung" der Wunschmaschinen mit der abstrakten Arbeit).
(3.1.1) 04.05.2003, 15:53, Uwe Berger: Das sehe ich auch so, Don Quichot und die WindwunschMWEhlen der Berge, jetzt kommen die Muehen der Ebene, und das wechseln der Vorzeichen: x und +, es ist eben ein Kreuz mit der Prudukterkenntnis, und dann auch noch die Sreu vom Weizen trennen.
(3.2) 04.05.2003, 13:00, Uwe Berger: geht die Suche nicht auch in Richtung Zeitloser Vision, denn alle Lust will Ewigkeit. Schau Dir die Messies an: sie sähen nicht, trotzdem werden sie beim "Ernten von Lebensstilen" gesehen. Wenn diese individuale Gesellschaft sich in den sich selbstentwickelnden Dingen erkennt, mit welchem Aus bzw. Eindruck die Steuerung verknüpft ist, dann erklärt sich Errungenschaft, Streuung und EU-Steuerernte.
(4) Neoliberalismus ist ein Wort für einen Prozeß, der scheinbar von selbst läuft. Globalisierung meint etwas Ähnliches. Das aber ist nur ein trügerischer Schein. Er wird typischerweise in den reichen Machtzentren der Welt so empfunden. Also auch hier in Deutschland, vor allem in den zwei Dritteln der Gesellschaft, die NutznießerInnen sind oder zumindest einen hohen Lebensstandard wahren können. In den ärmeren Regionen dieser Welt würden sicher nur wenige auf die Idee kommen, die Globalisierung als etwas wahrzunehmen, zu dem es keine Alternative gibt, was sich von selbst entwickelt. Ganz im Gegenteil: Fast überall dort werden andere, oft vorhandene und besser funktionierende regionale Strukturen zerschlagen. Globalisierung kommt dort nicht von selbst, sondern wird gewaltsam durchgesetzt.
(4.1) 10.08.2001, 12:54, Wolfli ??: Der Neoliberalismus oder genauer, die Ausformung der "chicago boys", hat nach dem endgültigen Scheitern des Keynesianismus( und des "klassischen" Ordoliberalismus) Ende der 70er Anfang der 80er Jahre sich durchgesetzt. Diese Durchsetzung ist allerdings nichts zufälliges sondern zurückzuführen auf reale - ökonomische Entwicklungen.Die Prozesse der Globalisierung, die dritte industrielle Revolution sind keine Beliebigkeiten. Selbstverständlich gibt es das Gefühl des Nutzens und des Vorteils! Nur es ist immer etwas relatives. Ein Akademiker und Facharbeiter haben mehr "Nutzen" vom System wie ein angelernter Hilfsarbeiter. Nur dieser Wiederum ist im Vergleich mit einem Bauern in Indien ein Millionär. (Mit dem Nutzen ist es im besten Falle wie mit dem Rauchen. Man schlage dem Raucher die Zigarette aus der Hand!). Der Nutzen ist immer relativ und ist nur funktional zu verstehen.(Das nach Aufhebung(=Kommunismus) alle Leute ungehinderten Zugang zu Ressourcen haben sollten, daß der Kommunismus durchgeführter gesellschaftlicher Genuß, und nicht Konsum, sein muß sollte klar sein). Am / über Nutzen oder Nutznießen könnte und sollte man allerdings nicht ansetzen und argumentieren.(Utilitarismus, Rassismus) Das ist so ähnlich wie mit dem Lohnsystem. Die Abschaffung desselbigen ist zu fordern. Die präwarenformigen Strukturen sind mit der Kolonialisierung so gut wie zerschlagen worden. (Aussnahme einige Stämme in den Urwäldern.) Das es aber so etwas wie Traditionen (mentalitätsgeschichtlich), die weiter "wirken" gibt möchte ich nicht ausschließen. Auch "Artefakte". Ob die präwarenförmigen Gesellschaften per se besser waren bezweifle ich. Sie waren anders! Fetischformen gab es auch dort. Das mit den ärmeren Regionen ist wieder Relativ. Ob Ostdeutschland( die DDR) oder Süditalien(z.B.Mafia) besser funktionierten oder funktionieren?Oder die regionalen äußerst brutalen Familiensippen im Mittelmeergebiet und im Orient? (WAS HEIßT BESSER? Liebe, Selle, Selbst, bitte mal Foucault lesen! Ich meine das eben gerade nicht im Sinne postmoderner oder kulturalistischer Beliebigkeit). Das Eintreten für besser funktionierende Regionalstrukturen, die vielleicht für die lokale Bevölkerung tatsächlich besser "funktionieren" könnte, ist ein passiver Abwehrkampf . Im Kapitalismus, dem warenproduzierenden Patriarchat, unteliegt immer der / das Schächere.(Muß etwas funktionieren?)
(4.1.1) Agententheorie, 11.08.2001, 16:46, Stefan Meretz: Ich stimme dir weitgehend zu: Der Absatz - heute gelesen - klingt mir zu agententheorieartig. Es ist ja eine beliebte (völlig inadäquate) personalisierende Kritikfigur, die so geht: "Man erzählt uns, die Globalisierung sei ein quasi-natürlicher, unaufhaltsamer Prozess. Dabei kann man die Verantwortlichen der Globalisierung genau benennen und muss sie entlarven und bekämpfen." Am Ende sitzen die NGOs mit am Tisch und machen Reförmchen und gestalten den Prozess mit.
(4.1.2) Selle, 04.05.2003, 15:59, Uwe Berger: und was heißt das nun? oder wie macht man einen Link dahin. Auf französisch ist das der Sattel. zwischen unterlegen und unterwerfen ist ein diagonaler dialog. Wozu sind Scheuklappen, wer trägt sie, wovor scheut es sich?
(4.2) Lebensstandartenfürer Üwchen:, 04.05.2003, 13:12, Uwe Berger: Mit Alzheimer, Parkinson, Herzinfarkt oder Krebs sieht die Globalisierung von hieraus auch ganz anders aus. Bald sind 50% über 50 Jahre. Es gibt kein Statistisches Dritteln in Roß und Reiter.
(4.3) Neoliberalismus, 04.05.2003, 15:46, Uwe Berger: Wo kommen die Worte her und was sagen sie aus: libra ex libris am Tiber, es ist nicht der Ebro (Euphrat und Tigris). Was wir loben und vom groben Kloben spalten, uns erlauben und verbalisieren, daß werden wir erhalten. Das einzige, was sich immerwieder durchgesetzt hat ist die Schwerkraft, alles andere hat sich durchsetzt miteinander.
(5) Einen Zukunftsdialog gibt es gar nicht mehr. Alles wickelt sich ab, die Menschen sind wie unbeteiligte ZuschauerInnen der Dialoge über die Zukunft. Bei der Expo 2000 sind sie sogar zahlende Gäste bei - angeblich - "der Zukunft", auf die sie null Einfluß haben. Schlimmer noch: Die Menschen reproduzieren die Logik einer Gesellschaft, in der alles verwertet wird, in der alles danach ausgerichtet ist, was es wirtschaftlich bringt. Sehr viele Menschen haben Angst vor Neuem und vor gesellschaftlicher Weiterentwicklung. Gleichzeitig überlassen sie denen, die jeweils Kraft ihrer Position wesentlichen Einfluß auf die Gesellschaft haben und an den Hebeln der Macht sitzen, kampflos das Geschehen - und damit auch den Einfluß auf Veränderungen. Was übrig bleibt, sind Prozesse, die scheinbar von selbst ablaufen, die nicht mehr hinterfragt und erst recht nicht in Frage gestellt werden. Große Erklärungen hat kapitalistische Ordnung nicht mehr nötig - sie ist übriggeblieben und stellt sich selbst wie ein "Naturgesetz" dar. Die Lücke fehlender Begründungen und Legitimation wird verklebt mit Papieren und Konzepten, die als "visionär" bezeichnet werden, aber realpolitischer nicht sein könnten. Die Agenda 21 ist solche ein Beispiel. Wer sie liest, reibt sich vielleicht angesichts des Rufes, den die Agenda genießt, verwundert die Augen: Überall wird der freie Welthandel als Rettung der Umweltprobleme gepriesen, Begrenzungen der freien Wirtschaft werden als die eigentlichen Ursachen für die Umweltzerstörung genannt. Gelöst werden sollen die aktuellen Probleme vor allem mit der Gentechnik, aber auch z.B. mit neuen Atomanlagen. Ist irgendwas an solchen Vorschlägen visionär? Die Agenda 21 könnte aus der Feder des Bundesverbandes der Deutschen Industrie stammen, aber UmweltschützerInnen oder Eine-Welt-Gruppen bezeichnen sie als hoffnungsvolle Vision für das neue Jahrhundert. {"Wie ein Naturgesetz" benannte der Siemens-Expo-Beauftragte Schusser die weitere Entwicklung der Welt hin zu totaler Vermarktungslogik. (Quelle: 4. Projekt ... (1998), Film "Alles im Griff")}
(6) In diesem Moment der Visionslosigkeit, des Erstarrens vor den scheinbar naturgesetzmäßig ablaufenden Veränderungen bietet die Expo 2000 anscheinend etwas Neues. Die Expo will "Lust auf Zukunft" machen. Sie will den BesucherInnen zeigen, daß diese Zukunft, die da naturgemäß kommt, eine tolle Zukunft sein wird. Die Menschen sollen sich auf sie freuen.
(6.1) Lust auf Zukunft, 03.05.2003, 15:17, Kruno Stubican: Die Visionslosigkeit und das Erstarren im "Naturgesetz Marktwirtschaft und soziale Apartheid" geht einher mit LUSTLOSIGKEIT. Die Leute haben keine Lust, sich etwas Neues auszudenken und sich auf dieses Neue möglicherweise auch einzulassen, es in irgendeiner Art zu leben. Lust auf Zukunft, aufgeführt von den Expo2000-Machern, klingt in etwa wie Lust auf Scheisse. Vertrauen in eine Zukunft, wie sie sich Kapital und Marktwirtschaft vorstellen, dürfte nicht sehr ausgeprägt oder überhaupt irgendwie vorhanden sein. Also wie dann? Lust schaffen. Durch Gegenbilder einer möglichen Zukunft. Diese Gegenbilder müssen Lust schaffen. Es sollte im Kopf rumoren und gleichzeitig der Bauch angesprochen sein. Gegenbilder müssen auch lust-ig sein. Um lustig zu sein, ist Zeit von Nöten. Freie Zeit, über die selbst bestimmt werden kann. Lust auf Zeit. Musse. Der Müssiggang in die Zukunft. Ein Weg? Lustvoll muss der Weg sein. Das Ziel besteht schon, jetzt im Augenblick, morgen, in einem Monat, in einem Jahr: Freie Menschen in freien Vereinbarungen.
(6.2) 04.05.2003, 16:05, Uwe Berger: Europa freut sich auf Erica: ein Travesti-Lesbi-patri-penetrieren (Penelope webt das Leichentuch für Odysseus)
(7) Die Wahrheit ist aber eine andere - und die wird schnell deutlich: Die Expo 2000 lügt, wenn sie nur eine Vision als die einzig mögliche darstellt. Die neue, neoliberale Welt ist kein Naturgesetz, auch wenn die Entwicklung dahin aus sich selbst heraus läuft und von vielen Menschen (nicht nur denen "da oben") reproduziert wird. Markt und Kapitalismus steuern und reorganisieren sich ständig selbst. Dadurch wirken sie tatsächlich wie eine Gesetzmäßigkeit. Dieses gilt aber nur innerhalb der gesteckten Rahmenbedingungen einer an Verwertungslogik und Profit orientierten Gesellschaftsform. Werden auch Zukünfte außerhalb dieses Systems einbezogen, so ist die Expo-Vision nur noch eine der möglichen Zukünfte - und zwar die von den Expo-MacherInnen gewollte, kapitalismuskonforme. Auf dem Weg zu dieser Welt würden die, die Neoliberalismus und Globalisierung wollen, Menschen und ihre Widerstände, andere politische und ökonomische Strukturen gezielt zerschlagen.
(7.1) gezielt zerschlagen, 04.05.2003, 16:11, Uwe Berger: na mal sehen, wie´s sich dann trifft, wen es schmerzt und was dann sichtbar übrigbleibt. Ich befürchte das auch und kann da nur das TaoTeKing dagegenhalten: der Weg ist breit und leicht zu beschreiten, aber die Menschen lieben die Saumpfade...
(8) Doch ein Gutes hat die Expo 2000: Sie zeigt nach vielen Jahren ohne Zukunftsdebatte erstmals wieder ein Rund-um-Entwurf. Das ermöglicht die Debatte, wobei klarzustellen ist, daß der Expo-Entwurf aus Sicht derer, die eine selbstbestimmte Gesellschaft wollen, genau der falsche ist.
(9) Die Expo behauptet, "die Zukunft" zu zeigen. Dabei ist es nicht mehr als ein möglicher Zukunftsentwurf. Spannend wäre, genau das deutlich zu machen: Es ist ein möglicher Entwurf und zwar ein ziemlich beschissener. Machen wir einen eigenen Zukunftentwurf! Zeigen wir, daß nicht nur Konzerne, Regierungen, Institutionen und etliche Einzelpersonen bestimmen, wohin sich die Welt entwickeln soll. Zeigen wir, daß ihr Vorschlag sich nur innerhalb eines irren, amoklaufenden Systems bewegt, in dem es nur darum geht, aus Geld mehr Geld zu machen - egal womit und egal mit welchen Folgen für Umwelt und Menschen. Jenseits des Geld-Mehrgeld-Wahnsinns gibt es Alternativen, doch die Expo-MacherInnen wollen keine Zukunftsdebatte. Deshalb präsentieren sie die Expo auch nicht als Vorschlag für die Zukunft, sondern als Zukunft selbst. Alle scheinbare Vielfalt bleibt innerhalb der vorausgesetzten "naturgesetzlichen" kapitalistischen Welt. Diese Welt "soll" nicht kommen, sondern sie "wird" kommen. Und die Expo würde sie nur schon mal vorab erlebbar machen. Dieser Unterschied ist ungeheuerlich - da maßt sich eine Gruppe mit klaren politischen Interessen der Profitmaximierung und der Sicherung bestehender Herrschaftsstrukturen an, ihren Vorschlag für eine Zukunft zu der einzig möglichen zu machen, die angeblich auf jeden Fall eintreten werde. Und das Ganze bezahlen sie dann noch nicht einmal selbst, sondern die Menschen, on deren Köpfe sie diese Zukunft als Naturgesetz eintrichtern wollen, sollen das per Eintritt selbst tun - der Rest ist Sache der SteuerzahlerInnen, die das Defizit zu tragen haben - also auch wieder als Objekte.
(10) Die Expo-Strategie ist geschickt - solange sie aufgeht. Wird die Expo aber als Vorschlag für eine ganz bestimmte Zukunftsvariante unter vielen möglichen wahrgenommen, könnte sie sich in ihr Gegenteil verkehren. Dann nämlich böte die Expo die Möglichkeit, diese Variante zu kritisieren und gleichzeitig andere Zukunftsszenarien vorzuschlagen. Die Expo-MacherInnen würden nicht mehr die neutralen DienstleisterInnen sein, die nur der Menschheit verpflichtet sind, in dem sie ihnen mit großem Aufwand und dem Geld der Menschen vorführen, was unabänderlich kommt, sondern sie würden erkennbar werden als Interessengruppe, die ein ganz bestimmtes Weltbild gerne hätte und dafür wirbt. Dieses Weltbild ist von ihren Interessen geleitet, der Profitmaximierung und langfristigen Ausbeutbarkeit von Menschen und Natur. Nach dieser Entlarvung würden sie es bedeutend schwieriger haben, zu begründen, warum die Welt so aussehen soll wie es die Expo zeigt. Zudem müßten sie die Frage beantworten, warum die Menschen eine Werbeschau bezahlen sollen, die den Interessen der Konzerne dient. Und schließlich könnte die Kritik an der Vision der Konzerne und Regierungen provozieren, daß andere Entwürfe gegen sie gestellt werden. Dann hätte die Expo ihren Sinn - sie wäre der Auslöser einer öffentlichen Debatte über die Zukunft und über die Frechheit einiger weniger, sich das Recht herauszunehmen, allein über die Zukunft bestimmen zu wollen.
(11) Genau das versuchen die Expo-MacherInnen mit allen Mitteln zu verhindern. Darum haben sie Umweltgruppen, Gewerkschaften, Kirchen, Eine-Welt- und Jugendgruppen, Frauenorganisationen und viele mehr eingekauft oder auf andere Art für die Expo gewonnen: Zum einen um das Bild zu verfestigen, sie würden "die" eine wahre Zukunftsversion vorstellen, zum anderen aber auch um die Gefahr zu senken, daß ihr Vorschlag entlarvt und zur Disposition gestellt wird. {Zur Zeit der Fertigstellung dieses Buches, im Juni/Juli 2000, schien sich aber eher abzuzeichnen, daß die Expo ihre Botschaft selbst nicht rüberbringt und auch die Besuchszahlen ein Flop werden. BilliglohnarbeiterInnen werden entlassen, die ManagerInnen bleiben. Die SteuerzahlerInnen werden noch mehr in die Tasche greifen müssen - und wahrscheinlich kommt eine Preisermäßigung für SozialhilfeempfängerInnen, denn für eine Verbesserung der Statistiken sind diese gut genug.}
(12) Und genau da muß Anti-Expo-Arbeit ansetzen. Sie muß demaskieren, die Expo als Werbeveranstaltung für eine technologiefetischistische, menschenverachtende Zukunftsvariante angreifen und demontieren. Und sie muß dazu aufrufen, daß Zukunftsgestaltung nicht den Spitzen von Konzernen und Regierungen überlassen werden darf, sondern Sache der Menschen selbst ist. Wenn ihr das gelingt, wird die Expo 2000 das größte Eigentor, das sich die Kräfte, die die Welt nach Kriterien der Kapitalverwertung gestalten und ihre Interessen als Naturgesetz verkaufen wollen, je geschossen haben. Dieses Buch ist ein Beitrag dazu. Tatsächlich wird dieses Eigentor, bleiben wir beim Sportvergleich, nur der Anschlußtreffer sein. Die Aufholjagd aber wäre eröffnet, den neoliberalen MacherInnen der aktuellen Weltordnungen die Zukunftsgestaltung zu entreißen und sie durch sowie für die Menschen zurückzuerobern. Es wird viele weitere Symbole und Möglichkeiten geben, die bestehenden Verhältnisse anzugreifen. Ein-Punkt-Bezüge in politischen Gruppen und die Neigung zu Miniforderungen in der Hoffnung, dann wenigstens ein bißchen Erfolg haben zu können, müssen dazu überwunden werden.
(12.1) Anschlußtreffer, 04.05.2003, 16:23, Uwe Berger: Und "imagine: there are hooligans, find their power to love", vergebens war die Lieblosigkeit, in der sie groß und stark geworden sind, Vergebungssüchtige Suche als sachliches Problem der Organisatoren.
(13) Pragmatismus in der politischen Arbeit und klare Positionen bis zu Visionen stehen in einem interessanten Verhältnis zueinander. Sie sind keine Gegensätze, sondern der Pragmatismus, also die Ausrichtung daran, was gerade machbar ist, gewinnt durch die Utopie seine Richtung und seinen Schwung. Zudem wird verhindert, daß Teilschritte schon als Erfolg abgefeiert werden. Visionen sind wie ein Magnet, der die realen Verhältnisse und auch die Vorschläge zu Teilveränderungen immer ein Stückchen höherzieht. Ohne Visionen und klare Forderungen wird es gar keine Erfolge politischer Arbeit geben. Gleichzeitig aber müssen Visionen gefüllt werden, Konzepte und Experimente erarbeitet und umgesetzt werden, damit aus dem Traum Wirklichkeit wird.
(13.1) Wirklichkeit wird Traum, c´est la vie., 04.05.2003, 16:27, Uwe Berger: Wir brauchen nur aufwachen.
(14) Welcome to future - dieses Expo-Motto, dort nur als Konsumanreiz gemeint und den Menschen in die Rolle des handlungslosen Betrachters setzend, könnte auch unser Aufruf als AutorInnen dieses Buches stammen. Wir aber meinen damit den Beginn einer kreativen, mutigen und widerständigen Diskussion um mögliche Zukünfte sowie die Wege dahin. The future is unwritten. {"The future is unwritten" ist ein wichtiges Motto aktueller internationaler Proteste, das sich gegen die Allmacht und Alternativlosigkeit der herrschenden Verwertungslogik wendet.}
(15) Könnt Ihr Euch noch an die alten Zeiten erinnern, als wir die EXPO in Hannover blockieren wollten? Das war im Jahr 2000 - und heute, 30 Jahre später - haben wir den Salat. Viel zu spät war das alles und auch wir hatten noch ganz schöne Bohnen im Kopf. Ungefähr die Hälfte unsrer Arbeitszeit geht drauf, die schlimmsten Verwüstungen der letzten Jahrzehnte einigermaßen aufzuhalten und das Leben lebenswert zu erhalten. Na ja, allzu viel Arbeit ist es trotzdem nicht und jede/r Einzelne kann sich aussuchen, was sie oder er machen will. Wer eine Idee oder ein Bedürfnis hat, fragt rum, wer Lust hat mitzumachen bei der dazu nötigen Arbeit und dann geht's los. Nur wir Älteren können den Jungen noch erklären, wieso die Altvorderen dazu zentrale Planer bzw. anonyme Märkte brauchten. Wir haben uns letztens die alten Filme von der letzten Weltausstellung EXPO aus dem Netz gezogen. Hier haben wir den vollen Kontrast. Wenn uns diese bombastische Zukunftsvision nicht vieles in der Gegenwart kaputt gemacht hätte, könnte man ja fast über die Dummheit der Leute lachen. Die gaukelten da ein totales Disneyland-Zukunftsbild vor; sogar die scheinbaren Alternativen blieben alle im Rahmen der Vorstellung derer, die die ganzen globalen Probleme erst erzeugt hatten. "Es ist sehr zu begrüßen, daß diese Agenda 21 sich zu einer Art von wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ordnung bekennt, der gerade die Bundesrepublik Deutschland seine positive Entwicklung im letzten halben Jahrhundert verdankt." (Generalkommissariat 1996, S. 41). An Deutschland sollte man sich also orientieren: "Die Kompetenz Deutschlands als führende Nation in Verkehrsfragen ist im Bereich Mobilität unter Beweis zu stellen." (EXPO GmbH 1997, S. 37). Auweia, das wäre aber was geworden! Sogar die Gewerkschaften posaunten in dieser Richtung: "Das bewährte bundesrepublikanische Gesellschaftsmodell der sozialen Marktwirtschaft bietet die besten Voraussetzungen, unter den Bedingungen der Globalisierung der Industrie, Dienstleistungs- und Finanzmärkte das Miteinander der Menschen lebenswert zu organisieren. Unsere Erfolge und unsere Zukunftsperspektiven wollen die Gewerkschaften im Deutschen Pavillon der Welt präsentiert sehen." (Issen 1997, S. 1)
(15.1) Re: 1.2 Erinnerungen an die Zukunft, 04.05.2003, 16:35, Uwe Berger: Naja, vor drei Jahren zu Weihnachten (oder war´s 2023), als drei Gewrkschaftsfunktionäre bei uns Weinachtsmann spielen wollten, habne sie nur in die großen Augen unserer Kinder geschaut und sind erstmal vor die Tür gegangen, weil sie heulen mußten, weil sie gesehen haben, wer hier wem was zu bieten hat.
(16) Es wurde zwar so getan, als sollte mit der Orientierung auf das Motto "Mensch-Natur-Technik" endlich eine Art ökologischer Kapitalismus entstehen, aber eigentlich schadete das dem ökologischen Anliegen nur, weil die Lösung total in die falsche, nämlich die technokratische Richtung orientiert wurde. Die Arbeitswelt stellte man sich z.B. so vor, daß alle Menschen ihre Leistungen möglichst einzeln in der ganzen Welt anbieten müssen und sie sich auch entsprechend mobil und flexibel auf die Märkte die globalisierten Produktionsprozesse einstellen müssen. Die Menschen sollten der Flexibilität der Internet-Technik folgen und nicht etwa die Technik den Bedürfnissen der Menschen!!! Kann sich das heute noch eineR vorstellen?! Die Internettechnologie geriet dabei sogar in Verruf und viele alternative Menschen lehnten sie ab, weil sie die Herrschaft der Börsianer und Weltkonzerne natürlich erstmal total unterstützte, ausweitete und vertiefte. Heute nutzen wir sie, indem wir die dezentralisierten Produktionskomplexe mit ihrer Hilfe koordinieren. Ohne diese weltweite Vernetzung wären unsere heutigen dezentraliserten Wirtschafts- und Lebenskomplexe wieder im mittelalterlichen Klein-Klein gelandet und wir würden wieder wie einst den lieben langen Tag schuften müssen. Das ist ein Punkt, den unsere Jüngeren gar nicht mehr verstehen, und wir auch kaum noch: Wir wurden nicht etwa ge- und verkauft wie die Sklaven, die sich nicht wehren konnten, wir boten uns, unsere Leistung, d.h. unsere Lebenszeit und -kraft sogar selber verzweifelt auf den sogenannten Arbeitsmärkten an. Wie gesagt, die EXPO verdeutlicht, um wieviel schlimmer es heute geworden wäre, wenn es uns nicht zu bunt geworden wäre. Gefragt hat uns ja damals in Bezug auf die EXPO niemand, uns wurde einfach eine Zukunft vorgesetzt und möglichst schmackhaft gemacht. Viele bombastische Shows, die Augen liefen über vor 3-D-Simulationen, interaktiven Terminals und in der Masse rumgaffender Menschen vergaß man sich fast selber...
(16.1) vergaß sich fast wieder alles, 04.05.2003, 16:45, Uwe Berger: Die Verwachsenen wollten gleich wieder so doof rum diskutieren bis nach Sylvester. Nun die Kleinen: sie öffneten den Mund zum Reden und viel es nicht wie Schuppen von den Augen, goldige Schuppen, als hätte Godzilla alle aus der Stadt, genannt die Bunte Kuh, geführt. schmackhaftes fürchterliches Frühstück der VergeßlichHeit
(17) Wenn man sich heute wundert, wie stark die EXPO-Macher ihre eigenen Vorstellungen allen anderen als selbstverständlich aufdrängen wollten - sie meinten, ihre Zukunft käme "wie ein Naturgesetz" - dann muß man verstehen, daß damals viele dachten, die Technik würde nur in jeweils eine Richtung weiterentwickelt werden können. Wenn man die Gene studieren könne, müsse es ja auch eine Gentechnologie geben. Und wenn es die Technologie gebe, müsse sie auch gemacht werden. Komisch, daß die sich nur jene Teile des Möglichen aussuchten, bei denen einige große Konzerne das große Geld zu machen hofften! Die EXPO war nicht etwa eine große Diskussionsplattform für die hervorragenden neuen Möglichkeiten für die Menschheit, die sich spätestens am Ende des 20. Jahrhunderts überdeutlich zeigten - nein, es sollte lediglich das angepriesen werden, was einige sich ausgedacht haben: "Der Themenpark soll den technischen "state of the art" darstellen, also Akzeptanz für neue Technologien schaffen" (EXPO GmbH 1997, S. 48).
(17.1) Genauestes generieren, 04.05.2003, 16:47, Uwe Berger: Und sie wollten immer von Außen was dran drehen, derweil hat sich Innen alles entfaltet. stupit white men
(18) Heute kann auch ein großes Genie nicht einfach irgend etwas ausbrüten und durchsetzen, sondern er wird nur dann Unterstützung finden, wenn genügend Menschen seine Idee auch wichtig finden und ihn dabei unterstützen und mitmachen. Deshalb haben wir ja auch das Raumfahrtprogramm auf einige Satelliten beschränkt. Niemand von uns will - zumindestens derzeit - wöchentlich ca. 3 Stunden mehr arbeiten, damit weltweit jährlich eine Rakete hochgeschossen werden kann. Ich arbeite im Moment in einem Geschichtsprojekt. Vor einigen Wochen habe ich keine Lust mehr gehabt, in der Milchtieranlage zu arbeiten, was mir eine Weile viel Spaß gemacht hat. Ich merkte, daß die alten Leutchen, die noch viel von den Zeiten wußten, als wir hier in Europa zum größten Teil von der Futtermittelproduktion in fremden Ländern lebten, langsam verschwinden und es wichtig sein würde, deren Wissen zu konservieren. Auf meine Anfrage im Netz fanden sich einige Interessenten und seitdem arbeiten wir zusammen. Jemand hat z.B. ausgegraben, daß unsere Art und Weise, miteinander zu produzieren und uns zu koordinieren gerade zu der Zeit der EXPO 2000 erstmalig kleine Erfolge hatte. Der Vor-Vor-Fahre unsrer besseren Rechnerprogramme war damals noch innerhalb der alten Wirtschaftsweise durch freiwillige Kooperation von Programmierern entwickelt worden. LINUX hieß das damals. Programmieren ist nicht so meine Welt, ich mach lieber was Handfesteres. Aber die Prinzipien der Linux-Produktion (nach Merten 2000) ließen sich verallgemeinern:
(18.1.1) Nützlichkeit, 11.08.2001, 16:38, Stefan Meretz: Nutzen oder Nützlichkeit ist hier im Bezug zu den Individuen gemeint: Kann je ich die Software für meine Zwecke gut (be-)nutzen? Ist sie für je mich nützlich? Befriedigt sie je meine Bedürfnisse? Nutzen ist hier nicht im Sinne der Kapitalverwertung gemeint (Kosten-Nutzen etc.).
(18.2) Unterstützung finden, 04.05.2003, 16:51, Uwe Berger: Hey, genau deswegen bin ich hier. mailto: uwe@c-base.org http://www.kleinekapellecoethen.de
(19) Vielleicht brauchte es dazu wirklich erst die Technologien, die gegen Ende des 20. Jahrhunderts bereit standen. Nicht nur dezentrale Energieumwandlungstechnologien, (an Region und konkrete Bedürfnisse) "angepaßte Technologien" sind wichtig dafür, sondern vor allem die neuartigen Produktionstechnologien, die damals "dezentrale Produktions-Planungs- und Steuerungstechniken", Universalmaschinen und ähnlich genannt wurden. Auf Basis dezentral-vernetzter Produktion ist auch sofort eine ökologisch angepaßte Produktion möglich - aber dann muß die Koordination eben in den Händen der "Prosumenten" selbst liegen, nicht von irgendwelchen Börsenkursen (der "Wert" auch von Produktionsanlagen wurde nicht von der Bedürfnisbefriedigung bestimmt, sondern von Erwartungen von Spekulanten, denen es bloß um die Vermehrung ihres Geldes, des Kapitals ging) und Renditeerwartungen (daß aus dem eingesetzen Geld MEHR wird) der sogenannten Investoren abhängen. {Prosumenten sind Konsumenten, die direkt vor und während der Produktion durch die Festlegung ihrer Wünsche und Parameter "mitproduzieren".}
(20) Ich habe meine "Herumzieh"-Jahre längst hinter mir, aber es hat Spaß gemacht, einige Jahre von Kommune zu Ökodorf und Stadt und wieder zurück zu ziehen (wie einst die Gesellen), um mich auszuprobieren. Ich habe jetzt eine recht stabile "Wahlverwandtschafts"-Gemeinschaft für mein engeres Lebensumfeld gefunden. Arbeitsmäßig koordinieren wir uns natürlich weitläufiger, viel effektiver. Entweder aus meinen Wanderjahren oder übers Netz vermittelt finde ich immer Kooperationspartner für meine Ziele oder beteilige mich an Projekten anderer. In den alten EXPO-Zeiten regelte das nicht etwa der direkte Austausch nützlicher Leistungen und Güter, sondern da gabs Geld in einer Form, in der es immer mehr werden sollte (das Geld, nicht etwa der Nutzen der Arbeit! Das Geld war dann "Kapital" - daher der Name Kapitalismus für diese Zeit). "Verstärkter Wettbewerbsdruck macht weitere Produktionssteigerungen unumgänglich" (v. Pierer 1998, o. S.) wurde das dann genannt. Nur deshalb meinte man, immer mehr Energie zu brauchen und für dieses "globale Problem" hielt man als Antwort die Kernenergie bereit. Konnten die sich damals nicht vorstellen, wie viele verstrahlte Gebiete für uns nun auf ewig gesperrt sind? Nicht nur, wo ein Kernkraftwerk stand, sondern wo sein Zeugs entsorgt wurde und mitunter auch an Stellen, wo wirklich fahrlässig damit umgegangen wurde. Was wir den Jüngeren gar nicht erklären können ist die Tatsache, daß viele, die sich als junge Leute mal im Sinne von Umweltschutz engagiert hatten, sich später auf dem Weg ihrer Karriere dazu bereit erklärten, die scheinheiligen Behauptungen auf der EXPO zu unterstützen. In den Unterlagen der EXPO ist überhaupt gar nichts mehr von ihnen dokumentiert - dabei hatten sie doch behauptet, mit ihrer Beteiligung an der EXPO der Ökologie mehr Gewicht geben zu können. Wir finden nur die alten Verträge mit den großen "Partnern" McDonalds (Schnelleßrestaurants mit ungenießbaren fleischverschwendenden Ekelnahrungspaketen), Fluggesellschaften usw. Na klar, die führende Rolle der Unternehmen war ja auch festgeschrieben: "Die Wirtschaftsaussagen im Deutschen Pavillon werden von der BG (EXPO-Beteiligungsgesellschaft der Deutschen Wirtschaft) eingebracht. Nur Gesellschafter der BG können daran mitwirken. Insbesondere sollen die Lösungskompetenz der deutschen Unternehmen und die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland herausgestellt werden." (Beteiligungsgesellschaft 1998, o. S.). Wen wunderts. Im Nachhinein zeigt sich, daß nach der EXPO sich eigentlich niemand mehr Hoffnungen unter dem Motto der "Nachhaltigkeit" und "Zukunftsfähigkeit" mehr machen konnte. Mit den Inhalten der dort als Lösung angebotenen Visionen wurde endgültig auch deren Begrenztheit offensichtlich. Vorher konnte sich ja jedeR in den Begriff der Nachhaltigkeit hineininterpretieren, was sie/er wollte. Nun wurde das klargestellt: "Mit den Aussagen der deutschen Wirtschaft wird das Thema der nachhaltigen Entwicklung offensiv angegangen. Es wird klargestellt, daß die bisher mit dem Begriff Nachhaltigkeit in der öffentlichen Meinung in Verbindung gebrachte Verzichtsdoktrin kein gangbarer Weg sein kann. Nachhaltigkeit meint nicht quantitative Rückschritte, sondern qualitative Fortschritte und das Nutzen der technologischen Potentiale." (Beteiligungsgesellschaft, o. S.). Schöne Worte und viel dahinter. Wer hat nicht der Welt schon alles Fortschritte versprochen. Vielleicht kann man im Nachhinein nie verstehen, warum so viele Leute damals immer wieder daran glaubten.
(21) Ich gehöre noch zu jenen, für die die Einführung unserer neuen Lebens- und Wirtschaftsweise, welche allen genügend Freiraum für IHRE Vision und ihre Tätigkeit gibt und unsere Kräfte gleichzeitig verbindet, etwas Neues war. "Es gibt keine Vorgaben, wie etwas zu laufen hat, und folglich gibt es auch verschiedene Regeln und Vorgehensweisen... Dennoch finden alle selbstorganisiert ihre Form, die ihren selbst gesetzten Zielen angemessen ist...Ausgangspunkt sind die eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen - das ist bedeutsam . . ." (Meretz 2000). Das klang damals wie eine Utopie. Dabei ist das doch viel, viel realistischer als die Fiktionen einer atommüllverseuchten Welt, in der die gentechnikoptimierten Menschen wie Roboter herumjobben, so wie es die EXPO-Macher planten, oder? Klar hatte die Angst vor einem Verlust der Existenzberechtigung mit dem Verlust eines Jobs damals ungeheure Auswirkungen auf die Intensität der Arbeit. Was uns vom lebenslangen Schuften befreite, die hohe Arbeitsproduktivität, wirkte sich in Form der "Arbeitslosigkeit" erst einmal in völlig pervertierter Form auf unser Leben aus. Gleichzeitig blockierte sie aber auch das Beste in uns. Erst später wurden jene Energien freigesetzt, mit denen wir heute leben, die ihre Quelle in der Selbstentfaltung des Einzelnen und der Selbstorganisation der Projekte haben. {Zur Selbstentfaltung siehe Kapitel 2.2, Punkt C} Warum das nicht schon früher ging? Tja, früher...da maßten sich einige Leute Besitzansprüche an den Dingen an, die wir alle zum Leben brauchen. Sogar Grund und Boden, Maschinen erst recht - erst mit der Software begannen diese Ansprüche zu wanken. Sowas Langweiliges wie rechtliche Absicherungen der frei entwickelten Software unter einer eigenen Lizenz, die eine Re-Kommerzialisierung verbot, war damals echt revolutionär. Deshalb wurde damals die Vision unserer Gegenwart "GPL-Gesellschaft" (Merten 2000) genannt - "GPL" war die General Public License, die im ersten Schritt die Software aus den Zwängen der Kapitalverwertung befreite. Danach war es nicht mehr so schwer, das auch auf die "Hardware" des Lebens zu übertragen - die damit verbundenen Kämpfe sind uns alle noch in Erinnerung. Die Freigabe des Herumbastelns an den Produktionsmaschinen erzeugte eine enorme technische Revolution. An dieser Stelle profitierten wir davon, daß wir es ja auch vorher waren, die die Arbeit machen mußten und Kreativität entwickeln. Die konnten wir nun "auf eigene Rechnung" einsetzen. Dadurch konnten wir wirklich die Zeiten hinter uns lassen, wo es schien, als müßten alle Menschen ständig ackern, damit genug zum Leben da ist. Die ewige Angst vor der Knappheit, die die Ökonomen auch immer wieder anheizten, verging.
(22) Meine geschichtlichen Studien zeigen, daß es immer wieder so war, daß aus der Sicht der früheren Verfaßtheit der Gesellschaft das darauf Folgende nicht vorstellbar war, sondern als unrealistische Utopie erschien. Und doch setzte sich das Neue durch. Leider zeigte der letzte Umbruch, daß ein langes Zögern doch mehr kostet, als wenn man sich eher für grundlegende Änderungen entscheiden würde. Noch heute bezahlen wir für die Naturzerstörung und auch psychisch kämpfen wir sehr mit den Folgen der früher schizophrenen und unmenschlichen Lebensbedingungen. Es fällt uns manchmal schwer zu verstehen, warum wir dieses Erbe mitschleppen müssen. Deshalb beginnt der folgende Text mit einer Rückschau auf das Jahr 2000 und die Entwicklung bis dahin...
(22.1) Grund Lage Ende, 04.05.2003, 16:59, Uwe Berger: verkehrt kehren die Laute in sich zurück. Nur das Bezahlen wird aufhören. werben erben streben sterben bersten, die letzten sind die ersten.
(23) Weiter geht es mit Kapitel 2: Subjektivität, Selbstentfaltung und Selbstorganisation.