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Gegenbilder, Kap. 5.2: Glossar

Maintainer: Gruppe Gegenbilder, Version 1, 18.08.2000
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

(1) Die folgenden Begriffsklärungen sollen dem Verständnis der verschiedenen Kapitel dienen. Sie sind nicht die einzigen denkbaren Definitionen, sondern die von uns verwendeten.

Agenda 21

(2) Titel des wichtigsten und umfangreichsten Abschlußdokuments der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro. In den Monaten nach dem Gipfel galt die Agenda als Fehlschlag, ab Mitte der 90er Jahre wurde sie mit Millionengeldern vor allem in Mitteleuropa zu einem positiv besetzen Begriff, an den viele politische Gruppen ihre Hoffnung auf eine Veränderung der Verhältnisse knüpften. Die Agenda kam der gesellschaftlichen Entwicklung hin zu Dialog und Harmonie entgegen, innerhalb derer die Erwartung geschürt wurde, Marktwirtschaft und Ressourceneffizienz könnten die sozialen und ökologischen Zerstörungs- und Ausbeutungsprozesse überwinden. Tatsächlich wurde damit nicht nur der Bock (Marktwirtschaft und Profit als Ursache von Umweltzerstörung, Armut, Vertreibung usw.) zum Gärtner, sondern die Agenda enthält sogar deutliche Forderungen einer verstärkten Ausbeutung und Herrschaft. So fordert sie nicht nur Atom- und Gentechnik weltweit, sondern spricht sich offen für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in den armen Ländern aus, für den freien Zugang zu allen Märkten und Rohstoffen, für die Aufwertung von Konzernen auf die gleiche Stufe wie Regierungen usw. Die Expo 2000 hat die Agenda 1994 zum eigenen Grundsatzprogramm erhoben.

Akkumulation

(3) Wörtlich "Anhäufung", Kreislauf, der aus Geld Kapital, daraus Wert und Mehrwert und daraus mehr Kapital macht. Marx verweist darauf, das der Ursprung der Spirale nicht in der besonderen Sparsamkeit der Ur-Kapitalisten und der Faulheit der Ur-Arbeiter gelegen habe, sondern dass die ungleichen Ausgangsverhältnisse des Kapitalismus durch Gewalt, Raub, Plünderung und Mord hergestellt wurden - weswegen er von "sogenannter ursprünglicher Akkumulation" spricht.

Algorithmische Revolutionen

(4) Umwälzungen, die durch Algorithmisierungen bewirkt wurden. In der Zeit der Industriellen Revolution waren Algorithmusmaschine und Prozeßmaschine (siehe Industrieller Prozeß) noch in einer Maschine vereint. Diese Maschine vergegenständlichte sowohl den mechanischen oder chemischen Prozeß als auch den Algorithmus dieses Prozesses. Nach der Industriellen Revolution (als Prozeß-Revolution) folgte mit dem Fordismus die erste algorithmische Revolution. Der Fordismus führte mit Hilfe der Arbeitswissenschaft die möglichst umfassende Algorithmisierung, d.h. Festlegung einer "wissenschaftlich" ermittelten optimalen Fertigung durch, der sich die ArbeiterIn als abhängigeR HandlangerIn der Maschine total unterzuordnen hatte. Dem Fordismus folgte mit dem Toyotismus als Vorhaben die zweite algorithmische Revolution. Dabei wird mit Hilfe des Computers einerseits Hardware und Software getrennt, an- dererseits wird versucht, die mögliche Änderbarkeit der Produktion vorauszuahnen und algorithmisch festzulegen. Die Subjektivität der ArbeiterIn, die der Fordismus ausschloß, soll nun wieder in die Produktion integriert werden.

Algorithmisierung

(5) Überführung eines bislang nicht festgelegten, nur informell vereinbarten, auf Erfahrung basierenden Prozesses in eine feste Beschreibung der Ablauflogik, in einen Algorithmus.

Algorithmus

(6) Beschreibung des Ablaufes eines Prozesses. Ein Algorithmus kann in verschiedener Form vorliegen: Als Gedankengang ("Erst muß ich a tun, dann b, damit c rauskommt"), als schriftliche Anweisung ("Man nehme 100 Gramm Mehl, 2 Eier, ... und backe bei 200 Grad 30 Minuten"), als Vergegenständlichung Ablauflogik in "Hardwareform" (z.B. das Uhrwerk einer mechanischen Uhr), als Anweisungsfolge (Software) für die Universalmaschine Computer usw.

Algorithmusmaschine

(7) Maschine, die einen Algorithmus vergegenständlicht. Zur Zeit der Industriellen Revolution wurde der Algorithmus noch unmittelbar physisch durch die Ablauflogik der Maschine repräsentiert und war damit untrennbar mit der Hardware der Maschine verbunden. Dies änderte sich erst mit der Entwicklung einer algorithmischen separaten Universalmaschine, dem Computer. Der Computer trennt Hard- und Software. Die Hardware ist in der Lage potentiell beliebige Algorithmen in Softwareform (als Programm) auszuführen.

Allgemeine Interessen

(8) Interessen, die - im Gegensatz zu Partialinteressen - nicht auf Kosten anderer, sondern nur im Interesse aller erreicht werden können. Allgemeine Interesse verändern sich historisch, ein Beispiel für heute ist das Friedensinteresse. Allgemeine Interessen sind mit dem Kapitalismus strukturell nicht realisierbar.

(8.1) Re: Allgemeine Interessen, 23.03.2001, 19:02, Robert Meyer: Allgemeine Interessen - spontan stellt sich bei mir da ein intuitives Verständnis ein, welche Bedürfnisse dort hineingehören. Bei einer Differenzierung Allgemeiner Interessen kollidieren diese aber immer mit Partialinterssen. Wenn Allgemeine Interessen nicht mit dem Kapitalismus strukturell realisierbar sind (mit der realen Form des Marxismuses hat es auch nicht geklappt), welche realitätstauglichen Modelle kommen dann noch in Frage?

Allmende

(9) Gemeindeeigentum an Land und anderen Ressourcen. Früher häufig, heute meist privatisiert als Eigentum oder langfristig verpachtet und damit ebenfalls in privater Verfügungsgewalt.

(9.1) Re: Allmende, 14.10.2002, 15:29, Raphaela Span: Muss eine Seminararbeit zum Thema :\\\"Die Bedeutung von Privateigentum dargestellt am Beispiel der Allmende\\\" schreiben. Wer kann mir zum Thema passende Literatur empfehlen? Vielen Dank Raphaela Span

Anarchie

(10) Gesellschaftlicher Zustand, in dem es keine institutionalisierten Regeln oder Herrschaftsstrukturen (mehr) gibt und alle Regeln zwischen Menschen in freien Vereinbarungen getroffen werden. Anarchie bedeutet also nicht die Abwesenheit jeglicher Regeln, sondern entscheidend ist, wie die Vereinbarungen entstehen: als Übereinkünfte zwischen gleichberechtigten Menschen, die niemals als Selbstzweck weiterbestehen können.

(11) "Anarchismus heißt, daß Sie frei sein werden, daß niemand Sie versklaven, Sie herumkommandieren, Sie berauben oder mißbrauchen wird. Das bedeutet, daß Sie die Freiheit haben werden, das zu tun, was Sie wollen, und daß sie nicht gezwungen werden, etwas gegen ihren Willen zu tun. Das bedeutet, daß Sie die Möglichkeit haben, ohne Einmischung anderer so leben zu können, wie Sie es wünschen. Das bedeutet, daß Ihr Nachbar die gleiche Freiheit hat wie Sie, daß jeder dieselben Rechte und Freiheiten besitzen wird. Das bedeutet, daß alle Menschen Brüder sind und wie Brüder in Frieden und Harmonie leben werden. Das heißt, daß es keine Kriege geben wird und keine Gewaltanwendung einer Gruppe gegen die andere, kein Monopol, keine Armut, keine Unterdrückung und kein Ausnutzung des Mitmenschen. Kurz gesagt: Anarchismus heißt die Gesellschaftsform, in der alle Männer und Frauen frei sind und in der alle die Vorteile eines geregelten und sinnvollen Lebens genießen". (Berkmann, 1929)

(11.1) 12.03.2006, 14:44, Ano Nym: meiner meinung bedeutet arnachismus, dass es keine gesetze mehr zu ordnung in der gesellschaft gibt und das bedeutet doch dann, dass jeder das recht hat z.b jnd umzubringen, jnd zu vergewaltigen , es aber dann keine justiz gibt, die das verhindert bzw bestraft. eine gesellschaft in der es kein recht , keine gesetze und keine ordnung mehr gibt. meiner meinung nach ist sowas gerade zu utopisch. so eine gesellschaftsform kann nicht funktionieren

(11.1.1) Anarchie - Mus, 28.03.2006, 01:05, Christian Maxen: [Vieles kann zu dem Grundsatz führen] und (es gibt viele Ausdrucksformen für) :"Man mischt sich nicht in andere Leben ein." Terror und Krieg, Mord und Totschlag sind nur Extreme der Einmischung in Freiheiten einzelner Pflanzen. Denn dieser Grundsatz gilt -meines Erachtens- auch für positive (gut-gemeint-berechnende Beeinflussung) Einmischung; denn wer will urteilen darüber, was für wen positiv ist, was negativ (im Allgemeinen: [wer urteilt ist selber schuld]), und (im Speziellen) wer mag positiv-negativ Urteile über die Möglichkeiten/Chancen anderer Leben fällen (ohne Macht über diese ausüben zu wollen?)? Die einzige legitime Beeinflussung anderer Leben ist, Sie in Ihrer (speziellen,individuellen) freien Entwicklung zu fördern und zu unterstützen; Ihnen die Chance auf eigene Entwicklung zu geben. Weniger als Anarchistisches Prinzip, als als allgemeine Notwendigkeit für eine ausgeglichene Welt, ist dies zum Teil schon anerkannt (von der UNO bis zur Entwicklungshilfeministerin (siehe Amartya SEN;-). Künstliche Zwänge(Copyright, wirtschafts-system-immanentes "notwendiges Wachstum", Abwesenheit von Tauschmitteln für alltägliches Handeln) und Behauptungen(die Menschen sind noch nicht so weit, es gibt keine Loesung) behindern die irdische Entwicklung in zunehmend erschreckenderer Weise, so dass diese (und folgend, freie eigene Entwicklung) als nicht gewünscht erscheint. Die befruchtenden Idee und Erkenntnis, dass Chance auf Entwicklung für eine ausgeglichene Welt notwendig ist, bleibt aus der Anarchie heraus nicht Recht, doch gut, und was gut ist setzt sich durch :-) Alles andere ist Mus. Ouh, wieder mächtig vom Thema abgekommen. Doch diese Stelle hier schrie mir nach einem Kommentar ;-) und ich hoffe es wurde klar, dass das Einmischen in fremde Leben (vom gut Gemeinten bis hin zu Mord) Anarchistisches Prinzip nicht sein kann. Es stünde(ständ) zu dem Grundgedanken der Anarchie, nämlich der Freiheit eines jeden Lebens (Deines und jeden Anderen) im Widerspruch.

Arbeit

(12) Gesellschaftstheoretischer Begriff, der die Produktion und Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens durch Stoffwechsel des Menschen mit der Natur beschreibt. Über die Form der Arbeit ist damit nichts ausgesagt. Arbeit kann also z.B. Sklavenarbeit, Lohnarbeit oder freie selbstbestimmte Entfaltung jenseits einer Verwertungslogik sein. Was hier nicht gemeint ist, ist "Arbeit" als umgangssprachliche Bezeichnung für die Tätigkeit einzelner Menschen, da diese "Arbeit" widersprüchlich verwendet wird. So meint der Satz "Ich gehe zur Arbeit" die Lohnarbeit, während "Hier leisten wir politische Aufklärungsarbeit" diese gerade nicht meint. Arbeitslosigkeit führt zu finanziellen und sozialen Problemen - entzieht den Menschen aber auch jene Tätigkeit, die vielen ein Bedürfnis ist. Ist Arbeit tatsächlich das "erste Lebensbedürfnis" wie Marx schrieb (MEW 1962/1875, 21)? "Nicht die 'Arbeit' als solche ist erstes Lebensbedürfnis, sondern 'Arbeit' nur soweit, wie sie dem Einzelnen die Teilhabe an der Verfügung über den gesellschaftlichen Prozeß erlaubt, ihn also 'handlungsfähig' macht. Mithin ist nicht 'Arbeit', sondern 'Handlungsfähigkeit' das erste menschliche Lebensbedürfnis - dies deswegen, weil Handlungsfähigkeit die allgemeinste Rahmenqualität eines menschlichen und menschenwürdigen Daseins ist, und Handlungsunfähigkeit die allgemeinste Qualität menschlichen Elends der Ausgeliefertheit an die Verhältnisse, Angst, Unfreiheit und Erniedrigung." (Holzkamp 1983, 243). Im visionären Entwurf dieses Buches ist Arbeit ein Prozeß fernab von der Fixierung auf die Verwertungslogik und Entlohnung und kann als Prozeß verstanden werden, bei dem der Mensch mit Hilfe von Mitteln vorhandene, z.B. natürliche Gegebenheiten verändert.

Autonom

(13) Bezeichnung für "selbstorganisiert-unabhängig". "Autonom" ist in diesem umfassenden Sinn nicht gleichbedeutend mit der Abeitsform "der Autonomen", die ihre Autonomie oft nur in äußerlichen Verhaltensweisen (Kleidung, Aktionsformen) ausdrücken, aber intern nicht nur Hierarchien aufweisen und damit von Einzelpersonen abhängen, sondern auch mit ihren Strukturen und Ressourcen oft auf externe, z.B. finanzielle Unterstützung angewiesen sind.

Autonomie

(14) Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Innerhalb einer politischen Bewegung bedeutet das Autonomie-Prinzip, daß alle Teile der Bewegung eigenständig sind, arbeiten und entscheiden, für sich sprechen und mit ihren Handlungen von sich aus so agieren, daß auch Andere eigene Ideen und Aktionsformen umsetzen können. Autonomie schließt nicht aus, daß in Bündnissen oder bei Aktionen gemeinsame Absprachen erfolgen, die den Rahmen abstecken. Autonomie ist ein strategisches Kernelement emanzipatorischer Gesellschaftsvisionen und einer Bewegung von unten, was bedeutet, daß die Grenze der Autonomie und damit auch der Toleranz genau dort liegt, wo Autonomie und emanzipatorische Strukturen in Frage gestellt werden.

Biologismus

(15) Ableitung sozialer Rollen und Wertigkeit von Menschen aus tatsächlichen oder behaupteten biologischen Unterschieden zwischen ihnen oder aus entsprechenden Verhältnissen in Tierpopulationen. Typische Beispiele sind soziale Rollenzuweisungen aufgrund des Geschlechts, Ableitungen weltweiter Arbeitsteilung aus vermeintlicher geistiger Überlegenheit der Menschen einer bestimmten Hautfarbe oder die Begründung von Hierarchien über die Beschreibung des Herdenverhaltens einiger Tierarten. Biologistische Argumentationen dieser Art übersehen bewußt oder unbewußt, daß sich menschliches Verhalten vor allem aus den Einflüssen des sozialen Umfeldes der Person und ihrer Integration in die menschliche Gesellschaft entwickelt.

Dekonstruktion

(16) Vorgang des Abbaus gesellschaftlicher Erwartungshaltungen und Vorgaben, die Menschen auf bestimmte Rollen und Verhaltensweisen festlegen.

Demokratisierung

(17) Prozeß der wachsenden Mitbestimmung über alle Ressourcen und Lebensbedingungen der Menschen bis hin zu völliger Herauslösung der Entscheidungsbefugnisse aus institutionalisierten Verhältnissen (Parlamente, Behörden, Vereine, Konzerne usw.). Am Ende der Demokratisierung steht das umfassende Zugriffsrecht der Menschen auf Ressourcen und Lebensbedingungen, die sie in freier Vereinbarung direkt oder über Abstimmungen, in Einzelfällen oder dauerhaft regeln. Demokratisierung ist ein reformerisches Programm, das aber gleichzeitig den Weg zu weitergehenden Veränderungen ebnet, wenn die Menschen erst einmal wieder den Zugriff auf Land, Produktionsmittel, Bildung, Häuser, Versorgungsleitungen, Rohstoffe usw. haben. Alle diese Bereiche, auch kleinere Teile in ihnen, können Ort der Demokratisierung sein, mit dem Ziel der Verlagerung der Entscheidungsbefugnisse von "oben nach unten", also von institutionalisierten Machtstrukturen zu den Menschen selbst.

Dialektik

(18) Das Denken von Entwicklung als Bewegung in Widersprüchen. Alles konkret Existierende ist zwar einerseits mit sich selbst identisch, aber in verschiedenen Beziehungen zur Außenwelt treten Unterschiede zu Tage. Diese widersprüchliche Einheit von Identität und Unterschied setzt die dialektische Bewegung in Gang. Im realen Sein (Fünfschritt) wie auch im Denken. Verkürzt wird oft davon gesprochen, daß es zu jeder These (sie ist erstmal eine Identität mit sich selbst) eine Antithese (ein Unterschied, der aber direkt - durch "bestimmte Negation" - von der These ausgeht) gäbe und deren Einheit eine weiterführende Synthese ermögliche. Zur Abbildung der Widersprüchlichkeit von realen Bewegungen werden in der Dialektik Begriffspaare verwendet, die die Pole der untersuchten Bewegung fassen sollen. Beispiele sind: Wesen und Erscheinung, Inhalt und Form, Wirklichkeit und Möglichkeit, Notwendigkeit und Zufall, Allgemeines und Einzelnes. Dabei enthält ein Moment das jeweils andere, sie existieren in ihrer Bedeutung ohne das andere überhaupt nicht.

Ein-Punkt-Bewegung

(19) Bezeichnung für politische Gruppen und Zusammenhänge, für die nur ein bestimmtes Thema im Mittelpunkt steht und die kein oder kaum Interesse an übergreifenden politischen Aktionen, Visionen oder Positionen haben. Typische Beispiele sind Anti-Castor- oder Anti-Naziaufmarsch-Gruppen, Eine-Welt-Läden, Frauenbüros oder Umweltverbandsgruppen.

Emanzipation

(20) Loslösung und Befreiung aus direkter Abhängigkeit, Unterdrückung, Ausgrenzung, Diskriminierung, sozialen Konstruktionen, Rollenzuschreibungen, Orientierungen aus Erwartungshaltungen Erwartungshaltungen und Benimmregeln sowie Entkopplung von der Verwertungslogik des kapitalistischen Marktes. Ziel der Emanzipation ist die Selbstbestimmung und -entfaltung des Menschen. Diese ist erreicht, wenn äußere Zwänge (repressive Gewalt, bevormundende Apparate, ökonomische Zwänge) ebenso verschwinden wie die sozial konstruierten Erwartungshaltungen, Verpflichtungs- und Verbundenheitsgefühle, Sicherheitsbedürfnisse usw.

Emanzipatorische Gruppen und Projekte

(21) Gruppen und Projekte, die das Ziel der gesellschaftlichen Emanzipation verfolgen und im Binnenverhältnis bereits praktizieren oder eine entsprechende Praxis anstreben.

Emanzipatorischer Umweltschutz

(22) Vereinigung der Selbstbestimmung und -entfaltung des Menschen mit dem Umweltschutzes als Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen für ein selbstbestimmtes und angenehmes Leben. Selbstbestimmung ist ohne den Erhalt der Lebensgrundlagen nicht möglich. Umweltschutz ohne emanzipatorische Ziele wendet sich gegen die Menschen und stärkt die Herrschaftsstrukturen, die dann wiederum auch die Ausbeutung und Zerstörung der Umwelt fördern. Auch Umweltschutz von unten genannt.

Entfremdung

(23) Gesellschaftliche Situation, in der die Beziehungen zwischen Menschen als Verhältnisse zwischen Sachen erscheinen und in der die durch die Menschen hervorgebrachten Produkte, gesellschaftlichen Verhältnisse, Institutionen etc. den Menschen als fremde, sie beherrschende Mächte gegenübertreten (vgl. auch Fetischismus).

Epochen der Produktivkraftentwicklung

(24) Einteilung der menschlichen Gesellschaftsgeschichte in Zeitabschnitte nach dem Kriterium der Produktivkraftentwicklung. Die Produktivkraftentwicklung kann man in drei Epochen einteilen, in denen jeweils ein Aspekt des Mensch-Mittel-Natur-Verhältnisses der Produktivkraft der Arbeit im Zentrum der Entwicklung steht. In der "Natur-Epoche" der Produktivkraftentwicklung stand die Bodenbewirtschaftung in der Landwirtschaft und bei der Gewinnung von Brenn- und Rohstoffen unter Nutzung von einfachen Mitteln sowie menschlicher und tierischer Antriebskraft im Mittelpunkt der Anstrengungen. Die eigenständige Entwicklung der Arbeitsmittel und Entfaltung des Menschen war dem untergeordnet. Die "Mittel-Epoche" der Produktivkraftentwicklung ist bestimmt durch die fortwährende Revolutionierung der Arbeitsmittel in Form der großen Industrie (vgl. Industrieller Prozeß). In der "Epoche der Menschen" steht die Selbstentfaltung der Hauptproduktivkraft Mensch im Zentrum der Produktivkraftentwicklung. Die jeweils nachfolgenden Epochen heben die vorangegangenen Entwicklungsetappen auf und führen sie im neuen Kontext in veränderter Weise fort. Die Epochen der Produktivkraftentwicklung bestimmen die Formen der Vergesellschaftung.

Erwartungshaltungen

(25) Erwartungen an den einzelnen Menschen sind wichtiger Bestandteil sozialer Konstruktion, d.h. der Veränderung von Persönlichkeit hin meist zu eine m gesellschaftlicher Normalität oder Karrieredenken entsprechenden Form. Klassische Erwartungshaltungen sind die nach Schul- und weitergehendem Abschluß, nach bestimmten Verhaltensweisen wie der Dauereinbindung in Verwandtschaft oder dem Bemühen um einen Arbeitsplatz. Erwartungshaltungen spielen bei der Rollenverteilung von Eltern mit, wenn eine Person (meist die Frau) für die Kinderbetreuung zuständig wird, während die andere Geld beschaffen muß.

Erziehung

(26) Direkte oder indirekte, das Verhalten beeinflussende Einwirkung von Erwachsenen auf Nicht-Erwachsene oder von Erwachsenen untereinander mit dem Ziel der Verhaltenszurichtung. Sie unterscheidet sich von anderen beeinflussenden Faktoren wie unausgesprochene, aber vorhandene soziale Erwartungshaltungen, Repression, Werbung usw. Typische Orte von Erziehung sind Elternhaus, Verwandtschaft, Schulen, aber auch Vereine und Kirchen. Erziehung ist die zentrale Form der Einpassung der individuellen Menschen in die Verwertungslogik des kapitalistischen Systems, das die Menschen in ihrem Verhalten individuell reproduzieren sollen und daher "erlernen" müssen. In diesem Sinne tritt auch die EXPO den Menschen gegenüber "erziehungsförmig" auf.

EXPO

(27) Siehe Weltausstellung.

Fetischismus

(28) Glaube an einen Fetisch, eine Sache, der eine übernatürliche Kraft zugeschrieben und die deshalb (religiös) verehrt wird, z.B. das Kruzifix im Christentum. Der Fetischismus bestimmt das Handeln der Menschen - direkt oder indirekt im Sinne subjektiver Funktionalität. Im Kapitalismus sind Warenaustausch und Markt, Geld und Lohn fetischisiert. Die Ursache für den Waren-, Geld- und Lohnfetisch ist die Verkehrung des Verhältnisses zwischen Menschen und Sachen. Anstatt alle gesellschaftlichen Angelegenheiten sozial zu kommunizieren und zu bestimmen, welche Sachen (Produkte, Ressourcen, Dinge) für welchen Zweck hergestellt und verwendet werden, bestimmen die Sachen über die gesellschaftlichen Beziehungen als ob sie ein Eigenleben hätten. Die Ursache dafür liegt in Absehung von der Nützlichkeit und Brauchbarkeit eines Produkts bei der Verwertung von Wert: Das Produkt wird auf seinen Wert, also auf die in ihm steckende Arbeitszeit reduziert, der auf dem kapitalistischen Markt mit den Werten anderer Produkte verglichen wird und konkurriert. Jeder Produzent muß nun den Wert beständig senken, um die Verwertung zu erhalten - anderenfalls fällt er aus dem Lauf der "schönen Maschine" heraus. Folgt er aber dem Zwang zur Wertsenkung, so tut er es nicht aus freien Stücken, sondern weil er es muß, weil ihm der Wert und seine Gesetze das Handeln diktieren. Entsprechendes gilt für den Lohnarbeiter, der seine Arbeitskraft nur reproduzieren kann, wenn er seine Arbeitskraft verkauft. Der Wert in seinen Formen als Waren, Geld oder Lohn findet in den Menschen seine Exekutoren des gegenüber den Menschen verselbständigten Wertgesetzes. Der Wert, das Geld ist ein sachliches Verhältnis, das dem Menschen als Diktator gegenübertritt. Der Mensch huldigt dem Tyrann und verehrt seine "Macht". Vgl. auch Entfremdung.

Fordismus

(29) Historische Etappe des Kapitalismus, grob etwa 1910 bis 1980, im Buch auch als erste algorithmische Revolution bezeichnet. Der Fordismus führte mit Hilfe der Arbeitswissenschaft die möglichst umfassende Algorithmisierung, d.h. Festlegung einer "wissenschaftlich" ermittelten optimalen Fertigung durch, der sich der Arbeiter als abhängiger Handlanger der Maschine total unterzuordnen hatte. Dessen Subjektivität wurde als Störfaktor betrachtet und daher aus Produktion ausgeschlossen. Bekanntestes Ergebnis des Fordismus ist das Fließband, an dem der Arbeiter nur exakt vorgeschriebene Operationen auszuführen hatte.

Freie Gesellschaft

(30) Bezeichnung für die nachkapitalistische Gesellschaft. In ihr sind alle personalen und sachlichen Zwänge, alle Machtstrukturen (vgl. auch Wertvergesellschaftung) überwunden. Personal herrscht reale Gleichberechtigung zwischen den Gesellschaftsmitgliedern, sachlich werden alle Angelegenheiten von den Menschen in freier Vereinbarung bestimmt.

Freie Vereinbarung

(31) Übereinkünfte zwischen Menschen, die ohne strukturellen oder personalen Zwang zustande kommen. Freie Vereinbarungen basieren auf allgemeinen Interessen und richten sich nicht gegen andere Menschen.

Freiheit

(32) Verhältnis des Menschen zu den Bedingungen in Natur und Gesellschaft. Es ist sinnvoll, Freiheit nicht als absoluten Zustand, sondern als historischen Prozeß der Befreiung zu verstehen: Als Befreiung von Notdurft und Zwängen in Natur und Gesellschaft.

Freiraum

(33) Soziale Zusammenhänge wie Gruppen, Organisationen, Lebenszusammenhänge, Häuser oder Plätze mit gesellschaftlichen Handlungen, die für sich oder gemeinsam in einem aktiven, widerständigen Prozeß die Zwänge der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen reduzieren. In Freiräumen sind die Möglichkeiten zur Entwicklung eigener [Gleichberechtigung] Formen des gleichberechtigten Miteinanders oder widerständiger Aktionen unabhängiger von den äußeren Zwängen und daher besser möglich.

Fünfschritt

(34) Erkenntnismethode der Kritischen Psychologie nach Klaus Holzkamp (1985) in Erweiterung der marxistischen Dialektik. Sie faßt Entwicklungsprozesse als Abfolge in fünf Schritten auf:

Beschreibung: Keimformen des Neuen (1) entwickeln sich immer schon im alten, zunehmend krisenhaften System (2). Sie werden stärker, werden zu einer nicht mehr zu übersehenden Funktion (3) im noch alten System, übernehmen dann die bestimmende Rolle (4) und transformieren schließlich das alte Gesamtsystem in ein Neues, in dem sich alles nun nach der neuen dominanten Funktion ausrichtet (5).

Funktionalität, individuelle/subjektive

(35) Individuelle Begründetheit des eigenen Handelns bei der Verfolgung individueller Interessen. Obwohl Menschen sich nicht bewußt schaden und jedes Handeln Gründe hat, können sie dennoch gegen ihre Interessen verstoßen. Diese Handlungen können von einem anderen Standpunkt als falsch oder schädlich beurteilt werden, für das handelnde Individuum sind sie dennoch individuell begründet und somit subjektiv funktional. Adorno formulierte den Satz "Es gibt kein richtiges Leben im Falschen", aber gelebt und gehandelt wird in jedem Fall. Wer also z.B. sich auf Kosten anderer durchsetzt (Partialinteressen), handelt - vielleicht aus Mangel an Alternativen - subjektiv funktional, obwohl er im Sinne einer langfristigen Perspektive unter Umständen Menschen, Umwelt und damit auch sich selbst schädigend sein kann.

Gesellschaft

(36) Allgemeiner Begriff zur Fassung der selbständigen Sphäre menschlicher Produktion und Reproduktion des Lebens. Der Begriff

Gesellschaftliche Natur des Menschen

(37) Natürliche Fähigkeit des Menschen zur individuellen Vergesellschaftung. Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das sein Leben vermittels der Gesellschaft produziert und reproduziert. Diese Fähigkeit kommt ihm biologisch zu, er besitzt sie von Geburt an. Die individuelle Ausbildung der Fähigkeit, das individuelle Hineinwachsen in die Gesellschaft und Nutzung ihrer Möglichkeiten durch Beteiligung an der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion des Lebens nennt man Vergesellschaftung. Das Handeln der Menschen ist nicht durch die gesellschaftlichen Bedingungen determiniert, sondern grundsätzlich möglichkeitsoffen. Ursache dafür ist die Selbsterhaltungseigenschaft der Gesellschaft, die sie vom unmittelbaren Beitrag des konkreten einzelnen Menschen unabhängig macht. Zum Erhalt der Gesellschaft ist nur durchschnittlich eine Beteiligung der Menschen erforderlich. Diese durchschnittliche Beteiligung wird durch historisch verschiedene Vergesellschaftungsformen organisiert.

Gesellschaftliche Produktion und Reproduktion

(38) Erhaltung, Wiederherstellung und Neuschaffung der materiellen Existenzmittel und gesellschaftlichen Verhältnisse, worin die Menschen produzieren. Dabei ist die gesellschaftliche Reproduktion die Voraussetzung und Teil der gesellschaftlichen Produktion.

Gesellschaftsform / Gesellschaftsformation

(39) Bezeichnung für die ökonomische und politische Struktur eines vergangenen oder existierenden Typs von Gesellschaft. Gesellschaftsformen oder -formationen sind z.B. Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus etc. Sie spielen in diesem Buch eine untergeordnete Rolle, da die Herausbildung einer gesellschaftlichen Form von ihrem Inhalt, der durch die Epochen der Produktivkraftentwicklung bestimmt ist, abhängt.

Gewalt

(40) Direkte oder indirekte Ausübung von physischem oder psychischen Zwang zur Durchsetzung von Interessen. Zu unterscheiden sind:

(41) Die verschiedenen Gewalttypen werden in unserer Gesellschaft unterschiedlich bewertet. Gewalt durch Staaten oder Konzerne wird in der Regel durch Gesetze gedeckt und wird daher geduldet bis akzeptiert. Demgegenüber gilt Gewalt von unten als unterschiedlich legitim. So wird Gewalt als individuelle Notwehr gegen unmittelbare physische Gewalt gerechtfertigt - bis hin zu fragwürdigen Formen der Selbstjustiz, die keine Notwehr mehr darstellt. Im Falle der sozialen Notwehr überwiegt dagegen die Ablehnung. Individuen gilt nahezu weltweit der Schutz auch der Obrigkeit (z.B. über die christliche Nächstenliebe), während Personengruppen diskriminiert werden. Krieg, soziale Diskriminierung von Frauen, AusländerInnen, Behinderten und viele andere Formen der unterdrückenden Gewalt sind an der Tagesordnung, Vertreibung oder Polizeigewalt weit verbreitet. Soziale Notwehr direkt gegen diese Gewalt oder auch indirekt bis symbolisch gegen die gewalttragenden Strukturen (Kasernen, Polizeiausrüstung, Kampfjets, Kreiswehrersatzämter) oder gewaltherrschaftsverherrlichende Propaganda (Gelöbnisse, Expo 2000 usw.) ist genauso von der strukturellen Gewalt zu unterscheiden, wie die Selbstverteidigung gegen eine Vergewaltigung niemals dieselbe Gewalt ist wie die Vergewaltigung selbst.

Gleichberechtigung

(42) Möglichkeit der Wahrnehmung gleicher Rechte unabhängig von der Person. Die Gleichberechtigung ist eine Errungenschaft der bürgerlichen Revolutionen, die damit personal unterschiedliche Rechte im Feudalismus beseitigte. Zu unterscheiden sind jedoch die formale und reale Gleichberechtigung. Die formale Gleichberechtigung abstrahiert von unterschiedlichen Verfügungsmöglichkeiten über materielle und ideelle Ressourcen der Gesellschaft. Eine reale Gleichberechtigung schließt den gleichen Zugang zu diesen Ressourcen mit ein. Formale Gleichberechtigung ist im Kapitalismus gegeben, eine reale Gleichberechtigung ist nur in einer freien Gesellschaft erreichbar. Eine Annäherung an eine reale Gleichberechtigung kann in begrenzten Freiräumen Freiräumen von emanzipatorischen Gruppen und Projekten durchgesetzt werden.

Herrschaft

(43) Ausübung von Macht zur Durchsetzung von Partialinteressen aufgrund institutionalisierter oder struktureller Gewalt. Herrschaft entsteht durch dauerhafte Abhängigkeits- oder Dominanzverhältnisse, z.B. über Gesetze, Reichtum, Zugriff auf Land und Rohstoffe, direkte Gewalt und Unterdrückung. Herrschaft von Menschen kann auch gegenüber Tieren, Pflanzen oder Rohstoffen bestehen, allerdings ist diese qualitativ von Herrschaft gegenüber Menschen abzuheben, weil es zu ihr nicht die Alternative eines gleichberechtigten Verhältnisses gibt. Menschen können in Gleichberechtigung miteinander leben, Herrschaft muß also, um zu existieren, immer gegen diese Möglichkeit der Freiheit für alle im Interesse weniger organisiert und durchgesetzt werden.

Herrschaftsstrukturen

(44) Strukturen, die zum Aufbau und zum Erhalt von Herrschaft nötig sind: Gewaltverhältnisse (Polizei, Justiz, Behörden), Abhängigkeiten (Lohnarbeit, Ehe/Familie, Bevormundungen, Erziehung) und einseitige Beeinflussungsverhältnisse (Medien, Bildung, Werbung).

Industrielle Revolution

(45) Umfassende Durchsetzung der Industrialisierung als neuer Typ der Produktivkraftentwicklung. Mit der Industriellen Revolution setzte sich der Kapitalismus als Gesellschaftsform der "Mittel-Epoche" gegenüber dem Feudalismus als alter Gesellschaftsform der "Natur-Epoche" endgültig durch (vgl. Epochen der Produktivkraftentwicklung). Ausgangspunkt der Industriellen Revolution war die Übertragung der Handwerkertätigkeit auf eine Maschine, die sog. Prozeßmaschine. Die Prozeßmaschine war Kern der Industriellen Revolution - und nicht, wie heute noch fälschlich angenommen wird, die Energiemaschine ("Dampfmaschine"). Vgl. dazu auch industrieller Prozeß und algorithmische Revolutionen.

Industrieller Prozeß

(46) Kombination, Verallgemeinerung und Vergegenständlichung verschiedener, ursprünglich manueller Tätigkeitsformen des Handwerkers in maschinellen Prozessen. Die drei Bestandteile des industriellen Prozesses wurde von Marx (1976/1890, 393) untersucht und verallgemeinert. Marx unterschied (a) die Bewegungsmaschine, (b) die Werkzeug- maschine und (c) den Transmissionsmechanismus. In moderner Formulierung sind das:

Institution

(47) Formalisierte Struktur, die aus sich selbst heraus existiert, also nicht abhängig ist von der ständigen Legitimation durch Menschen. Institutionen könnten Behörden, Gremien oder Einrichtungen von Organisationen aller Art sein.

Instrumentalisierung

(48) Einen Menschen zum Instrument der eigenen Bedürfnisbefriedigung machen. Die Instrumentalisierung Anderer basiert auf der Durchsetzung von Partialinteressen.

Interessen

(49) Gerichtetheit von Menschen auf bestimmte Dinge, Vorgänge, Handlungen, Ziele etc. Zu unterscheiden sind Allgemeine Interessen und Partialinteressen.

Intersubjektivität

(50) Beziehung zwischen Menschen, in der die/der Andere als gleichrangiges, aber von mir verschiedenes Subjekt anerkannt wird. Intersubjektive Beziehungen basieren auf Gleichberechtigung und Allgemeinen Interessen.

Kapital

(51) Kapital ist angehäufter Wert, der dazu eingesetzt wird, sich selbst zu vermehren. Dies geschieht entweder durch Vernutzen lebendiger Arbeit, denn nur Arbeit schafft neuen Wert, oder durch spekulativen Vorgriff auf die zukünftige Vernutzung von Arbeit (fiktives Kapital).

Kapitalismus

(52) Gesellschaftliches System der Herrschaft des Kapitals. Diese Herrschaft ist subjektlos und selbsttragend, d.h. sie organisiert ihren Bestand aus sich heraus und bedarf keiner Steuerung. Subjektlos ist sie, da die Akteure von den Regeln des kapitalistischen Marktes bestimmt werden und nicht selbst bestimmen. So ist der Kapitalist, der Kapitalverfüger, der Ausführer des Wertgesetzes, nachdem auf dem kapitalistischen Markt Wert zu Kapital und dieses durch Vernutzung lebendiger Arbeit zu mehr Wert gemacht werden muß - und das in sich steigernden Zyklen. Die abhängig oder Nichtbeschäftigten sind auf Geld für ihre individuelle Reproduktion angewiesen, daß sie entweder durch Verkauf ihrer Arbeitskraft oder durch staatliche Alimentierung erreichen können. Selbstorganisierend ist der Kapitalismus weil beide Zyklen, der Produktions- und der Konsumzyklus, ineinander greifen und so den selbstzweckhaften Lauf der "schönen Maschine" in Gang halten (Vgl. auch Fetischismus).

Konstruktion, soziale

(53) Bewertungen, Setzungen und Festlegungen auf Basis informeller sozialer Übereinkünfte, die auf Herrschaftsinteressen zurückzuführen sind. Soziale Konstruktionen dienen der Rollenzuweisung von Menschen innerhalb eines gesellschaftlichen Modells. Beispiele für solche Konstruktionen sind Rollenzuweisungen für Frauen und Männer, Einschränkungen von Mündigkeit z.B. aufgrund von Alter, die Einteilung in Behindert oder Nicht-Behindert. Die oftmals vorgeschobenen biologischen Unterschiede werden zur Konstruktion sozialer Unterschiede mißbraucht (Biologismus)). Ziel der Emanzipation ist die Dekonstruktion sozialer Rollenzuweisungen.

Kooperation

(54) Zusammenarbeit oder allgemeiner: Zusammenwirken von Menschen. Dabei sind zu unterscheiden die unmittelbare oder gesellschaftliche und die partielle oder freie Kooperation. Die unmittelbare Kooperation findet zwischen einzelnen Menschen statt und bezieht sich auf das unmittelbare Lebensumfeld, etwa das gemeinsame Abwaschen. Die gesellschaftliche Kooperation findet in überindividuellen Zusammenhängen statt und richtet sich auf die gesellschaftliche "Produktion" und "Reproduktion" des Lebens, etwa die Lohnarbeit. Die partielle Kooperation ist die typische Kooperationsform im Kapitalismus, der nur das Gegeneinander von "Partialinteressen" kennt. Die freie Kooperation basiert hingegen auf der Verfolgung gemeinsamer und "allgemeiner Interessen".

Kooperative

(55) Zusammenschluß von Menschen und ihren Gemeinschaften zum Zwecke der gegenseitigen Unterstützung oder gemeinsamen Nutzung von Ressourcen. Kooperativen basieren auf freien Vereinbarungen und besitzen keinen institutionellen Aufbau. Sie können für ökonomische Ziele, zur Subsistenzsicherung oder zur gemeinsamen Nutzung von Gebäuden, Flächen oder z.B. Maschinen bestehen. Die beteiligten Menschen und Gruppen handeln ihre Angelegenheiten ständig unmittelbar aus.

Kritische Psychologie

(56) Marxistisch fundierte Subjekt- oder Individualwissenschaft, begründet von Klaus Holzkamp (1927-1995) in der Zeit der 68'er-Bewegung. Neben methodischen Verallgemeinerungen (vgl. Fünfschritt) besteht eine wichtige Leistung in der wissenschaftlichen Begründung von analytischen Begriffen, um die aktuelle Situationen besser begreifbar machen. In diesem Buch verwendete Begriffe aus der Kritischen Psychologie sind allgemeine Interessen, Partialinteressen, individuelle Funktionalität, gesellschaftliche Natur des Menschen, Instrumentalisierung, und Intersubjektivität.

Macht

(57) Mittel der Durchsetzung der Interessen einzelner Menschen oder von Gruppen auf Kosten Anderer (Partialinteressen) aufgrund realer institutionalisierter größerer Verfügungs- und Durchsetzungsmöglichkeiten oder verinnerlichter, sozial konstruierter Unterschiede oder Wertigkeiten. Eine solche Durchsetzung bedarf zu ihrer Wirksamkeit keiner Begründung mehr und benutzt diese höchstens zur eigenen Legitimation, wobei die Durchsetzung aber unabhängig von der Überzeugungswirkung der Begründung erfolgt.

Machtstrukturen

(58) Institutionalisierte Strukturen und Durchsetzungsformen von Macht, die dauerhaft existieren. Dazu gehören Repressionsorgane wie Polizei und Justiz als augenfällige Machtsysteme, weniger offensichtliche Formen der Macht wie Schulen, Universitäten, hierarchische Vereine etc. sowie die Macht kapitalstarker AkteurInnen im sogenannten freien Markt. Auch tradierte, verselbständigte Schemata zwischen den Geschlechtern, verschiedenen Altersgruppen, Nationalitäten usw. sind als Machtstrukturen anzusehen, weil sie nicht jedes Mal neu entstehen, sondern aufgrund der breiten Übereinstimmung in den Anschauungen der Menschen selbsterhaltend existieren (vgl. individuelle Funktionalität).

Markt

(59) Ort des Austausches von Gütern, ursprünglich konkrete Plätze der Begegnung, des Tausches, der Kommunikation, der Kultur, des gesellschaftlichen Lebens im weitesten Sinne. Der kapitalistische Markt ist ein abstrakter, virtueller "Ort" des Vergleichens von Waren als Werte, ausgedrückt in Geldform. Hier zeigt sich, ob die unabhängig voneinander betriebenen Privatarbeiten auf ein gesellschaftliches Bedürfnis treffen oder nicht. Da auf "Verdacht" produziert wird, zeigt sich erst im Nachhinein, ob die Produkte auch "abgesetzt" werden können. Ein eigentlich sozialer Prozeß - das Herstellen und Verbrauchen von Gütern zum Zwecke eines guten Lebens - wird über einen Umweg, den Markt organisiert. Der kapitalistische Markt ist

Marktwirtschaft

(60) Ökonomie, die auf dem kapitalistischen Markt basiert, oft auch einfach Synonym für Kapitalismus.

Maschine

(61) Technisches System, mit dem ein vorgegebener Zweck realisiert wird. Bereits in der antiken Gesellschaft wurden Maschinen gebaut, aber lediglich zum spielerischen Ergötzen. Ein Einsatz zur Gewinnsteigerung war geradezu verpönt. Erst in der kapitalistischen Gesellschaft werden Maschinen als Mittel zur Steigerung der Produktivkraft der Arbeit verwendet. Die weitere Entwicklung der Maschinerie löste sich immer mehr von den Produktions- oder Konsumbedürfnissen ab und dient nunmehr ausschließlich der vom direkten Nutzen unabhängigen Profitsteigerung. Die ganze Gesellschaft ist eine "Megamaschine" (wie es Mumford nannte), bei der alles - losgelöst von den menschlichen Zwecken, gesteuert nur über das kapitalistische Wertgesetz, automatisch abzulaufen scheint.

Möglichkeitsfeld

(62) Zusammenfassung der Vielzahl von Möglichkeiten, die in einem gegebenen Moment für die weitere Entwicklung im Rahmen der Tendenz zur Verfügung stehen. Es ist ziemlich neu, im wissenschaftlichen Denken davon auszugehen, daß nicht nur eine Möglichkeit jeweils (mit Notwendigkeit) neu entsteht, sondern erst im Nachhinein der Anschein einer starren Aufeinanderfolge erzeugt wird - aber in jeder Gegenwart eine Vielfalt von Möglichkeiten vorhanden ist und in jedem Moment auch eine neue erzeugt wird. Eine besondere Möglichkeitsbeziehung gegenüber der Welt haben die Menschen, weil sie immer die Möglichkeit haben, "im Rahmen der globalen Erfordernisse der eigenen Lebenserhaltung hier immer auch die 'Alternative', nicht oder anders zu handeln" (Holzkamp 1985, S. 236).

(62.1) Re: Möglichkeitsfeld, 20.03.2001, 07:18, Robert Meyer: Das erscheint mir utopisch, dass Menschen immer auch die Alternative haben, nicht oder anders zu handeln. In mir entsteht dabei das Bild, als hätte ich in jeder Situaiton immer die freie Wahl, den rationalen Überblick, um situationsgerecht handeln zu können und müßte weder den Erforderunissen der Situation gehorchen noch meinen persönlichen Voraussetzungen, die mein Handlungsfeld ja geissermassen determenieren.

(62.1.1) Re: Möglichkeitsfeld, 21.03.2001, 09:07, Stefan Meretz: Es ist nicht utopisch, sondern es ist einfach so und zwar immer . Es ist hier nicht von "rationalen Überblick", "situationsgerechtem Handeln", "Erfordernissen der Situation" etc. die Rede. Eher im Gegenteil: Hier wird hervorgehoben, dass es gerade keine Aussenbedingungen gibt, die das Handeln determinieren (im absoluten Sinne des Wortes), sondern dass ich immer die Wahl habe. Das gilt übrigens auch für "Innenbedingungen" wie den den von dir genannten "persönlichen Vorausetzungen". Das bedeutet: stets Alternativen zu haben, stets wählen zu können, mich so oder anders zu verhalten, hat erstmal nichts mit "Rationalität", "Erfordernis der Situation" etc. zu tun. Denn wie sicher jede/r aus ihrem/seinem Leben weiss, trifft man auch öfter mal eine (jeweils für sich) echt schlechte Wahl.

Nachhaltigkeit

(63) Begriff mit vielen Bedeutungen, in der Regel verstanden als Umgang mit Rohstoffen oder der Umwelt als Ganzes in einer Art, die selbige nicht ausbeutet oder gefährdet. "Nur soviel nutzen, wie nachwächst", ist wichtigster Leitsatz der Nachhaltigkeit. In der politischen Debatte wird unter Nachhaltigkeit aber ein verkürzter, auf effiziente Ausnutzung von Rohstoffen und Energie beschränkter Ansatz des Wirtschaftens verstanden. Er dient der Legitimation von modernen, technischen Verfahren in der Produktion und sichert so den Vorsprung der High-Tech-Konzerne weltweit. Die Grundlagenwerke der Nachhaltigkeitsdiskussion, u.a. die Agenda 21 und das Buch "Zukunftsfähiges Deutschland", lassen viele wichtige Aspekte des Umweltschutzes außer Acht, benennen keine Ursachen und Verursacher und reduzieren Umweltschutz auf umweltgrechtes VerbraucherInnenverhalten. Die Machtfrage wird nicht gestellt.

Natürliche Kreisläufe und Prozesse

(64) Sprachliche Konstruktion für vom Menschen unbeeinflußte Zustände und Prozesse. Die Konstruktion ist fragwürdig, weil sie den Menschen als "unnatürlich" definiert. Außerdem gibt es keinen Ort auf der Erde, der nicht in irgendeiner Weise vom Menschen verändert wurde - und sei es über die weltweite Luftverschmutzung und Radioaktivität. Dennoch bietet sich der Begriff des "Natürlichen" als Abgrenzung gegenüber den Lebensgrundlagen an, die der Mensch direkt und in der Regel geplant verändert. Natürliche Kreisläufe und Prozesse bezeichnen damit das, was ohne direkte Einwirkung des Menschen ablaufen würde. Wichtig ist: Schon der Begriff "Kreislauf" ist ein vereinfachendes Bild, da es ist der Natur keine geschlossenen Systeme gibt. Meistens verschieben sich alle "Kreisläufe" im Laufe der Zeit, d.h. auch natürliche Vorgänge sind Prozesse mit unwiederbringlichen Veränderungen. Viele Forderungen, die sich aus dem Wunsch eines "Zurück zur Natur" ergeben, wie die angebliche Wiedereingliederung des Menschen in "Kreisläufe", sind somit auch fachlich nicht haltbar.

Natur und ihr "Wert"

(65) Projektion des Menschen über den Zustand und die Bedeutung der Umwelt des Menschen. Die Natur wird nie als solches wahrgenommen, sondern je nach Stimmung, Erfahrungen und Wissen unterschiedlich, z.B. als gefährlich, romantisch, heil oder zerstört. Alles ist relativ zum Blickwinkel der BetrachterIn und somit eine Projektion: Eine berankte Wand ist im Vergleich zu Betonwüsten naturnah, im naturnahen Wald wäre sie das nicht. Auch der "Wert" von Natur ist immer eine menschliche Definition. Ein Selbstzweck oder ein "Wert an sich" ist nicht vorstellbar, denn auch diesen festzustellen, wäre Sache des Menschen. Auf keinem Stein und auf keinem Baum steht sein Wert. Etwaige Berechnungen z.B. des ökonomischen Wertes haben eher dazu geführt, die Natur zum Rohstoff zu degradieren. Der "Wert", den die Natur für den Menschen hat, ist abhängig vom Menschen selbst. Der Natur, Tieren, Pflanzen oder unbelebten Teilen, einen an den Bedürfnissen der Menschen orientierten Wert und/oder Rechte zu verleihen, ist wichtige Aufgabe des Menschen bzw. der Gesellschaft.

Naturschutz

(66) Gedanklicher Entwurf des Menschen, der als Subjekt den an seinen Bedürfnissen orientierten, nichtökonomischen Wert der Natur bestimmt und daran sein Handeln zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, der Tiere und Pflanzen, ausrichtet. Welche Position dabei wer einnimmt, kann sehr unterschiedlich sein. Es gibt keine von außen oder gar oben definierten Grenzen oder Rahmenbedingungen. Der Mensch definiert, was ihm an der Natur wichtig ist und wie er sie schützen bzw. gestalten will, welchen Raum er Tieren, Pflanzen und natürlichen Prozessen gibt. Daß er das tut und die Natur (oder z.B. Tiere) keinen "Wert an sich" haben, ist nicht das Ende des Naturschutzes, sondern der Anfang. Er legt die Entscheidung in die Hand der Menschen. Emanzipatorischer Umweltschutz stellt genau diese Machtfrage: Es gibt keinen Staat, keine Religion und auch kein Naturgesetz, das den Menschen von der Aufgabe entledigt, selbst werten und entscheiden zu müssen.

Negation

(67) Prozeß des Vergehens (im Sein) bzw. der Verneinung (im Denken). Dabei verändert sich das Sein, und auch im Denken verändert sich der Inhalt durch Negierung. Es gibt mindestens zwei Formen: bei einer "bestimmten Negation" ist vorher schon festgelegt, was nach der Negation entsteht (traditionelle Hegelsche Philosophie). Die Entwicklung vollzieht sich quasi vorherbestimmt, wenn auch dialektisch. Eine andere, allgemeinere Form der Negation ist die "unbestimmte Negation" (nach Ernst Bloch), bei der sich erst beim Negieren neue Möglichkeitsfelder öffnen und Entscheidungen zwischen Möglichkeiten getroffen werden. Dieses Konzept entspricht den sich selbst organisierenden Entwicklungsprozessen in Natur und Gesellschaft besser.

Neoliberalismus

(68) Ideologie der aktuellen politisch-ökonomische Phase des Kapitalismus, in der von Seiten der Politik, aber auch in der öffentlichen Meinung, der freie Markt und das freie UnternehmerInnentum als Schlüssel zum Fortschritt und zu einer anstrebenswerten Zukunft betrachtet wird. Markt und Produktion werden "befreit" von den Mitbestimmungsrechten der Menschen und von den Regulierungen der Politik.

Netzwerk

(69) Siehe Vernetzung.

NGO (deutsch: NRO)

(70) Non-governmental organization (Nicht-Regierungsorganisation), ein seit ca. 10 Jahren populärer Begriff, der von seiner wörtlichen Bedeutung her die staatlichen Stellen von den nichtstaatlichen trennt. Danach wären Konzerne, Skatclubs, Umweltverbände, Selbsthilfegruppen und viele andere NGOs. In der Praxis hat sich aber ein anderes Verständnis des Begriffs herausgebildet. Danach sind NGOs zwar nicht Regierung, gleichzeitig aber in ihrem Handeln auf Regierungslogik fixiert. Sie bilden in ihren inneren Strukturen die staatlichen Handlungsformen nach, z.B. die Verwaltungsebenen, das ExpertInnentum, das Mitmischen in Gremien und das ständige Reagieren auf Regierungsvorlagen bzw. das Beraten der Regierungen bei deren Vorhaben. In dieser Logik sind NGOs vor allem über ihre Nähe zum Staat definiert. Sie werden Stück für Stück zum Teil gesellschaftlicher Eliten. Es bildet sich eine Führungsschicht aus Staatsapparat, Konzernen und Wirtschaftsinstitutionen sowie expertInnenorientierten NGOs heraus, die sich vor allem von den unorganisierten Menschen und Basisinitiativen abgrenzen. Viele NGOs bestehen nur aus hochqualifizierten und hochbezahlten LobbyistInnen, sie verfügen über keinerlei Basis. Eine wichtige Ursache der NGOisierung in den letzten Jahren ist die Förderung dieser NGOs durch den Staat, die Aufnahme in Gremien sowie die Neugründung von Gremien zum Zwecke der Einbindung der NGOs. Einen wesentlichen Schub in diese Richtung hat die Agenda 21 geleistet. In ihr werden NGOs auch bevorzugt behandelt, während die "einfachen Menschen" keine Rolle spielen bei der Gestaltung der Zukunft. Diese Position wird auch von den meisten NGOs getragen, die vor allem für ihre Beteiligungsrechte streiten, während allgemeine BürgerInnenbeteiligungsrechte ohne großen Widerstand eingeschränkt werden.

Ökoneoliberalismus

(71) Konzepte des Umweltschutzes, die marktwirtschaftlich orientiert sind und von der Stärkung des Marktes Marktes sowie den dort verwirklichten Mechanismen zum Umweltschutz die wirkungsvollste Art des Schutzes der Lebensgrundlagen erwarten. Im Mittelpunkt stehen dabei in der Regel finanzielle Anreize und Strafen (z.B. Ökosteuer) sowie die schnelle Durchsetzung technischer Neuerungen Dank harter Auslese der jeweils Besten. Diesem Umweltschutzansatz liegt eine krasse Gläubigkeit in das "Gute" des Marktes und der Technik zugrunde.

Ökonomie

(72) Lehre von den wirtschaftlichen Abläufen, Systemen, Beziehungen und Verhältnissen. In diesem Buch ist Ökonomie vor allem als Begriff für die Herrschaft des wirtschaftlichen Geschehens im allgemeinen benutzt. Eine ökonomische Orientierung der Gesellschaft oder der Beziehung zwischen Menschen meint, daß wirtschaftliche Gesichtspunkte, z.B. Profitmaximierung, Marktorientierung und Verwertungslogik, das Miteinander prägen und nicht die Bedürfnisse der Menschen oder deren freie freie Vereinbarung jenseits des Vergleichens, Tauschens oder Bezahlens auf der Basis abstrakter Wert. In diesem Sinne ist Ökonomie alles das durch wirtschaftliche Prinzipien bestimmte, eine Entökonomisierung bedeutet den Abbau solcher Prinzipien zugunsten anderer, z.B. der freien Vereinbarungen oder der menschlichen Bedürfnisse.

Partialinteressen

(73) Partialinteressen sind solche Interessen, die sich - im Gegensatz zu allgemeinen Interessen - gegen andere (Partial-)Interessen richten, die daher stets auch nur auf Kosten der Anderen durchgesetzt werden können. Die Wertvergesellschaftung des Kapitalismus beruht strukturell auf der gegenseitigen Durchsetzung von Partialinteressen.

Produktion

(74) Erzeugung der materiellen Existenzmittel und gesellschaftlichen Verhältnisse, worin die Menschen produzieren. Im Unterschied zur gesellschaftlichen Reproduktion zielt die Produktion auf Schaffung von Neuem.

Produktivkraft der Arbeit

(75) Begriffliche Fassung des Mensch-Mittel-Natur-Verhältnisses im Stoffwechsel des Menschen mit der Natur. Die Produktivkraft der Arbeit hat drei Dimensionen:

Wenngleich häufig die Produktivkraft auf ihre quantitative Dimension, die Produktivität, reduziert wird, darf man die beiden qualitativen Dimensionen, Inhalt und Form der Arbeit, nicht vernachlässigen.

Produktivkraftentwicklung

(76) Historische Veränderung der Produktivkraft der Arbeit, die man in drei große Epochen der Produktivkraftentwicklungeinteilen kann.

Reproduktion

(77) Erhaltung und Wiederherstellung der materiellen Produktionsbedingungen und gesellschaftlichen Verhältnisse, worin die Menschen produzieren. Die gesellschaftliche Reproduktion ist Voraussetzung und Teil der gesellschaftlichen Produktion.

Rolle, soziale

(78) Lebensstil und Funktion, die ein Mensch in Erfüllung von Erwartungshaltungen spielt. Die soziale Rolle wird durch sozialen Druck und Beeinflussung, z.B. in der Erziehung, geformt. Innerhalb der Rolle kann ein Mensch in der Regel konfliktfrei leben, da er sich gesellschaftlich funktional funktional verhält. Viele Menschen füllen mehrere Rollen aus, z.B. beruflich, in der Familie oder Verwandtschaft, in Organisationen usw. Rolle ist von der tatsächlichen Persönlichkeit eines Menschen zu unterscheiden, auch wenn diese Teilung der jeweiligen Person meist nicht selbst bewußt ist. "Aus der Rolle fallen" bedeutet im übertragenen Sinn, daß ein Mensch den Erwartungshaltungen nicht gerecht wird.

"Schöne Maschine"

(79) Ironisch-zynischer Begriff für die Ablauflogik der Wertvergesellschaftung im Kapitalismus Der Begriff wurde von Robert Kurz geschaffen (1999) und geht zurück auf ein Zitat von Adam Smith, erster bürgerlicher Ökonom (1723-1790), in dem der Totalitarismus der Wertvergesellschaftung drohend anklingt: "Es macht uns Vergnügen, die Vervollkommnung eines so schönen und großartigen Systems zu betrachten und wir sind nicht ruhig, bis wir jedes Hindernis, das auch nur im mindesten die Regelmäßigkeit seiner Bewegungen stören oder hemmen kann, beseitigt haben." (Smith 1977/1759, zitiert nach Kurz 1999).

Selbstbestimmung

(80) Verhalten, bei dem eigene Wünsche und selbstgesteckte Ziele die Grundlage des Handelns bilden. Selbstbestimmung ist das Gegenteil von Fremdbestimmung, Anpas- sung und Abhängigkeit. Selbstbestimmtes Leben kann schnell zum Konflikt mit gesellschaftlichen Strukturen führen, da eigene Überzeugungen und Empfindungen mit gesellschaftlichen Erwartungshaltungen oft nicht übereinstimmen.

Selbstentfaltung

(81) Zentraler Begriff zur Kennzeichnung der unbegrenzten Fähigkeit des Menschen, seine individuellen Neigungen und Persönlichkeit in maximaler Weise zu entwickeln. Die Selbstentfaltung des Menschen ist der wichtigste Antrieb zur Überwindung aller die Entfaltung der Menschen beschränkenden Bedingungen, die heute aus den Bedingungen des totalitären Kapitalismus erwachsen. Selbstentfaltung ist nur möglich auf der Grundlage gesellschaftlicher Kooperation jenseits der Wertvergesellschaftung in intersubjektiven Beziehungen auf der Basis allgemeiner Interessen (vgl. auch Epochen der Produktivkraftentwicklung).

Selbstorganisation

(82) Praktisches Handeln, das auf eine möglichst weitgehende Eigenständigkeit gegenüber den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zielt. Im Kapitalismus bedeutet Selbstorganisation, sich den Verwertungslogiken zu entziehen versuchen und aus eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten heraus zu überleben und zu agieren. Zur Selbstorganisation ist der Zugang zu Ressourcen notwendig, z.B. zu Boden, Nahrungsmittel, Wissen oder Werkzeug - je nachdem, was selbstorganisiert verwirklicht werden soll.

Strategie

(83) Durchdachtes Vorgehen mit einem geplanten Neben- oder Nacheinander verschiedener Schritte. Zu einem strategischen Handeln gehört die Planung von Zielen, die Bewertung der aktuellen Lage und die Festlegung der Wege, Teilschritte usw. Bei langfristigen Projekten gehört dazu auch die analysierende Auswertung der vollzogenen Schritte. Strategie ist damit auch der Schritt zur nötigen Verbindung von Theorie und Praxis.

Subjektivität

(84) Wesensmerkmal des individuellen Menschen, das seine einzigartige Daseinsweise, sein Bewußtsein und Selbstbewußtsein, seine Wahrnehmung, Gefühle und Motivationen sowie individuellen Intentionen und Interessen umfasst. Die Aspekte der Subjektivität können aufgrund der gesellschaftlichen Bedingungen eingeschränkt, verkümmert oder unterdrückt sein, was strukturell im Kapitalismus, der das Nebeneinander gegensätzlicher Partialinteressen verkörpert, der Fall ist. Sie können ansatzweise entfaltet in Bereichen außerhalb der Wertvergesellschaftung oder in voll entfalteter Form in einer freien Gesellschaft vorkommen (vgl. selbstentfaltung), da hier eine Annäherung oder Übereinstimmung von individuellen und allgemeinen Interessen gegeben ist. Entfaltung der Subjektivität und Entwicklung intersubjektiver Beziehungen sind einander bedingende Prozesse.

Subsistenz

(85) Produktion, Nutzung und Aufrechterhaltung der für ein gutes Leben wichtigen Ressourcen - von den Nahrungsmitteln, Kleidung oder Heizung über den sozialen Kontakt, den Zugang zu Wissen und der Weiterentwicklung von Ideen, Kultur, Technik usw. bis zum vom Menschen als lebenswichtig wahrgenommenen Genüssen, freiräumen und Entfaltungsmöglichkeiten. Subsistenz ist damit mehr als nur der Anbau der eigenen Nahrungsmittel.

(86) Zu unterscheiden sind die individuelle und die gesellschaftliche Subsistenz. Gesellschaftliche Subsistenz heißt, daß der Zugang zu den für ein gutes Leben wichtigen Möglichkeiten über das gemeinsame Wirken der Menschen in der Gesellschaft hergestellt wird. In der emanzipatorischen Vision einer solchen Gesellschaft braucht sich kein Mensch Gedanken um diese Möglichkeiten zu einem guten Leben zu machen. Der materielle und kreative Reichtum der Gesellschaft entsteht aus der Entfaltung der einzelnen Menschen (selbstentfaltung) und dem Zusammenspiel mit vielen anderen (Kooperation). Die individuelle Subsistenz bedeutet, daß jeder Mensch auch auf sich gestellt die Möglichkeiten hat, ein gutes Leben zu führen. Dafür muß er persönlich den Zugriff auf ausreichende Möglichkeiten haben, z.B. Land, Rohstoffe, Wissen und Informationen. Die beiden Formen der Subsistenz schließen sich nicht aus, sondern bedingen einander, da eine freie Gesellschaft, in der sich die Möglichkeiten der Einzelnen, zusammen und sich verstärkend mit denen aller anderen stetig weiter entfalten, darauf aufbaut, daß sich alle Menschen frei entscheiden können, an der gesellschaftlichen Kooperation teilzunehmen. Diese Freiwilligkeit ist gegeben, wenn die Menschen die Alternative des Rückzugs in die individuelle Subsistenz haben. Endlos viele Zwischenstufen sind vorstellbar.

Technik

(87) Ursprünglich: Befähigung eines Handwerkers, mittels bestimmter Verfahrensweisen und Fertigkeiten eine gute Arbeit zu leisten. Heute: Anwendung der Kenntnisse zur Nutzung der Naturkräfte in Form von Mitteln und Verfahrensweisen zur Produktion und Reproduktion der gesellschaftlichen Lebensbedingungen. Die Technik ist damit zentrales Mittel zur Steigerung der Produktivkraft der Arbeit (vgl. auch Epochen der Produktivkraftentwicklung).

Totalitär

(88) Völlig, umfassend, alle Bereiche durchziehend. Die Wertvergesellschaftung des Kapitalismus ist totalitär, da der abstrakte, gleichgültige, subjektlose Mechanismus des Marktes über Besonderheiten, Nützlichkeiten, Bedürfnisse und unterschiedliche Bedingungen hinwegfegt. Sie macht keinen Halt vor bestehenden sozialen, kommunikativen, subsistenziellen Strukturen, die noch nicht von den Marktgesetzen erfaßt wurden. Er dringt sogar dort ein, wo es gar nicht um kaufen und verkaufen geht: Liebesbeziehungen, Freundschaften, Nachbarschaften. "Die Totalität der Gesellschaft bewährt sich daran, daß sie ihre Mitglieder nicht nur mit Haut und Haaren beschlagnahmt, sondern nach ihrem Ebenbild erschafft. Darauf ist es in letzter Instanz mit der Polarisation der Spannung in Macht und Ohnmacht abgesehen." (Theodor W. Adorno).

Toyotismus

(89) Aktuelle Etappe des Kapitalismus, grob etwa ab 1980, im Buch auch als zweite algorithmische Revolution bezeichnet. Im Gegensatz zum Fordismus, der die Subjektivität des Menschen als Störfaktor ansah und aus der Produktion auszuschliessen trachtete, versucht der Toyotismus die Starrheit fordistischer Produktionen durch Einbeziehung der menschlicher Subjektivität aufzubrechen. Dies geht einher mit der Nutzung des Computers als universeller Algorithmusmaschine, um die mögliche Änderbarkeit der Produktion vorauszuahnen und algorithmisch abzubilden. Beides, "flexible Menschen" und "flexible Maschinen", soll eine "flexible Produktion" ergeben. Der Toyotismus scheitert dabei am Menschen, da er den Widerspruch zwischen Entfremdung und selbstentfaltung nicht auflösen kann. Der Toyotismus macht dennoch Keimformen der Überwindungsperspektive des Kapitalismus sichtbar.

Umwelt

(90) Begriff für die jeweilige Umgebung des Menschen - der Menschheit allgemein oder des einzelnen Menschen. Der Begriff stellt klar, daß das Wahrgenommene durch den Wahrnehmenden geprägt ist. Die gleiche Situation kann von verschiedenen Menschen als bedrohlich oder romantisch, als zerstört oder naturnah, als schön oder abschreckend wahrgenommen werden. Umweltschutz ist der Schutz aus einer subjektiven Perspektive heraus. Es ist daher ein sinnvoller Begriff, weil er den Menschen in seiner Rolle als bewertendes und gestaltendes Subjekt anerkennt.

Umweltschutz von unten

(91) Siehe Emanzipatorischer Umweltschutz.

Utopie

(92) Entwurf einer im allgemeinen gewünschen Zukunft. Utopische Ziele sind vor allem jene, die sich unter den gegenwärtigen Bedingungen kaum verwirklichen lassen - allerdings lassen sich die Bedingungen ändern! Konkrete Utopien fußen auf objektiven Tendenzen des Weltgeschehens (nach Bloch).

(92.1) Re: Utopie, 04.05.2003, 17:10, Uwe Berger: http://www.opentheory.org/kleinekapellecoethen/text,phtml Vielleicht kann das einer mal linken ich find mich da nicht zurecht.

Verdinglichung

(93) Ein "Nicht-Ding" in die Form eines "Dings" umwandeln. Eine Verdinglichung liegt vor, wenn z.B. eine Beziehung oder ein Verhältnis eine Dingform erhält. So gehen die Menschen ihre sozialen Beziehungen in Produktion und Reproduktion nicht direkt ein, sondern verdinglicht über Formen von Waren und Geld. Diese dinglichen, sachlichen Formen bestimmen die sozialen Beziehungen - anstatt, daß die Menschen die Dinge und Sachen bestimmen (vgl. Fetischismus).

Vergegenständlichung

(94) In die Form eines Gegenstands bringen, umsetzen oder sinnlich-konkret machen. Die Form des Gegenstands kann materiell - greifbar oder ideell - nicht greifbar sein, jedoch immer sinnlich erfahrbar. Beispiele sind: eine Idee verwirklichen ("einen Gedanken aufschreiben"), eine Anweisung abarbeiten ("einen Stuhl bauen"), einen Algorithmus Algorithmus als Hardware realisieren ("eine Maschine bauen"), einen Algorithmus als Software realisieren ("ein Programm schreiben").

Vergesellschaftung

(95) Herstellung des Vermittlungszusammenhangs zwischen Individuum und Gesellschaft oder: individuelles Hineinwachsen in die Gesellschaft und Nutzung ihrer Möglichkeiten durch Beteiligung an der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion des Lebens. Die Fähigkeit zur Vergesellschaftung ist Teil der Gesellschaftlichen Natur des Menschen.

Vergesellschaftungsform

(96) Gesellschaftliche Form, innerhalb derer die Vergesellschaftung der Menschen stattfindet. Im Buch werden zwei Formen unterschieden: die personal-konkrete und die abstrakt-entfremdete Form der Vergesellschaftung. Die personal-konkrete Vergesellschaftung der agrarischen Gesellschaften der "Natur-Epoche" ( Epochen der Produktivkraftentwicklung) basierte auf personalen Abhängigkeitsbeziehungen. Der Sklave war Besitz des Sklavenhalters, der Fron-Bauer arbeitete zu großen Teilen für "seinen" Feudalherrn oder seinen Pfaffen. Dies bedeutet nicht, daß die Abhängigen den Herrscher auch "persönlich" kennen mussten, aber es war klar, zu wem sie "gehörten". Auch die nicht-herrschaftsförmigen Beziehungen innerhalb der bäuerlichen Gemeinde waren personal strukturiert. Bei der abstrakt-entfremdete Vergesellschaftung des Kapitalismus reguliert ein sachlicher Mechanismus die gesellschaftlichen Beziehungen: Der Wert innerhalb der Mechanismen des kapitalistischen Marktes (vgl. auch Fetischismus). Eine freie Gesellschaft, die die Wertvergesellschaftung des Kapitalismus aufhebt, basiert wiederum auf einer personal-konkreten Vergesellschaftung, jedoch nicht in Form von Abhängigkeitsbeziehungen, sondern als Kooperation freier Menschen in freien Vereinbarungen.

Vernetzung

(97) Art der Kommunikation und Kooperation zwischen Gruppen und Organisation ohne feste, institutionalisierte Strukturen. Ein Netzwerk ist offen und lose organisiert. Handelnde Teile sind die Gruppen und Projekte im Netzwerk, nicht zentrale Gremien. Die Teile bleiben selbständig und treten weiter unter eigenem Namen auf. Im weitgehendsten Entwurf entstehen alle Aktivitäten "von unten", d.h. zentrale Gremien haben gar keine Entscheidungsfunktionen. Wichtige Voraussetzung für das Funktionieren eines Netzwerkes sind funktionsfähige Kommunikationsstrukturen.

(97.1) Re: Vernetzung, 04.05.2003, 17:14, Uwe Berger: http://www.c-base.org , alles nur "Zurück zur Telepathie"

Verwertung

(98) Etwas auf seine ökonomische Werthaltigkeit reduzieren und auf dem kapitalistischen Markt zu Geld machen. Die Verwertung von Wert ist Kern des Wertgesetzes. Dabei wird Wert zu Kapital, wenn der Wert sich auf dem Markt auch wirklich realisiert, wenn er auf Wert in Geldform trifft und in Kapital umgewandelt wird, wenn er die Konkurrenz um das beschränkte Geld auf dem Markt gewinnt. Die Verwertung von Wert ist dauerhaft nur sichergestellt, wenn Wert zu Kapital wird, um die nächste Runde des Warenzirkulation anzutreiben. Das Kapital ist Ausgangs- und Endpunkt einer sich stetig steigernden Spirale der Selbstverwertung von Wert in der Konkurrenz: "Die Zirkulation des Geldes als Kapital ist ... Selbstzweck, denn die Verwertung des Werts existiert nur innerhalb dieser stets erneuerten Bewegung. Die Bewegung des Kapitals ist daher maßlos." (Marx 1976/1890, 167)

Von unten

(99) Beschreibung für einen Prozeß, in dem gleichberechtigte Menschen ohne Nutzung von Machtmitteln für Ziele eintreten bzw. diese umsetzen. Damit ist "von unten" deutlich zu unterscheiden von "unten". Von unten beschreibt einen Prozeß, nicht jedoch eine bestimmte Personengruppe, die in der Regel (wenn auch sehr unscharf) mit dem Begriff "unten" gemeint sind. Von unten sagt aus, daß die Prozesse aus einem gleichberechtigten Zusammenhang von Menschen heraus entstehen, ohne daß Dominanzen und Herrschaftsstrukturen entstehen bzw. wirken. Wichtig ist also vor allem das Wort "von", das die Prozeßhaftigkeit benennt. Das ist ein Idealzustand, der als Vision für die politische Bewegung zum Ziel innerer Strukturdebatten und Aktionsformen gelten kann.

Weltausstellung

(100) Schaufenster des aktuellen technischen Entwicklungsstandes und der Zukunftsszenarien des Kapitalismus, Selbstinszenierung der eigenen imperialen Weltsicht und Macht. Macht. Die erste Weltausstellung fand 1851 in London statt. Ziel war und ist, Fortschittsglauben zu verbreiten und die Identifikation mit dem Kulturverständnis der Herrschenden herzustellen. Schon früh wurde erkannt, daß die bloße Präsentation technischer Neuerungen nicht ausreicht, sondern zur Akzeptanzbeschaffung ideologisch untermauert werden muß. Ein passendes Beispiel dazu ist das Motto der Weltausstellung in Brüssel 1958: "Bilanz der Welt für eine menschlichere Welt". Mit dem Wahrzeichen des Atomiums wurde damals für eine "friedliche Nutzung der Atomenergie geworben, so wie heute unter dem Vorzeichen der Agenda 21 für freien Welthandel und Rohstoffzugang, die Gentechnologie und technische Modernisierung geworben wird.

Wert

(101) Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse der Warenproduktion. Damit wird die Dominanz der Wertvergesellschaftung erfaßt, wobei alle gesellschaftlichen Beziehungen entsprechend dem Wertgesetz strukturiert sind. Das Verhältnis erstarrt in der Wertgröße ("Wert"), die von der in den Produkten enthaltenen (gesellschaftlich durchschnittlich notwendigen) Arbeitszeit bestimmt wird. Mit "Nützlichkeit" und "Brauchbarkeit" hat dieser Wert nichts mehr zu tun - er hat sich davon abstrahiert. Einen Teil des erzeugten Werts erhält die Arbeitskraft als Lohn - alles Bestreben des "Arbeitgebers" zielt darauf ab, den bei im verbleibenden Mehrwert-Anteil zu vergrößern.

(101.1) Re: Wert, 20.06.2005, 15:25, Annette Schlemm: Als »Wert« ist hier ein politökonomischer Begriff zu verstehen, bei dem das Gemeinsame von qualitativ unterschiedlichen Arbeitsprodukten in der kapitalistischen Produktion erfasst wird. Dieses Gemeinsame besteht darin, dass die Produkte (Waren) Ergebnisse der Verausgabung menschlicher Arbeitskraft sind. Je produktiver die Arbeit ist, desto weniger Wert steckt in einer Ware (weil ja weniger menschliche Arbeitskraft verausgabt wird).

Wertgesetz

(102) Zentrale Antriebsdynamik der "Schönen Maschine" Kapitalismus. Sie besagt: Der Wert einer Ware verhält sich zum Wert einer anderen Ware wie die zur Produktion der einen notwendigen Arbeitszeit zu der für die Produktion der anderen notwendigen Arbeitszeit. Die von der Nützlichkeit absehende Herstellung von Wert ist Zweck kapitalistischer Produktion. Dieser Zweck wird mittels der Produktion von Waren erreicht, deren Nützlichkeit aber der Tatsache, das sie Wert darstellen, untergeordnet ist. Aufgrund der Konkurrenz zwischen den Produzenten, kann die stets erweiterte Wertproduktion nicht stillstehen. Der Kapitalist kann das Wertgesetz nur ausführen (exekutieren), d.h. sein Handeln wird durch das Gesetz bestimmt. Seine Aufgabe ist es, in sich stets steigernden Zyklen auf dem kapitalistischen Markt Wert zu Kapital und dieses durch Vernutzung lebendiger Arbeit zu mehr Wert zu machen. Für Menschen ohne Produktionsmittel bedeutet das Wertgesetz, daß sie ihre Arbeitskraft in der Produktion vernutzen lassen müssen, um den Teil des geschaffenen Wertes zu erzielen, der für ihre individuelle Reproduktion notwendig ist und den Wert ihrer Arbeitskraft bestimmt. Auf diese Weise werden sowohl die Produktion als auch Reproduktion der gesamten Gesellschaft im Kapitalismus durch das Wertgesetz gesteuert (vgl. auch Fetischismus).

Wertvergesellschaftung

(103) Abstrakt-entfremdete Vergesellschaftung über den Wert und den kapitalistischen Markt. Siehe auch Vergesellschaftungsform.

Widerstand, Widerständigkeit

(104) Form politischer Arbeit, die durch eine grundlegende Ablehnung der bestehenden Verhältnisse gekennzeichnet ist und versucht, diese Verhältnisse zu ändern. Widerstand umfaßt drei Säulen widerständiger politischer Arbeit: 1. Direkte Aktionen und Wirken in der Öffentlichkeit gegen Symbole und Teile der herrschenden Verhältnisse. 2. Formulierung von Positionen und Visionen, die den herrschenden Verhältnissen gegenüberstehen. 3. Aufbau selbstorganisierter Aktionsstrukturen (Medien, Räume, Materialien, Kommunikationsstrukturen). Widerständige politische Arbeit unterscheidet sich grundlegend von Versuchen, Detailveränderungen unter Ausnutzung der bestehenden Machtstrukturen zu erreichen, wie es im Rahmen von Lobbyarbeit z.B. der NGOs NGOs typisch ist.

Wissenschaftskritik und Kritische Wissenschaft

(105) Kritik des Mißbrauchs, aber auch der Methodik und der Inhalte der zeitgenössischen Wissenschaft. Besonders aus feministischer Sicht wird auf die einseitige Zurichtung vieler Bestandteile der Wissenschaft aufmerksam gemacht (Reduktion des Subjektiven, Qualitativen, Beziehungsmäßigen...). Wichtig ist eine Einordnung der Kennzeichen von Wissenschaft in ihren historischen gesellschaftlichen Kontext:

"Mit der einsetzenden Verselbständigung des Handelskapitals gegen seine persönlichen Träger, d.h. mit der Versachlichung der sozialen Beziehungen, wird zugleich die Objektivierung der Natur als Gegenstand der theoretischen Aneignung vollzogen." (Ruben 1969, S. 37)

(106) Die Rolle von Wissenschaft als Herrschaftsmittel steht im Zentrum vieler Kritiken. Es wird gefragt: "Ist es überhaupt möglich, Wissenschaften, die offensichtlich so tief mit westlichen, bürgerlichen und männlich dominierten Zielvorstellungen verbunden sind, für emanzipatorische Zwecke einzusetzen?" (Harding 1990, S. 7) Während manche KritikerInnen meinen, auf Wissenschaft am liebsten ganz verzichten zu können, entwerfen andere Gegenkonzepte (z.B. "feministische Wissenschaft") oder bemühen sich, die Kritikpunkte im Prozess der Wissenschaftentwicklung selbst fruchtbar zu machen (Wissenschaft als Prozeß betrachten, nicht als fertiges System; jede Wissenschaft als Wissenschaft vom Menschen in ihren Beziehungen zueinander und zur Natur, Qualitatives IM Mathematisierten erkennen, Zusammenhänge in den Mittel- punkt stellen ...).

Eine sinnvolle neue Wissenschaftlichkeit hat das Ziel "Hindernisse und Zwänge zu analysieren, die dem handelnden und aktiven Subjekt versagen, seine absichtlichen Ziele zu erreichen." (Isreal 1985, S. 133)

Zwang

(107) Physischer oder psychischer Druck, der auf Menschen ausgeübt wird, bestimmte Dinge zu tun oder zu lassen. Zwang kann als äußerer Druck existieren oder auf eigenen Ängsten bzw. Erwartungshaltungen beruhen. In den kapitalistischen Industriegesellschaften überwiegt der innere Zwang, d.h. die Menschen passen sich von sich aus den scheinbaren Notwendigkeiten in der Hoffnung an, ihr Leben zu bewältigen - und sei es nur in der Erwartung, dann weniger Angriffen aus dem sozialen Umfeld ausgesetzt zu sein. Innerer Zwang ist in diesem Sinne subjektiv funktional (subjektive Funktionalität).

Fortsetzung

(108) Weiter geht es mit Kapitel 5.3: Literatur.


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