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SED, Deutschland, Nation - eine Skizze

Maintainer: Hans-Gert Gräbe, Version 1, 28.02.2001
Projekt-Typ:
Status: Archiv

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SED, Deutschland, Nation - eine Skizze

von Bernd Rump, 4. 2. 2001

1. Bereits das Aktionsprogramm der KPD von 1945/46 orientierte auf ein «demokratisches Deutschland». Dies war einerseits eine Abkehr von der KPD-Politik vor 1933 (Sowjetdeutschland), andererseits die Formel, die bis zum Ende der 60-er Jahre in der Politik der SED verwandt wurde. (Bei aller temporärer Veränderung)

(1.1) 17.07.2001, 18:56, Ano Nym: das ist mist

(1.1.1) Sorry, 18.07.2001, 18:27, Hans-Gert Gräbe: War nicht so ernst gemeint, sondern nur das Ergebnis meines Versuchs, die technischen Möglichkeiten des Mediums Uneingeweihten zu demonstrieren.

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2. Die DDR war einmal Konsequenz aus der Entwicklung der sowjetischen Besatzungszone (Antifa-Ordnung). Sie war gegründet als Gegengründung zur BRD - und zugleich als gesamtdeutsche Option gemeint. Die Verfassung von 1949 war weitgehend an die Weimarer Verfassung angelehnt, anders als das Grundgesetz. In der ersten Volkskammer saßen auch westdeutsche Vertreter.

(2.1) 08.04.2001, 14:29, Michael-Alexander Lauter: Ist es eine Realität, dass die DDR die Gegengründung war, oder ist nicht von beiden Seiten aus unterschiedlichen Motiven heraus die Gründung vorbereitet worden? Historisch erfolgte die Gründung der DDR nach der BRD. Das ist aber doch kein Beweis für eine Gegengründung.

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3. Konkurrierend traten verschiedene Wiedervereinigungsmodelle auf. Diese waren einerseits vom sowjetischen Interesse bestimmt und versuchten zugleich, Interessen der SED zu wahren. Das sowjetische Interesse galt der Neutralisierung Deutschlands, das Interesse der SED dem «sozialistischen Aufbau». Die verschiedenen Widervereinigungsmodelle

versuchten ein Dilemma zu bewältigen.

Einerseits die mehrfachen Angebote der SU an die Westmächte im Zusammenhang mit einem Friedensvertrag (zuletzt Anfang der 60iger Jahre durch Chruschtschow).

Andererseits der «Aufbau des Sozialismus» seit 1952/53.

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4. Die DDR wurde verschiedentlich beschrieben als

Dieser Komplex wurde in Form der «nationalen Frage» 1962 diskutiert und ideologisch begründet. Das «abschließende» Dokument war das «Nationale Dokument», nicht als SED-Papier, sondern als Papier eines Kongresses der Nationalen Front beschlossen.

Die ideologisch-geschichtsphilosophische Formel lautete: Die Bourgeoisie hat in zwei Kriegen ihren Anspruch auf die Führung Deutschlands verwirkt, deshalb muss die Arbeiterklasse (respektive ihre führende Partei, die SED) diesen Anspruch auf die Führung der Deutschen Nation erheben. Aus dieser Perspektive ist die DDR der BRD eine Epoche voraus, sie ist die Zukunft Deutschlands. Vertieft wurde dies mit dem «Grundriß zur Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung» und dem nachfolgenden 8-bändigem Werk, dessen Hauptautor Ulbricht war.

Hier wurde unterschieden in die bürgerliche Nation und die sozialistische Nation. Zweiteres als Entwicklung aus ersterem gedacht.

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5. Staatsrechtlich verankert wurde dies in der Verfassung von 1968 durch Volksabstimmung. Zugleich und in Vorbereitung dessen begann eine neue Politik der Annäherung zur Sozialdemokratie. Stichworte: Redneraustausch, Treffen Willi Stoph-Willy Brandt in Erfurt und Kassel. Diese Politik war zweischneidig wie das Problem. Unübersehbar blieb der frenetische Empfang Brandts durch die DDR-Bürger in Erfurt...

Diese «Annäherungspolitik» wurde offensichtlich nicht mit der (damals noch neuen) Breschnew-Führung abgestimmt. Sie gehörte zu den Anschuldigungen, die Honecker und Co. gegen Ulbricht erhoben.

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6. Den Wandel in der russischen Politik skizziert die Breshnew-Doktrin. Mit ihr wird der imperiale Charakter der SU (sozialistisch verbrämt) klar gestellt. Damit gehört die DDR untrennbar zum sowjetischen Bereich und eine andere Politik ist nicht möglich. Damit ist aber die DDR als Projekt für Deutschland nicht mehr realistisch.

Die offizielle Aufgabe dieses Anspruchs erfolgte erst 1973 mit der Veränderung des § 1 der Verfassung der DDR. Hier erst wurde die führende Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei verankert, die DDR-Bürger zum Staatsvolk erklärt usw.. Vorausgegangen war paradoxer Weise die Mitgliedschaft beider deutscher Staaten in der UNO und der Grundlagenvertrag, der aber genau die Frage der nationalen Identität und Wiedervereinigung ausklammerte. Begriffe wie «Kulturnation» auf westdeutscher Seite versuchten dies zu umgehen. Die DDR fand im Grunde für die Lage keine Formel. Im Parteiprogramm von 1976 lautete diese nunmehr, die DDR, ihr Staatsvolk, sei eine «sozialistische deutsche Nation».

(6.1) Die DDR fand im Grunde für die Lage keine Formel, 08.04.2001, 14:46, Michael-Alexander Lauter: Doch. Sie lag aber mehr in der Unterscheidung von Nation und Nationalität. Nationalität entsprach in etwa der Kulturnation. Nation hatte mit der Konstituierung der Nationalität als Staat, als Wirtschaftseinheit usw. zu tun. Mit dieser Unterrscheidung wurde erst die "sozialistische deutsche Nation der DDR" theoretisch vernünftig erklärbar. Der Stolz auf die DDR war nicht nur ein dahergeredeter, es gab ihn wirklich und er lebt heute in nostalgischen Erinnerungen fort. Es gab eine Identifizierung mit der DDR, sicherlich individuell verschieden, aber dennoch.

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7. Auch Honeckers Politik war nach seinem Sieg über Ulbricht darauf bedacht, zur BRD besondere Beziehungen zu entwickeln. Die «deutsche» Karte spielte hierbei eine untergeordnete Rolle. (Das Interesse der SU war auch mehr auf einen «treuen» Verbündeten und Wirtschaftpartner gerichtet). Die besonderen Verhältnisse im Warenverkehr wurden nie infrage gestellt, sondern weiter genutzt. Dies verstärkte sich Ende der 70-er, Anfang der 80-er Jahre.

Gründe waren wohl verschiedene - von der Wirtschaftslage der DDR bis hin zur Unbeweglichkeit sowjetischen Politik, besonders der Außenpolitik. (Stationierung von Raketen auf dem Territorium der DDR)

Die auffallendste Neuerung war der von Honecker erklärte (nie offizielle beschlossene) «Sozialismus in den Farben der DDR». Diese Begriffsbildung war der französischen KP angelehnt (Sozialismus in der Farben Frankreichs - zugleich Gegenspruch zum Eurokommunismus Berlinguers und Carillos). Die Farben der DDR waren ja Schwarz-Rot-Gold - und dies schon hielt die Deutsche Frage sichtbar aufrecht.

Dieser Wandel kam auch in der Kulturpolitik zum Ausdruck, aber (leider) nur implizit, nicht explizit. Im Zusammenhang mit dem Lutherjahr reklamierte die DDR erstmals alle progressiven Traditionen für sich (nicht nur die revolutionäre Tradition). Aber die Rückbesinnung und Erklärung zum «nationalen Projekt» - welches konsequent gewesen wäre) blieb politisch aus. Der Flirt mit Preußen - die Rückholung des Reiterstandbildes Friedrich II. «Unter die Linden» ließen eher monarchistische Züge vermuten.

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8. Modrow versuchte im Januar 1990 mit dem Projekt «Deutschland einig Vaterland» die Initiative wiederzugewinnen. Diese Zeile aus der seit 1973 nicht mehr gesungenen Nationalhymne - deren Text er aber blieb, war die Rückbesinnung auf das Projekt vom Anfang der DDR. Zugleich wurden im Winter 1989/90 alle längst beerdigten Projekte der Wiedervereinigung nochmals «beatmet» Sie blieben freilich tot, wie das Modrow-Projekt auch. Der Anschluss am 3. Oktober war dem Kräfteverhältnis entsprechend. Das Projekt DDR in jeglicher Form verloren.

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9. Summa Summarum. Die DDR war und verstand sich lange als ein nationales Projekt. Dieses nationale Projekt wiederum verstand sie als spezifischen Beitrag zur Entwicklung des Weltsozialismus In diesem Sinne verlief bis Ende der 60-er Jahre die Erziehung (Deutschlandtreffen der Jugend z.B.) Sie fand keine Identität darüber hinaus, Ansätze waren eher von negierendem Charakter, insbesondere weil die SU faktisch keinen anderen zuließ (der Ansatz der «Integration» wurde nur wirtschaftlich - und das auch zunehmend nur bilateral verfolgt). Als sich die DDR nicht mehr als nationales Projekt verstand, verstand sie sich nicht. Versuche einer regionalen Identität erfolgten nie konsequent - bestenfalls halboffiziell. (Das rote Preußen ist eher eine Westbegriff)

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Nachgestelltes:

1. DDR ist nicht erklärbar, ohne Bezug auf die russische / sowjetische Politik zu nehmen. Sowjetische Politik erscheint in ihrer Bewertung unterschiedlich, ja gegensätzlich, je nachdem, ob man sie vom revolutionären oder russischem Standpunkt her betrachtet. Die Linie der KPD «Sowjetdeutschland» setzte auf den (in den 20-er Jahren gewichtigen) weltrevolutionären Ansatz, auf Russland als die Heimstatt aller Arbeiter, des Weltproletariats.

Mit Stalin aber hatte die russische (nationalistische) Variante gewonnen - Nation ist etwas Reales, Sozialismus ist Ideologie. (Nicht zufällig hatte Stalin seinerzeit in der Nationalitätenpolitik theoretisch wie praktisch debütiert, und nicht zufällig hatte sich die Losung vom «Aufbau des Sozialismus in einem Land» als ideologische Bewältigung in der innerparteilichen Auseinandersetzung der 20-er Jahre siegreich bewährt)

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2. Stalins Politik ist national betont. Das gilt auch in seinem Verhältnis zur deutschen Nation.

Sie ist zugleich panslawistisch, denkt Russland als Führungsmacht der Slawen. Aus diesem Kalkül heraus ist Deutschland einerseits natürlich eine Nation, zugleich muss es militärisch, wirtschaftlich und strategisch gegenüber Russland geschwächt sein. Deshalb müssen die Ostgebiete zu Polen, Preußen aufgelöst werden und das künftige Deutschland - wie Österreich - neutralisiert sein. Eine DDR ist in diesem Konzept nicht vorgesehen. Stalins «die Hitler kommen und gehen, aber das deutsche Volk, die deutsche Nation bleibt» ist der Ansatzpunkt für die Konferenzen von Jalta und Potsdam, nicht der Morgenthau-Plan.

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3. Die deutschen Kommunisten haben m.E. die Ideologie eher als Realität genommen. Die DDR hat sich nicht als Satellitenstaat verstanden, sondern ihre begrenzte Souveränität als durch die gemeinsame «sozialistische Sache» legitimiert empfunden. Die Aufgabe der DDR durch die SU war für sie deshalb undenkbar und unkalkulierbar. Die SU war das Brudervolk, die Freundschaft war unverbrüchlich. Alle SED/DDR Führer haben deshalb bei aller Renitenz Ulbrichts im entscheidenden Moment vor Moskau kapituliert, nicht zuletzt weil sie im Grunde wussten, dass sie von den Panzern der SU abhingen und dies teils in ideologischem Selbstbetrug auch akzeptierten. Ein TITO war weder real noch ideologisch möglich. Die DDR-Führung versuchte deshalb immer «nationale» Interessen und «sozialistisches» Gesamtinteresse ideologisch zusammenzuführen, ohne deshalb den Widersprüchen immer ausweichen zu können.

(12.1) 12, 01.04.2003, 16:33, National Revolutionär: Die DDR war genauso ein Satellitenstaat der SU, so wie die BRD ein Satellitenstaat der USA ( und ihrer Freimaurer )ist. Der Wille der Deutschen zur Selbstentfaltung wurde und wird von Mächten die Rechts wie Links, Kapitalistisch und Kommunistisch stehen unterdrückt und bekämpft. Egal von welcher Seite es kommt, am ende steht der Untergang der deutschen Volksgruppen.

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4. Die sowjetische Politik bewertete die DDR (und Deutschland) immer im Bezug auf ihre jeweiligen national-imperialen Ansprüche. Diese veränderten sich mit der veränderten Stellung der Sowjetunion. Stalins Ansprüche als europäische Großmacht sind andere als die der «Vorhut» der revolutionären Weltbewegung (Chruschtschow), und andere als die einer imperialen Weltmacht der Breschnew-Ära. Diese drei Phasen sind nicht rein voneinander zu trennen, aber ihnen entsprechen unterschiedliche Strategien. Ulbrichts Politik ist mit Chruschtschow kompatibel. Einholen ohne Überholen, auf Westdeutschland gemünzt, entspricht Chruschtschows Überholen der USA usw. Der Zusammenhang ist nicht mehr national bestimmbar, sondern im Weltklassenkampf gesehen. Das Scheitern dieser Strategie führt zur Festlegung der Einflusssphären, einer provisorischen Aufteilung der Welt. Da ist die DDR nicht mehr das bessere Deutschland, sondern befestigter Punkt an der Nahtstelle, Mark, Grenzposten.

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5. Gorbatschows Politik in der Endphase zeigt dies wieder deutlicher. Mit der Aufgabe der Breschnewdoktrin wird die Einflusssphäre zurückgenommen. (Eher hat Gorbatschow zu lange an ihr festgehalten) Die Kritik von Falin z.B. dreht sich darum, ob Gorbatschow für die russischen Interessen nicht zu wenig herausgeholt hat. In Bezug auf die Aufgabe der DDR ist Falin eher noch konsequenter.


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