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Michael Chrapa: Einige Thesen zur Programmatik

Maintainer: Hans-Gert Gräbe, Version 1, 12.03.2001
Projekt-Typ:
Status: Archiv

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Vorbemerkung:

Meiner Ansicht nach können Überlegungen zum Handeln und zu Akteuren nur im Zusammenhang mit strategischen Vorstellungen bestimmt werden. Deshalb die folgende Auflistung, dies in Form von »Gedanken« und noch nicht als »Programm-Formulierungen«.

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1. Die »Mitte-Links-Option« als strategische Aufgabe

Die (von ihrer Begrifflichkeit weiterhin nicht sehr glückliche) »Mitte-Links-Option« (kurz: MLO) kann als entscheidendes Projekt der nächsten zehn Jahre gelten. Sie bezieht sich - und dies ist bereits als Vorgriff auf Überlegungen zum Handeln zu verstehen - sowohl auf eine »Sammlung« von Akteuren und Akteurskonstellationen und auf praktische Schritte zur Veränderung des politischen Kräfteverhältnisses, zuallererst aber auf eine Art »geistige Wende« (oder den Ansatz dazu), also das gemeinschaftliche Denken einer neuen menschlich-kulturellen Figur in der Gesellschaft. Die MLO kann oder muss in mindestens vier gleichberechtigten Ebenen gedacht werden:

* Als kulturell-politisches Projekt:
Hier ist von der Überlegung auszugehen, dass die »kulturelle Dimension« von Gesellschaftsprozessen große und aller Wahrscheinlichkeit nach weiter zunehmende Bedeutung hat. (Vgl. J. Rifkin: Access. Frankfurt/M. 2000. Hier bezogen auf das Aufkommen des »kulturellen Kapitalismus«.)

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Wichtige Schwerpunkte wären deshalb:



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* Als »Bündnisprojekt« von politischen Akteuren
Dies betrifft zum einen die transnationale Ebene (hier läuft ja schon einiges), aber ebenso die nationale. Die Bourdieu'schen Ideen der (Ver-)Sammlung des 3. Standes könnte aufgegriffen werden.

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* Als »Verbund« von Parteien
Hier kämen sowohl »Arbeitsverbindungen« von Parteien als auch Regierungskonstellationen (Tolerieren oder Koalieren) zum Tragen.

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* Als (möglicher) Gesellschaftszustand
Dieser Aspekt ist bislang wenig diskutiert, muss aber künftig unbedingt thematisiert werden. Gemeint wäre damit zweierlei:
A)
Die (spürbare) Veränderung des Kräfteverhältnisses und damit verknüpft eine Art »Reformaufbruch«.
B)
Eine beschreibbare künftige Gesellschafts-»Situation«


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(Arbeitsvorschlag: »Ein neues Sozialsystem/ein bisschen überarbeitetes Skandinavien/ + veränderte Arbeitsmodelle/ein bisschen modernisiertes Holland/ + viel Bürgerdemokratie«/gute Erfahrungen der Schweiz/ usf. - Das wär doch schon mal was! Denn wichtig ist: Die Menschen müssen sich etwas vorstellen können!!)

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2. Inhalte der strategischen Option der PDS

Der Kern bleibt (wie auch beim Selbstverständnis) ein »Kanon« von Werten, nicht unbedingt besondere Werte, aber Werte in einer bestimmten Konstellation.

(10) Inhaltliche Botschaften könnten und müssten sein:

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Dies in »sozialer Zeit« (also längerfristig) gedacht, führt mit Notwendigkeit zur Idee der »Nachhaltigkeit« (Auch das findet man als sehr dringende Forderung bei U. Beck - in der ihm eigenen Art und Sprache, vor allem in Hinsicht auf »nach vorn gerichtete Reflexivität«. Siehe U. Beck, a.a.O., S. 271ff.)

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3. Aufgaben und Selbstverständnis der PDS

Dafür kann es keine starre »Agenda« - im Sinne einer Anstrich-Liste - geben (insofern ist PDS wirklich »Spiel-Partei«), sondern vom Grundsatz her geht es um strategisches Verhalten:

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A) Widerstand leisten und organisieren (Ergo auch »Opposition« sein/bleiben)

Grundlage wäre der Werte-Kanon. Bei bestimmten Dingen intellektueller Protest, bei anderen auch der, welcher sich lebhaft (und mit Witz) auf der Straße vollzieht.

(17) B) Alternativen zeigen und leben

Dies schließt die (gar nicht so wenigen) Vorschläge ein, aber viel mehr das (neu zu betonende) Verständnis: Man kann (und muss wohl) auch ohne elitäre Spinnerei heute anders leben. Anti-konsumistisch, solidarisch, ökologisch, auf Gleichstellung bedacht, freundlich etc. Dies als Individuum, aber dto. in bestimmten Gemeinschaften. (Insofern muss die PDS alternative »Sozialräume« unterstützen!)

(17.1) 08.04.2001, 14:52, Michael-Alexander Lauter: Schutz reicht hier nicht aus. Bedingungen gestalten, damit solche "Sozialräume" entwickelt und gefördert werden. Ermutigen und unterstützen zu solchem Handeln.

(18) C) Demokratisch legitimierte Gestaltung im Interesse der Bevölkerung/der (einfachen) Menschen. Also: Verantwortung wahrnehmen. Teils verwalten, teils gestalten (im Sinne des Einbringens neuer Ideen) usf.

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Betont und verstanden muss werden: a) bis c) sind in sich und in ihrer Wechselwirkung miteinander widersprüchlich! Anders geht es aber gar nicht!

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4. Politisches Handeln unter neuen Bedingungen

Akteure bzw. Akteurskonstellationen wären aus dem Handeln abzuleiten werden, nicht umgekehrt. Politisches Handeln sollte deshalb in drei eng miteinander verflochtenen Dimensionen verstanden werden:

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A) Handeln »entlang der großen Konfliktlinien«

Also: Krieg - Frieden, Arm - Reich, Beteiligt - Ausgeschlossen, Für - Gegen: Gleichstellung der Geschlechter (und anderer Populationen), Pro - (faktisch) contra Demokratie.

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B) Handeln in »lebensweltlichen« Sozialräumen

Selbstgestaltung/-ermächtigung/-organisation (siehe oben: Anders leben!). Nützliches Handeln auf dieser Ebene ist immer möglich!

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C) Handeln in Form von Wahrnehmung, Deutung, Definition, Artikulation (in der Öffentlichkeit)«

(Beck - aber das ist ja nun wirklich nicht seine originäre Idee - spricht hier in Analogie zu den Produktionsverhältnissen« von »Definitionsverhältnissen«, a.a.O., S. 163ff.) Diese Form von Handeln kann und muss ebenfalls fast überall - in allen Formen von Öffentlichkeit - betrieben werden. Sie ist immens wichtig und wird m.M.n. bislang sträflich unterschätzt.

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5. Akteure der »Mitte-Links-Option«

Im weiten Sinne wären hier zu sehen:

(25) (1) »Wählerschaften«/»Elektorate«

Hier wäre im weiten Sinne von »abstimmungsbereiten Menschen« zu sprechen. Wie zahlreiche Fakten belegen, ist die Bereitschaft großer Teile der Bevölkerung, auf dem Weg der Stimmabgabe aktiv zu werden, immer dann hoch, wenn (zumindest subjektiv angenommen) Aussicht auf Veränderungsmöglichkeiten besteht. Unter diesem Aspekt sollten die Forderungen nach neuen bzw. verstärkten plesbizitären Elementen (in klarer Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten) durch die Linke unbeirrt aufgegriffen und vertieft werden.

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(2) Großverbände und Organisationen

Dazu zählen weiterhin Parteien und ihr Umfeld, Gewerkschaften, Verbände, aber nicht zuletzt kirchliche Gemeinschaften. Als Diskussionsthese kann gelten: Ohne Mitwirkung oder mindestens passive Zustimmung der großen Kirchen wären stärkere Veränderungen in Deutschland kaum denkbar; tritt hingegen eine solche Zustimmung ein, würde ein gewichtiger »symbolischer Effekt« erwachsen. (Und siehe da: Auch hier hat sich Herr Beck geäußert. Er meint, die katholische Kirche könnte die große »Integratorin« sein. a.a.O., S. 273ff.)

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(3) Aktions- und ereignisgestützte Netzwerke (in unterschiedlichen Dimensionen)

Dieser Bereich schließt einen (potentiell) breiten Kreis ein. Die Netzwerkstruktur reicht von größeren bürgerschaftlichen Projekte und lokalen Initiativen über Bewegungsformen im nationalstaatlichen Raum bis zu übergreifenden Verknüpfungen. Letztere beziehen sich sowohl auf Aktionsverbünde mit informationalen Kontakten als auch auf neue »virtuelle Gemeinschaften« und Projekte.

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(4) »Gruppenkonstrukte« im lebensweltlichen Raum

In engem Zusammenhang mit einigen der unter Punkt 3 skizzierten Möglichkeiten werden hier vor allem Handlungsformen betrachtet, die im individuellen Nahraum angesiedelt sind. Auf der Grundlage von Prozessen der Selbstorganisation kommt es zu Aktivitäten im Kontext von relativ naheliegenden Zielen, die im eigenen Definitionsbereich liegen. Verortet sind solche Zusammenschlüsse in der Spanne zwischen familialen Handlungsformen und lokalen Initiativen.

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