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Maintainer: Christoph Spehr, Version 1, 12.02.2001
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv
(1) Gustafsson-Zitat: Die Uhren haben mich lange krank gemacht, in: Die Stille der Welt vor Bach, München 1984, S. 50 ff.
Text von C. Spehr, als Maintainerin in OT gestellt von A.Schlemm
(2) Eingangszitat: Jean-Jacques Rousseau, Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen, Stuttgart 1998, S. 70 f.
(3) (1) Thierry Foucher, Vom Prinzchen, das immer Nein sagt. In: Hoppla - Das Kindermagazin zum Mitmachen, Mitlachen, Mitlernen. Weltbild Verlag, Augsburg, Nr. 115 - 4/99, S. 42-45. Die Tierart wurde geändert: Bei Foucher sind es drei Affen. Affen geben dem ganzen einen rassistischen Anstrich (die Illustrationen zeigen denn auch einen afrikanischen Kontext: die in Afrika müssen halt die einfachsten Dinge noch lernen), und Affen würden sich im Zusammenhang dieser Einleitung nach allzu billiger Polemik anhören. Bären sind besser.
(4) (2) Albert Camus, Der Mythos von Sisyphos, Hamburg 1959, S. 35 ff.
(5) (3) William Gibson zitiert den Ausdruck als Bild für jemanden, der sowohl weiße als auch schwarze Magie betreibt. "'Mit beiden Händen austeilen' ist so'n Ausdruck bei uns. Heißt so ungefähr, sie haben ihre Finger auf beiden Seiten drin. Auf der weißen und der schwarzen." William Gibson, Biochips, in: Die Neuromancer Trilogie (Ausgabe in einem Band), Frankfurt/Main 1996, S. 433.
(6) (4) Georg Büchner, Dantons Tod, in: Werke und Briefe, München 1980, S. 10.
(7) (5) George Orwell, Farm der Tiere, Zürich 1974, S. 137.
(8) (6) "Sich nicht zu verneigen": Vergleiche die eingangs zitierte Passage aus dem Gedicht von Lars Gustafsson.
(9) Andy und Larry Wachowski, The Matrix. Transskript der Filmfassung.
(10) (7) Es gibt Mr. Rhineheart, und es gibt die Frage nach der Matrix, die uns umtreibt.
(11) Interview mit Themba Sono, Der SPIEGEL, Nr.33/2000.
(12) (8) Zur Idee der Gleichheit in der amerikanischen Tradition vgl. David Brion Davis, Freiheit-Gleichheit-Befreiung. Die Vereinigten Staaten und die Idee der Revolution, Berlin 1990, S. 18 ff.
(13) (9) Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, MEW 1, S. 385.
(14) (10) Boris Vian, Die Reichsgründer oder Das Schmürz, uraufgeführt Paris 1959. Das Schmürz ist ein Wesen, von dem die anderen Personen keinerlei Notiz nehmen, das sie aber ständig ohne ersichtlichen Grund treten, ein "Fußabtreter" für die anderen. Es darf weder sprechen, noch greift es in den Gang der Handlung in irgendeiner Weise ein. Vgl. Martin Esslin, Das Theater des Absurden, Reinbek 1965, S. 196 ff.
(15) (11) Engels, Anti-Dühring, MEW 20, S. 106.
(16) (12) Marx, Kapital, 3.Band, MEW 25, S. 868.
(17) (13) In der Spätphase der DDR gab es theoretische Versuche, Ideenpluralismus, Organisationspluralismus und institutionelle pluralistische Demokratie marxistisch zu begründen, mithin also eine reale marxistische Konflikttheorie auszuarbeiten, und daraus Reformen für den realsozialistischen Staat abzuleiten. Praktisch werden konnten diese Überlegungen durch die "Wende" nicht mehr. Ihr Einfluss auf den westlichen Marxismus scheint heute gering zu sein. Das Bekenntnis zum herrschenden System institutioneller, repräsentativer Demokratie und zum gesellschaftlichen Pluralismus wird hier nach wie vor entweder antikommunistisch begründet, d.h. mit der Erfahrung der staatlichen Machtkonzentration im Realsozialismus, oder gramscianisch mit dem "westlichen Weg zum Sozialismus" sowie einer den herrschenden Verhältnissen angepassten Auffassung von "Zivilgesellschaft". Das klingt moderner und weitgehender, ist aber tatsächlich sehr viel altdenkerischer: "Zivilgesellschaft" und plurale Demokratie können es sich in diesem Konzept nämlich ohne weiteres herausnehmen, sich zum Richter über das Richtige aufzuschwingen und dies mit Gewalt durchzusetzen, während der Reformmarxismus der späten DDR sich einer Vorstellung von gesellschaftlichen Gegensätzen annäherte, zwischen denen nicht objektiv entschieden werden kann, weil es keine "höhere Warte" gibt, von der aus diese Objektivität möglich wäre. Die praktische Relevanz zeigt sich in den Positionen zum NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien, wie auch in der Haltung zur neoliberalen Sozialreform von oben.
(18) (14) Artikel 2. Zur näheren Einschätzung der "Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte" siehe Walter Markov und Albert Soboul, 1789. Die Große Revolution der Franzosen, Köln 1977, S. 139 ff. Die Erklärung bemüht sich in der Tat, eine Freiheit zu definieren, die den aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen möglichst wenig schadet. Das Recht auf Eigentum wird in Art. 2 und Art. 17 als "unverjährbar", "unverletztlich" und "heilig" festgeschrieben, die konkreten Freiheiten ebenso konkret beschränkt. Markov/Soboul geben auch das schöne Zitat von Loustalot in der von Prudhomme herausgegebenen Zeitschrift "Revolutionen von Paris", Nr. 8: "Wir sind schnell von der Sklaverei zur Freiheit fortgeschritten, wir marschieren noch schneller von der Freiheit zur Sklaverei."
(19) (15) "Es ist aber nichts Ungerechtes an den größeren Vorteilen weniger, falls es dadurch auch den nicht so Begünstigten besser geht." Dieser Grundsatz, sowie der einer formalen Gleichheit der Grundrechte und -pflichten, "dürften eine faire Grundlage dafür sein, dass die Begabteren oder sozial besser Gestellten - was beides nicht als Verdienst angesehen werden kann - auf die bereitwillige Mitarbeit anderer rechnen können, sofern eine funktionierende Regelung eine notwendige Bedingung für das Wohlergehen aller ist." (John Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt/Main 1979, S. 32.) Rawls' Suche nach den "Grundsätzen, denen freie und gleiche Menschen unter fairen Bedingungen zustimmen würden", d.h. sein Konzept der Rekonstruktion eines fiktiven Gesellschaftsvertrags, ist etwas ganz anderes als Rousseaus Frage aus dem Contract social, wie die Menschen unter den Bedingungen ihrer Vergesellschaftung so frei und gleich bleiben könnten wie vorher. Das "Fairness"-Konzept beinhaltet drei zentrale Einschränkungen der Freiheit und Gleichheit: Ob die Gesellschaft "gerecht" ist, ist objektivierender Betrachtung zugänglich, kann also "erkannt" werden; die Beteiligten können ihre Kooperation nicht aus freien Stücken aufkündigen, einschränken oder neuverhandeln; eine Politik, die Herrschaftsinstrumente erkennt und zurückdrängt, wird nicht für nötig erachtet, weil es einen Herrschaftsbegriff bei Rawls nicht gibt. Diese drei Bestimmungen sind typisch für die meisten aktuellen politischen Konzepte, die von sozialer "Gerechtigkeit" (und nicht Gleichheit) reden. Alle drei Bestimmungen werden von der Theorie der freien Kooperation nicht geteilt.
(20) (16) vgl. Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, S. 21.
(21) (17) Das Zusammenfallen von (radikal verstandener) Freiheit und Gleichheit gehört durchaus zur Tradition beider Begriffe. Vgl. Georges Lefebvre: "Für die Franzosen von 1789 waren Freiheit und Gleichheit untrennbar miteinander verbunden, im Grunde zwei Wörter, die dasselbe bedeuten. Hätten sie wählen müssen, so wäre ihnen die Gleichheit am wichtigsten gewesen, und wenn die Bauern, die ja ihre überwältigende Mehrheit bildeten, der Freiheit zujubelten, so dachten sie dabei an die Abschaffung der Macht des Grundherrn, der jetzt einfacher Bürger sein sollte." Georges Lefebvre, 1789. Das Jahr der Revolution, München 1989, S. 195.
(22) (18) Freiheit und Gleichheit in der Kooperation ist nicht dasselbe wie das, was häufig unter "having a choice" beschrieben wird. Es geht nicht darum, dass wir biographische Wahlmöglichkeiten in einem gesellschaftlichen Supermarkt der Möglichkeiten haben - z.B. zwischen Karrierefrau und Mutter. Diese neoliberale "Wahlfreiheit" ist lediglich eine "pluralistisch-preskriptive" Politik: Wir können zwischen verschiedenen Lebensmodellen wählen, aber wie wir auch wählen, wir gewinnen keinen Einfluss auf die Regeln, wir "kaufen" ein fertiges Paket, das wir so zu akzeptieren haben.
(23) Tracy Chapman, Fast Car, auf: Tracy Chapman, 1988.
(24) (19) vgl. Libreria delle donne di Milano, Wie weibliche Freiheit entsteht. Eine neue politische Praxis, Berlin 1988, und Michaela Wunderle (Hrsg.), Politik der Subjektivität. Texte der italienischen Frauenbewegung, Frankfurt/Main 1977.
(25) (20) Frei und gleich zu sein, heißt nicht nur nicht unterworfen sein, sondern auch fähig zur Interaktion, zum Austausch, zur "Transzendenz" der eigenen Erfahrung - nämlich der Auseinandersetzung mit anderen, ihrer Erfahrung, ihrer Weltsicht und Praxis. Dass wir das können, und dass das jemand mit uns tut, gehört unverzichtbar dazu, dass man "jemand ist". Die Vision dessen ist nicht nur eine Antwort auf die Farblosigkeit einer oberflächlich verstandenen "Interessenpolitik", die in keiner Weise ausreichend ist, sondern auch eine Antwort auf die reale Pathologie der herrschenden verkürzten Begriffe von Freiheit und Gleichheit. Eine Gesellschaft, wo Freiheit und Gleichheit nicht als soziale Intersubjektivität begriffen wird, erzeugt die typischen Empfindungen, dass die eigene Person keinen Wert hat, dass eigentlich auch sonst nichts Wert hat, und dass wir umfassend ohnmächtig und letztlich nicht gefragt sind.
(26) David Fincher, Fight Club, USA 2000, Schlussszene.
(27) (21) Zeitgenössische westliche Philosophie bearbeitet hauptsächlich das Problem, wie trotz der Kritik an westlichen Rationalitätskonzepten und westlichem Universalismus objektive Geltungsansprüche behauptet werden können - mit anderen Worten, wie die Macht der Regeln nicht nur gewaltsam, sondern auch argumentativ verteidigt werden kann. Die Theorie bedient sich dazu verschiedener Taschenspielertricks wie "notwendigen Voraussetzungen", "impliziten Zustimmungen" und "logisch enthaltenen Konsequenzen", versucht also eine universalistische Meta-Rationalität zu begründen. Ansprüche und Zumutungen können von den einzelnen Akteuren dann nicht mehr abgelehnt werden, bzw. die Akteure können höchstens nachweisen, dass die konkrete Regelmaschine nicht hinreichend der idealen Regelmaschine entspricht. Zu Rawls s. Anm. 15. Zu Habermas vgl. z.B. die Passage aus "'Vernünftig' versus 'wahr' - oder die Moral der Weltbilder": "In einer Assoziation von Freien und Gleichen müssen sich alle gemeinsam als Autoren der Gesetze verstehen können, an die sie sich als Adressaten einzeln gebunden fühlen. Deshalb ist hier der im demokratischen Prozess rechtlich institutionalisierte öffentliche Gebrauch der Vernunft der Schlüssel für die Gewährleistung gleicher Freiheiten. Sobald moralische Grundsätze im Medium des zwingenden und positiven Rechts Gestalt annehmen sollen, spaltet sich die Freiheit der moralischen Person auf in die öffentliche Autonomie des Mitgesetzgebers und in die private Autonomie des Rechtsadressaten, und zwar so, dass sich beide reziprok voraussetzen. Diese komplementäre Beziehung zwischen Öffentlichem und Privatem spiegelt keine Gegebenheiten. Sie wird vielmehr durch die Struktur des Rechtsmediums begrifflich erzeugt. Deshalb ist es Sache des demokratischen Prozesses, immer wieder von neuem die prekären Grenzen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen zu definieren, um allen Bürgern in Formen der privaten wie der öffentlichen Autonomie gleiche Freiheiten zu gewährleisten." In: Jürgen Habermas, Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie, Frankfurt/Main 1996, S. 126 f., Hervorhebungen von mir.
(28) (22) Phil Alden Robinson, Sneakers, USA 1991.
(29) (23) "Die zwei Vergewaltigungen während der Brixton Riots 1985 unterstreichen diesen Punkt. In der Frauenzeitung 'Monochrome' berichtete eine Frau, wie sie als 'Kriegsbeute' behandelt wurde und beschreibt, dass sie sich sicherer fühlte, als sie gegen die Bullen kämpfte, als danach in dem polizeifreien Gebiet. Schlecht für ein befreites Gebiet ... Die Frage was wir tatsächlich tun, wenn die Bullen sich verpisst haben, ist bisher nahezu vollständig von den Straßenrevolutionären ignoriert worden." Anonymer Beitrag in Class War, "What do we do when the cops fuck off?", London 1991. Abdruck in deutscher Übersetzung in: Franck Düvell, England: Krise, Rassismus, Widerstand. Materialien für einen neuen Antiimperialismus Nr. 3, Berlin 1992, S. 189 f.
(30) (24) Redaktion alaska, 150° West, 60° Nord. Eine Standortbestimmung jenseits vom Neuen Internationalismus, alaska 223, 12/1998.
(31) (25) David Fincher, Fight Club. In der Romanvorlage von Chuck Palahniuk ist die Szene nicht enthalten.
(32) (26) Maivân Clech Lâm spricht von den "magischen" Praktiken des weißen Feminismus, nämlich dem Glauben, Bezeichnungen und symbolische Handlungen könnten wichtiger sein als die dahinterstehende reale Praxis. Feeling Foreign in Feminism, Forum entwicklungspolitischer Aktionsgruppen 185/186, September 1994, S. 6 ff.
(33) (27) Dies ist eine Stelle in meiner Abhandlung, die man leicht zum Kotzen finden kann, weil sie so widerlich abgeklärt über Kämpfe und Emotionen konkreter sozialer Emanzipation daherredet. Auch hier gilt natürlich, dass es die eigenständige Leistung konkreter Emanzipationsbewegungen und konkreter Menschen ist (und nicht der verallgemeinernden Theorie), über solche seltsamen (und oft notwendigen) Phasen inzwischen reden zu können.
(34) Der Bär im großen blauen Haus, Folge "Küchenzauber".
(35) (28) Diesen Einwand erhebt Gero von Randow in seiner ZEIT-Rezension zum "Alien"-Buch (Spehr, Die Aliens sind unter uns!. Herrschaft und Befreiung im demokratischen Zeitalter, München 1999): "Freiwilligkeit des Zusammenschlusses setze voraus, dass jeder jederzeit kündigen, aussteigen kann, und das zu einem 'vergleichbaren und vertretbaren Preis' - doch halt, sind das nicht ebenfalls normative Kriterien, und wer setzt dann die Norm?" Gero von Randow, Neues von links, ZEIT Nr.1, 29.12.1999.
(36) (29) Der mathematische Beitrag ist der von Gödel. In der postmodernen Philosophie wird unterstrichen, dass Theorie damit unmittelbar zur Machtfrage wird: Die Frage, welche Theorie zu benutzen oder nicht zu benutzen ist, ersetzt zunehmend die Frage, was in diesem oder jenem Fall "richtig" ist. "Wissen und Macht (sind) zwei Seiten derselben Frage: Wer entscheidet, was Wissen ist, und wer weiß, was es zu entscheiden gilt? Die Frage des Wissens ist im Zeitalter der Informatik mehr denn je die Frage der Regierung." Jean-Francois Lyotard, Das postmoderne Wissen, Wien 1999, S. 35.
(37) (30) Foucaults Diskursbegriff hebt am nachdrücklichsten die Trennung zwischen Theorie und Praxis, Begriff und Handeln, Philosophie und Alltag auf. Auf dem Weg vom Bett zur Kaffeemaschine durchschreiten wir die verschiedensten Konzeptionalisierungen bezüglich Arbeitsgesellschaft, Körpermanagement, Lustprinzip versus verschobener Bedürfnisbefriedigung, Maschinengebrauch bis hin zu den ganz simplen Annahmen, dass der Kaffee noch da steht, wo wir ihn gestern abend hingestellt haben.
(38) (31) Thomas S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Frankfurt/Main 1976.
(39) (32) Auch die herrschende Theorie und Konzeptionalisierung von Erfahrung ist nichts anderes als Übersetzung und Bündnis. Wer sich wie BILD hinstellt und tönt "Lass dich nicht täuschen", versucht das zu verschleiern. Wenn wir uns in vollständiger Übereinstimmung mit den herrschenden Konzeptionalisierungen befinden, glauben wir die Dinge zu sehen, "wie sie sind" - dabei ist das die eigentliche Ideologie.
(40) (33) Gayatri Spivak u.a., The Post-modern Condition: The End of Politics?, in: Spivak, The Post-Colonial Critic, New York 1990, S. 17 ff.
(41) (34) Das ist das Argument von Ernesto Laclau in "Beyond Emancipation", in: Emancipation(s), London 1996, S. 1 ff: Dass Emanzipationstheorien paradox sind, heißt nicht, dass sie nicht die Praxis verändern können. Für die marxistische Tradition ist es ein geläufiges Paradox, dass "der Erzieher erzogen werden muss", siehe Feuerbachthesen.
(42) Rousseau, Abhandlung ..., S. 103.
(43) (35) Anne Huffschmid, Die Zapatistinnen - wer sie sind und wofür sie kämpfen, in: Andreas Simmen (Hrsg.): Mexico. Aufstand in Chiapas, Berlin 1994.
(44) (36) Der Begriff der Avantgarde hat derzeit keine gute Presse. Diese Situation ist jedoch durch und durch unbefriedigend. Es ist korrekt, sich von allen Positionen abzugrenzen, die einer Organisation ein Erkenntnisprivileg gegenüber den "Massen" zusprechen. Aber um eine andere Logik des Sozialen durchzusetzen und immer wieder weiterzuentwickeln, braucht es sehr wohl Menschen und Kooperationen, die damit anfangen; es braucht Menschen und Kooperationen, die immer wieder aufs Neue mit Formen experimentieren, die eben nicht Allgemeingut sind. Es braucht Avantgarde, in dem Sinne, wie Mamphela Ramphele es am Beispiel von Geschlechterbeziehungen formuliert: "Successful transformation of gender relationships will need more than just a theoretical understanding of the problem. It requires courage and the determination to take risks, because there is no possibility of growth without pain. Both men and women will have to confront their own fears of exchanging the known for the unknown, and put tradition at risk before a new pattern of gender relations can emerge." (Mamphela Ramphele, The Dynamics of Gender Within Black Consciousness Organisations. A Personal View, in: Barney Pityana u.a., Bounds of Possibility. The Legacy of Steve Biko and Black Consciousness, Kapstadt 1991, S. 227.) Präzise das ist der schale Nachgeschmack des rituellen der-Avantgarde-Abschwörens: dass sich dahinter in Wahrheit Unsicherheit und Unbeweglichkeit verbirgt. Dass die Bereitschaft fehlt, die Risiken einzugehen, die es erfordert, "gleicher als andere" sein zu wollen.
(45) (37) Es ist die typische Verachtung des Menschen und des Sozialen, dass heutzutage Börsen "empfindlich" sein dürfen, während Menschen "belastbar" sein sollen; dass man an den ach so "komplexen" Wirtschaftskreisläufen möglichst nicht herumdrehen darf, während man glaubt Menschen problemlos "flexibel" herumschieben zu können.
(46) Janet Jackson, FreeXone, auf: The Velvet Rope.
(47) (38) Roger Burbach, Orlando Núnez und Boris Kagarlitsky, Globalization and its Discontents. The Rise of Postmodern Socialisms, London 1997. Laclau und Mouffe sprechen von "postmarxistisch", im Doppelsinn von "jenseits des Marxismus" und "Weiterentwicklung des Marxismus". Ernesto Laclau und Chantal Mouffe, Hegemonie und radikale Demokratie. Zur Dekonstruktion des Marxismus, Wien 1991.
(48) (39) vgl. Spehr, Zur Erneuerung linker Perspektiven oder Was heißt Antikapitalismus heute? Vortrag auf dem Neoliberalismus-Symposium des AStA der Uni Oldenburg, 14.11.99 (masch.)
(49) (40) vgl. Spivak, s. Anm. 33.
(50) Thukydides, Der Peloponnesische Krieg, V 89, Stuttgart 1966.
(51) (41) Die Diskussion um "strukturelle Nichtangriffsfähigkeit" ist eine der Debatten aus der Zeit des Kalten Krieges, die mit dem Übergang zur "Neuen Weltordnung" nahezu spurlos verschwunden sind, obwohl sie nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hätten.
(52) (42) Bei einem Komapatienten versuchen wir zu rekonstruieren, welche Entscheidungen er wohl getroffen hätte; dies ist eine extreme Situation. Dagegen gibt es viele Möglichkeiten, wo Menschen für andere in ihrer Artikulation nicht hinreichend greifbar erscheinen, wir aber auf kollektive Artikulationen zurückgreifen können, die allemal besser sind als unser eigenes Gutdünken. Natürlich gibt es kleine Kinder, mit denen wir nicht beliebig disputieren können, aber es gibt auch größere Kinder, die uns klarmachen können, wo wir mit unserem Rationalitätskonzept falschliegen. Es gibt eine Krüppelbewegung, mit der wir uns auseinandersetzen sollten, bevor wir über jemandes Kopf hinweg entscheiden, dessen Artikulation wir ungenügend verstehen. Kollektive Artikulationen werden immer weggedrückt, wenn das billige Argument vorgeholt wird, "wir wissen doch eh nicht was die wollen" - Frauen, Chinesen, Außerirdische ...
(53) (43) Wenn wir eine Liebesbeziehung beenden, brauchen wir keine Angebote mehr zu machen; außer wir haben Kinder, weil es für die auf längere Zeit nämlich keine vergleichbare und vertretbare Alternative zu uns gibt. ("So don't forget, folks / That's what you get, folks / From makin' whoopee.")
(54) (44) Das ist immer wieder der entscheidende Unterschied - zwischen Gesetzen, wie groß das Klo im Betrieb sein muss, und institutionalisierten Formen von Arbeiterkontrolle, also direktem Einfluss der Arbeitenden auf die Regeln und Prozesse in der Fabrik; zwischen Lohn für Hausarbeit und Formen der Absicherung von Frauen, die ihren Hausarbeitsplatz hinter sich lassen.
(55) (45) Nicht jede Kooperation hat einen Haushalt; aber alles, was einen Haushalt hat, ist auf jeden Fall eine Kooperation.
(56) (46) Landbesetzung ist in solchen Fällen das Pendant zum Kampf um ein qualitativ ausreichendes Existenzgeld hierzulande. Das Argument, eine existenzsichernde Landverteilung lasse keine Spielräume mehr für größere Projekte übrig, die "größeren Projekte" seien aber auch nicht in der Lage, durch soziale Zusatzleistungen eine allgemeine Existenzsicherung zu finanzieren, ist nichts anderes als das Eingeständnis, dass man eine "Entwicklungspolitik" als kapitalschaffende Verelendungspolitik betreiben möchte - was ja auch oft der Fall ist. - Die Ausführungen zum "Abbau von Verfügbarkeit" nehmen hier stark die Situation in demokratisch-kapitalistischen Industrieländern zum Ausgangspunkt, sie sind jedoch nicht darauf beschränkt. In einem realsozialistischen System als Ausgangslage hätten wir es mit staatlich gegründeten und kapitalisierten Betrieben zu tun; wenn wir hier die Interpretation des Betriebs als freie Kooperation umsetzen wollten, wäre entsprechend der Staat als "stiller Anteilseigner" zu behandeln, der eine Einlage tätigt, aber die Regeln nicht diktieren kann. Auch auf agrarisch dominierte Systeme lässt sich die hier eingeforderte Auffassung und Transformationslogik anwenden, die sich unter Agrarreform eben weder Parzellierung noch ausschließlich "effizienzorientierte" Kombinate mit hierarchischer Regelvorgabe vorstellt.
(57) (47) Das MAI (Multilateral Agreement on Investment), dessen Entwurf 1997/98 für weltweite Proteste sorgte und das daraufhin vorläufig zurückgestellt wurde, zielte genau darauf ab, den Zielländern von Auslandsinvestitionen jede Verhandlungsmöglichkeit und Gestaltungsmacht zu nehmen. Vgl. Maria Mies und Claudia von Werlhof (Hrsg.), Lizenz zum Plündern, Hamburg 1998.
(58) (48) Schöne Definition zur Unterscheidung formaler und prekärer Arbeit, von Solomon Quaye, Taxifahrer in Berlin: "Als ich nach Deutschland kam, hatte ich erst nur Jobs, bei denen ich schon um Erlaubnis bitten musste, wenn ich mal pinkeln wollte." SPIEGELreporter, 10/2000, S. 47.
(59) (49) Richard Douthwaite, Short Circuit. Strengthening Local Economies for Security in an Unstable World, Dublin 1996.
(60) Libreria delle donne di Milano, Wie weibliche Freiheit entsteht, S. 147.
(61) (50) Kafka beschreibt die Moderne als eine soziale Welt, in der es kein Verhandeln gibt. Das macht das Grauen aus, das wir in der Welt empfinden, wie er sie beschreibt. Die postmoderne Kritik macht dagegen das Verhandeln zur zentralen Praxis. Es ist die "positive" Konsequenz aus der "negativen" Bestreitung von absoluten Geltungsansprüchen. - Wenn wir etwas zu verhandeln haben, haben wir wenigstens einen Grund, auf dem wir stehen können. Deshalb beschreiben Gefangene, dass sich ihre persönliche Situation durch den ersten Hungerstreik nachhaltig verändert hat, dass er sie buchstäblich gehindert hat verrückt zu werden. Das moderne "Verhandelt wird nicht" hallt nach bis in die "Fortezza"-Politik, die sich die NATO-Staaten in der Auseinandersetzung mit dem politischen Terrorismus der 70er gegenseitig verordneten.
(62) (51) vgl. das Baby-Blues-Kapitel in Spehr, Die Aliens sind unter uns!, München 1999 ("Jenseits der Hormone", S. 237 ff.)
(63) (52) vgl. Gustavo Esteva, Entwicklung, in: Wolfgang Sachs (Hrsg.), Wie im Westen so auf Erden, Reinbek 1993, S. 107 ff.
(64) (53) vgl. Gérald Berthoud, Markt, in: Wolfgang Sachs, vgl. Anm. 50, S. 218 ff.; Karl Polanyi, The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen, Frankfurt/Main 1978.
(65) (54) bell hooks, Postmodernes Schwarzsein, in: Sehnsucht und Widerstand, Berlin 1996, S. 41 ff.
(66) (55) "Eine Anerkennung der Differenzen zwischen den Individuen der Diaspora ist nur möglich, wenn das binäre Muster von Ich und Nicht-Ich aufgebrochen wird. Ich meine, man muss nicht hingehen, um es zu finden." Kobena Mercer, Unterm Teppich. Homosexualität als Focus schwarzer Politik und Ästhetik, alaska 215, September 1997, S. 37.
(67) Octavia Butler, Rituale, 3.Band der "Xenogenesis"-Trilogie. Deutsche Ausgabe in einem Band: Butler, Die Genhändler, München 1999, S. 337.
(68) (56) Das ist es, worauf Spivak hinauswill, wenn sie sagt: "Try to behave as if your are part of the margin" (und hinzufügt: "In the language of commercials, one would say: Try it, you might like it."). Spivak, The Post-Modern Condition, s. Anm. 33, S. 30.
(69) (57) Ebenda, ebenso in Spivak, Criticism, Feminism, and The Institution, in: The Post-Colonial Critic, s. Anm. 33, S. 9. Unsere Privilegien verlernen und als Defizite erkennen, bedeutet erstens, dass wir uns klarmachen, dass wir Privilegien haben, das heißt von der Unterdrückung und dem Ausschluss anderer real profitieren; zweitens, dass wir verstehen, wie diese Privilegien uns in unserem Weltverständnis und unserer Kooperation mit anderen subjektiv behindern und verdummen; drittens, dass wir mit anderen zusammen die betreffende Privilegienstruktur in der gesellschaftlichen Realität abzutragen versuchen. Wenn wir eines dieser Elemente auslassen, wird es schief.
(70) (58) Es gibt, finde ich, keine brauchbare deutsche Übersetzung von leadership.
(71) (59) Steve Biko, What is Black Consciousness? in: I Write What I Like, Oxford 1987, S. 99 f.
(72) (60) "Selbstbeauftragung" ("autoincarico) heißt, wenn man den Berichten glauben darf, eine kreative Praxis italienischer Handwerker, reparaturbedürftige Objekte selbst zu entdecken, auf eigene Faust instand zu setzen und den Besitzern dann eine Rechnung zu stellen. Letzteres lässt sich allerdings aus der Theorie der freien Kooperation nur sehr bedingt rechtfertigen. Werner Raith, Handwerkers Gewinnsteigerung, taz Nr. 4116, 20.09.1993.
(73) (61) Die Lektüre der gesamten Trilogie (s. Anm. vor 56) ist unbedingt zu empfehlen; in meiner Sichtweise handelt sie von vielem, wovon auch dieser Essay hier handelt. Schon die erste Szene handelt vom (erfolglosen) Versuch zu verhandeln, und Fragen des Verhandelns, der freien und der erzwungenen Kooperation, der Regeln und ihrer Veränderung, durchziehen die gesamte Trilogie. Die Bilder, auf die hier angespielt ist, sind: die Angleichung, die die konstruierten Ooloi an ihre menschlichen Gefährten erfahren, bzw. die völlige Selbstauflösung, die Aaor erfährt (S. 804 f.); die chemische Bindung, die zwischen Ooloi und ihren PartnerInnen entsteht; das Hadern von Lilith mit der Tatsache, dass sowohl ihre persönliche Kooperation mit Nikanj, als auch ihre gesamte Kooperation mit den Oankali aus einer Situation erzwungener Kooperation hervorgegangen ist (S. 328).
(74) (62) Andy und Larry Wachowski, The Matrix, Szene im "Konstrukt".
(75) Claudia Bernhard, Kritik der historischen Demokratie, in: Schwertfisch (Hrsg.), Zeitgeist mit Gräten. Politische Perspektiven zwischen Ökologie und Autonomie, Bremen 1997, S. 222.
(76) (63) Zur begrifflichen Unterscheidung von Macht und Herrschaft siehe Spehr, Die Aliens sind unter uns, s. Anm. 28, S. 104.
(77) (64) Der Gedanke der Chancengleichheit beruht darauf, die herrschenden Regeln und die durch sie erzeugte Welt zu retten, indem man "Ausnahmen" macht - das Spiel soll dasselbe bleiben, nur dass alle Hütchen vom selben Feld starten. Weil aber einige der Hütchen das Spiel entworfen und gestaltet haben, passen seine Regeln gut für diese Hütchen und weniger gut für andere Hütchen, die das Spiel nicht entworfen und nicht gestaltet haben; so dass dieselben Hütchen gewinnen wie eh und je. In der Praxis versucht eine Politik der Chancengleichheit allerdings nicht einmal, alle vom selben Feld starten zu lassen (was ja hieße, dass jede Generation mit einer vollkommen nivellierten Einkommens-, Eigentums- und Verfügungsstruktur startet), sondern begnügt sich damit, einige von den weiter hinten startenden Hütchen ein bisschen weiter an die vorn startenden Hütchen heranzurücken.
(78) (65) Die ausgleichende Ungerechtigkeit ist nicht nur ein symbolischer Akt, wie Cheryl Benard es anhand des absoluten Redeverbots für Männer auf der ersten "Women's Rights Convention" in Salem 1850 darstellt: "Vieles an der Vorgehensweise oppositioneller Bewegungen scheint dieses Ziel zu haben: den Übergeordneten die Erfahrung der Unterdrückung, des Pauschalurteils, des Vorurteils, der Gewalt, die den einzelnen, die einzelne nicht als Person, sondern als Mitglied einer fremddekretierten Kategorie trifft, zu vermitteln - und mit der Erfahrung die Empathie, die Kritikbereitschaft, die Einsicht." (Bernard, Die geschlossene Gesellschaft und ihre Rebellen. Die internationale Frauenbewegung und die Schwarze Bewegung in den USA, Frankfurt/Main 1981, S. 190) Es geht nicht um pädagogische Akte, sondern um sehr materielle Aspekte. Angehörige der privilegierten Gruppe sind wie Altöl: ein Tropfen davon kann die Debatte eines ganzen Saals ruinieren.
(79) (66) Vgl. Argument 213 "Political Correctness", Januar 1996.
(80) (67) Ludovica Scarpa, Es lebe der Staatsbankrott. Es lebe Italien! Ästhetik und Kommunikation 93, Oktober 1996, S. 45.
(81) Audre Lorde, Zwangsheterosexualität und lesbische Existenz, in: Adrienne Rich und Audre Lorde, Macht und Sinnlichkeit. Ausgewählte Texte, Berlin 1983, S. 160.
(82) (68) Spivak, The Post-modern Condition, s. Anm. 33, S. 22. Spivak sagt, sie zitiere damit Derrida, die Stelle ist mir aber nicht bekannt.
(83) (69) Das bekannte zapatistische Zitat lautet: "Es ist nicht nötig, die Welt zu erobern; es genügt, dass wir sie neu erfinden."
(84) (70) Das "Ökonomische" ist hier nicht ausgeklammert. Die Nennung "ökonomischer" Auseinandersetzung legt jedoch die irrige Annahme nahe, alle anderen Auseinandersetzungen seien nicht-ökonomische. Nach der hier vertretenen Auffassung von Ökonomie sind jedoch alle Auseinandersetzungen um Regeln immer auch ökonomische, denn sie handeln immer auch von der Verteilung und Verfügung gesellschaftlichen bzw. kooperativen Kapitals.
(85) (71) Jacques Derrida, Bemerkungen zu Dekonstruktion und Pragmatismus, in: Chantal Mouffe (Hrsg.), Dekonstruktion und Pragmatismus. Demokratie, Wahrheit und Vernunft, Wien 1999, S. 183.
(86) (72) Ich habe keine abschließende Meinung zur begrifflichen Überschneidung von "Intervention" im Sinne dieses Abschnitts und im Sinne des 1. Kapitels ("Intervention verhindern"). Einerseits handelt es sich einfach um das gleiche Wort für zwei verschiedene Sachverhalte, aber so wird es nun mal gebraucht. (Es ist eine bedeutsame Verschiebung, dass heute zunehmend von "Intervention" statt von "Aktion" gesprochen wird, wenn es um politische oder künstlerische "Eingriffe" geht; eine Verschiebung, die mir auf etwas Richtiges im Sinne dieses Kapitels hinzuweisen scheint.) Andererseits ist die begriffliche Überschneidung vielleicht nicht rein zufällig und weist doch auf Ähnlichkeiten hin. Auch die moderne Interventionspolitik der Macht - militärisch, ökonomisch, symbolisch - verfolgt ja zunehmend ein Konzept, das nicht effektiv die Regeln ändern und dafür in der Verantwortung stehen will - man bombardiert Bagdad und Belgrad, aber man will das Land nicht besetzen; man streicht ökonomische Garantien, aber überlässt es der Gesellschaft, wie sie damit umgeht; man stellt mit viel Geld und Macht im Rücken öffentlich sogenannte "unbequeme Fragen" und "fordert gesellschaftliche Tabus heraus", ohne sich auf die Ergebnisse festzulegen. Über diese Ähnlichkeit zwischen der Interventionspolitik der Macht und der Intervention als kritischer Artikulation nachzudenken, könnte dann dazu führen, auch die eigenen "Interventionen" immer wieder kritisch darauf zu durchleuchten, wo sie Elemente von Gewalt, Dominanz und Ignoranz gegenüber den Beteiligten oder "Adressaten" enthalten.
(87) (73) Audre Lorde, The Transformation of Silence into Language and Action, in: Sister Outsider. Essays and Speeches, Freedom 1984, S. 41.
(88) (74) Politische Organisierung erfordert daher auch einen gewissen Respekt vor der Tatsache, dass es schwierig ist etwas auszudrücken, das nicht der Logik der herrschenden Verhältnisse entspricht. Das ist der subtile, infame Sinn der BILD-Werbung: "Wer etwas Wichtiges zu sagen hat, macht keine langen Sätze." Wer mit den herrschenden Regeln vollständig übereinstimmt und auf den Privilegien schwimmt, die sie verleihen, kann sich in der Tat leicht kurz fassen. Wo es um die Äußerung von Kritik und emanzipativen Ansprüchen geht, müssen wir uns dagegen schon die Mühe machen, einander auch mit etwas Anstrengung zuzuhören und zu verstehen versuchen.
(89) (75) Die Marxsche Formulierung ist die von den Verhältnissen, denen man ihre eigene Melodie vorspielt, um sie zum Tanzen zu bringen; was mir aber die existenzielle Dimension für die im Schweigen gefangenen Individuen zu wenig ausdrückt. Wir müssen uns den gesamten Prozess heute in der Tat weit mehr als ein schwieriges, "testweises", nicht objektiv ableitbares Wagnis vorstellen.
(90) (76) Libreria delle donne di Milano, Wie weibliche Freiheit entsteht, s. Anm. 19, S. 141.
(91) (77) Darüber löst sich auch das bekannte Paradox, welche Motivation wir haben können, uns positiv auf eine Sache zu beziehen, die unsere eigenen Privilegien angreift und abschaffen will (z.B. unsere Privilegien als Männer, Weiße, Heteros/as, nach Geburtsland und nach Einkommen/Besitz usw.). Es hat einen individuellen Nutzen für uns, es ist nur nicht "rational" nach den herrschenden Regeln und der herrschenden "Vernünftigkeit"; und wenn es das ist, dann ist es falsch. Die Frage, die mit stetigem Misstrauen zu prüfen und "überwachen" ist, ist also nicht die, ob eine solche Motivation möglich ist, sondern die, ob der individuelle Nutzen, der hier gewonnen wird, der richtige ist (und nicht eben doch einer der modernen Ausbeutung, des raffinierten Vorsprunggewinnens und der "aufgeklärten" Selbstaufbesserung, um besser weitermachen zu können wie bisher).
(92) (78) Auch hier soll nicht der Eindruck erweckt werden, auf konkrete Emanzipationsprozesse herabzuschauen. Es gibt viele Gründe für unmittelbares Handeln, aktive Selbstverteidigung, eruptive Prozesse und persönliche Unbedingtheit. Es gibt meist keine "gelassene" Form, Regeln zu brechen und in Frage zu stellen. Aber politische Organisierung, wie sie hier verstanden wird, geht darin nicht auf und bezeichnet eine zeitgleiche, andere Ebene, ohne die es eben auch nicht geht.
(93) An Claude, der gut die Hälfte von dem geschuldet ist, was ich schreibe, auch wenn ihr nur etwa ein Drittel davon gefällt; und die mich mehr oder weniger erträgt, wenn ich schreibe, obwohl sie selber nie mehr als 30.000 Zeichen braucht.
An Renée und Alexander für Anschauungsunterricht in Sachen freie Kooperation. An Heike und Nina, ohne die ich wahrscheinlich nicht fertig geworden wäre. An diejenigen, die mir in der letzten Zeit Diskussionen und Lesungen ermöglicht haben, allen voran die FreundInnen des Maquis .
Und an die Stiftung, die, eine freundliche Geste gegenüber allen AutorInnen, Rousseaus zweit3 Abhandlung zum Vorbild genommen hat - die, die nicht "gewonnen" hat.