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DRM - Digital Restriction Management

Maintainer: Stefan Meretz, Version 1, 04.03.2005
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Privatisierung des Urheberrechts und Gegenwehr

(1) DRM steht offiziell für Digital Rights Management, von KritikerInnen treffend als Digital Restrictions Management übersetzt. Seit 1999 versucht eine Allianz großer Hard- und Softwarefirmen (derzeit AMD, HP, IBM, Intel, Microsoft, Sony, Sun u.a. in der Trusted Computing Group TCG) eine neue technische Infrastruktur zu etablieren, um den bislang ungehinderten Fluß von Bits auf den persönlichen Rechnern unter (ihre) Kontrolle zu bringen.

(1.1) Streifzug 3: Review auf keimform.de, 10.11.2006, 10:38, Stefan Meretz: Nach einiger Zeit habe ich die Diskussion hier bei open theory im Blog keimform.de ausgewertet. Titel: Streifzug-Review 3: »DRM«.

DRM = Spezial-Hardware + Kryptographie

(2) Mit Hilfe von kryptographischen Methoden sollen eindeutige »Schlüssel« Rechnern und anderen elektronischen Geräten zugeordnet und »in« Hardware hinterlegt werden. Auf diese Weise werden die elektronischen Geräte auch vor ihren BesitzerInnen »geschützt«. Zugriff auf den Zustand des Gerätes und seine Daten sollen hingegen externe Diensteanbieter bekommen. Sie können bei einem Internetzugriff kontrollieren, was auf dem Gerät geschieht: Welche Software installiert ist, welche Musik wie oft abgespielt wird usw. Die Knappheit des Informationsguts wird steuerbar, die Warenform bleibt erhalten, die Kasse klingelt.

(3) Um Argumente für eine Etablierung eines allgemeinen DRM sind die Befürworter nicht verlegen – können sie doch an realen Problemen ansetzen: Viren, Würmer, unsichere Netzwerke usw. beeinträchtigen inzwischen in erheblichem Maße die Kommunikation. Gelockt wird mit sicheren (monetären) Transaktionen, mit sicherer Authentifizierung (Echtheitserkennung), Passwortschutz etc. Die Botschaft ist: »Vertraut uns, und wir schützen euch«. Dass bei diesem Maß an möglicher Kontrolle die Begehrlichkeiten der Geheimdienste geweckt sind, liegt auf der Hand. Jedoch fehlt DRM noch in der Argumentenkiste als »Mittel im Kampf gegen den Terror«.

Abschied von der Universalmaschine

(4) Funktional handelt es sich bei dem Versuch der Etablierung einer hardwarebasierten Restriktion um den gravierensten Einschnitt seit der Erfindung des Computers. Der Computer hat seine herausragende Rolle gewonnen, weil er als Universalmaschine eine Trennung von gegenständlich-materialem Sachprozess und ungegenständlicher Zeitlogik ermöglicht hat (vgl. ausführlich [1]). Analoger stofflicher Prozess und digitale Steuerung traten auseinander und konnten jeweils für sich »revolutioniert« werden. Wird die Universalmaschine im Medium des Digitalen wieder »verplombt«, verliert sie ihren Universalcharakter. Jede Universalmaschine auf dem Schreibtisch wird per DRM wieder zu einer Spezialmaschine »konfiguriert« – mit Geldeinwurfschlitz sozusagen.

(4.1) 08.03.2005, 16:14, Hans-Gert Gräbe: Was meinst du mit "Auseinandertreten"? Ich sehe nur, dass es repetitive stoffliche Prozesse sind, für welche sich durch das neue Werkzeug Computer eine neue Dimension planvoller Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Und zwar in einer solchen Weise, dass man den repetitiven Charakter dieser Prozesse arbeitsweltlich anders realisieren kann als mittels Einsatz von "dressierten Gorillas". Dass damit gleich zwei (!) kommandobasierte Gesellschaftsformen aus den Angeln gehoben werden und die (von beiden noch) verbliebene mit den hier beschriebenen Ansätzen versucht Widerstand zu leisten, d'accord. Aber wollen nicht genau diese Leute ein Auseinanderfallen suggerieren, wo gar keins ist?

(5) Das bedeutet, dass hier Interessen kurzfristiger Content-Vermarktung und strategischer Entwicklung der produktiven Basis des Kapitalismus im Widerspruch zueinander stehen. Es bestätigt sich damit aber auch, dass sich Informationsgüter nicht als Ware eignen und nur mit Gewalt in der Warenform gehalten werden können. Was bislang »Kopierschutz« und »Freigabeschlüssel« nicht brachten, weil sie unmittelbar nach Markteintritt bereits geknackt wurden, soll nun das hardwarebasierte DRM bringen.

(5.1) Was eignet sich als Ware?, 04.03.2005, 23:39, Maike Arft-Jacobi: Informationsgüter eignen sich ebenso wenig als Ware und können ebenso nur mit Gewalt in der Warenform gehalten werden wie Grundstücke und Agrarflächen, Nutztiere, Wohnraum, Arbeitskraft, Wasser, Strom, Gesundheitsversorgung ... Ist es möglich, gegen DRM anzugehen, ohne den Kapitalismus in Frage zu stellen? Oder umgekehrt: Inwieweit lässt sich gegen DRM erfolgreich etwas unternehmen, ohne den Kapitalismus anzukratzen? Welche konkreten Folgen hätte es für den Kapitalismus, gelänge es, Informationsgüter X, Y, Z vor der Warenform zu schützen? Bei Wasser, Post und Bahn ist es z.B. sehr, sehr lange gelungen, die Güter aus dem privaten Markt herauszuhalten; dagegen scheint die Warenform bei Grundstücken wesentlich für den Kapitalismus zu sein. --> Lassen sich die Informationsgüter entsprechend irgendwie gliedern? Hat die Transformation von Gütern in Warenform z.B. etwas mit den Kosten für ihre zuverlässige Bereitstellung zu tun, so dass man grob sagen könnte: Sobald ein Gut durch Private zuverlässig bereit gestellt werden kann, erhält es Warenform? (Eine Privatisierung von Flüssen und Meeresflächen wäre z.B. bis heute dem Kapitalismus eher abträglich; anders teilweise Schienen- und Straßennetz.)

(5.1.1) Re: Was eignet sich als Ware?, 05.03.2005, 06:23, Benni Bärmann: Du benutzt "Warenform" und "privater Markt" hier synonym. Das sind sie aber nicht. Wasser, Post und Bahn waren schon sehr lange in Warenform auch wenn diese unter staatlicher Hoheit verwaltet wurde. Nur weil etwas einen Einheitspreis hat, bedeutet das noch nicht, das es garkeinen Preis hat. (Soweit stimmt mir sicherlich auch Stefan zu)

Richtig an Deinem Einwand ist hingegen, dass jedes Gut nur gewaltförmig in der Warenform gehalten werden kann - so wie auch der Kapitalismus immer nur gewaltförmig existieren kann. Welche Güter dabei besonders umkämpft sind, ändert sich aber historisch. Zur Zeit der Maschinenstürmer waren es die ersten Fabriken und heute ist es eben u.a die digitale Welt. Das spezielle der Informationsgüter ist also keine überzeitliche Naturgesetzlichkeit sondern ergibt sich aus der historischen Situation. (Stefan sieht das allerdings möglicherweise ein klein bisschen anders ... oder?)

(5.1.1.1) Re: Was eignet sich als Ware?, 06.03.2005, 11:37, Stefan Meretz: Das sehe ich nur insofern ein ganz klein wenig anders, als das sich Informationsgüter mit "Aufwand gegen Null" duplizieren lassen, ohne dass sich das Original vermindert. Den meisten Informationsgütern kommt damit zwar Waren/Wertform zu, aber keine Wertsubstanz. Das ist das Spezielle an Informationsgütern und deswegen handelt es sich nicht bloß um eine beliebige historische Situation, sondern IMHO eine Finialsituation des Kapitalismus: Er kann sich nicht über Informationsgüter reproduzieren. Das Andere sehe ich genauso: Staatsgüter und Privatgüter unterscheiden sich ggf. durch dahinterstehende Interessen, nicht aber durch ihre (Waren-) Form.

(5.1.1.1.1) 08.03.2005, 16:15, Hans-Gert Gräbe: Ich habe schon anderenorts angemerkt: Die "Wertsubstanz" von "Informationsgütern" verteilt sich auf Beschaffung (Phase 1) und Aneignung (Phase 2). Es wird immer wieder betont, dass Open Source trotz Preis = Null nicht mit Null in den Bilanzen stehen kann, weil die TCO auch z.B. Schulungskosten berücksichtigen muss.
Deine Bemerkung "Informationsgüter lassen sich mit Aufwand Null duplizieren" bedeutet nur, dass mit den heutigen technischen Möglichkeiten Phase 1 weitgehend trivial sein und Überfluss hergestellt werden kann. Aber es ist Überfluss des Trivialen. Die Anstrengung, das Zeugs anzueignen, ist genuin knapp.

(5.1.2) Re: Was eignet sich als Ware?, 05.03.2005, 10:24, Wolf Goehring: Die warenform ist nicht daran gebunden, dass das zeugs nicht-staatlich produziert oder verscherbelt wird.

Eine privatisierung von fluessen wird bereits praktiziert. Ich weiss nicht mehr in welchem teil der welt, jedoch ist es dort nach dem verkauf des flusses an einen internationalen investor den bauern verboten, wasser aus dem fluss zu entnehmen oder in dessen naehe brunnen zu graben. Das waere naemlich diebstahl. Um ihre felder zu bewaessern und ihre suppe zu kochen, muessen sie das wasser jetzt kaufen.

(5.1.3) Re: Was eignet sich als Ware?, 08.03.2005, 16:19, Hektor Rottweiler: Natürlich wird kein redlicher Mensch das DRM angehen, "ohne den Kapitalismus in Frage zu stellen". Das wäre allzu dämlich. Aber wie auch Meretz (s.o., 5.1.1.1) sehr richtig anmerkt, gibt es einen - kategorientheoretisch unwesentlichen, praktisch aber entscheidenden - Unterschied zwischen der gewaltförmigen Warenförmigkeit meines Grundstücks oder meiner Arbeitskraft z.B. und der meiner Software oder meines sonstigen digitalen Erzeugnisses: Wenn sich jemand (jetzt mal immanent gedacht) an irgendwelchen materiellen "Gütern" vergeht, so wird das kaum möglich sein, ohne daß ich das a) merke und b) diese Güter dadurch für mich als rechtmäßigen Besitzer Gebrauchswert verlieren, denn sie werden ja geklaut, d.h. sind weg bzw. unbrauchbar. Ganz so einfach verhält es sich mit den digitalen bzw. virtuellen Gütern nicht: Ihr Gebrauchswert besteht eben nicht nur in der bestimmungsmäßigen Anwendung, sondern (kapitalimmanent bloß) in ihrem Tauschwert. Nur immanent ist es deshalb eine Einbuße für den Eigner, wenn irgendjemand die digitale Ware ohne Abnutzung benutzt oder identische Kopien sich erstellt. Denn ich merke es ja gar nicht dem "Gut" selber an, sondern nur der nachlassenden Nachfrage (weil die "Ware" gratis kursiert). Das meint Stefan Meretz mit der Feststellung: "Den meisten Informationsgütern kommt damit zwar Waren/Wertform zu, aber keine Wertsubstanz." (5.1.1.1)
Noch eine Anmerkung zu der Redewendung, man müsse "X,Y,Z vor der Warenform [...] schützen": ich finde eher, daß gerade die Warenform die Gebrauchsdinge X,Y,Z vor den Menschen schützt. Wir müssen also gar nichts oder niemanden schützen ...

Privatisierung des Urheberrechts

(6) DRM realisiert unterschiedliche Restriktionsmechanismen, die rechtlich durch ein erneuertes Urheberrecht abgesichert werden – etwa durch das Verbot der Umgehung von »Schutzmechanismen«. Die Diensteanbieter können dabei die »rechtliche Konfiguration« selbst steuern, können »gleichsam ihr eigenes Urheberrechtsgesetz zusammenschustern und dessen Reichweite selbst bestimmen«[2]. Die schleichende Privatisierung des Urheberrechts ist die konsistente Parallelentwicklung zur Zersetzung staatlicher Souveränität als Regulator divergierender Partialinteressen im Sinne eines »Ausgleichs«. Das neoliberale Credo lautet: Staat ja, aber nur als Gewaltinstrument zur Durchsetzung privater Zahlungsaufforderungen. Daher ist es eine naive Forderung, weiterhin an den »fairen Ausgleich« auf Basis »alternativer Kompensationssysteme« (Stichwort: »Kultur-Flatrate«) zu appellieren – die »guten alten Zeiten« des staatlich-fordistischen Regulationsmodells sind passé.

(7) Auch die Freie Software ist vom DRM betroffen, denn sie wird unweigerlich auf DRM-Hardware treffen. So werden mit Sicherheit in Freier Software engagierte Firmen für passende DRM-Software sorgen. Wird die freie Community mitziehen? Das halte ich für unwahrscheinlich. Zum einen ist DRM unvereinbar mit Copyleft-Lizenzen[3], die eine freie Änderbarkeit erfordern und Weitergabe der geänderten Programme erlauben. DRM-geeignete Programme müssen jedoch zentral (z.B. von der TCG) abgenommen und signiert werden. Jede Änderung würde die Signatur jedoch ungültig machen.

(7.1) 08.03.2005, 16:17, Hans-Gert Gräbe: Das setzt voraus, dass sie es schaffen ihre Pläne durchzusetzen. Unter (4) begründest du aber, warum kein vernünftiger Mensch freiwillig DRM-verseuchte Hardware verwenden wird.

(7.1.1) Hardware-Markt, 08.03.2005, 16:42, Hektor Rottweiler: Irgendwann wird man realistischerweise nicht mehr die Wahl haben, "DRM-verseuchte" oder 'neutrale' Hardware zu kaufen. Es nähme Wunder, wenn sich marktimmanent eine "freie" Hardware, so wie sie heute (noch) existiert, gegen die hochgezüchteten (und beständig nachgefragten!) Produkte des - wenn nicht monopolistischen, so doch arg überschaubaren und jedenfalls nicht an Menschheitsbeglückung interessierten - Konzernimperiums durchsetzen sollte! Bevor das allzu sehr nach attac-Sprech aussieht (moralisch böse Multis), sei es materialistisch dahingehend fundiert, daß es de facto schon lange viel zu kapitalintensiv ist, bspw. auf dem Mikroprozessorenmarkt zu reüssieren, als daß ich dort eine einsame, idealistisch-edle Avantgarde sehen würde, die sich ein solches Geschäft wie DRM entgehen ließe. Es wird daher wohl kaum zu einem publikumswirksamen Showdown David vs. Goliath kommen.

(7.1.1.1) 09.03.2005, 10:28, Hans-Gert Gräbe: DRM ist ein extrem Consumer-orientiertes Konzept. Zum Glück brauchen die Kapitalisten uns aber auch als Produzenten. In diesem Spagat - so meine ich - werden sie sich die Knochen brechen.

(7.1.1.1.1) die Kapitalisten ..., 15.03.2005, 18:38, Hektor Rottweiler: Wie so einige systemimmanente Animositäten zeigen, hat das Kapital zunächst keine Probleme damit, daß (wie es immer so schön heißt) "bornierte" Einzelkapitalien, also "die Kapitalisten" bisweilen andere Interessen vertreten, als sie logischerweise das System an sich vertreten müßte. (So führt bspw. ja die - als Produktivitätssteigerung notwendige! - Automatisierung unter Konkurrenzverhältnissen zum Effekt einer massiven Freisetzung von Arbeitskräften, die nicht auszubeuten aus "globaler" Kapitalperspektive höchst irrational ist ...) "Die Knochen brechen" sich erfahrungsgemäß andere als das Kapitalverhältnis.

(8) Ein zweiter Grund ist jedoch schlicht die nachvollziehbare Unlust, für Kopien zu zahlen. Diese Unlust hat auch schon heute zu Entstehung eines globalen »Direkt-Kopie-Universums« (P2P: Peer-to-Peer Netzwerke) geführt, in dem fleißig Software, Musik, Filme etc. herumgereicht werden[4]. Ging dies bislang auch mit Microsoft-Betriebssystemen, so wird eine »Verplombung« wahrscheinlich zu einer verstärkten Nutzung Freier Betriebssysteme führen.

Ausweichen und konstituieren

(9) Die Reaktion auf die Restriktionsmaßnahmen ist zweigestaltig. Einerseits werden massenhaft faktisch Kopierverbote ausgehebelt. Kopierschutz wird geknackt, DRM wird umgangen, P2P-Weitergabe nimmt weiter zu. Ob diese Ausweichbewegung eher individualistisch oder kollektiv-solidarisch[5] verläuft, wird sich zeigen.

(10) Daneben wachsen auch »konstituive« Formen, also solche Formen, die etwas Neues aufbauen, anstatt das Alte zu bekämpfen oder zu umgehen. Beispiele dafür sind die global vernetzten Offenen Archive (www.openarchives.org), die frei zugänglichen wissenschaftlichen Journale (www.plos.org) und natürlich die Freie Software.

(10.1) 08.03.2005, 16:19, Hans-Gert Gräbe: ... und es gibt mächtige Bündnisse in dieser Welt, die in das gleiche Horn tuten, etwa http://www.urheberrechtsbuendnis.de

Anmerkungen

(11)
[1] Meretz, S., Zur Theorie des Informationskapitalismus, Teil 2, in: Streifzüge 2/2003
[2] Bechthold, S., Digital Rights Management zwischen Urheber- und Innovationsschutz, in: FifF-Kommunikation 4/2004, S. 45-49
[3] Vgl. Meretz, S., What's Copyleft?, in Streifzüge 30, S. 11
[4] Tageszeitabhängig ist das P2P-Datenvolumen 2- bis 10-fach so hoch wie das Standard-HTTP-Datenvolumen, vgl. www.cachelogic.com/research/
[5] Vgl. etwa Frankreich wo 20.000 öffentlich bekannten: »P2P – Wir sind alle Piraten.«


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