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24 Notizen zur immateriellen Arbeit und Ware Wissen

Maintainer: Stefan Meretz, Version 1, 07.12.2007
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Beitrag zum Workshop »Immaterielle Arbeit und Waren Wissen« auf dem Kongress »No way out? - Der ...ums Ganze! Kongress« (Frankfurt/M., 7.-9.12.2007)

(1) Immaterielle Arbeit und Wissen als Ware erscheinen zunächst als getrennte Themen. Ihre Verbindung muss erst rekonstruiert werden. Immaterielle Arbeit ist nach Hardt/Negri Arbeit, die »Dienstleistungen, kulturelle Produkte, Wissen oder Kommunikation produziert« (2002, S. 302). Sie identifizieren drei Typen: erstens die Transformation der industriellen Produktion zur Dienstleistung, zweitens die unmittelbaren symbolisch-analytischen Tätigkeiten, drittens die Produktion und Handhabung von Affekten. Kennzeichnend für alle Typen immaterieller Arbeit sei die Immanenz der Kooperation.

(2) Ein theoretischer Zugang über die unmittelbaren Arbeitstätigkeiten ist sinnvoll. Allerdings müssen solche Beschreibungen vermittelt werden mit einem Begriff von der Funktionsweise der Warenproduktion, in der diese Tätigkeiten stattfinden. Das unterbleibt. So bleibt der kategoriale Status des Begriffs der immateriellen Arbeit und die Bedeutung der vorgenommenen Typisierung völlig unklar. Das hat Folgen.

(3) Zu klären wäre: Wie ist das Verhältnis von materieller und immaterieller Arbeit beschaffen? Welchen ökonomischen Status hat die immaterielle Arbeit in ihrem Verhältnis zur materiellen Arbeit? Wie ist die Beziehung von materieller/immaterieller Arbeit zum Wert als konstitutivem gesellschaftlichem Verhältnis? In welcher Weise wird die Funktionsgrundlage des Kapitalismus der »Verwertung von Wert« durch einen solchen Begriff tangiert? Wird dadurch eine Aufhebung des Kapitalismus besser oder überhaupt erst verstehbar?

(4) Hardt/Negri beantworten diese Fragen nicht. Das ist auf Grundlage ihrer ausschließlich deskriptiven Termini auch nicht möglich. Beispielhaft wird dies deutlich bei der Verwendung des Begriffs der abstrakten Arbeit. Marx spricht vom Doppelcharakter der Arbeit. Das ist ein analytischer Begriff. Als konkrete Arbeit produziert sie den Gebrauchswert, als abstrakte Arbeit den Wert, der sich im Tausch realisiert. Konkrete und abstrakte Arbeit existieren nicht als solche, sondern es sind die bestimmbaren Seiten warenproduzierender Arbeit. Abstrakte Arbeit bei Hardt/Negri beschreibt die Distanz zum Gegenstand der Arbeit. Durch die Computerisierung nehme die Distanz immer mehr zu, die Arbeit werde immer abstrakter. Dieser deskriptive Terminus hat nichts mit der Kategorie der abstrakten Arbeit als eine Seite der Arbeit in warenproduzierenden Gesellschaften zu tun. Wenn nun behauptet werde, die immaterielle löse die abstrakte Arbeit als entscheidendem Begriff einer Kapitaltheorie ab, so meinen beide Begriffe etwas anderes, nur nicht eine Kapitaltheorie.

(4.1) 07.12.2007, 10:29, Benni Bärmann: Bis hierhin völlig richtig. Dieses Verständnis von Hardt/Negri ist tatsächlich falsch (oder mindestens mal nicht meins).

(5) Eine weitere These lautet, das Hardt/Negri eine »neue politische Werttheorie« fordern. Das ist wörtlich zu nehmen: Sie verabschieden sich von einer »Kritik der politischen Ökonomie« und begründen affirmativ eine neue positive Werttheorie. Der Wert als zentrale Vermittlungsinstanz der Vergesellschaftung wird akzeptiert, die Frage ist nurmehr, wer die »Verwertung von Wert« (Marx) in Bewegung setzt. Hier biete die immaterielle Arbeit, die immanent kooperativ sei, die Möglichkeit zur »Selbstverwertung«. Dieser dann so genannte »spontane Kommunismus« ist die ins Individuum hineinverlagerte und verinnerlichte Exekution des alltäglichen Horrors im Kapitalismus. Es ist aber nicht nur das, es enthält auch und gleichzeitig Potenzen der Befreiung. Diese sind jedoch nicht in Affirmation, sondern nur in Negation des Werts zu begreifen und freizulegen.

(5.1) 07.12.2007, 10:31, Benni Bärmann: "Der Wert ... wird akzeptiert." Ich möchte wirklich gerne jetzt mal Zitate sehen, die das belegen. Zugegeben ist, dass sie garnicht in diesen Kategorien, die für Wertkritiker natürlich zentral sind, denken. Aber deswegen heisst das doch nicht, dass sie das akzeptieren. Sie haben einfach ein anderes Thema.

(5.1.1) 07.12.2007, 11:08, Juli Bierwirth: Der Satz ist, denke ich, sowohl richtig als auch falsch. Sie aktzeptieren das, was sie als Wert bezeichnen - was aber mit Marxens Wert so ziemlich gar nix zu tun hat. Ich zitiere mal Negri aus einer Auseinandersetzung mit André Gorz:

Tatsächlich muß man sich darüber verständigen, was "Wertgesetz" bedeutet. Für mich und einige andere ( ... ) heißt Wertgesetz das Gesetz über das Maß des Werts. Ganz offensichtlich ist es uns gegenwärtig möglich, unwiderlegbar aufzuzeigen, daß das Gesetz, wonach die Arbeitszeit Maß des Werts wäre, überholt ist, so wie es die Grundrisse vorausgesehen haben. Doch Gorz ist noch radikaler: Für ihn ist nicht nur das Maß des WErts überholt, sondern auch der Wert selbst. Für ihn heißt das: Das Ende des Wertgesetzes läßt sich in die Feststellung übersetzen, der Arbeit komme kein Wert mehr zu. ( ... )" [Toni Negri: Elend der Gegenwart - Reichtum des Möglichen". In: Die Beute NF 2)

Dann stellt er fest bzw fragt, ob es demgegenüber "statt den Wert der Arbeit fallenzulassen, viel nützerlicher wäre zu versuchen, den Charakter des Werts der Arbeit des "general intellect" zu bestimmen? Und damit konsequenterweise ein Verständnis dafür zu entwickeln, was Wert "außerhalb" und "jenseits" ihres (zeitlichen) Maßes heißen kann? Ein Verständnis dafür zu entwickeln, welche Dimensionen und Intensitäten Wert und Arbeit unter den Bedingungen der Massenintellektualität auszeichnen?" (es folgen Verweise auf Leute, die das versucht hätten: Paolo Virno, Michael Hardt, Mauzizio Lazzarato, Christian Marazzi, etc)

Damit fasst Negri selbstverständlich unter Wert was anderes als Marx. Er fasst den Begriff als neutral, er kann repressiv wirken oder befreiend. In der pPostmodernen Netzwerkproduktion steht dann eben zufälligerweise grade letzteres an.

(6) Im folgenden versuche ich mich an einer solchen Freilegung. Ansatzpunkt ist das Begriffspaar produktive/unproduktive Arbeit. Er fasst die Rolle von Arbeit im erweiterten Reproduktionszyklus des Kapitals, den Marx auf die Formel G-W-G' brachte. Ist Arbeit konstitutiver Beitrag zum G', so ist sie produktiv; ist sie Abzug davon, so ist sie unproduktiv. Dieser Weg über das Verhältnis produktiver/unproduktiver Arbeit ist notwendig, weil die äußerlich beobachtbare Weise der Arbeitverausgabung noch nichts über ihre Rolle im Verwertungsprozess aussagt. So ist weder materielle Arbeit stets produktiv, noch immaterielle stets unproduktiv.

(7) Das Verhältnis produktiver/unproduktiver Arbeit wirft nun seinerseits ein analytisches Problem auf, da die Kapitalverwertung als zyklischer Prozess zu begreifen ist, und in dem gibt es nun einmal keinen Anfang und kein Ende. Es ist also nicht einfach möglich, zu bestimmen, ob eine Tätigkeit Mehrwert produziert und damit das G' konstituiert oder aus ihm bezahlt wird. Um nun klären zu können, welche Arbeit wertproduktiv ist -- so will ich das jetzt abkürzend nennen -- und welche nicht, ist es noch einmal notwendig, sich den Charakter von Arbeit in warenproduzierenden Gesellschaften klar zu machen.

(8) Zur Annäherung an diese Frage verwende ich nun einen sehr grundlegenden Zugang, und ich will dies im Folgenden dann am Beispiel der Informations- und Wissensgüter durchspielen, womit dann das zweite Thema erreicht wäre. Den Zugang gewinne ich durch die Frage wie im Kapitalismus Privatarbeit allgemeine, also gesellschaftliche Geltung erlangen kann. Ganz generell kann Kapitalismus auch als sich bewegender Widerspruch von Arbeit in privater Form, die sich als allgemeine Arbeit bewähren muss, gefasst werden. Damit will ich mich im folgenden etwas ausführlicher befassen.

(9) Allgemeine Arbeit ist Arbeit für allgemeine Andere. Allgemeine Arbeit darf nicht verwechselt werden mit gemeinschaftlicher Arbeit. Das betont auch Marx, es sei »zu unterscheiden zwischen allgemeiner Arbeit und gemeinschaftlicher Arbeit. Beide spielen im Produktionsprozeß ihre Rolle, beide gehn ineinander über, aber beide unterscheiden sich auch. Allgemeine Arbeit ist alle wissenschaftliche Arbeit, alle Entdeckung, alle Erfindung. Sie ist bedingt teils durch Kooperation mit Lebenden, teils durch Benutzung der Arbeiten Früherer. Gemeinschaftliche Arbeit unterstellt die unmittelbare Kooperation der Individuen.« (MEW 25, 113f) Allgemeine Arbeit ist also gesellschaftliche Arbeit.

(9.1) 07.12.2007, 10:35, Benni Bärmann: Hier bin ich verwirrt: Im letzten Absatz schreibst Du, dass sich alle private Arbeit als allgemeine bewähren muss und hier soll jetzt allgemeine Arbeit aber etwas ganz spezifisches sein, nämlich Erfindung und Entdeckung. Also muss sich alle private Arbeit als Erfindung und Entdeckung bewähren? Da muss ich wohl irgendwas falsch verstanden haben, nur was? Dummerweise lässt sich der Rest des Textes ohne dieses Verständnis nicht verstehen. Na, ich werde am Wochenende sicherlich Gelegenheit haben, Dich mal zu fragen.

(9.1.1) 11.12.2007, 17:33, Stefan Meretz: Ja, hier ist ein unsauberer Übergang: Marx spricht hier von "allgemeiner Arbeit", was ich später genauer als "konkret-allgemeine Arbeit" kennzeichne. Die Privatarbeit, die sich erst mittelbar über den Wert als allgemeine bewähren muss, ist die "abstrakt-allgemeine Arbeit".

(9.1.1.1) abstrakt und konkret allgemeine Arbeit, 06.01.2008, 14:10, Konrad Stoeber: Ist mir grad beim nochmal lesen aufgefallen: Da wird m.E. einiges zumindest sinnentstellend verkürzt: Lohnarbeit wird als Einheit von konkreter und abstrakter Arbeit geleistet. Also beides als Privatarbeit. Beides muss sich über den Wert im Tausch als gesellschaftliche bewähren. Auch die abstrakte Arbeit als wertbildende Arbeit muß sich über den Tausch realisieren. Mißlingt der Tausch aus irgendwelchen Gründen hat sich auch die wertbildende abstrakte Arbeit nicht realisiert. Eine privat produzierte Lederhose als vergegenständlichte konkrete Arbeit bewährt sich auch nicht als Lederhose, wenn sie nicht verkauft wird. Das der konkret einzelnen Arbeit innewohnende konkret Allgemeine wird dann auch in Privatarbeit realisiert. Als Wissen erlangt das konkret Allgemeine, wo und wie auch immer produziert, allerdings eine selbständige Existenz, es realisiert sich aber in der konkreten Arbeit. Durch Deine Lesart wird zumindest abstrakte und konkrete Arbeit getrennt.

(9.1.1.1.1) Re: abstrakt und konkret allgemeine Arbeit, 09.01.2008, 21:32, Stefan Meretz: Das wollte ich sagen. Ich will da nichts trennen. Wesentlicher Punkt ist hier, dass sich die "Arbeit" nur vermittels der Bewährung als Wert als dem abstrakt Allgemeinen gesellschaftliche Geltung erlangt und nicht zusosagen "direkt". Das (direkt) geht nur beim Wissen (und Informationsgütern), wie du richtig schreibst (mit den später dargestellten Konsequenzen).

(9.2) Arbeit für allgemeine Andere, 14.12.2007, 00:14, Konrad Stoeber: Offensichtlich sind „Allgemein“ und „gesellschaftliche Geltung haben“ bei Dir gleichwertig, will heißen austauschbar. Dass in einer menschlichen Gesellschaft Arbeit für andere geleistet wird, darf als Allgemeinplatz gelten. An der von Dir zitierten Stelle spricht Marx, wie Du selbst anmerkst, von konkret allgemeiner Arbeit. Dieses Allgemeine, möchte ich zu bedenken geben, bedeutet m.E. nicht „Arbeit für andere“ sondern ein qualitativ bestimmtes Allgemeines konkreter Arbeit. Ein solches Allgemeines stellt sich als Wissen dar. Z.B. stellt Wissen darüber, wie ein Dieselmotor gebaut wird (und funktioniert) ein Allgemeines dar, was sich beim Bau jedes einzelnen Dieselmotors vorfinden läßt. Die beim Bau eines einzelnen Dieselmotors verausgabte Arbeit ist konkret einzelne Arbeit. Und ein solches Allgemeines ist selbstredend zugleich ein historische bestimmtes Allgemeines. (siehe auch Anmerkung zu Pkt. 15.) (Meine Positionen zu „Wissenschaft als allgemeine Arbeit“ orientieren sich in wichtigen Punkten an P.Rubens gleichnamigen Artikel von 1976.)

(9.2.1) Re: Arbeit für allgemeine Andere, 01.01.2008, 16:42, Stefan Meretz: "Dass in einer menschlichen Gesellschaft Arbeit für andere geleistet wird, darf als Allgemeinplatz gelten." -- Es gibt aber den wichtigen Unterschied zwischen "Arbeit für [konkrete] Andere" und "Arbeit für allgemeine Andere". Erstes betrifft die Ebene der unmittelbaren Kooperation, zweites die Ebene der gesellschaftlichen Kooperation (eine Problematisierung des Begriffes der "Arbeit" hier mal außen vor gelassen).

(9.2.1.1) Re: Arbeit für allgemeine Andere, 06.01.2008, 14:11, Konrad Stoeber: Sicher geht diese Unterscheidung auf den oben zitierten Unterschied von gemeinschaftlicher und allgemeiner Arbeit zurück. Eine diesbezügliche Gegenüberstellung von „!konkret Anderen“ und „!allgemeinenen Anderen“ ist mir noch nicht untergekommen. Damit kann ich nun gar nichts anfangen. Schreibfehler ?

(9.2.1.1.1) Re: Arbeit für allgemeine Andere, 09.01.2008, 21:34, Stefan Meretz: Nein, kein Schreibfehler, sondern meine Wortwahl. Was verstehst du am "konkreten Anderen" nicht? Das ist der Mensch, mit dem du unmittelbar kooperierst, zum Beispiel beim Abwaschen.

(9.2.1.1.1.1) Re: Arbeit für allgemeine Andere, 14.01.2008, 23:07, Konrad Stoeber: Das ist „Alltagsverstandsprech“ – der „konkret Andere“ ist bei Dir jemand mit Name und Hausnummer - Name und Hausnummer als Designator einer bestimmten einzelnen Person. (Erkennungsdienstlich extrem wichtig). Da Du aber weder über Lehmann, Schulze noch Krause sprichst, erhebst Du den Anspruch, eine allgemeine Aussage zu machen. Du sprichst also ebenfalls über den „allgemeinen Anderen“, dessen Allgemeines darin besteht, mit „allgemeinen Anderen zu kooperieren“. Das ist aber abstrakt Allgemeines. Konkret würde es dann, wenn Du einen Unterschied machst zwischen Kooperation am Geschirrspüler – einer räumt ein, der andere aus, und der Kooperation beim Abwaschen in im Kohleherd heißgemachtem Wasser. Hinsichtlich der „unmittelbaren“ Kooperation kannst Du Konkretes in besagten Kapiteln 11-13 im Kapital nachlesen.

(9.2.1.1.1.1.1) Re: Arbeit für allgemeine Andere, 15.01.2008, 12:44, Stefan Meretz: Das ist ein Beispiel und es geht nicht um eine bestimmte Person, sondern um die personale oder unmittelbare Kooperation. Ja, genau das, was Marx in Kapitel 11 ("Kooperation") fasst. Davon begrifflich abzuheben ist die gesellschaftliche Kooperation.

(9.2.2) Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 01.01.2008, 16:49, Stefan Meretz: "Dieses Allgemeine ... bedeutet m.E. nicht „Arbeit für andere“ sondern ein qualitativ bestimmtes Allgemeines konkreter Arbeit." -- Das widerspricht deiner Aussage über den Allgemeinplatz "Arbeit für andere". Das aber nur formal-logisch angemerkt. Wichtiger: Der Inhalt des qualitativen Bestimmtseins konkret(-allgemein)er Arbeit ist gerade jene von mir angeführte allgemeine gesellschaftliche Geltung. Wissen ist das treffende Beispiel. Eine Kritik von Ruben (1976) schreibe ich demnächst mal auf.

(9.2.2.1) Re: Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 06.01.2008, 14:15, Konrad Stoeber: Ich denke, wir haben hier Unterschiede in der Bestimmung dessen, was unter qualitativ bestimmtes Allgemeines konkreter Arbeit“ zu verstehen ist. (siehe meine ursprüngliche Anmerkung 12.3)

(9.2.2.1.1) Re: Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 09.01.2008, 21:43, Stefan Meretz: Ich habe eine Ahnung, was du meinen könntest: Es geht dir um den Inhalt der Arbeit. Was da wie hergestellt wird, was das Konkrete inhaltlich ist. Richtig?

(9.2.2.1.1.1) Re: Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 14.01.2008, 22:08, Konrad Stoeber: Ja

(9.2.2.2) Re: Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 06.01.2008, 14:19, Konrad Stoeber: Du schreibst: „Der Inhalt des qualitativen Bestimmtseins konkret(-allgemein)er Arbeit ist gerade jene von mir angeführte allgemeine gesellschaftliche Geltung.“ Unter 8. findet sich die zugrundeliegende Frage, „wie im Kapitalismus Privatarbeit allgemeine, also gesellschaftliche Geltung erlangen kann.“ Wie unter 9.1.1.1 schon angemerkt, wird auch konkrete Arbeit im kapitalistischen Produktionsprozess als Privatarbeit geleistet, hat aber (noch) keine gesellschaftliche Geltung und bedarf deshalb der gesellschaftlichen Vermittlung über den Wert, bzw. über die Ware-Geld Beziehung. Das ist bei Dir ist offensichtlich die qualitative Bestimmtheit konkreter Arbeit. – Und insofern historisch bestimmt.

(9.2.2.3) Re: Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 06.01.2008, 14:22, Konrad Stoeber: Der Produktionsprozess selbst aber hat bei Dir gar keine qualitative Bestimmtheit. Da Du „Inhalt“ im zitierten Satz hervorgehoben hast, drängt sich außerdem die Frage nach der Form auf, denn das, wovon Du sprichst, ist gesellschaftliche Formbestimmtheit.

(9.2.2.3.1) Re: Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 09.01.2008, 21:48, Stefan Meretz: Ich habe Inhalt hervorgehoben, weil ich über den Inhalt (die qualitative Bestimmtheit) des Allgemeinen schrieb. Meine Meta-Frage war sozusagen: Was macht das Allgemeine allgemein? Deine Frage scheint mir zu sein: Was macht das Konkrete aus, was hat es zum Inhalt? Das sind in der Tat zwei verschiedene Fragen. Mich interessiert zunächst das, was das konkret getan wird nur insofern es Auswirkungen auf die gesellschaftliche Geltung hat. Von der qualitativen Bestimmtheit des konkreten Tuns (was da Inhalt der Arbeit ist) abstrahiere ich. Ein Fehler?

(9.2.2.3.1.1) Re: Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 14.01.2008, 23:30, Konrad Stoeber: Akkurat um die qualitative Bestimmtheit des konkreten Tuns geht es mir. Etwa Handarbeit und Maschinenarbeit. Es geht mir um das Verständnis von: "Nicht was gemacht wird, sondern mit welchen Arbeitsmittel gemacht wird, unterscheidet die ökonomischen Epochen." MEW 23/194f Die "ökonomischen Epochen" beziehen sich auf die gesellschaftliche Formbestimmtheit, "wie und mit welchen Arbeitsmiteln" bezieht sich auf die Produktion selbst. Wenn dieser Zusammenhang nicht bestünde, wäre der Zusammenhang zwischen Entwicklung der Produktivkräfteund den Produktionsverhältnissen ein kontingenter.

(9.2.2.4) Re: Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 06.01.2008, 14:23, Konrad Stoeber: Um bei meinem Beispiel zu bleiben: das Wirkprinzip eines Dieselmotors hat allgemeine gesellschaftliche Geltung. Dieses „Geltung haben“ ist aber mitnichten das gleiche wie „Arbeit für andere“, denn neben „Geltung haben“ sind mindestens die gegenständlichen Mittel zur Umsetzung diese Wissens notwendig. Und Mittel sind diese notwendigen Gegenstände nur, Wissen, wie ein Dieselmotor funktioniert, ist zwar notwendig, aber nicht hinreichend, um „Arbeit für andere“ zu leisten, die sich in einer Anzahl Dieselmotoren vergegenständlicht.

(9.2.2.4.1) Re: Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 09.01.2008, 21:53, Stefan Meretz: Genau die beiden Aspekte, die du hier nennst, nämlich die Entwicklung neuen Wissens und die Anwendung bekannten Wissens, sind analytisch zu trennen. Das wird bei der Einschätzung der Wertproduktivität wichtig. Die Entwicklung des neuen Wissens ist (wie erwähnt: die Problematik des Arbeitsbegriffes ausgeklammert) selbstverständlich "Arbeit für Andere", dazu muss es keineswegs schon angewendet worden sein. Und es ist genau dann "Arbeit für Andere", wenn es "gesellschaftliche Geseltung" besitzt -- und vice versa.

(9.2.2.5) Re: Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 06.01.2008, 14:23, Konrad Stoeber: (Im übrigen denke ich, weil das Kopieren bei den Erwägungen zur freien Software so eine große Rolle spielt, sind bei Lichte besehen, die einzelnen Dieselmotoren auch mehr oder weniger gelungene Kopien des Prototyps.)

(9.2.2.5.1) Re: Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 09.01.2008, 22:00, Stefan Meretz: Diese Kopie-Analogie steht hier auf tönernen Beinen: Jedes Dieselmotorexemplar muss jedesmal neu hergestellt werden unter Anwendung des bekannten Wirkprinzips und jedesmal erneut aufgewendeter Arbeit und Ausgangsmaterialien. Das ist bei der Software nicht so, die Kopie ist hier keine "Herstellung", sondern identische Vervielfältigung, so dass du Original und Kopie nicht unterscheiden kannst. Die Kopien werden nur aus operativen Gründen Kopien genannt, eigentlich sind es Originale. Jeder Dieselmotor ist hingegen auch bei noch so guter Reproduktion individuell und in diesem Sinne eine "echte aber unvollkommene Kopie" (eben kein Original).

(9.2.2.5.1.1) Re: Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 13.01.2008, 01:01, Maike Arft-Jacobi: Das stimmt praktisch nicht. Wenn ich eine Software schreibe und diese unter die Leute bringen will, muss ich prüfen, ob beim Kopieren auf eine CD oder auf einen Internet-Server nichts schief gelaufen ist. An der Notwendigkeit des Prüfens unterscheide ich praktisch Original von Kopie. Der Unterschied wird nicht aufgehoben. Viele Software-EntwicklerInnen ersparen sich die Arbeit, die Kopie zu prüfen, weil der Kopiervorgang meistens klappt. Bei Software mit Sicherheitsrelevanz (z.B. im Gesundheitsbereich) prüft man die Kopie. Es gibt keinen wesentlichen Unterschied zwischen Kopieren von Dieselmotoren und von Software.

(9.2.2.5.1.1.1) Pruefen als Kriterium der Unterscheidung von Original und Kopie?, 14.01.2008, 00:55, Stefan Meretz: Du unterscheidest Original und Kopie nur von der Handlung her, dazu brauchst du dann jedoch nicht das Prüfen. Wenn du aber zwei Instanzen hast, die identisch sind, dann kannst du durch Prüfen nicht feststellen, welches das Orginal ist, weil beides Originale sind. Im übrigen werden bei Installationen von Software in der Regel schon Checksummen verglichen (zumindest bei Debian ist das so). Eine Überprüfung findet dabei stets am Original statt, weil jede Instanz fehlerhaft werden kann (Umkippen eines Bits auf dem physischen Träger). Das muss der Hersteller auch mit seiner handlungsmäßig als Original betrachteten Instanz tun, um nicht fehlerhafte neue Instanzen zu erzeugen.

(9.2.2.5.1.1.1.1) Re: Pruefen als Kriterium der Unterscheidung von Original und Kopie?, 14.01.2008, 20:27, Konrad Stoeber: Du schreibst: "Du unterscheidest Original und Kopie nur von der Handlung her." Die Unterscheidung "von der Handlung her", hebt sich aber genau darin von einer "verständigen Unterscheidung" ab.

(9.2.2.5.1.1.1.1.1) Re: Pruefen als Kriterium der Unterscheidung von Original und Kopie?, 15.01.2008, 12:46, Stefan Meretz: Nein, umgekehrt: Nur die Handlung zu nehmen, ist bloß "verständige Unterscheidung".

(9.2.2.5.1.1.1.2) Re: Pruefen als Kriterium der Unterscheidung von Original und Kopie?, 14.01.2008, 23:05, Maike Arft-Jacobi: Du kannst auch einen Dieselmotor so kopieren, dass er sich nach Herstellung vom Original nicht mehr unterscheiden lässt. Es ist eine Frage des Aufwands und Nutzens, eine praktische Frage, nicht ein wesentlicher Unterschied. Die Übergänge sind graduell. Software liegt am einen Extrem, Dieselmotoren am anderen.

(9.2.2.5.1.2) Re: Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 14.01.2008, 19:42, Konrad Stoeber: Unter informationstheoretische Gesichtspunkten magst Du recht haben. Ich habe aber keine Ahnung, wieso die „Herstellung“ einer Kopie keine Herstellung ist. Der Hersteller einer Kopie muß ja wohl irgend etwas machen mit seinen Mitteln: Taste drücken, Maus mit und ohne Klick bewegen u.s.w. Macht er irgendwas falsch, klappt es nicht mit der Kopie – und es dauert länger, als die Herstellung einer Schraube. (bis 1000 Stück pro Minute an modernen Anlagen) – geht das bei Software auch? – und ist der Unterschied von Schraube zu Schraube belangvoller als der von einer IT-Kopie zur anderen ? Wir reden ja hier von Allgemeinem, und m.E. ob Software, Schraube oder Dieselmotor ist damit nicht der Unterschied zwischen einzelnen Software-kopien, Schrauben oder Dieselmotoren angesprochen, sondern das, was die jeweiligen Kopien gemeinsam haben.

(9.2.2.5.1.2.1) Kopie und Produktion, 15.01.2008, 13:05, Stefan Meretz: Du bist der Hersteller von Kopien, wenn du im Internet surfst. Das ganze Internet ist eine einzigartige große Kopiermaschine, jede kleine Aktion ist in der Regel mit dem "Herstellen" von Kopien verbunden. Da drückt aber niemand mehr auf eine Taste. Dein Vergleich mit der Schraubenproduktion (1000 Stück pro Minute) verbunden mit der Frage, ob das Software auch könne, hat mich doch laut zum Lachen gebracht (sorry). Mal ab von Herstell- bzw. Kopiergeschwindigkeiten (zig Größenordnungen schneller): Software ist das, was die Schraubenproduktion antreibt. Und während die Schrauben aus dem Automaten fluppen, laufen in der Steuerung tausende von Kopieraktionen. Das ist Kopie. Dass es extreme Sondersituationen gibt, wo die Kopie mal wirklich intentional von a nach b erzeugt wird, veranlasst viele (nur von der Handlung her gedacht) zu meinen, das sei wie das Produzieren von stofflichen Gütern. Wie sagst du dazu: "bloß verständiges Denken"? Wahrscheinlich trägt auch dazu bei, dass es so etwas wie proprietäre Software gibt: Die Warenform erzeugt die entsprechende Gedankenform. Das Kopieren ist aber eher als Infrastruktur zu begreifen. Es gibt keine Produktion von Dieselmotoren ohne das begeitende Kopieren von digitalen Informationen. -- Wäre alles mal einen eigenen Text wert.

(9.2.2.6) Re: Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 06.01.2008, 14:27, Konrad Stoeber: Vorausgesetzt, diese Mittel stehen zur Verfügung (als solche sind sie bereits angeeignet), ist die konkrete Arbeit, die sich in Dieselmotoren vor 100 Jahren vergegenständlicht hat, eine qualitativ anders bestimmte, als die, die sich heute in Dieselmotoren vergegenständlicht. Das meinte ich mit historischer Formbestimmtheit der konkreten Arbeit und des Gebrauchswertes. Dass sich darin auch unterschiedliche Quanta abstrakter Arbeit niederschlagen versteht sich von selbst, ist aber eine der quantitativen Seiten dieses Zusammenhangs. Du verweist schlicht auf die kapitalistische Form, in der sich diese gesellschaftliche Geltung bewähren muß. Erloschen ist aber – eben wie in der abstrakten Arbeit - der qualitative Unterschied zwischen Dieselmotoren herstellender konkreter Arbeit gestern und heute. Eine ungemein anregende Lektüre zur Entwicklung und Formbestimmtheit der materiellen Produktion selbst, auf die ich hier abhebe, sind die Kapitel 11 bis 15 im Kapital. Einer Kritik an Ruben sehe ich mit großem Interesse entgegen.

(9.2.2.6.1) Re: Qualitative Bestimmung konkret(-allgemein)er Arbeit, 09.01.2008, 22:04, Stefan Meretz: Von "historischer Formbestimmtheit der konkreten Arbeit und des Gebrauchswertes" sehe ich hier in der Tat ab. Mir geht es eben "schlicht" nur um die Frage, wann Allgemeines allgemein ist. -- Mein Liebingskapitel im Kapital ist übrigens das Dreizehnte. Und Rubenkritik kommt, aber dauert noch etwas.

(10) Die Warenproduktion ist eine indirekte, über den Wert vermittelte gesellschaftliche Form, Allgemeines zur Geltung zu bringen. Allgemein ist dabei jenes, das gesellschaftliche Geltung besitzt. Im Kapitalismus wird jedoch isoliert voneinander produziert. Gesellschaftliche Geltung erlangen die Produkte nur, wenn sich die in ihnen verkörperte abstrakt-allgemeine Arbeit im Tausch als Wert realisieren kann: »Tauschwert setzende Arbeit ist daher abstrakt allgemeine Arbeit« (MEW 13, 17). Der Wert als kapitalistische Form der Allgemeinheit benötigt zwar sinnlich konkrete Gebrauchswerte als dingliche Träger, die Gebrauchswerte sind jedoch vollständig der Wertabstraktion untergeordnet.

(11) Umgekehrt können die Gebrauchswerte nicht als solche -- nämlich als besondere Einzelne -- Allgemeinheit konstituieren. Allgemeinheit gewinnen sie nur als »Rückseite« des Werts. Marx hat diese Dialektik so ausgedrückt: »Der der Ware immanente Gegensatz von Gebrauchswert und Wert, von Privatarbeit, die sich zugleich als unmittelbar gesellschaftliche Arbeit darstellen muß, von besondrer konkreter Arbeit, die zugleich nur als abstrakt allgemeine Arbeit gilt, von Personifizierung der Sache und Versachlichung der Personen -- dieser immanente Widerspruch erhält in den Gegensätzen der Warenmetamorphose seine entwickelten Bewegungsformen.« (MEW 23, 128)

(11.1) Gebrauchswert, 14.12.2007, 00:23, Konrad Stoeber: Du verstehst unter „Gebrauchswert“ einer Ware den durchaus allgemeine Umstand, dass man Waren halt auch gebrauchen kann. Im Unterschied zum Wert, der selbstverständlich als etwas historisc historisch transitives aufgefasst wird, verstehst Du den Gebrauchswert von Arbeitsprodukten damit als etwas, was den Produkten von Arbeit seit der Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies anhaftet. Damit ist aber gerade das Konkrete am Gebrauchswert getilgt. Deine Lesart erfasst damit „Gebrauchswert“ als ein unhistorisches Abstraktum. Damit wird ein Allgemeines am Arbeitsprodukt festgehalten, das für den Faustkeil ebenso gilt, wie das Handy. Beides sind Gebrauchswerte. Das ist natürlich eine verständige Abstraktion, mithin nicht falsch. Um diese Klippe zu umschiffen, ist es m.E. notwendig, den Gebrauchswert grundsätzlich als geronnene konkrete Arbeit zu begreifen. Und die im Faustkeil geronnene konkrete Arbeit ist schon unter empirischen Gesichtpunkten eine grundsätzlich andere, als die im Handy geronnene. Die je geronnene qualitativ bestimmte Arbeit ist besondere Arbeit, die als konkret einzelne verausgabt wird, deren Allgemeines besagte konkret Allgemeine Arbeit ist.

(11.1.1) Re: Gebrauchswert, 01.01.2008, 16:59, Stefan Meretz: Mir ist nicht klar, was dich zu der Interpretation veranlasste, ich würde den Gebrauchswert als etwas Überhistorisches ansehen. Das tue ich ausdrücklich nicht, im Gegenteil: Ich begreife Arbeit als historisch spezifische und also limitierte Form gesellschaftlicher Vermittlung, die es aufzuheben gilt. Das sollte Absatz 21 andeuten. Vor dem Aufheben steht aber erstmal ein Verstehen. Darum geht's mir in diesem Text.

(11.1.1.1) Re: Gebrauchswert, 06.01.2008, 14:28, Konrad Stoeber: Im Zusammenhang mit dem Kommentaren zu 9.2.2 ist mein Vorwurf, Du würdest den Gebrauchswert als etwas Überhistorisches ansehen zwar gegenstandslos, aber die Produktion selbst hat eben bei Dir keine wirklich historische Dimension. Zwischen gesellschaftlicher Formbestimmtheit und Formbestimmtheit der Arbeit selbst besteht selbstverständlich ein Zusammenhang, der ist aber ebensowenig unvermittelt wie klar. Hintergrund ist also die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Art und Weise der Produktion – meinetwegen ihrer technologischen Bestimmtheit - und ihrer gesellschaftlichen Formbestimmtheit.

(11.1.1.1.1) Re: Gebrauchswert, 09.01.2008, 22:09, Stefan Meretz: Noch kürzer: Zwischen Produktivkraftentwicklung und gesellschaftlicher Form? Ja, total spannend, mein eigentliches "großes" Thema. Aber hier in dem Text bewege ich in der Tat nur einen kleinen Ausschnitt: Die Frage der Allgemeinheit. Sicher unvollkommen.

(12) Ist die abstrakte Allgemeinheit als Wertding die einzige Form, Allgemeinheit auszudrücken, oder anders ausgedrückt: Muss Allgemeines immer auch Abstraktes sein? Muss Produziertes notwendig Wertform annehmen? Auch wenn Hardt/Negri dem ihrer Argumentation gemäß zustimmen müssten, ist dem nicht so. Zu unterscheiden sind zwei Formen der Allgemeinheit: Abstrakt-Allgemeines, worin Besonderes ununterscheidbar eingeebnet ist, und Konkret-Allgemeines, worin Besonderes als Repräsentant des Allgemeinen zur Geltung kommt. Mit dieser Unterscheidung können wir die von Marx angeführte »allgemeine Arbeit«, für die er als Beispiel die Wissenschaft nannte, als konkret-allgemeine Arbeit spezifizieren. Konkret-allgemeine Arbeit kann jedoch gerade nicht mehr das leisten, was die unterschiedslose Wertabstraktion leistet: Die Reduktion der Verausgabung menschlicher Lebensenergie auf ein unterschiedloses Maß. Anders ausgedrückt: konkret-allgemeine Arbeit kann im Unterschied zu abstrakt-allgemeiner Arbeit keinen Wert bilden. Sie ist genuin wertunproduktiv.

(12.1) Postone, 07.12.2007, 10:45, Juli Bierwirth: Ich finde die Bezeichnung als Konkret-Allgemein und Abstrakt-Allgemein nicht richtig gelungen, da sie sich zumindest mit dem Gebrauch dieser Kategorien bei Postone beißen. Der unterscheidet nämlich zwischen der konkreten Arbeit als Teil eines qualitativ heteregenen Ganzen und der abstrakten Arbeit als gesellschaftlicher Totalität, wobei er ersteres als konkrete Allgemeinheit bezeichnet, letzteres als abstrakte Allgemeinheit. An dieser Stelle finde ich taugt der Begriff auch gar nicht so furchtbar gut, um das auszudrücken, worum es dir geht. Zumindest müsste mensch dafür das Verständnis von 'konkret' an dieser Stelle noch mal klären...

(12.1.1) Re: Postone, 11.12.2007, 17:38, Stefan Meretz: Da müsste ich selbst bei Postone noch mal nachlesen, könntest du mir eine Seitenzahl nennen? Ich konnte es nicht finden. Wenn Postone wirklich "konkrete Arbeit" (bzw. dessen Ergebnisse) als "konkrete Allgemeinheit" fasst, dann hielte ich das für falsch. -- Auf jeden Fall hast du aber recht, dass ein Halbsatz nicht ausreicht, diese doch fundamentale Differenz von "Konkret-Allgemeinem" und "Abstrakt-Allgemeinem" zu begründen.

(12.2) abstrakt Allgemeines und konkret Allgemeines, 14.12.2007, 00:26, Konrad Stoeber: Besonderes sind die Gebrauchswerte als qualitativ bestimmte nur in Bezug auf das abstrakt Allgemeine, in unserem Falle nun den Wert. Ihre Besonderheit ist selbst Allgemeines. (s.o.) Beide angeführten „Formen“ des Allgemeinen (konkret Allgemeines und abstrakt allgemeines) sind für sich gesehen abstrakt. In beiden Fällen wird anhand eines Standards auf Gleichheit oder Ungleichheit entschieden. Im Falle des hier als „abstrakt Allgemeines“ bezeichneten handelt es sich um Standards, die eine quantitative Vergleichbarkeit gewährleisten. In diesem Falle kann qualitativ unterscheidbaren Untersuchungsgegenständen auf der Basis eines gesetzten Standards quantitativ bestimmte Werte (Größen) zugeordnet werden, diese sind dann abstrakt Einzelnes. Im Falle des Warenwertes handelt es sich allerdings nicht um eine Setzung – wie in den Naturwissenschaften – sondern um ein historisches Produkt.

(12.2.1) Re: abstrakt Allgemeines und konkret Allgemeines, 01.01.2008, 17:04, Stefan Meretz: Zustimmung. Genau wg. der von dir benannten historisch-spezifischen Form, die Gebrauchswert/Wert darstellen, ist es erforderlich, ein Drittes zu benennen, dessen Form es ist. Das ist m.E. die von mir so benannte gesellschaftlich-allgemeine Geltung.

(12.3) 14.12.2007, 00:33, Konrad Stoeber: Im im anderen Falle handelt es sich um Standards, die eine qualitative Vergleichbarkeit gewährleisten. In diesem Falle wird der Gegenstand einer Menge qualitativ gleichartiger Gegenstände (Klasse) zugeordnet. Ein solcher Standard für eine Zuordnung ist in der Biologie z.B. der Typus.

(13) Noch einmal zusammengefasst: Als Allgemeines und damit Gesellschaftliches bewährt sich Privatarbeit nur, wenn sie sich als Wertding im Tausch realisieren kann. Die gesellschaftliche Vermittlung über den Wert gelingt jedoch nur unter Absehung von jeder Besonderheit, gelingt nur als Abstrakt-Allgemeines. Diese Abstraktion ist kein Denkvorgang, sondern Ergebnis eines Handlungsvollzugs, ist Realabstraktion. Entsprechend ist abstrakte Arbeit nicht auf der sinnlich-konkreten Ebene angesiedelt, ist in diesem Sinne nichts, was an-sich existieren würde, sondern abstrakte Arbeit ist die realabstraktive Widerspiegelung des gesellschaftlichen Verhältnisses des Werts in der Arbeit: Es zählt nur, was als Arbeitszeit in einer Ware inkarniert und auf dem Markt erlöst werden kann -- ob in Form von Landminen oder Babybrei ist unerheblich.

(14) Konkret-allgemeine Arbeit hat es hingegen »nicht nötig«, sich über den Umweg der Wertabstraktion gesellschaftliche Geltung zu verschaffen, sie hat bereits ohne Umweg gesellschaftlichen Charakter, sie ist unmittelbar gesellschaftliche Arbeit. Abstrakt-allgemeine Arbeit kann sich demgegenüber nur vermittels des Wertvergleichs gesellschaftlich bewähren. Gelingt der Tausch und damit der Wertvergleich nicht, so konnte das besondere Produkt auch nicht Allgemeinheit erreichen, weil es sich aposteriori -- obwohl intendiert -- doch nicht als verallgemeinert für Andere produziert herausgestellt hat. Da für solche unverkäuflichen Produkte dennoch Arbeitskraft verausgabt wurde, geht dieser Aufwand negativ in die Gesamtwertbilanz ein. Gelingt der Tausch hingegen, so bewährt sich die verausgabte Arbeitskraft indirekt, nämlich vermittelt über die Wertabstraktion, als allgemeine Arbeit, in diesem Fall als abstrakt-allgemeine Arbeit. Abstrakt-allgemeine Arbeit ist mittelbar gesellschaftliche Arbeit. Nur als wertvermittelte Arbeit kann das Paradox aufgelöst werden, nach dem »jeder für sich arbeitet und die besondre Arbeit zugleich als ihr Gegenteil, abstrakt allgemeine Arbeit, und in dieser Form gesellschaftliche Arbeit sich darstellen muß« (MEW 26, 529f).

(14.1) Wissenschaft, 14.12.2007, 00:39, Konrad Stoeber: Ich halte die Vorstellung, dass Wissenschaft grundsätzlich immaterielle Arbeit sei, schlicht für falsch. Was mögen wohl die Leute am Experimentiertisch machen ? Wissenschaft als „allgemeine Arbeit“ bezieht sich in der Tat auf konkret allgemeine Arbeit, leistet sie auch konkret einzelne Arbeit ? Ich möchte meinen – ja, denn nicht alles was etwa im Labor gemacht wird, ist von vornherein Allgemeines. Die Erzeugung empirischer Daten etwa kann m.E. ohne weiteres als konkret einzelne Arbeit aufgefaßt werden. Dass das Allgemeine, was die Wissenschaft zu konkret allgemeiner Arbeit macht die von vornherein bestehende gesellschaftliche Geltung ihrer Produkte (der Wissens) ausmacht, ist eine Behauptung, die vorzüglich im akademischen Betrieb beheimatet ist. Kommerziell relevantes Wissen wurde, möchte ich meinen, schon immer so gut es eben ging „proprietär“ behandelt. Und selbst im akademischen Betrieb pflegt man aus Gründen des guten Benehmens Wert darauf zu legen, dass keine fremden Gedanken als eigene ausgegeben werden.

(14.1.1) Re: Wissenschaft immateriell?, 01.01.2008, 17:11, Stefan Meretz: "Ich halte die Vorstellung, dass Wissenschaft grundsätzlich immaterielle Arbeit sei, schlicht für falsch." -- Ich auch. Ich nehme an, das wolltest du unabhängig von dem Text betonen. Ok.

(14.1.1.1) Re: Wissenschaft immateriell?, 06.01.2008, 14:33, Konrad Stoeber: Hier habe ich mich selbst ein wenig kurzschlüssig an der Überschrift und an der ersten Bemerkung orientiert. Ich kann allerdings mit dem Terminus „immaterielle Arbeit“ zumindest gegenwärtig nichts anfangen. Eine Anregung, „Empire“ zu lesen ist das für mich allemal.

(14.1.2) Re: Wissenschaft genuin allgemein?, 01.01.2008, 17:16, Stefan Meretz: Du meinst, es handle sich bloß um einen akademischen Rechtfertigungstrick, die allgemeine Geltung ihrer Produkte zu behaupten? Dem kann ich nur den ganzen Text entgegenhalten: Nein, kein Trick. Dass die das aus existenziellen Gründen instrumentell nutzen, steht auf einem anderen Blatt, unterschreitet aber die hier entwickelte kategoriale Ebene: Was der akademische Betrieb macht, ist dafür durchaus egal.

(15) Es gibt eine weitere zu abstrakt-/konkret-allgemein orthogonale Dimension der Allgemeinheit, die beachtet werden muss, und das ist die historische Allgemeinheit. Die Menschheit produziert ihre Lebensbedingungen, jedoch tut sie dies nicht fortwährend beginnend bei Null. Sie baut jeweils auf dem gegenständlich und symbolisch kumulierten Bestand gesellschaftlich-historischer Erfahrungen auf (vgl. Holzkamp 1985, 177). Nicht alle Ergebnisse menschlich-gesellschaftlicher Lebenstätigkeit erlangen historische Allgemeinheit. Es können die Produkte verloren gehen, die entweder nur unmittelbar kooperativ tradiert werden oder als bedeutsame Produkte oder stoffliche Träger gesellschaftlicher Bedeutungen verfallen ohne jemals reproduziert zu werden.

(15.1) 14.12.2007, 00:42, Konrad Stoeber: Zu der zusätzlichen „orthogonalen Dimension“ der Allgemeinheit kann man nur kommen, wenn man, wie oben schon angemerkt, den Gebrauchswert als verständige Abstraktion versteht. Dann ist eine Jacke - eine Jacke, was zum Anziehen, egal ob vom Schneider oder aus einer industriellen Fertigung. Wendet man sich allerdings dem konkreten Arbeitsprozeß als qualitativ bestimmten Arbeitsprozess zu, der im „Gebrauchswert“ geronnen ist, erscheint die „zusätzliche Dimension“ gar nicht mehr als eine zusätzliche. Andernfalls abstrahiere ich von den (historischen) Unterschieden zwischen verschiedenen Herstellungsweisen. Damit ist der „gegenständlich und symbolisch kumulierten Bestand gesellschaftlich-historischer Erfahrungen“ von Holzkamp selbstverständliches Momentder in jeden bestimmten Gebrauchswert eingeht. – Aber eben als qualitativ Bestimmtes.

(15.1.1) Zeit orthogonal?, 01.01.2008, 17:24, Stefan Meretz: Da ich den Gebrauchswert durchaus nicht als überhistorischen ansehe (oder als verständige Abstraktion wie du es hegelsch nennst), ist die Frage der Historizität unter kapitalistischen Formbedingungen der Produktion durchaus gegeben. -- Im übrigen begehst du jenen Fehler, den du bei mir zu finden meintest, wenn du Holzkamps überhistorische Aussage mit einer historisch-spezifischen Form (dem Gebrauchswert) umstandslos zusammenlegst: Genau jene Verbindung ist nicht trivial, sondern erst zu zeigen.

(15.1.1.1) Re: Zeit orthogonal?, 06.01.2008, 14:35, Konrad Stoeber: Steht also zumindest die Frage, ob dieser „gegenständlich und symbolisch kumulierten Bestand gesellschaftlich-historischer Erfahrungen“ selbst formbestimmt ist. Handarbeit liefert einen anderen Bestand und setzt einen anderen Bestand voraus als industrielle Produktion ihn liefert und voraussetzt.

(15.1.1.1.1) Re: Zeit orthogonal?, 09.01.2008, 22:13, Stefan Meretz: Ganz sicher ist er das, weil es um die gesellschaftliche Form geht, wenn produziert wird.

(15.1.1.2) Re: Zeit orthogonal?, 06.01.2008, 14:39, Konrad Stoeber: Der Inhalt konkreter Arbeit bestimmt das Verhältnis „des Menschen“ zur Natur. Die konkrete Arbeit (Kurzform: materielle Produktion) ist deswegen konkret, weil sie selbst formestimmt ist. Damit ist nicht die gesellschaftliche Formbestimmtheit angesprochen. (Im Histmat fällt das in aller Regel unter den Tisch und scheint lediglich auf in dem m.E. zur Floskel verkommene Zusammenhang zwischen Entwicklungsstand der Produktivkräfte, in der Regel als quantitative Größe aufgefasst, und den Produktionsverhältnissen. Der innere, notwendige Zusammenhang zwischen materieller Produktion und gesellschaftlicher Formbestimmtheit (den Produktionsverhältnissen) erschließt sich aber nur über die Rekonstruktion der Formbestimmtheit der materiellen Produktion selbst. Andernfalls bleibt dieser Zusammenhang ein äußerlicher. Dazu nochmal was von Marx: "Um den Zusammenhang zwischen der geistigen Produktion und der materiellen zu betrachten, vor allem nötig, die letztre nicht als allgemeine Kategorie, sondern in bestimmter historischer Form zu fassen... Wird die materielle Produktion selbst (Hervorhebung K.S.) nicht in ihrer spezifischen historischen Form gefaßt, so ist es unmöglich, das Bestimmte an der ihr entsprechenden geistigen Produktion und die Wechselwirkung beider aufzufassen." Daß es bei dieser spezifischen historischen Form nicht um die gesellschaftliche Formbestimmtheit geht, erhellt anschließend: "Ferner: Aus der bestimmten Form der materiellen Produktion ergibt sich eine bestimmte Gliederung der Gesellschaft - Nr. I, zweitens ein bestimmtes Verhältnis der Menschen zur Natur. Ihr Staatswesen und ihre geistige Anschauung wird durch beides bestimmt." (MEW 26/1, S.256) Ganz augenfällig bezieht Marx die Formbestimmtheit der materiellen Produktion auf der einen Seite auf die ihr entsprechende Form der "Gliederung der Gesellschaft", nach der anderen Seite jedoch auf ein "ˆbestimmtes Verhältnis des Menschen zur Natur". Dies knüpft zweifellos an seine Position aus den Manuskripten an, wonach Wissenschaft (wie auch "Religion, Familie, Staat, Recht, Moral ... Kunst etc.") in ihren historischen Wandlungen , "nur besondere Weisen der Produktion" sind und unter ihr "allgemeines Gesetz" fallen. (MEW, EB1, 537)

(15.1.1.2.1) Begriff Produktivkraft, 09.01.2008, 22:19, Stefan Meretz: Danke für diesen Kommentar (und die enthaltenen Zitate). Hervorheben möchte ich deinen Hinweis auf die verbreitete Verkürzung des Begriffs der Produktivkraft auf eine quantitative Größe (Produktivität), anstatt ihn als (historisch formbestimmtes) Verhältnis von Mensch, Mittel und Natur zu begreifen.

(16) Historische Allgemeinheit können nur die Resultate konkreter Tätigkeiten erlangen. Abstrakt-allgemeine Arbeit ist somit nicht historisch verallgemeinerbar, sie ist nur Teil der Bewegungsform der Warenmetamorphose, sie existiert nur im Tausch und erlischt mit ihm. Was überlebt und historisch verallgemeinert werden kann, sind die Gebrauchsdinge, also die Resultate konkreter Arbeit als Moment der Lohnarbeit. Darüber hinaus können die Ergebnisse konkret-besonderer Tätigkeiten, die als solche und nicht als Moment der Lohnarbeit verausgabt werden, obwohl intentional nicht für den verallgemeinerten Anderen gemacht dennoch historisch in den gesellschaftlichen Erfahrungsfundus aufgenommen werden.

(17) Konkret-allgemeine Arbeit ist immer gleichzeitig historisch-allgemeine Arbeit. Sie wird für den verallgemeinerten Anderen verausgabt und schafft gesellschaftlich überdauernde historisch-allgemeine Produkte. Dabei ist das wesentliche überdauernde Moment nicht die konkrete stoffliche Inkarnation, die durchaus verfallen oder verbraucht werden kann, sondern die vergegenständlichte gesellschaftlich-kumulierte Erfahrung, kurz: das gesellschaftliche Wissen. Mit zunehmender Vergesellschaftung und Produktivkraftentwicklung ist das gesellschaftliche Wissen immer weniger an einen besonderen stofflichen Träger gebunden. Das gilt sowohl für gegenständliche (etwa: das Haus) wie auch symbolische gesellschaftliche Bedeutungen (etwa der Hausbauplan). Wissenschaftliches Wissen als spezifische Form gesellschaftlich-allgemeinen Wissens ist hierbei nur eine besonders »reine« Form und keinesfalls als Einziges Resultat konkret-allgemeiner Arbeit.

(17.1) stofflicher Träger, 14.12.2007, 00:46, Konrad Stoeber: Was meinst Du mit „immer weniger an einen besonderen stofflichen Träger gebunden.“ Irgendwie müssen die Informationen bzw. die Träger der Informationen doch an meine Sinne geraten, ich muß sie sinnlich wahrnehmen können. Und das geht m.E. nur mit einem materiellen (i.E. sinnlich-gegenständlichem) Träger. Wie wie versteht sich das mit dem besonderen stofflichen Träger. Ein Träger, der Gegenstand für mein Ohr ist, wird wohl ein anderer sein, als der, der Gegenstand für meine Nase, der für meine Augen wieder ein anderer u.s.w. Was ist der Maßstab für das „weniger“ ? Und was sagt das aus ? Dass diese dereinst an gar keinen Träger mehr gebunden sind ?

(17.1.1) Re: stofflicher Träger, 01.01.2008, 17:32, Stefan Meretz: Damit meine ich, dass es in immer mehr gesellschaftlichen Bereichen zunehmend unwichtiger wird, was die gesellschaftliche Bedeutung, die Information, trägt. Das Schlüsselwort ist hier also das des "besonderen" Trägers, auf das sich das "weniger" bezieht. Kurz: Träger und Getragenes besitzen "immer weniger" eine notwendige Verbindung. Dass es eines Trägers bedarf, ist hingegen evident.

(17.1.1.1) Re: stofflicher Träger, 06.01.2008, 15:19, Konrad Stoeber: Ich bin zwar nicht der Informationstheoretiker, aber mich beschäftigen schon solche Fragen wie: Hat ein Brot, wie es da beim Bäcker liegt eine Bedeutung und hat es, wenn ja, eine andere als ein virtuelles Brot auf meinem Monitor ?

(17.1.1.1.1) Re: stofflicher Träger, 09.01.2008, 22:25, Stefan Meretz: Alle hergestellten Dinge haben die gesellschaftliche Bedeutung, die vermittels der Herstellung in ihnen vergegenständlicht wurden. Genau deswegen ist die Frage der gesellschaftlichen Geltung übrigens so wichtig. Das gilt für das Brot beim Bäcker wie für das Brot auf deinem Bildschirm: Das eine kannst du essen, das andere mag in einem Spiel wichtig sein oder beim Lernen von Vokabeln oder sonstwas - eben abhängig davon, welche Bedeutung da vergegenständlicht wurde. Kurz: Die Bedeutungen sind unterschiedlich, aber weil gesellschaftlich gültig verstehen das meist auch schon Kinder.

(17.1.1.1.1.1) Re: stofflicher Träger, 14.01.2008, 22:08, Konrad Stoeber: Du schreibst es: Es ist sehr wesentlich, was Träger und was "Getragenes" ist. Ich denke, Du hast da einen informationstheoeretisch eingeschränkten Blickwinkel. Ein Ensemble von Pixels auf dem Bildschirm oder ein handgreifliches Brot, beides sind Träger der Bedeutung "Brot", Unterschiede der Träger sind ganz offensichtlich wesentlich. Du machst die Notwendigkeit, Unterschiede im Kontext von Handlung zu erkennen, selbst hinreichend deutlich. (vgl. nochmal 9.2.2.5.1.1.1.1)

(17.1.1.1.1.1.1) Re: stofflicher Träger, 15.01.2008, 13:13, Stefan Meretz: Nein, es ist eben nicht die gleiche Bedeutung "Brot": Genau das ist ein "informationstheoeretisch eingeschränkter Blickwinkel", den ich von Informationstheorien zu Hauf kenne. Nicht der "Kontext" bestimmt die scheinbar davon getrennte Bedeutung, sondern ihre Objektivierung der Bedeutung im Akt der Vergegenständichung in gesellschaftlicher Produktion.

(18) Die historische Tendenz der Ablösung des gesellschaftlich-historisch allgemeinen Wissens von einem besonderen stofflichen Träger erfährt einen qualitativen Sprung mit der Entwicklung der digitalen Universalmaschine, des Computers. Nun ist erstens die digitale Form zur Darstellung des Wissens allgemein geworden und zweitens ist es nun bei gegebener Infrastruktur (die allerdings selbst erst geschaffen werden muss) mit minimalem Aufwand und in geringer Zeit möglich, das Wissen durch Kopie global zu verallgemeinern. Damit erlangen die durch konkret-allgemeine Arbeit geschaffenen Resultate im Moment ihrer Entstehung historische Allgemeinheit. Oder anders herum formuliert: Konkrete und historische Allgemeinheit erlangt jene Tätigkeit, die nur einmal getan werden muss und damit der Menschheit zur Verfügung steht.

(19) Wann haben wir es nun im Kapitalismus mit konkret-allgemeiner Arbeit zu tun? Gemäß der entwickelten Kriterien immer dann, wenn das Resultat einer einmal getanen Tätigkeit der Menschheit allgemein zur Verfügung steht. Das Produkt konkret-allgemeiner Arbeit ist damit gleichzeitig Besonderes, in dem es eine spezifische indendierte Zwecksetzung erfüllt, und Allgemeines, weil jene Zwecksetzung mit ihrer konkreten Realisierung allgemein verfügbar in der Welt ist. Diese Identität von Konkretheit und Allgemeinheit kann beschnitten oder gar völlig zerstört werden, historisch setzt sie sich jedoch auch unter kapitalistischen Verhältnissen durch.

(19.1) Was ist Allgemeinheit?, 07.12.2007, 11:17, Juli Bierwirth: Das gilt dann doch auch für die Produktion von Straßen, Rathäusern, öffentlichen Toiletten und dergelichen mehr - solange sie jenseits der Warenform zugänglich sind, oder? Also letztlich für alle staatlichen Tätigkeiten, die nicht bereits quasi-privatisiert sind. Und falls ja - ändert das irgendwas? (Die Frage ist ernst gemeint, ich blicke da noch nicht so wirklich durch...)

(19.1.1) Re: Was ist Allgemeinheit?, 11.12.2007, 17:47, Stefan Meretz: Nein, das sind alles Produkte, die durch die Warenmetamorphose und damit die Wertvermittlung durchgelaufen sind. Sie sind zwar "allgemein", aber das sind alle Gebrauchtswerte. Sie sind jedoch nicht Produkte konkret-allgemeiner Arbeit, sondern wie alles sonstige Warenzeug auch Produkte abstrakt-allgemeiner Arbeit. Es ist unerheblich, wer bezahlt, und ob die Produkte nachher öffentlich zugänglich sind oder nicht. Entscheidend ist, wie sie entstehen.

(20) Informations- und Wissensgüter, im folgenden Universalgüter genannt, entsprechen nun genau diesen Kriterien. Ihre Besonderheit ist es, dass sie durch allgemeine, genauer: konkret-allgemeine Arbeit entstehen. Aufgrund ihrer Unabhängigkeit von einem bestimmten stofflichen Träger (sie brauchen nur irgendeinen Träger) erlangen sie gleichzeitig historische Allgemeinheit -- einmal in der Welt, stehen sie potenziell der Menschheit zur Verfügung. Das bedeutet jedoch, dass sie als von vornherein gesellschaftliche Güter keinen Wert darstellen können. Darin sind sie mit der Wissenschaft vergleichbar.

(20.1) Universal-xxx statt Universalgut, 11.12.2007, 18:37, Benni Bärmann: Ich hab es ja auf dem Kongreß schon kurz angedeutet. Diese Characterisierung auf der Basis einzelner Güter kann eigentlich nur der erste Schritt sein. Marx macht das ja auch so bei der Darstellung des Werts, dass er das erst für einzelne Güter macht und dann auf den gesellschaftlichen Character kommt. Wenn man aber das gesellschaftliche in den Blick nimmt ist man im Grunde schon bei dem was bei Hardt/Negri die Effekte der immateriellen Arbeit sind. Der Begriff "immaterielle Arbeit" selbst ist ja im Grunde genau das, was Du hier auch beschreibst, die Produktion immaterieller Güter. Nur wird das da dann im Folgenden begriffen als ein Prinzip dass auch ausserhalb dieser Produktion einzelner Güter wirksam ist. Analog könnte man das auch hier ausbuchstabieren. ... allerdings muß ich sagen, dass ich beide Versuche im Grunde für nicht geeignet halte. Aber ich kann halt auch mit der ganzen Marxschen Arbeitswertlehre bekanntermaßen nicht allzuviel anfangen.

(21) Nun darf man sich jedoch keines ontologisierenden Abfeierns der konkret-allgemeinen Arbeit als der »guten Arbeit« hingeben: Auch die konkret-allgemeine Arbeit ist widersprüchlich in die dominante fetischistische Konstitution von Gesellschaftlichkeit über »Arbeit« eingebunden, und gleichzeitig überschreitet sie diese Einbindung. Diesen Widerspruch gilt es zu begreifen. Und im Fall der Universalgüter zeigt er sich auch besonders deutlich.

(22) Nehmen wir hier einmal Software: Als privat angeeignetes, als privatisiertes Universalgut erhält etwa proprietäre Software eine warenförmige Hülle, zumeist erzeugt durch Rechtsform und Kopierschutz. Das genuin unknappe Universalgut wird künstlich verknappt, um es zum Bezahlgut zu machen. Ein privatisiertes Universalgut ist Ergebnis privatisierter konkret-allgemeiner Arbeit. Das ist nahe am Topos der immanent kooperativen immateriellen Arbeit (bei Hardt/Negri), die vom Kapital aneignet, also privatisiert werde. Entscheidend ist jedoch zu erkennen, dass sich Universalgüter als genuin wertlose Güter eben auch nicht zur Selbstverwertung eigenen bzw. dass darin kein Stück Befreiung liegt.

(22.1) 07.12.2007, 11:14, Juli Bierwirth: Wenn du das vorträgst solltest du beachten, das außerhalb eines kleinen Zirkels von eingeweihten niemensch weiß, was "proprietär" bedeutet - auch ich ahne es eher aus dem, was du und andere darüber schreiben, als das ich mir des Begriffes und seiner Abgrenzungen sicher wäre. Also vielleicht solltest du ihn ersetzen, vielleicht durch "kommerziell" oder was ähnliches?!

(22.1.1) 07.12.2007, 11:43, Benni Bärmann: Proprietäre Software ist solche, die nicht frei ist, siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Software

(22.1.2) proprietär ist aber nicht dasselbe wie kommerziell, 08.12.2007, 08:02, Franz Nahrada: vielleicht ist es ganz wichtig dass diese Begriffsunterscheidung ins allgemeine Bewusstsein dringt. Proprietär heisst andere am Gebrauch des Wissens hindern, geistiges Eigentum beanspruchen, (lukrative) Handlungsverbote in die Welt setzen. Die werden dann wieder zu einem eigenen Geschäftsgegenstand, der mit anderen kommerziellen Aktivitäten nicht zu verwechseln ist.

(22.3) Genuin knapp oder reichlich da, 14.12.2007, 01:00, Konrad Stoeber: Das genuin unknappe Universalgut ist von vornherein wie jedes knappe Singulargut bereits angeeignet, woferne es in einer Arbeit produziert wird, die von vornherein als kapitalistische Lohnarbeit gesetzt ist. Das ist so, weil die kapitalistische Lohnarbeit in Ihrer Doppelnatur bereits angeeignete Arbeit ist. Der Eigentumsübergang ist bereits mit dem Verkauf bzw. Einkauf der Ware Arbeitskraft vollzogen.

(22.3.1) Re: Genuin knapp oder reichlich da, 01.01.2008, 17:38, Stefan Meretz: "Der Eigentumsübergang ist bereits mit dem Verkauf bzw. Einkauf der Ware Arbeitskraft vollzogen." -- Das halte ich für einen Kurzschluss, weil nicht die Arbeitskraft, sondern die Arbeit angeeignet wird. Dagegen spricht auch der 22.4 (siehe meine Antwort dort).

(22.3.1.1) Re: Genuin knapp oder reichlich da, 06.01.2008, 15:13, Konrad Stoeber: In "Copyfarleft — a Critique" schreibst Du richtig " The »property owner« buys the labour power (the »doing«) and not the labour (the »done«). Was der Geldbesitzer auf dem Markt als Objekt seiner Begierde vorfindet, ist Arbeitskraft. Arbeit kann er schon per definitionem nicht vorfinden - eben weil die Arbeitskraft getrennt von den gegenständlichen Bedingungen der Produktion ist und auf dem Markt erscheint. Natürlich schwebt dem Geldbesitzer (natürlich im Zusammenhang mit den Dollarzeichen in seinen Augen) unter anderem die Arbeit als Vorstellung vor. Dies aber eben nur als Gedankending. Was er vorfindet ist Arbeitskraft oder anders ausgedrückt – Arbeit der Möglichkeit nach. Erst durch den Akt der Aneignung von Arbeitskraft (genau das passiert beim kaufen derselben) und aller anderen gegenständlichen Bedingungen der Arbeit wird aus der Arbeitskraft der Lohnarbeiter, aus Waren Arbeitsmittel und Gegenstände. Erst unter dieser Voraussetzung kann Arbeit in actu erfolgen. Andernfalls identifizierst Du (und nicht ich) Arbeitskraft und Arbeit oder im viel weiteren Sinne den angeeigneten und den nicht angeeigneten Gegenstand. Wenn der Gegenstand des Bedürfnisses im Supermakt vor und hinter der Kasse derselbe ist, warum gibt es dann die Kasse? Vor der Kasse steht der Realisierung des Gebrauchswertes einiges entgegen, danach nicht mehr. Vor der Kasse ist das Brot Objekt und Wert, als Gebrauchswert ein Gedankending, hinter der Kasse ist es Mittel und wirklicher Gebrauchswert.

(22.3.1.1.1) Arbeitskraft - Arbeit, 09.01.2008, 22:42, Stefan Meretz: Hier bin ich sehr unsicher. Wird Arbeitskraft durch den Akt des Kaufens wirklich angeeignet? Den Käufer interessiert doch gar nicht die Arbeit der Möglichkeit nach, die er bezahlt, sondern die Arbeit der Realisation nach, die er aneignet. -- Wenn du Interesse hast, würde ich mich freuen, wenn du mal einen Blick auf den Abschnitt "Zum Unterschied von Arbeitskraft und Arbeit" in meinem Heinrich-Konspekt werfen und ggf. einen Hinweis liefern würdest: hier

(22.3.1.1.2) Re: Genuin knapp oder reichlich da, 14.01.2008, 20:27, Konrad Stoeber: Ich muß mich hier mal selbst korrigieren. Der Text (englisch), den ich von Dir zitiert habe habe, ist- wie er da steht – ist nicht richtig. Muß heißen " The »property owner« buys the labour power („the ability to do“) and not the labour (the »doing«). The result of „doing“ is the „done“. Dabei fällt mir auf: Die continuous form ist eine feine Sache für Arbeit „in actu“, die selbst unter empirischen Gesichtspunkten etwas anderes ist, als vorgestellte Arbeit.

(22.3.1.1.2.1) Re: Genuin knapp oder reichlich da, 15.01.2008, 13:16, Stefan Meretz: Das ist ein wichtiger Hinweis! Du unterstützt damit meine Vermutung, dass es sich um eine Dreiteilung handelt: Potenz, Realisierung, Realisiertes (hier: Arbeitskraft, Arbeit, Erarbeitetes(?) -- zu letzterem wird oft auch nur "Arbeit" gesagt).

(22.4) 14.12.2007, 01:03, Konrad Stoeber: Die konkret-allgemeine Arbeit und damit auch die konkret einzelne Arbeit, die sich in freier Software vergegenständlicht hat, hat sich von vornherein als freie Arbeit gesetzt. – Die Akteure haben offenbar, bevor sie an's Werk gingen, Ihre Arbeitskraft nicht an irgendjemand verhökert. Das ist das Verdienst der Akteure. Deshalb ist es freie Software und nicht wegen des Umstands, dass sie – einmal in der Welt – potentiell der Menschheit zur Verfügung stehen. Letzteres macht freie Software allerdings öffentlich sinnfällig und außerordentlich wirkungsvoll.

(22.4.1) Einfach und doppelt freie Software, 01.01.2008, 17:43, Stefan Meretz: Dem widerspricht die Praxis: Ein nicht unerheblicher Teil Freier Software wird gegen Geld (Lohn oder Auftragsentgeld) geschaffen. Es ist trotzdem Freie Software, wenn das Produkt die Kriterien für Freie Software erfüllt (vgl. z.B. http://freie-gesellschaft.de/wiki/Vier_Freiheiten). Weil dem so ist, wird in der theoretischen Reflexion zwischen einfach und doppelt Freier Software unterschieden: Ist nur das Produkt oder auch der Prozess frei. Nach meiner Wahrnehmung beruht diese deine Fehleinschätzung auf der nicht beachteten Unterscheidung von Arbeitskraft und Arbeit (wenngleich du sie sicher eigentlich kennst, vgl. auch 22.3 und Kommentar).

(22.4.1.1) Re: Einfach und doppelt freie Software, 06.01.2008, 15:17, Konrad Stoeber: Danke für die Information, das wußte ich bislang nicht. Ich denke, das ist auch Anregung, mich überhaupt mal mit den theoretischen Überlegungen zur „freien Software“ zu befassen. Ansonsten siehe 22.3.1.1

(23) Befreiung liegt nicht in der Selbstverwertung, sondern in der Selbstentfaltung. Ist die Grundlage der Selbstverwertung der Wert, was stets bedeutet, sich auf Kosten anderer durchzusetzen, so ist die Grundlage der Selbstentfaltung eine Form der »immanenten Kooperation«, die die individuelle Entfaltung zur Voraussetzung der Entfaltung aller macht -- und umgekehrt. Das jedoch geht nur unter Bedingungen der Nichtverwertung, und genau hier liegt der »spontane Kommunismus« etwa der Freien Software. Freie Software emanzipiert sich von der privaten Form, sie ist als freies universelles Gut (den sog. Commons) Ergebnis konkret-allgemeiner Arbeit und besitzt sui generis gesellschaftliche Geltung. Freie Software verkörpert die Universalgütern angemessene Produktionsweise.

(24) Freie Software ist noch mehr. Sie ist verallgemeinerungsfähige Keimform einer anderen Art und Weise der Vergesellschaftung -- jenseits von Ware, Geld, Markt und Staat. Mit der »Peer Produktion« liegt inzwischen ein Übergangskonzept vor (Siefkes 2007), das die Prinzipien Freier Software für die Produktion stofflicher Güter verallgemeinert. Doch das ist ein neues Thema.

Literatur

(25)
M. Hardt, A. Negri (2002), Empire. Die neue Weltordnung, Campus: Frankfurt/M.
K. Holzkamp (1985), Grundlegung der Psychologie, Studienausgabe, Campus: Frankfurt/M.
K. Marx (1859), Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, Dietz (1971): Berlin/DDR
K. Marx (1863), Theorien über den Mehrwert, MEW 26.2, Dietz (1987): Berlin/DDR
K. Marx (1890, 4. Aufl., hrsg. v. F. Engels), Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Band 1, MEW 23, Dietz (1962): Berlin/DDR
K. Marx (1894, 1. Aufl., hrsg. v. F. Engels), Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Band 3, MEW 25, Dietz (1962): Berlin/DDR
C. Siefkes (2007), From Exchange to Contributions. Generalizing Peer Production into the Physical World, Ed. C. Siefkes: Berlin, Web: peerconomy.org


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