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Kooperation und Konkurrenz

Maintainer: Benni Bärmann, Version 1, 28.11.2002
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Kooperation und Konkurrenz

(1) In den Diskussionen auf der Oekonux-Liste ging es immer wieder um das Verhältnis von Kooperation und Konkurrenz. Was ist das überhaupt? Wie stehen diese Begriffe und die dazugehörigen Phänomene zueinander?

(1.1) Re: Kooperation und Konkurrenz, 01.12.2002, 22:48, Stefan Meretz: Als eine Hauptkritik aus der AG auf der Oekonux-Konferenz habe ich den Vorwurf in Erinnerung, dass du nicht klar benennst (definierst), was Kooperation und Konkurrenz ist. Da ist was dran, denn das kommt auch in diesem Text nicht deutlich heraus. Dadurch machen sich die anonymen KritikerInnen wieder mal ihren eigenen Reim, und ihr redet aneinander vorbei.

(1.1.1) Re: Kooperation und Konkurrenz, 03.12.2002, 02:13, Benni Bärmann: Ich "definiere" die Begriffe über ihre Anwendung in den zugehörigen Diskursen. Reicht das nicht? Wie geht es besser? So wie Du es in Deinem Text http://www.opentheory.org/ko-kurrenz/text.phtml machst, das ist im wesentlichen zunächst mal nur ethymologisch. Damit guckst Du auf die Wortbedeutungen in vergangenen Diskursen, was auch nix anderes ist.

(2) Der folgende Text ist als Nachbereitung dieser Diskussion und als Vorbereitung zu einem Workshop auf der 2. Oekonux-Konferenz gedacht gewesen und versucht diese Fragen zu beleuchten. Er ist allerdings zu diesem Termin nicht ganz fertig geworden und jetzt auch noch als Nachbereitung des Workshops und (hoffentlich) Weiterführung der Diskussion gedacht.

(2.1) Vergleich als entscheidende Unterscheidung?, 14.08.2003, 11:03, Stefan Merten: Gerade höre ich den Workshop als MP3 und eine Teilnehmerin hat dort ein wichtiges Stichwort gebracht: Vergleich. Je länger ich drüber nachdenke, desto mehr denke ich, dass der Vergleich das Unterscheidungsmerkmal zwischen Kooperation und Konkurrenz ist.

(2.1.1) Re: Vergleich als entscheidende Unterscheidung?, 14.08.2003, 11:08, Stefan Merten: Konkurrenz ist ohne Vergleich nicht denkbar. Wenn ich nicht vergleichen kann, dann kann es keine Konkurrenz geben. In der Wirtschaft erleben wir das, wenn sich (potenzielle) Konkurrenten eine Marktnische oder ein Alleinstellungsmerkmal suchen, auf Grund dessen sie eben nicht mehr mit ihren Konkurrenten vergleichbar sind. Ein probates Mittel, sich Konkurrenz zu entziehen.

(2.1.1.1) Re: Vergleich als entscheidende Unterscheidung?, 14.08.2003, 11:11, Stefan Merten: Gleichzeitig verweist das "gleich" beim Ver-gleich eben auch darauf, dass es ein gemeinsames Drittes geben muss, mit Hilfe dessen der Vergleich überhaupt durchgeführt werden kann. Im Kapitalismus ist dies der Wert. An dieser Stelle zeigt sich die durch den Wert vorgenommene Abstraktion / Entfremdung von der jeweiligen Sache. Bedürfnisorientiert gedacht ist ein Vergleich sicher in den seltensten Fällen auf eine Dimension reduzierbar.

(2.1.2) Re: Vergleich als entscheidende Unterscheidung?, 14.08.2003, 11:10, Stefan Merten: Bei Kooperation spielt der Vergleich jedoch keine besondere Rolle. Im Sinne eines Soll-Ist-Vergleichs kann er dazu dienen zu überprüfen, ob die (selbstgesteckten) Ziele erreicht wurden. Ein solcher Vergleich ist aber sachbezogen und somit nicht entfremdet.

(2.1.3) Re: Vergleich als entscheidende Unterscheidung?, 14.08.2003, 11:16, Stefan Merten: Wenn wir den Begriff Konkurrenz unter emanzipatorischen Gesichtspunkten betrachten wollen, so käme es nach dieser Analyse eben darauf an zu schauen, wo Vergleiche sinnvoll sind und wo nicht. M.E. kann das nur bedeuten, sachbezogene Vergleiche (in ihrer ganzen, durchaus schwierigen Multidimensionalität) zu fördern, während entfremdete Vergleiche, die sich nicht auf die konkreten stofflichen Eigenschaften beziehen, vermieden werden müssen.

(2.1.3.1) Re: Vergleich als entscheidende Unterscheidung?, 14.08.2003, 19:51, Stefan Merten: Netterweise passt das Beispiel von (Leistungs)Sport und (gewinnbarem) Spiel ganz gut: Hier ist das Kräftemessen / der Vergleich der Fähigkeiten / Leistung gerade (einer) der Gründe, warum mensch sich überhaupt engagiert. Ein schönes Beispiel für nicht-entfremdeten Vergleich. Ein schönes Beispiel für einen Bereich, in dem Konkurrenz auch unter emanzipatorischen Gesichtspunkten ok ist :-) .

(2.2) 11.02.2007, 20:15, Hans-Gert Gräbe: Stefan, ich denke, du siehst hier zu sehr Vergleich als einen Akt der Objektivierung. Das ist er aber per se zunächst nicht, weil der Vergleich ja subjektiv vorgenommen wird und sich damit auf dem konkreten Wertespektrum einer konkreten Person bzw., da zum Tauschen ja immer zwei gehören, zweier konkreter Personen abspielt. Insofern kann ein Tausch zu beiderseitigem Vorteil sein, wenn er dem Gradienten der Wertespektren der beteiligten Personen folgt. Der Vergleich mit einem "gemeinsamen Dritten" hat bereits einen Kohärenzprozess der Wertevorstellungen zur Voraussetzung.

Kooperation

(3) Wenn wir von Kooperation sprechen, klingen mit diesem Wort meistens zwei sehr unterschiedliche Bedeutungen mit. Zum einen ist da die wörtliche Bedeutung, die mehr oder weniger jegliches gemeinsames Handeln bezeichnet, also auch Kooperation unter erzwungenen oder ausgebeuteten Verhältnissen (Wie im "Kooperieren Sie!" des Mächtigen). Zum anderen ist da aber auch oft eine stark positiv besetzte Bedeutung, die gleichberechtigte, freie, emanzipatorische Kooperation meint.

(3.1) 11.02.2007, 20:16, Hans-Gert Gräbe: "Tun Sie mir Gutes, dann tue ich Ihnen auch Gutes - hier insbesondere nichts Schlechtes, obwohl es in meiner Macht stünde". Halten wir doch erst mal fest: Kooperation_1 = nichtkonfrontative Interaktion, nichtkonfrontatives Verhältnis, im Gegensatz zu Konkurrenz_1. In den folgenden Punkten wird Kooperation_1 mit Bewertungen aufgeladen, die man auf weitgehend gleiche Weise auch auf Konkurrenz_1 anwenden kann.

(4) Oft wird jedoch nicht differenziert zwischen diesen beiden Bedeutungen, so daß Kooperation als Gegensatz zu Konkurrenz erscheint und gerade in linken Texten oft als "gut" im Gegensatz zur "bösen" Konkurrenz erscheint (und umgekehrt "Konkurrenz" von den Liberalen oft simplifizierend positiv besetzt ist). Kooperation an sich ist jedoch nicht immer "gut", sie kann ebensooft nervig, aufreibend, anstrengend und ärgerlich sein. Ja oft sogar nerviger als Konkurrenz und das nicht nur unter "bösen" Bedingungen, sondern auch, wenn alle Beteiligten eigentlich an einer "guten" Kooperation interessiert sind. Ich denke das kennt jeder aus der eigenen Erfahrung.

(4.1) 04.12.2002, 11:56, Stefan Merten: Ich denke, dass du hier einen wichtigen Aspekt schon andeutest, ohne ihn allerdings explizit zu machen: Es ist weniger die Kooperation an sich, die die zentrale Rolle spielt, sondern die Bedingungen unter denen Kooperation / Zusammenarbeit stattfindet. Für mich wäre die zentrale Frage, worauf diese Bedingungen basieren bzw. worauf sie zielen. Basieren oder zielen die Bedingungen auf gegenüber den Bedürfnissen entfremdeten Aspekten, ist die Kooperation "schlecht". Basiert bzw. zielt die Kooperation dagegen auf bedürfnisorientierte, emanzipatorische Aspekte ist sie "gut".

(4.1.1) 11.02.2007, 20:17, Hans-Gert Gräbe: Im Sinne der Bewertungsaufladung ist das Begriffssubstitution, die nicht unbedingt weiterführt, weil du das, was du am Schluss hören willst, hier vorne bereits reinsteckst.

(5) Dieses nervige, aufreibende, anstrengende wird einem dann oft als eben notwendiges Übel auf dem Weg zur allgemeinen Emanzipation verkauft. Die alte kommunistische Parteidisziplin und die neue Öko-Verzichtsethik funktionieren in diesem Sinne nach dem selben Muster.

Konkurrenz

(6) Auch Konkurrenz hat zwei Seiten. Zum einen hat sie einen destruktiven Aspekt, wenn sie darauf zielt den Gegner der Konkurrenz zu vernichten. Zum anderen hat sie aber auch einen konstruktiven Aspekt, wenn es um spielerische Konkurrenz oder gleichberechtigten, anerkennenden Wettstreit geht. Diese Form von Konkurrenz kann sehr inspirierend und anregend sein. Diese beiden an sich widersprüchlichen Aspekte lassen sich jedoch nicht einfach voneinander trennen und eine Vermischung führt oft in die Irre.

(6.1) Re: Konkurrenz, 04.12.2002, 11:57, Stefan Merten: Hier ist das gleiche Muster wieder: Die Bedingungen bzw. Ziele von Konkurrenz sind entscheidend. Ja, ich denke, dass du etwas Wichtiges geklärt hast.

(6.2) Re: Konkurrenz, 08.12.2002, 07:44, Lutz Hagemann: Menschen haben SOLIDARITÄT viel nötiger als Konkurrenz. Das soziale Element im Menschen ist viel stärker, als sein Trieb sich im Wettstreit zu messen. Konkurrenz zwischen Menschen zielt imer auf einen WERTVERGLEICH zwischen verschiedenen Menschen ab. Das alle Menschen von Natur aus gleichwertig sind, negiert die Konkurrenz. Menschen, die ind Gesellschaft und Gemienschaft lernen und arbeiten sind nicht egoistisch. Sie denken als Teil der Gruppe für die Gruppe. Die Gruppe kann auch die Menschheit sein!

(6.2.1) 11.02.2007, 20:17, Hans-Gert Gräbe: Greift m.E. zu kurz. Wir können auch um die bessere Lösung einer Aufgabe konkurrieren und tun das wohl auch ständig an allen Stellen, wo es keine anerkannt "beste" Lösung gibt. Wenn ich sage "so geht's besser" und du "nein, das ist Quatsch", dann hat das wohl mit verschiedener Bewertung einer realen Situation zu tun, die vielleicht auch auf der Tuns-Ebene ausgetragen werden muss - "the proof of the pudding is the eating". Mehr noch, ich denke, dass dieses Grundprinzip die Menschheit wenigstens seit der Stammesgesellschaft begleitet; con-currentes (also nebenläufiges im Sinne der Informatik) praktisches Ausprobieren verschiedener Möglichkeiten, wenn die Analyse nicht eine von ihnen im Vorhinein als töricht verwirft (und selbst dann ...). Und natürlich aus den Erfahrungen lernen !!

(6.2.1.1) Nebenläufigkeit, 14.02.2007, 22:59, Wolf Göhring: Wenn schon ein kleiner rückgriff auf die informatik, dann genau und nicht bloß wortspielend. Das deutsche wort "konkurrenz" ist nicht das englische "concurrency", das in der informatik bei petri-netzen verwendet wird und im deutschen mit "nebenläufigkeit" bezeichnet wird. Die deutsche "konkurrenz" ist englisch "competition".

Das nebenläufige ausprobieren verschiedener möglichkeiten dürfte in der tat die menschheit seit langem begleitet haben. Es gibt nämlich zahlreiche praktische probleme, deren analytische lösung nur im durchprobieren aller varianten liegt. Gemeiner weise wächst auch noch die anzahl der varianten exponentiell mit der anzahl der variablen, die das problem aufweist. (Ich denke hier, um das korrekte stichwort zu geben, an die sog. NP-vollständigen probleme.)

In der praxis bleibt dann gar nichts andres übrig, als irgendeiner schnellen heuristik zu folgen, was in der rechten gehirnhälfte ganz gut abläuft, während die analytisch formale arbeit in der linken hälfte angesiedelt zu sein scheint und bei größeren problemen mit den ergebnissen hoffnungslos hinter dem realen geschehen herhinkt.

Das ausprobieren, welche variante eine lösung liefert, läßt sich natürlich auf mehrere köpfe verteilen. Und so geschieht es denn auch, wenn auch ziemlich naturwüchsig und häufig nach dem grundsatz: The winner takes all! Damit wird die nebenläufige suche nach einer lösung zu konkurrenz oder, englisch, competition.

(6.3) Re: Konkurrenz, 06.06.2003, 00:13, DerManfred Manfred: http://www.martinauer.net/krieg_u_gen/Generationengerechtigkeit_und_Krieg.htm#_ftnref1 in diesem obigen beitrag kommt meiner meinung nach dieser von dir angesprochene konflikt gut zum ausdruck. besonders möchte ich in diesem zusammenhang auf den absatz konkurrenz und kooperastion bedingen einander. In diesem zusammenhang sehe ich auch die freie software, die ja als Konkurrenz zur propietären software entstand. Und um zu überleben, wird die propietäre software zu kooperieren begeinnen. (wobei natürlich klar ist, dass dahinter immer menschen stehen), dass dieser ansatz auch zur verbesserung der gesellschaftlichen situation, d.h. zu einer vermenschlichung des kapitals führt, wäre zu wünschen. Ob es ohne breiter basis gelingt, ist eine andere frage.

(7) Das Sprichwort "Konkurrenz belebt das Geschäft" fasst diesen Widerspruch scheinbar zusammen und zeigt ganz gut wie die liberale Logik daraus eine Begründung des Kapitalismus zimmert. Nach dieser Logik ermöglicht die Konkurrenz jeder gegen jeden erst die gesamtgesellschaftliche Kooperation - weil der Mensch eben böse sei. Dies führt oft zu dem Kurzschluß, Konkurrenz und Kapitalismus seien sehr eng verbunden und wenn man den Kapitalismus bekämpfen wolle, müsse man die Konkurrenz bekämpfen.

(7.1) 04.12.2002, 12:01, Stefan Merten: Dies müsste präzisiert werden. Die (ökonomische) Konkurrenz im Kapitalismus ist in der Tat nicht unwesentlich eine "Compete or die"-Konkurrenz. Wie du richtig erkennst, ist aber das Problem nicht die Konkurrenz an sich, sondern die Bedingungen, unter denen sie hier statt findet. Diese Bedingungen sind eben gerade nicht bedürfnisorientiert, sondern dienen der entfremdeten Wertverwertung. Präzise müsste es also heissen, dass kapitalistische Konkurrenz abgeschafft werden muss. Oder noch genauer: Eine durchgehend bedürfnisorientierte Gesellschaftsformtion wird eine kapitalistische Konkurrenz weder brauchen noch dulden können.

(8) Was ich hingegen versuche zu zeigen ist nun, dass nicht Konkurrenz an sich das Problem ist, sondern die falsche Vermischung dieser beiden Aspekte von Konkurrenz. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, die ganz auf Konkurrenz verzichtet, sondern in einer, die die anregenden, spielerischen und inspirierenden Aspekte von Konkurrenz sehr wohl übernimmt oder sogar erst ermöglicht.

(8.1) "anregende, spielerische und inspirierende Aspekte von Konkurrenz", 29.11.2002, 11:08, Ano Nym: Tja, die Ostblock-Ideologen haben das immer "sozialistischen Wettbewerb" genannt. Lenin hat bereits in den 20er Jahren, der Frühphase der Sowjetunion, - allerdings nur "für eine Übergangszeit", so war die offizielle Sprachregelung - die sog. "Neue Ökonomische Politik" (NEP) propagiert, die auf die eher konservative Geistesverfassung der geschiedenen Privatproduzenten als Konkurrenten setzte. Genau dasselbe wurde ja in den 80er Jahren wieder als Perestroika favorisiert (obwohl die Konkurrenz in der stalinistischen wie auch poststalinistischen Ära nie aufgehoben worden ist (Stichwort: Prämien- und Anreizsystem)), und man kann wohl spätestens seit der Jelzin-Ära sehen, wohin dieses Spiel mit dem Feuer geführt hat ...

(8.1.1) Re: "anregende, spielerische und inspirierende Aspekte von Konkurrenz", 29.11.2002, 15:26, Benni Bärmann: Ich kenn mich nicht aus mit Ostblockideologen. Aber kannst Du mal genau erklären was an deren "sozialistischen Wettbewerb" anregend, inspirierend oder gar spielerisch gewesen sein soll?

Alles was Du da schreibst deutet im übrigen genau auf so eine Trennung von Kooperation und Konkurrenz hin, wie wir sie auch jetzt schon haben und wie sie dieser Text kritisiert. Mir geht es ja gerade darum die Bedingungen aufzuzeigen unter denen Konkurrenz Sinn macht.

(8.1.1.1) Klärung, 03.12.2002, 11:40, ich bins: Zu Frage 1:
Ich möchte gar nicht behaupten, daß es fiese Revisionisten gewesen sein müssen (objektiv vielleicht schon), subjektiv waren das sicher mehrheitlich tatsächlich um Redlichkeit bemühte, wohlmeinende Menschen, die - soweit ich das bis jetzt sehen kann - exakt dasselbe versuchen wollten wie z.B. auch du, nämlich, daß der "Wettbewerb" den Menschen zugute kommt, ähnlich der naiven Idee im Sport, anstatt ein Verdrängungswettkampf zu sein. Ideologen sind sie spätestens rückblickend, weil sie mit dieser (vermeintlichen?) Naivität langfristig die Konterrevolution flankiert haben.

Zu Frage 2:
Das habe ich wohl verstanden. Aber ich bin da, was Konkurrenz betrifft, sehr pessimistisch. Wenns nicht so abgelutscht wäre (und mich überdies in den Ruch von Schröders deutschem Weg bringen würde), würde ich jetzt empfehlen "make love not war", Krieg aber ganz nüchtern als Fortsetzung der Konkurrenz mit anderen Mitteln beschreiben; d.h. sehr allgemein, abgelöst von dieser oder jener Tagespolitik.

(8.1.1.1.1) Zu 1:, 03.12.2002, 15:48, Benni Bärmann: Na, wenn ich Konterrevolutionär sein muss um ein Zwangskooperationsregime zu verhindern, dann bin ich das gerne. Ich kann Dir wirklich nicht mehr so ganz folgen.

(8.1.1.1.2) Zu 2:, 03.12.2002, 15:51, Benni Bärmann: Krieg ist tatsächlich ein perfektes Beispiel dafür, wie Kooperation und Konkurrenz sich gegenseitig bedingen. Das wird durch den altbekannten Spruch "Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin" sehr deutlich. Nirgends ist Kooperation nach Innen so bedingungslos und Konkurrenz nach aussen so rücksichtslos, wie im Krieg. Dennoch ist das eine nicht ohne das andere zu haben. Kein Krieg ohne Kooperation der Untertanen und kein Krieg ohne einen Feind, der keine Rechte hat.

(8.3) 11.02.2007, 20:19, Hans-Gert Gräbe: Damit drehst du dich im Kreis, denn du kannst natürlich die eine Seite nicht ohne die andere haben, wenn Konkurrenz_1 gerade eine konfrontative Interaktion ist - also dein eigenes Wertesystem wie auch das gegnerische in Frage stellt. In einer einigermaßen gerechten Welt sollte man annehmen, dass du im Schnitt die Hälfte deiner Konkurrenzen verlierst, also in der Hälfte der Fälle dein Wertesystem in Frage gestellt wird. Hier würde es dann wirklich interessant.

Gegensatz?

(9) In vielen Debatten, gerade in linken Kreisen, werden Kooperation und Konkurrenz oft als Gegensatz verstanden: Man sagt wir lebten in einer von Konkurrenz geprägten Gesellschaft und man wolle in einer von Kooperation geprägten leben (z.B. auch in einem anderen vorbereitenden Text zu einem anderen Workshop auf der Oekonux-Konferenz. Das klingt ganz gut, reproduziert aber eigentlich nur das liberale Ideologem von der das Geschäft belebenden Konkurrenz als negatives Abziehbild. Diese Redeweise betreibt genau die selbe Vermischung der unterschiedlichen Aspekte von Konkurrenz, die die Rede von der Geschäftsbelebung so zynisch aber auch so glaubwürdig machen. Diese weitverbreitete Argumentation hat ausserdem den Nachteil, dass sie den vielfältigen Erfahrungen im Alltag mit Kooperationen oft widerspricht, da diese eben nicht per se gut, emanzipatorisch und glücksbringend sind.

(9.1) Re: Gegensatz?, 07.01.2006, 01:07, Ano Nym: Die Frage ist, ob eine Kartelbildung wirklich Abhilfe schafft, vom Kapitalismus und nicht auf einen linken Reformismus oder gar eine Systemapologie hinausläuft.

(9.1.1) Re: Gegensatz?, 08.01.2006, 15:03, Benni Bärmann: Wo steht was von Kartellbildung? Worauf beziehst Du Dich?

(10) Genau wie die liberale erscheint auch die linke Vermischung auf den ersten Blick wahrer als sie ist. Und genau wie diese nicht völlig falsch ist, ist auch an jener was dran. Selbst noch die zerstörerischste kapitalistische Konkurrenz enthält etwas Konstruktives. Wäre es nicht so, wäre der Kapitalismus längst vergessen. Und ebenso widerspricht gemeinsames Handeln immer zerstörerischer auf Vernichtung zielender Konkurrenz. Dennoch ist das eben nur ein Teil der Wahrheit, da der konstruktive Aspekt von Konkurrenz ebenso verleugnet wird, wie die Ambivalenz der Kooperation.

(10.1) 04.12.2002, 12:06, Stefan Merten: Ganz genau!

Gegenseitige Abhängigkeit

(11) Deswegen scheint es mir richtiger, die Praxis von Kooperation und Konkurrenz als sich gegenseitig bedingende Widersprüche zu verstehen und nicht als simple sich ausschliessende Gegensätze.

(11.1) Re: Gegenseitige Abhängigkeit, 04.12.2002, 12:14, Stefan Merten: Vielleicht mal ein Versuch, den begrifflichen Rahmen erstmal abzustecken. Auf welchem Feld bewegen sich eigentlich Kooperation und Konkurrenz? Sie müssen ja irgendwas Interessantes gemeinsam haben, damit sie überhaupt vernünftig miteinander verglichen werden können.
M.E. beschreiben Kooperation und Konkurrenz beide Modi, in denen Menschen miteinander interagieren. D.h. die auf der Oekonux-Liste mal getroffene Unterscheidung zu parallelen Tätigkeiten wäre insofern ausserhalb dieses Feldes, da es dabei ja gerade um keine Interaktion gehen sollte.

(11.1.1) Re: Gegenseitige Abhängigkeit, 04.12.2002, 13:01, Stefan Merten: Es gibt aber einen Aspekt, der nur für die Konkurrenz konstituierend ist: Den der Begrenztheit. Eine Konkurrenz um etwas, was unbegrenzt - oder auch nicht-knapp - zur Verfügung steht, macht schlicht keinen Sinn.

(11.1.1.1) Begrenztheit/Knappheit, 04.12.2002, 13:47, Benni Bärmann: Oft ist Begrenztheit auch gerade ein Anlass zu Kooperieren und eine destruktive Konkurrenz macht auch "Sinn" wenn man einfach nur dem Feind das, was eigentlich nicht knapp wäre, vorenthält, es also verknappt.

(11.1.2) Re: Gegenseitige Abhängigkeit, 04.12.2002, 13:43, Benni Bärmann: Keine Interaktion ist auch Interaktion.

(12) In welchem Sinne bedingen sich Kooperation und Konkurrenz? Das sind schlicht zwei Fragen in einer: In welchem Sinne benötigt Konkurrenz immer Kooperation und in welchem Sinne benötigt Kooperation immer Konkurrenz?

(13) Konkurrenz benötigt Kooperation, weil ohne einen festgelegten Rahmen nicht konkurriert werden kann. Alleine weil sonst schon gar nicht klar wäre, worum man eigentlich konkurriert. Dieser Rahmen ist ein Zeichen von Kooperation, weil er nur wirksam wird, wenn sich genügend viele Leute daran halten und sich positiv darauf beziehen. Keine Regel kann dauerhaft gegen die Beteiligten funktionieren.

(13.1) 11.02.2007, 20:20, Hans-Gert Gräbe: Also Konkurrenz = Form des Prozessierens (einer mglw. genauer zu spezifizierenden Sorte) von Widersprüchen in einer Kooperation? Das würde deutlich früher in der Argumentation einsetzen als das Folgende, das nur einem - anderenorts sehr umstrittenen - Begriff von "Freiheit" folgt. Wolfs Argument (15.2) muss da nichts hinzugefügt werden.

(14) Dies gilt nicht im Extremfall der vernichtenden Konkurrenz. Zwar könnte man bei zwei Leuten, die um ihr Leben kämpfen in einem logisch sicherlich richtigen Sinne davon sprechen, dass sie ja auch in eben dieser Frage kooperieren, dass sie um ihr Leben kämpfen. Nur bringe ich soviel Zynismus dann doch nicht auf. Es macht wenig Sinn, das Verhältnis von Kooperation und Konkurrenz nur am Extrembeispiel zu untersuchen. In den Extremen bleiben sie Gegensätze in der üblichen Praxis sind sie es oft nicht.

(15) Kooperation benötigt umgekehrt Konkurrenz, weil zumindestens eine freie, gleichberechtigte Kooperation immer darauf basiert, die Selbstbehauptungsfähigkeit des Anderen anzuerkennen. Dies wurde besonders gut dargestellt in der Theorie der Freien Kooperation von Christoph Spehr, die er in seinem Text "Gleicher als Andere" dargelegt hat. In seiner Darstellung ist eine Kooperation eben gerade dann frei, wenn die gleiche Verhandlungsmacht der beteiligten Akteure dadurch sichergestellt wird, daß sie jederzeit ihren Anteil an der Kooperation einschränken können und ihnen die materiellen Möglichkeiten gegeben werden, diese zu verlassen: sprich innerhalb der Kooperation Konkurrenz zuzulassen, ermöglicht es, dass Kooperation frei wird.

(15.1) "Konkurrenz zulassen", 29.11.2002, 11:28, Ano Nym: Nur eine kleine Anmerkung zur Wortwahl: "zulassen" klingt (a) entweder so, als wären da doch wieder Checker, sprich Herrscher und Beherrschte, denen irgendwas "zugestanden" wird, oder aber (b) so, als müsse die 'neue Gesellschaft' eine primär ethisch begründete sein (quasi als demokratische Variante von (a): "was wollen wir uns zugestehen?"). Beides transzendiert den bürgerlichen Horizont von Handlungsoptionen in keinster Weise (Fortbestehen des bourgeoisen Subjektstatus). Ich meine damit, daß, solange man sich in einem Universum von "zugestehen"/"zulassen" (und also damit auch die Option des "Verbietens" negativ implizierend) bewegt, keine wirklich emanzipatorische Perspektive sichtbar wird. Also eine Kritik der Politik als Politik.

(15.1.1) Re: "Konkurrenz zulassen", 29.11.2002, 15:28, Benni Bärmann: So ists halt nicht gemeint. Was wohl aus dem Kontext auch ganz gut hervorgeht, denke ich. Insbesondere wenn man die hier referierte Theorie der Freien Kooperation zu Rate zieht. Aber man kann das sicher besser formulieren. Was würdest Du denn vorschlagen?

(15.2) 02.12.2002, 15:40, Wolf Göhring: "daß sie jederzeit ihren Anteil an der Kooperation einschränken können und ihnen die materiellen Möglichkeiten gegeben werden, diese zu verlassen" steht da.

Der deutsche passive stil vernebelt herrlich das problem: Wer gibt "ihnen die materiellen moeglichkeiten", die kooperation zu verlassen? Wenn diese leute das gleiche in aller freiheit beanspruchen, was dann? Wo kommen am ende die "materiellen moeglichkeiten" her?

Dieser einwand ist nun beileibe kein ruf nach der freiheit der wenigen auf kosten der vielen. Vielmehr muss man die produktionsweise selbst untersuchen und erforderliche veraenderungen in der materiellen produktion herleiten, wenn die freiheit eines jeden zur bedingung der freiheit aller (MARX) werden soll.

(15.2.1) 03.12.2002, 17:27, Benni Bärmann: Ist schon klar. In der Theorie der Freien Kooperation ist das eben genau das, was man sich erkämpfen muss, bzw. das was man auch anderen zugestehen muss.

(16) Eine mehr grundsätzliche Sicht des selben Sachverhalts erhält man, wenn man von Hegels "Anerkennungsparadoxon" ausgeht, das darin besteht, dass es einen Widerspruch zwischen dem Wunsch nach Anerkennung durch den Anderen und dem Wunsch nach Selbstbehauptung gegenüber dem Anderen gibt. In der Spannung zwischen diesen beiden Wünschen zeigt sich gerade die Möglichkeit von Befreiung ( Aus psychoanalytischer und feministischer Sicht wird dieses Thema sehr inspirierend - auch für Leute, die mit Psychoanalyse an sich nicht viel am Hut haben - behandelt in "Die Fesseln der Liebe" von Jessica Benjamin ) . Die Diskussion um Selbstentfaltung deren unmittelbare Bedingung die Selbstentfaltung aller ist (und umgekehrt), wie wir sie bei Oekonux seit geraumer Zeit führen, verstehe ich genau im Sinne dieser Spannung.

(16.1) 04.12.2002, 12:22, Stefan Merten: Ich verstehe gar nicht, warum da ein Widerspruch ist - oder gar ein Paradoxon. In meiner Denke ist die Selbstbehauptung einer anderen Person für mich selbst von höchstem Interesse, da ich nur so überhaupt in eine Reflexion kommen kann. Ich erkenne die Leute also tendenziell gerade dafür an, dass sie sich selbst behaupten (was BTW viel mit Verantwortung für sich selbst zu tun hat).
Die von dir skizzierte Denke macht nur Sinn im bürgerlichen Verständnis von Freiheit, bei der die Freiheit der anderen immer nur als Begrenzuzng der eigenen Freiheit verstanden wird - anstatt eben als Erweiterung. Vielleicht müsste dieses Ideologem einfach noch tiefer geknackt werden.

(16.1.1) Anerkennung und Selbstbehauptung, 04.12.2002, 13:50, Benni Bärmann: Du schilderst eine gelungene Spannung zwischen den beiden Polen. Dennoch ist da eine Spannung. Und manchmal wird der Bogen eben überspannt, siehe [pox].

(17) Zusammenfassend: Vernichtende Konkurrenz ist zwar das Gegenteil von Kooperation im allgemeinen Sinne gemeinsamen Handelns, aber konstruktive Konkurrenz und Freie Kooperation bedingen sich gegenseitig Kurze Zwischenbemerkung: Der geschulte Logiker (und auf einer Oekonux-Konferenz wird es sicherlich einen ganzen Haufen davon geben) wird vielleicht einwenden: "Wenn A B impliziert und B A impliziert, dann sind sie äquivalent. Da Kooperation und Konkurrenz jedoch offensichtlich nicht äquvalent sind, muß die Annahme, dass sie sich gegenseitig bedingen, falsch sein." Das stimmt zwar, lässt aber den dynamischen Charakter sozialer Prozesse ausser acht. Sowohl zeitlich als auch (sozial-)räumlich können ja die Bereiche in denen kooperiert oder konkurriert wird, wechseln, womit auch der Widerspruch verschwindet.

(17.1) Das ist und bleibt absurd!, 30.11.2002, 19:51, Jörg ??: Wie schon auf der Konferenz gesagt: Ich halte Deine These von der gegenseitigen Bedingung aus vielerlei Gründen für absurd und auch sinnlos. Erstens: Als Begründung führst Du an, daß sich Kooperation und Konkurrenz zeitlich abwechseln können oder auch in verschiedenen Phasen nacheinander auftreten. Das mag ja sein, ist aber was ganz anderes als daß sie sich gegenseitig bedingen. Zweitens: Nachdem Du am Anfang selbst die verschiedenen, widersprüchlichen Definitionen von erzwungener und freier Kooperation benannt hast, benutzt Du später (wie bei der Oekonux-Konferenz) nur noch "Kooperation" als Begriff. Das macht Deine Positionen beliebig auslegbar und kaum diskutierbar, weil nicht klar ist, was Du meinst. Drittens: Die Gegenüberstellung von von Konkurrenz und Kooperation als Wirkung menschlichen Handelns ist etwas ganz anderes als die Frage, ob die beiden Richtungen unabhängig voneinander sind. Wenn jemand sagt, menschlichen Handeln kann sich kooperativ (also auch vorteilhaft für andere) oder konkurrierend auswirken, ist einfach ein ganz anderes Thema angesprochen als was Du unterstellst, was mit der Debatte um Konkurrenz und Kooperation gemeint ist. Viertens: Um es Dir leichter zu machen, zitierst Du immer Christoph Spehr mit "Gleicher als andere". Das ist zwar üblich, schließlich ist Spehr ein Prominenter und Elitendebatten beziehen sich gern auf Prominenz. Aber sein Text ist eher das schwächste in der Debatte - und andere bauen auch nicht auf ihm auf, wie Du weiter oben behauptet hast. Von weniger prominenten Leuten stammt z.B. Ohne Herrschaft ginge vieles nicht. Dort wird Konkurrenz und Kooperation als gegenteilige Wirkung benannt für das Verhalten der Einzelnen in der Gesellschaft. Spehr fehlt die gesellschaftliche Ebene fast immer (sonst wäre auch nicht inzwischen PDS-Funktionär geworden ;-)

(17.1.1) Zu erstens:, 03.12.2002, 02:27, Benni Bärmann: Die Gegenseitige Bedingtheit habe ich deutlich anders geschildert als nur mit "wechseln sich ab". Da liegt meiner Meinung nach ein Missverständnis vor. Kann sein, dass ich das nicht ausführlich und klar genug dargestellt habe.

(17.1.2) Zu zweitens:, 03.12.2002, 02:29, Benni Bärmann: Tatsächlich - und das sagt auch Christoph - sind in jeder Kooperation immer freie und erzwungene Anteile enthalten. Die perfekte Freie Kooperation gibt es nicht. Das ist tatsächlich ein Widerspruch aber das ist ja gerade das, was es Interessant macht. Deswegen ist es auch durchaus sinnvoll zu versuchen diese Widersprüche produktiv zu machen.

(17.1.3) zu drittens:, 03.12.2002, 02:34, Benni Bärmann: Ich verstehe garnicht so genau, was Du eigentlich meinst: Inwiefern sind Konkurrenz und Kooperation "Wirkungen" menschlichen Handelns? Sind sie nicht viel eher (Rahmen-)Bedingungen als Wirkungen? Ansonsten bleibt da für mich nicht viel mehr übrig ausser Behauptungen.

(17.1.4) Zu viertens:, 03.12.2002, 02:41, Benni Bärmann: Ich zitiere Christoph nicht, weil ich ihn als Prominenten zitiere - so prominent ist er ja nun auch wirklich nicht, aber selbst wenn das der Fall wäre, wäre mir das auch egal. Jemanden nicht zu zitieren, nur weil er prominent ist, ist ja wohl auch unsinnig.

Was ich genau behauptet haben soll, ist mir auch nicht klar. Kannst Du das nochmal an der Stelle direkt angeben?

Den von Dir verlinkten Text hab ich im übrigen oben selbst verlinkt. Nur halt nicht zustimmend.

Christoph ist nicht PDS-Funktionär. Das die gesellschaftliche Ebene manchmal etwas unterbelichtet ist, stimmt, hat aber auch eine sehr produktive Seite, weil man nämlich dadurch viel besser an eigene Alltagserfahrungen anknüpfen kann. Mir zumindestens geht es genau darum: Eine Verbindung zwischen den Alltagserfahrungen und dem großen Ganzen zu finden (und umgekehrt).

(17.1.5) Re: Das ist und bleibt absurd!, 04.12.2002, 12:46, Stefan Merten: Jörg Bergstedt ist also weniger prominent als Christoph Spehr? Das ich nicht lache...

(18) Schön, könnte ich sagen, jetzt habe ich das Problem in seine Bestandteile zergliedert, benenne ich also doch einfach die jeweils unterschiedlichen Aspekte von Kooperation und Konkurrenz unterschiedlich und schon ist immer klar, wovon ich spreche. Leider ist es nicht ganz so einfach. Beiden Vermischungen liegt ja die Annahme zu Grunde, dass die beiden Aspekte etwas miteinander zu tun haben. Bei den Linken trifft man oft die Ansicht, schon durch simples gemeinsames Handeln würde sich eine emanzipatorische Dynamik in Gang setzen und bei den Liberalen umgekehrt die Ansicht, dass das freie Spiel der Kräfte der destruktiven Konkurrenz schon selbst die konstruktiven Aspekte enthält (die Rede ist dann meist von der "unsichtbaren Hand" des Marktes).

(18.1) "die Linken" und "die Liberalen", 29.11.2002, 11:54, ich schon wieder: Welches Problem hast Du eigentlich als jemand, der eine andere ("humanere", "sinnvollere") Einrichtung des Produktionssystems oder so ersehnt, Dich dezidiert als Linker zu bezeichnen? Wenn Du so elegant von "den Linken" und "den Liberalen" und ihren Defiziten daherredest, kommen als Alternative eigentlich nur zwei andere Wege in Betracht: erstens eine Vermengung beider Aspekte (Sozialdemokratie, "soziale Marktwirtschaft" bzw. "Rheinischer Kapitalismus") und zweitens eine scharfe Abgrenzung zu beiden, die schließlich in der faschistoiden Volksgemeinschaft endet (Paranoia, ich weiß, aber nach historischen Erfahrungen wohlbegründet): Solidarität, sprich Kooperation, nach innen und Konkurrenz nach außen. Rechte Ideologen in aller Welt ziehen ihre kruden Gesellschaftsvorstellungen aus eben derselben Ablehnung des Kapitalismus [aus moralischen Gründen: fehlende Nestwärme] und des Kommunismus [aus biologistisch-anthropologischen Gründen: der Mensch sei nunmal so-und-so].
Gemäß Deiner Argumentation stehst Du der ersten Variante zweifellos näher als der verheerenden zweiten, das ist schonmal klar. Da aber die Übergänge zwischen beiden fließend sind - das zeigt schon die Glorifizierung des rheinischen Kapitalismus und der Deutschen Arbeitsfront, pardon: unserer ausgewogenen Sozialpartnerschaft durch beide -, ist in jedem Falle Obacht geboten, wenn irgendwo von einem "dritten Weg" zwischen bzw. jenseits von Kapitalismus und Kommunismus die Rede ist.

(18.1.1) Welches Problem ich mit den Linken habe, 29.11.2002, 15:30, Benni Bärmann: Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich mich schon auch selbst als Linken bezeichnen. Allerdings wenn ich mich umgucke, wer sich alles noch so nennt, dann gruselts mich doch ziemlich. Ausserdem ist mit der Beschwörung einer kollektiven Identität niemandem geholfen - am allerwenigsten den Linken.

(18.1.1.1) 03.12.2002, 11:57, wieder ich: Okay, 1:0 für Dich! Ich kann jeden dieser Sätze unterschreiben, meinte aber auch nicht "die Linke" als unappetitlichen Haufen, sondern eher den Begriff davon.

(18.1.1.1.1) 03.12.2002, 15:52, Benni Bärmann: Also ich kenn schon Begriffe für unappettliche Haufen, aber ich will ja niemanden beleidigen ...

(18.1.2) Dritter Weg, 29.11.2002, 15:34, Benni Bärmann: Wenn Du Dir ausser Sozialdemokratie und Faschismus nix vorstellen kannst, ist das ehrlich gesagt nicht mein Problem. Und mit "drittem Weg" hab ich schon grad garnix am Hut. Das zeigt mir mal wieder welchen Missverständnissen man ausgeliefert wird, wenn man die traditionellen Schlagworte (hier: "Kooperation" und "Konkurrenz") nicht in der überlieferten Manier benutzt.

Vielleicht beschränkst Du dich mal einfach drauf, was ich hier schreibe und projizierst nicht irgendwelche Kategorien des verflossenen Jahrhunderts in mich oder diesen Text. Da wäre ich Dir sehr dankbar für.

(19) Beide Vermischungen sind also nicht nur simple sprachliche Mißverständnisse, sondern ihnen liegen inhaltliche Differenzen zu Grunde. Diese sind eine Widerspiegelung des alten Streits zwischen einer Politik der Freiheit und einer der Gleichheit. So wie diese beiden nur scheinbar ein Widerspruch sind, so sind auch Kooperation und Konkurrenz nur scheinbar ein Widerspruch. Wenn es also gelingt auf dem Feld von Kooperation und Konkurrenz Fortschritte zu machen, dann kann das möglicherweise das nötige Bindeglied liefern zwischen der psychologischen Ebene auf der die Spannung zwischen Anerkennung und Selbstbehauptung zu Selbstentfaltung führen kann und der politischen Ebene auf der Gleicheit und Freiheit kein Widerspruch mehr sein müssen.

Alles Hirnwixerei?

(20) Nun, bis hier hat das noch wenig mit unserem Leben zu tun. Zunächst mal hab ich nur Begriffe hin- und herverschoben. Idealismus im schlechten Sinne. Dabei soll es nicht bleiben, deswegen braucht es konkrete Illustrationen um zu zeigen, dass reale Phänomene hinter der begrifflichen Fassade stehen. Dabei will ich mir zunächst die vorherrschenden Prozesse im hier und heute angucken und wie in ihnen das Verhältnis von Kooperation und Konkurrenz funktioniert und schliesslich die meiner Meinung nach existierenden Unterschiede im Umgang mit Kooperation und Konkurrenz in der Freien Software Szene beleuchten.

Hier und heute

(21) Gesellschaft besteht hier und heute aus einer Vielfalt von miteinander verschachtelten Kooperationen und Konkurrenzen. Natürlich beruht die kapitalistische Ökonomie zu einem großen Teil auf Konkurrenz, das ist ihr ideologischer Kern. Doch wird der kooperative Anteil am Kapitalismus oft vergessen. Ich beschränke mich mal auf ökonomische Kooperationen und Konkurrenzen, nicht weil ich denken würde, andere wären weniger wichtig, sondern mehr als Beispiel damit das nicht alles ausufert.

(22) Es gibt meiner Ansicht nach mehrere Arten von Wechselbeziehungen zwischen Kooperation und Konkurrenz. Ich versuche das mal aufzudröseln:

(23) 1. Kooperation als übergreifende Rahmenbedingung für Konkurrenz: Darunter fallen jedes (gemeinsame) Handeln, das zur Erhaltung eines Marktes, der Infrastruktur, des Geldsystems führt.

(24) 2. Kooperation als Teil von Konkurrenz: Jeder Tauschakt ist ein Akt der Kooperation, aber eben als Teil einer Konkurrenzbeziehung. Jeder will ja eigentlich nur für sich möglichst viel dabei rausholen.

(24.1) Austausch als kooperation, 02.12.2002, 14:12, Wolf Göhring: Schon ADAM SMITH hat 1776 in diesem brei geruehrt, indem er den austausch der produkte und die innerbetriebliche kooperation bei der produktion einheitlich als kooperation bezeichnete. Ich zitier weiter unten mal aus "Wealth of Nations", Prometheus Books, New York 1991, s. 16 und 17 (orig. 1776). (Man kann Smith als chefideologen der USA bezeichnen, der bei deren gruendung das heute noch "gueltige" oekonomische und ideologische ruestzeug lieferte. "Wealth of nations" wurde schon im ersten halbjahr des erscheinens kistenweise in den neuengland-staaten verkauft.)

(24.2) Austausch als kooperation, 02.12.2002, 14:27, Wolf Göhring: Es blieb MARX vorbehalten, hervorzuheben, dass austausch aus NICHT-KOOPERATION folgt:

"Gebrauchsgegenstaende werden ueberhaupt nur Waren, weil sie Produkte voneinander unabhaengig betriebner Privatarbeiten sind. Der Komplex dieser Privatarbeiten bildet die gesellschaftliche Gesamtarbeit. Da die Produzenten erst in gesellschaftlichen Kontakt treten durch den Austausch ihrer Arbeitsprodukte, erscheinen auch die spezifisch gesellschaftlichen Charaktere ihrer Privatarbeiten erst innerhalb dieses Austausches." (Karl Marx: Das Kapital I, MEW 23, s.87)

Alles, was MARX im "Kapital" und zum kapitalverhaeltnis schreibt, resultiert aus dieser differenz von austausch und kooperation, die von liberalen oekonomen (und von vielen andern) heftig geleugnet wird.

(24.2.1) Re: Austausch als kooperation, 03.12.2002, 02:47, Benni Bärmann: Tausch ist eine spezifische Form der Kooperation. Eben eine über ein transzendentes, abstraktes, den Menschen äusserliches Prinzip organisierte Form. Aber es bleibt doch Kooperation. Was hätte ich von dem tollen Austauschprinzip, wenn niemand tauschen würde? Jeder Gang in den Supermarkt zum Kaufen Deines Kaffees ist eine Form der Kooperation zum Erhalt dieser Form.

(24.2.2) 11.02.2007, 20:20, Hans-Gert Gräbe: Wolf, old Charly hat hier nur bedingt recht, denn es sind keine "Produkte voneinander unabhängig betriebner Privatarbeiten", insofern sie sich auf dem Markt begegnen und selbst der "schlechtesten Baumeister ... die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut", sondern sie erscheinen nur als solche. Die Zwecksetzung wird weitgehend ausgeblendet, aber sie ist auch ein gesellschaftliches Verhältnis, dessen man sich bewusst werden kann. Man kann also sehr wohl bewusst den gesellschaftlichen Charakter der Privatarbeiten auch jenseits des Austauschs ergründen, ohne den Charakter "unabhängig betriebner Privatarbeiten" - unter Schärfung des Begriffs "unabhängig" selbstredend - aufzuheben. Darum geht es Benni in diesem Text aber gerade!

(24.3) Austausch als kooperation, 02.12.2002, 14:51, Wolf Göhring: ADAM SMITH: "Every workman ... supplies them (the others, W.G.) abundantly with what they have occasion for, and they accomodate him as amply with what he has occasion for, and a general plenty diffuses itself through all the different ranks of society.

Observe the accomodation of the most common artificer or day-labourer in a civilized and thriving country, and you will perceive that the number of people of whose industry a part, though but a small part, has been employed in procuring him this accomodation, exceeds all computation. The woollen coat, for example, which covers the day-labourer, as coarse and rough as it may appear, is the produce of the joint labour of a great multitude of workmen. The shepherd, the sorter of the wool, the woolcomber or carder, the dyer, the scribbler, the spinner, the weaver, the fuller, the dresser, with many others, must all loin their different arts in order to complete even this homely production” (s. 16)

Der austausch bewirkt, dass die leute nicht fuer sich selbst, sondern fuer andere arbeiten und dass sie dinge verwenden, die andere produzierten. Die produktion ist derart eine gesellschaftliche, aber der kontakt zwischen den unanhaengig produzierenden entsteht erst im austausch. SMITH mag das mit "in procuring him" oder mit "the joint labour of a great multitude of workmen” gemeint haben. Aber "joint labour” ist beliebig missverstaendlich, denn es legt nahe, als waere die gesamte gesellschaftliche produktion wohlorganisiert. Auch SMITHs folgender satz suggeriert das:

"If we examine, I say, all these things, and consider what a variety of labour is employed about each of them, we shall be sensible that without the assistance and co-operation of many thousands, the very meanest person in a civilized country could not be provided, even according to, what we very falsely imagine, the easy and simple manner in which he is accomodated.” (s. 17, kursiv von W. G.)

(25) 3. Konkurrenz zwischen Kooperationen: Unternhehmen konkurrieren um Marktanteile. Die Unternehmen sind jedoch ja oft selbst wieder Kooperationen.

(26) 4. Konkurrenz innerhalb von Kooperationen: Innerhalb von Unternehmen kommt es jedoch wieder oft zu Konkurrenzen um Ressourcen, Positionen, usw.

(27) Diese vier Formen der Wechselbeziehung kann man vereinfachend mit vier Ebenen vergleichen: Mit der Marktebene, der Tauschebene, der Unternehmensebene und schließlich der persönlichen Ebene des monadischen Tauschsubjektes. Auf Markt- und Unternehmensebene dominieren dabei die Kooperationsanteile, wärend auf der Tauschebene und der persönlichen Ebene die Konkurrenzanteile dominieren.

(28)

  Markt Tausch Unternehmen Tauschsubjekt
Verhältnis: Kooperation Konkurrenz Kooperation Konkurrenz

(29) Da ja aber Konkurrenz und Kooperation nicht unabhängig voneinander existieren können, werden die entsprechenden Beziehungen in die Nachbarebenen "ausgelagert". Die Beziehungen zwischen den Ebenen sind also solche zwischen Kooperations- und Konkurrenzverhältnissen. So stehen sich dann also Konkurrenz und Kooperation immer feindlich gegenüber und dadurch wird eine destruktive Dynamik in Gang gesetzt. In diesem Sinn haben also sowohl die liberalen Verfechter des freien Marktes als auch die linken Kritiker recht: Kooperation und Konkurrenz schließen sich hier und heute tendenziell aus, weil die Dynamik von Markt und Tausch daraufhin arbeitet sie zu trennen. Diese Dynamik erzeugt die Trennungen zwischen Menschen gerade dadurch, dass sie Kooperationen und Konkurrenzen in ihre jeweiligen Grenzen verweist. Ja, diese Grenzen werden durch diese Dynamik erst erzeugt. Menschen werden von Menschen getrennt, weil zwischen ihnen Grenzen existieren, die durch ihre eigenen Kooperationen und Konkurrenzen immer wieder neu aufrechterhalten werden. Bei den vier schematischen Ebenen bleibt es dabei nicht. Das Schema dient mehr der Verdeutlichung des Prinzips. So erzeugt diese Dynamik der Abspaltung von Kooperation und Konkurrenz immer wieder neue Trennungen auf vielen Ebenen bis schliesslich die Menschen sogar von sich selbst getrennt werden.

(30) Zusammenfassend: Ähnlich wie auf der interpsychischen Ebene eine Auflösung der Spannung zwischen Anerkennung und Selbstbehauptung zu Herrschaft führt, so führt auf der Ebene der Gruppe eine Auflösung der Spannung zwischen Konkurrenz und Kooperation durch Abspaltung ebenso zu Herrschaft.

Freie Software

(31) Wenn Freie Software eine Keimform einer neuen Gesellschaft sein soll (siehe "Wem gehört das Wissen?" von Stefan Meretz) und diese neue Gesellschaft sich eben gerade durch ein anderes Verhältnis von Kooperation und Konkurrenz auszeichnen soll, dann müsste sich in der Praxis Freier Software ja schon etwas davon zeigen. Ich meine, dass dem so ist, ohne das deswegen Freie Software nicht auch 100% "hier und heute" wäre.

(32) Die vier Ebenen finden sich so auch bei Freier Software, nur sind ihnen andere Phänomene zugeordnet.

(33) Es sind die Ebenen der Lizenzen, die Ebene des gemeinsamen Codes, die Ebene des Projekts und schließlich die Ebene der Selbstentfaltung. Auch hier gilt wieder, diese Ebenen dienen eher dem Beispiel, als dass sie Anspruch auf Vollständigkeit erheben würden.

(34) Wenn wir uns diese vier Ebenen näher ansehen, stellen wir fest, dass in ihnen Kooperation und Konkurrenz in einem anderen Verhältnis stehen als im prototypischen "hier und heute".

(35)

Lizenz Code Projekt Selbstentfaltung
Kooperation gemeinsamer Rahmen für Alle Freie Kooperation Anerkennung
Konkurrenz Abgrenzung gegen für Mich gehen können Selbstbehauptung
prop. Software

Zu den Ebenen im einzelnen:

(36) 1. Auf der Ebene der Lizenz gibt es das kooperative Moment eines gemeinsamen Rahmens aber - zumindestens bei Copyleft-Lizenzen - das konkurrierende Element der Abgrenzung gegenüber proprietärer Software.

(37) 2. Auf der Ebene des Codes gibt es das kooperierende Element, dass jeder Code für jeden zur Verfügung steht, aber auch das Element von Konkurrenz, dass ich mir auch jeden Code aneignen kann.

(37.1) 01.12.2002, 22:39, Stefan Meretz: Wieso ist das ein Moment von Konkurrenz? Das geschieht doch nicht auf Kosten anderer, der Code wird durch meine Aneignung ja nicht für andere weniger...

(37.1.1) 03.12.2002, 02:48, Benni Bärmann: Nein, er wird nicht weniger, aber ich kann eventuell etwas damit machen, womit der ursprüngliche Autor nicht einverstanden wäre. Das empfinde ich schon als Konkurrenz.

(37.1.2) 03.12.2002, 12:55, Ano Nym: Ja, ich finde auch: Wenn "aneignen", das sich wörtlich auf "Eigentum" bezieht, nichts mit exklusivem Besitztitel zu tun haben soll, wird der Begriff des Eigentums obsolet. Dann ist es aber auch mit der Konkurrenz dahin, und wir dürfen uns bereits im Kommunismus wähnen ...

(37.3) 11.02.2007, 20:21, Hans-Gert Gräbe: Konkurrenz ist hier wohl eher, welche Patches genommen werden und welche nicht.

(37.3.1) Patches, 12.02.2007, 10:36, Benni Bärmann: Das muss ja noch keine Konkurrenz sein, man kann ja auch einfach einsehen, dass der eigene Patch schlechter war als der andere. Konkurrenz fängt erst dann an, wenn der Fork in der Luft schwebt (ohne dass er unbedingt realisiert werden müsste).

(37.3.2) 13.02.2007, 14:38, Hans-Gert Gräbe: Das ist eine sehr eingeschränkte Sicht nur auf das Ergebnis der Konkurrenz und auf die beiden extremen Ausgänge (Unterwerfung und Fork). Der Normalfall ist ja, dass es gute Gründe für jeden der möglichen Patches gibt und Konkurrenz ja auch schon vor der Entscheidung besteht (wie auch auf dem Markt - das Prinzip funktioniert ja nur, weil die Marktteilnehmer Entscheidungen sinnvoll antizipieren können).
Du wirst einwenden, dass ersteres keine Unterwerfung sei, aber es ist ja eher die Ausnahme als die Regel, dass jemand ohne Groll zur Kenntnis nimmt "das, was du hier gebracht hast, ist Sch..." (darauf läuft dein "Patch war besser" letztlich hinaus, da "besser" ein Wort aus einer eindimensionalen Welt ist). In Wirklichkeit ist es ja deutlich komplizierter, weil die guten Gründe jedes Einzelnen mit Herzblut aufgeladen sind. Nett, wenn du am Entscheidungsprozess beteiligt wirst, aber wenn du einen Patch ans CoreTeam einreichst, dann kriegst du meist nur das Resultat verkündet (analog der "blinden" Wirkung des Marktes) und du musst dir ggf. deinen Reim drauf machen. Und das ist nicht mal unbedingt Böswilligkeit, sondern vielleicht nur eine reine Zeitfrage.
Welche subtilen Momente da auf den Tisch kommen, kannst du ja praktisch an der Entwicklung von Oekonux im letzten Jahr studieren.

(38) 3. Ein Projekt funktioniert einerseits als Freie Kooperation, diese wird aber gerade dadurch konstituiert, dass man sie jederzeit verlassen kann.

(38.1) 01.12.2002, 22:42, Stefan Meretz: Stärker als mein individuelles Gehen-können wirkt die Option des Forks hier konkurrent mit der Gefahr der Ressourcenaufteilung.

(38.1.1) 03.12.2002, 02:50, Benni Bärmann: Der Fork wirkt zwar stärker, ist aber auch sehr unwahrscheinlich eben gerade deswegen, weil man ihn individuell schlecht machen kann und umso schlechter, je größer das Projekt ist. Aber Du hast schon Recht, das gehört da mit dazu.

(38.2) 04.12.2002, 13:06, Stefan Merten: Also zumindest nach "Gleicher als andere" ist dies nur ein Konstituent Freier Kooperation - und noch dazu der Beliebigste, weil der ja ohnehin praktisch überall gilt.
Die beiden anderen sind die Abwesenheit sakrosankter Regeln - eigentlich auch dieser drei? - und die Forderung eines Scheidungspreises, dessen Aushandlung sich außerhalb jeglicher Moral befindet.
Aber genau genommen will ich da nicht schon wieder drüber diskutieren...

(38.2.1) 04.12.2002, 13:51, Benni Bärmann: Ja, schon klar. Mir ging es nur darum dasjenige rauszugreifen, dass am deutlichsten macht, dass es bei Freier Kooperation um Konkurrenz geht. Ich wollte ja nicht nochmal die ganze FK referieren.

(38.3) 11.02.2007, 20:22, Hans-Gert Gräbe: Hier wäre zunächst über den Freiheitsbegriff zu sprechen, den du verwendest und der hier implizit mitschwingt. Hat es mit Freiheit zu tun, dass ich jederzeit aus einer Laune heraus aus einem Projekt aussteigen kann, auch wenn es danach krachen geht? M.E. nicht wirklich, aber dem liegt meine persönliche Definition von "Freiheit als Fähigkeit, verantwortliche Beziehungen eingehen zu können" zu Grunde.

(39) 4. Auf der Ebene der individuellen Selbstentfaltung schliesslich funktioniert diese nur, wenn einerseits die Anerkennung der Selbstentfaltung der Anderen, andererseits aber auch die eigene Selbstbehauptung dazu in einem angemessenen Verhältnis steht.

(40) In allen vier Ebenen kommen also sowohl Kooperation als auch Konkurrenz vor und wie es ihnen entspricht, bedingen sie sich gegenseitig. Unsere beiden Freunde bleiben also jeweils vor Ort in einem Spannungsverhältnis und können so eine positive Dynamik entfalten, die individuelle Sebstentfaltung ermöglicht und Menschen mit Menschen in Kontakt bringt ohne sie auf einen abstrakten Wert zu reduzieren und ohne künstliche Grenzen zwischen ihnen zu schaffen.

(41) Wenn man also von der Keimform Freie Software für eine bessere Gesellschaft lernen will, ist es entscheidend darauf zu achten wie in anderen Bereichen Kooperation und Konkurrenz zueinander stehen und dann zu versuchen das produktive Spannungsverhältnis zwischen diesen beiden Polen zu stärken und nie der Versuchung nachzugeben, jeweils das eine dem anderen vorzuziehen.

(41.1) Eine etwas andere Sichtweise, 11.04.2003, 14:21, Benni Bärmann: Leicht anders könnte man den Komplex vielleicht auch so formulieren (und vielleicht wird es damit auch Jörg-kompatibler?): Herrkömmlicherweise kooperieren wir nach innen und konkurrieren wir nach aussen. Ja, Kooperation und Konkurrenz erzeugen dieses Innen und Aussen oftmals erst. Wenn wir nun eine Welt wollen, in der auch nach aussen mehr kooperiert wird, geht das nur, wenn wir nach Innen mehr Konkurrenz zulassen. Das wiederum führt tendenziell zu einer Aufweichung der Grenzen. Das ganze kann so eine sich selbst verstärkende konstruktive Dynamik entwickeln, spiegelbildlich dazu wie heute die Herrschaft nach einer sich selbst verstärkenden destruktiven Dynamik funktioniert.

Ausblick

(42) In den Diskussionen zum Thema sind noch viele weitere Punkte angesprochen worden, die ich hier nicht alle ausführen kann. Auf zwei Diskussionsstränge möchte ich aber noch einmal hinweisen, weil sie mich besonders interessieren und ich an diesen Punkten besonders gerne weiterdiskutieren möchte:

(42.1) Weitere Anknüpfung, 29.11.2002, 15:09, Annette Schlemm: Ich schlage eine weitere Anknüpfung vor:
Ich will darauf hinaus, daß es wohl noch einen tieferen Grund hat, daß die Konkurrenz in den gegebenen Bedingungen (des Kapitalismus) eben kein "gehen können" zuläßt. Auch die Freien Softwareleute können, um sich als Individuen selbst reproduzieren zu können (mit allem, was dazugehört) sich aus der Wertverwurstung nicht ganz entziehen. Warum das? Ich denke, hier kommen wir doch wieder zur Frage, daß es die Voraussetzung der Trennung von Arbeitskräften von wichtigen Lebens- und Produktionsmitteln ist, die nun thematisiert werden muß. Bei Freier Software ist das Problem gelöst, weil wir da eben nur die Privatcomputer und das "öffentliche" Netz brauchen. Deswegen ist die Keimform hier eher möglich. Aber der entscheidende GRUND, warum diese Form der Kooperenz eben nicht einfach in den Kapitalismus hineinzuwünschen ist, sondern noch das Knacken anderer Barrieren (die Aufhebung der gesamtgesellschaftlichen Trennung von Ak und Pm) notwendig ist, braucht eben diese zusätzliche Ebene der Betrachtung: Sind in der Welt die Menschen von ihren Lebens- und Produktionsmitteln getrennt (und besteht in der Ausweitung dieser Trennung nicht grad das Problem der Globalisierung?). Wenn ja: Was bedeutet das für diese Menschen (also uns) und ihre (unsre) Möglichkeiten zu kooperieren oder zu konkurrieren?

(42.1.1) Re: Weitere Anknüpfung, 03.12.2002, 02:52, Benni Bärmann: Ich glaube dieses Brett wäre mir erstmal zu dick :-) aber spannend ist das sicher. Geht Stefans http://www.opentheory.org/ko-kurrenz/text.phtml in die Richtung?

(43) Gender: Wie verhält sich der allgegenwärtige Geschlechterdualismus zum hier verhandelten Dualismus von Kooperation und Konkurrenz? Ist Kooperation weiblich und Konkurrenz männlich? Sind beide männlich und somit die ganze hier geführte Debatte sexistisch? Oder irgendwas dazwischen?

(43.1) 04.12.2002, 13:10, Stefan Merten: M.E. liegen diese Begriffe quer zur Gender-Debatte, da in beiden Genders massenhaft beide Konzepte zu finden ist - vielleicht auf unterschiedlichen Feldern.

(43.1.1) Gender, 04.12.2002, 13:56, Benni Bärmann: Ich hab mal eine Umfrage im Freundeskreis gemacht und die allermeisten identifizieren schon unterschiedliche Verhältnisse zu Kooperation und Konkurrenz zwischen Männern und zwischen Frauen. Frauen konkurieren zwar auch, aber nicht offen. Es ist nicht cool sondern zickig. Wenn Männer konkurrieren ist das jedoch cool - zumindestens wenn sie gewinnen. Und Männer kooperieren vielleicht auch offener z.B. in Seilschaften und Männerbünden.

(44) Solidarität und Autarkie: Ist Solidarität das Gegenteil von Konkurrenz und Autarkie das Gegenteil von Kooperation? Wenn ja, was bedeutet das? Wenn nein, wie sind diese Begriffe dann einzuordnen?


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