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Forderungen an eine antikapitalistische Linke
Maintainer: Hanna Behrend, Version 2, 31.03.2003
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv
(1) Abs.1: Auf die Einladung zu einem Treffen zur Europäischen Antikapitalistischen Linken in Frankfurt/M am 10. Mai 03, die ich in dieses Projekt mit einstelle, habe ich folgendes geantwortet:. Abs.2:Auch ich solidarisiere mich mit allen Bemühungen, die sich gegen Krieg und Sozialabbau richten. Darin stimme ich mit dem in der Einladung Erklärtem überein. Auch mit der Stoßrichtung des Papiers gegen Rassismus und Sexismus (was umfassender wäre als rassistische und sexistische Diskriminierung) bin ich sehr einverstanden.
(2) Ich bin auch überzeugt, dass eine Bewegung notwendig ist und in der heutigen Phase des destruktiven und zunehmend demokratie-, ja menschenfeindlichen High-Tech- Kapitalismus Chancen hat, die sich langfristig auf die Herbeiführung von menschengerechten Herrschaftsverhältnissen orientiert und die die heute bestehenden Besitz- und Verfügungsverhältnisse insofern umkehrt, als sie aus den Händen einer winzigen Minderheit in die Verfügungsgewalt der breiten Massen bisher nicht bzw. nur sehr eingeschränkt an Macht und Besitz Beteiligter gelangen würden. Abs.3: Menschengerechte, d.h. nicht hierarchische, rassistische, sexistische und umweltschädigende Herrschaftsverhältnisse sind allerdings meiner Meinung und Erfahrung. nach nicht an das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln und an den Aufbau einer klassenlosen Gesellschaft gebunden. Sie setzen zwar die Ablösung der Allmacht des Militärisch-Industriellen Komplexes und seiner RepräsentantInnen voraus, ohne die im Zuge der breiten antiimperialen Bewegung weltweit entstandenen voraussichtlich sehr verschiedenen wirtschaftlichen und politischen Lösungsmodelle im Voraus bestimmen zu wollen, die sich nach einer solchen radikalen Transformation ergeben könnten. Höchst unwahrscheinlich ist die Vorstellung, dass dabeidie Märkte verschwinden werden und ungewiss, durch welche Wirtschaftsweisen profitorientiertes Wirtschaften so umgestaltet werden könnte, dass das Ergebnis Reichtum und nicht Mangel für alle ist.
(2.1) "Herbeiführung von menschengerechten Herrschaftsverhältnissen", 31.03.2003, 11:07, Ano Nym: Für die Herbeiführung von menschengerechten Verhältnissen sich stark zu machen, ist ja löblich; aber "menschengerechte Herrschaftsverhältnisse"? Als nächstes wird dann wohl der "gerechte Herrscher", der un-"entfesselte Markt" und der "gerechte Preis" gepriesen ... ein typisch reformistisches Programm a la attac oder Cohn-Bendit.
(3) Abs.4:Meine Bedenken richten sich aber nicht nur gegen die Formulierung der langfristigen Zielstellung, sondern vor allem gegen die in dem Papier entwickelte Strategie und daher auch gegen die aus ihr abgeleitete Politik. Abs.5:Welche Strategie wird in der Einladung vorgeschlagen? Ziel ist eine andere, eine sozialistische Republik, eine sozialistische Demokratie, die den Aufbau einer klassenlosen Gesellschaft anstrebt. Es wird also primär nicht vorgegeben, welche Handlungsschritte wir unseren AddressatInnen vorschlagen, sondern eine kleine Gruppe von InitiatorInnen weiß bereits wieder, wie das Ziel auszusehen hat, noch ehe ein einziger Teilsieg gewonnen wurde und ohne dass diejenigen, in deren Interesse der Sieg sein sollte, Gelegenheit hatten zu sagen, was sie wollen. Solche sozialistische Demokratie ist mit katastrophalen Folgen für die Welt bereits einmal gescheitert und ich werde mich gewiss nicht daran beteiligen, dass das gleiche Fehlexperiment wiederholt wird.
(3.1) Keine Angst., 31.03.2003, 11:19, Ano Nym: Keine Angst, wer "eine sozialistische Republik, eine sozialistische Demokratie" und dergleichen anstrebt, kann so schlimmes nicht im Schilde führen. Robert Kurz hat diesen Jargon einmal den adjektivischen Sozialismus genannt, weil er alles - aber auch wirklich alles! - mit dem Adjektiv "sozialistisch" versehen hat, sei es auch noch so sehr originär bürgerlich. Ich würde mich also für so einen Humbug auch nicht einsetzen. Aber zu befürchten, daß das Ergebnis schlimmer wäre als der status quo, ist unbegründet. Das Ergebnis wären vielmehr die herrschenden Verhältnisse unter einem anderen Namen, vgl. Ostblock.
Daß das Scheitern dieses Pseudoexperiments katastrophale Folgen hatte, stimmt schon, aber ich meine herauszuhören, daß du das Experiment als solches schon für katastrophal hältst. Aber inwiefern soll es (bis auf das nicht erreichte westliche Produktivitätsniveau, das ja 3.-Welt-Staaten auch nicht hatten und haben) spezifisch katastrophal sein? Das primär Entsetzliche sind doch die Blut&Boden-Ideologien, die in Abgrenzung zum Realsozialismus im Baltikum, auf dem Balkan und im Kaukasus wieder in Mode gekommen sind.
(4) Abs.6: Statt Schritte, die wirklich gegen Krieg und Sozialabbau gerichtet sind, werden weitere Sanktionen verhängt: Grundsätzlich wird Regierungsbeteiligung abgelehnt, weil absehbar nicht in Sicht sei, dass dadurch Verbesserungen zu Gunsten der abhängig Beschäftigten, der Eigentumslosen und Ausgegrenzten (wo bleiben die Arbeitslosen, SelbstausbeuterInnen, kleinen Handwerker und Geschäftsleute?) möglich werden. Ziel ist der Aufbau einer möglichst breiten Opposition gegen Mitte-Links-Regierungen. Wofür sich diese breite (und daher naturnotwenig heterogene) Opposition tatsächlich einsetzen, was sie fordern soll, erfahren wir nicht, denn es gibt keinen minimalen Forderungskatalog des geplanten Bündnisses, in dem gesagt wird, welche weitere Forderungen bestimmter Gruppen, sozialen Schichten oder anderen BündnispartnerInnen aufgegriffen und unterstützt würden.
(5) Abs.7: Kritisiert wird zurecht, dass in der bürgerlich-demokratischen Republik Demokratie in vielerlei Hinsicht begrenzt ist und nur auf dem Papier steht und dies in zunehmendem Maße. Ziel muss aber deshalb sein, diese zwar begrenzte, aber selbst in ihrer Begrenztheit verteidigungswürdige und wegen ihrer schweren Gefährdung auch verteidigungsbedürftige Demokratie zu verteidigen, d.h. nicht zuzulassen, dass Rechte der Volksvertretungen, Bürger- und Menschenrechte aus Sicherheitsgründen eingeschränkt werden
(5.1) Re: Verteidigung der (beschränkten) Demokratie, 31.03.2003, 11:34, Enton ??: Daß die Demokratie eine beschränkte sei und dies eben nicht in ihr selbst begründet liege, sondern einem noch nicht realisierten Ideal nachzueifern wäre, ..., diese v.a. in der Linken weit verbreitete Denke hat in Texten (z.B. http://www.giga.or.at/others/krisis/p-klein_demokratie-und-sozialismus_mk7-1989.html|diesem und http://www.giga.or.at/others/krisis/p-klein_demokratendaemmerung_krisis11_1991.html|jenem) von Peter Klein bereits vor ca. 10 Jahren eine fundierte Abfuhr erfahren.
Prädikat: Lesenswert!
(6) Abs.9: Das Bekenntnis zum Pluralismus geht ebenfalls nur von der Kooperation verschiedener Organisationen und Parteien aus, nicht aber von den differenten Interessen all der Gruppen, die heute wissen oder ahnen, dass es unter den bestehenden Verhältnissen nur bergab gehen kann und die für eine Mitwirkung an einer wirklichen Transformation gewonnen werden könnten. Abs.10: Neben den zunehmend durch Abbau gefährdeten Lohnabhängigen in solchen Branchen, in denen sie durch den technologischen Fortschritt überflüssig werden, sind das meines Erachtens durch Überforderung und Ausbrennen gefährdete sog. LeistungsträgerInnen in den Hochleistungsbranchen, kleine und mittlere Bauern, kleine Handwerksfirmen und LadenbesitzerInnen, Selbstausbeutende (ExistenzgründerInnen, die sogenannten Ich-AGs, Freiberufliche, zahlreiche AkademikerInnen u.a.m.), Erwerbslose, SozialhilfeempfängerInnen, Wohnungslose, MigrantInnen. Ihre Interessen differieren, aber daran, dass es so bleibt wie es ist, hat keine dieser Gruppen ein Interesse und mit gutem klarem Grund.
(7) Abs.11: Erst in zweiter Linie wäre es wichtig, das Verhältnis von Bewegungen zu politischen Parteien zu bestimmen. Ob sich eine Bewegung, etwa wie Attac, dann nicht von irgendeiner Partei bevormunden lässt, hängt nicht von vorherigen Deklarationen ab, sondern davon, ob die Bewegung eine von ihren Mitgliedern einhellig getragene und ständig kontrollierte politische Zielstellung und ob sie Führungskräfte hat, die diese entschlossen durchsetzen wollen und können. Wenn diese Führungskräfte sich weder korrumpieren noch ablenken lassen, kann die Bewegung mit jeder Organisation und Partei, mit jeder Behörde, Regierung, mit jeder Stiftung oder anderen Geldgebern zusammenarbeiten, welche bereit sind, die eine oder andere ihrer Forderungen zu unterstützen. Wenn dies nicht der Fall ist, nützen die unter 5) des Einladungspapiers gemachten Bemerkungen ohnehin nicht das Geringste. Abs.12: Unter 6) erwartete ich endlich konkrete Forderungen, für die man versuchen wollte, die Unterstützung der Interessengruppen, Organisationen und politischen Parteien zu gewinnen, die daran interessiert sein müssten. Aber es ging leider nur um sehr eng gefasste organisatorische Anregungen. Man wolle sich mehr über Internet organisieren, heißt es, gemeinsame Veranstaltungen und Rundreisen (wer gemeinsam mit wem?) machen, linke Wahlbündnisse (wofür?), PDS-offene Listen gegen die Berliner und Schweriner Regierungsbeteiligung eingehen.
(8) Abs.13: Der einzige programmatisch-inhaltliche Punkt ist der Vorschlag einer Diskussion zur geplanten EU-Verfasssung. Ohne die Bedeutung dieser Verfassung negieren zu wollen, sollten m. M. nach andere Fragen für eine sozialistische Linke heute Priorität haben: Ich schlage vor, sich in einem Papier, das als Fernziel die Ablösung der derzeitigen Herrschafts- und Wirtschaftsweise durch eine menschengerechtere benennt, auf die Punkte Kriegsgegnerschaft und Sozialabbaugegnerschaft zu konzentrieren und alles Übrige an organisatorischen Festlegungen wegzulassen. Abs.14: Zum Punkt Kriegsgegnerschaft empfehle ich, sich den Fünf Forderungen der Friedensbewegung gegen eine Talebanisierung der Welt, die Wolfgang Ullmann im Freitag vom 28. 3. 03 erhoben hat, einfach anzuschließen. Es geht darin um die Verlegung des UN-Hauptquartiers und des Weltsicherheitsrates nach Wien oder Helsinki; um Anklage vor dem Strafgerichtshof gegen die Bush-Regierung laut Art.36, Abs.2 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs; um ein globales Verbot von ABC-Waffen, das in das Statut des Weltstrafgerichtshofs aufzunehmen ist; um neu zu schaffende Rechtsgrundlagen durch eine Gesetzesinitiative jenseits von Kyoto und Rio zur Internationalisierung der globalen Rohstoffreserven durch die Umweltbehörden der UNO und der EU, die gewährleisten muss, dass diese nicht durch Privatisierung der profitorientierten Ausbeutung und Zerstörung verfallen und so die Lebensgrundlagen kommender Generationen vernichtet werden. Schließlich soll die UNESCO das Weltkulturerbe im Irak sichern.
(8.1) Re: bestimmen, herrschen, diktieren, 07.05.2003, 01:19, roy rempt: Willst Du nun also gleich selbst die Ziele der Bewegung bestimmen? Das klingt mir doch etwas selbstherrlich oder gar diktatorisch(?).
Ich glaube, vor einigen Zeilen gelesen zu haben, das Du selbst anprangerst, dass eine kleine Gruppe der Bewegung bereits Ziele gesetzt hat (siehe Zitat). Wer würde eine solche Bewegung noch gut heißen, wenn Du da als Einzelner eine solch gewaltige Macht ausüben kannst und darfst, Ziele für alle zu bestimmen.
Zitat: "eine kleine Gruppe von InitiatorInnen weiß bereits wieder, wie das Ziel auszusehen hat, ... &ohne dass diejenigen, in deren Interesse der Sieg sein sollte, Gelegenheit hatten, zu sagen, was sie wollen. Solche "sozialistische Demokratie" ist ... bereits einmal gescheitert und ich werde mich gewiss nicht daran beteiligen, dass das gleiche Fehlexperiment wiederholt wird."
(9) Abs.15: Zum Punkt Antisozialabbau müsste m.E. gefordert werden: Rücknahme der bisher beschlossenen Veränderungen zu Ungunsten der Versicherten von Ansprüchen auf Arbeitslosenunterstützung, Renten und Krankenversicherungsansprüche. Umbau des Steuersystems als wesentliches Instrument der einkommensorientierten Umverteilung zu Gunsten abhängig Beschäftigter, ExistenzgründerInnen, Ich-AGs, Handwerksbetriebe, kleinen LadenbesitzerInnen (nicht Chains); Finanzierung dieser Rücknahme und Sanierung der Staatsfinanzen durch Besteuerung der globalen High-Tech-Konzerne und Banken; Umverteilung der Verfügung über Steuermittel zu Gunsten von Kommunen und Regionen, um die Erhaltung aller sozialen Einrichtungen und die Investition in bildungs-, gesundheits- und ökologische Projekte und die Finanzierung der dort Beschäftigten zu ermöglichen. Für solche oder ähnliche Forderungen ließen sich deutschlandweit viele Menschen, Gruppen, Vereine, Organisationen und Angehörige von politischen Parteien als MitkämpferInnen und Sponsoren gewinnen.
(9.1) würdiges Finale:, 31.03.2003, 11:46, Enton der Weise: Im letzten Absatz rappelts dann doch noch mal, als wärs eine Satire. Ist das wirklich Ernst, alle Abscheulichkeiten des Spätkapitalismus wie "Ich-AG", Existenzgründungsinitiativen und Klitschenromantik ("kleinen LadenbesitzerInnen (nicht Chains)") noch hätscheln zu wollen. Das ist ja wohl die schlechteste aller Welten, wo der Horror der Ich-AGs quasi humanistisch mit der gebeutelten Menschheit für versöhnt erklärt würde ... Solange es die ungeliebte Arbeit noch gibt, ist auf jeden Fall gegen ihre Prekarisierung a la "Ich-AG" vorzugehen! Aber wer wie der bodenständige Ökobauer Jose Bove "Chains" wie McDonalds verteufelt und auch handgreiflich zerstört, als gäbe es auf dieser Welt nichts Schlimmeres als Imbisse, dem ist wohl mit Argumenten ohnehin nicht mehr beizukommen ...
[Sorry für den gereizten Ton, aber es geht mir um die Sache]
(9.2) Resymé, 07.05.2003, 01:23, roy rempt: Bleibt ja nur noch, viel Erfolg zu wünschen, dass sich Dir genug Menschen anschließen, damit Du einmal ein großer Führer einer sozialen Bewegung wirst, die ihre Gläubigen in menschengerechtere Herrschaftsverhältnisse und Reichtum für alle führt !
Nie wieder Sozialismus und ähnliche Fehlexperimente !
;-) ist nicht ernst gemeint !!
(9.2.1) 25.03.2004, 18:58, s w: In diesem Ton trägst Du auch nichts zur Debatte bei: So stößt Du eher Menschen ab, statt gemeinsam und kritisch mit ihnen zu diskutieren. Wer sich für eine menschenfreundlichere Gesellschaft einsetzen möchte, sollte andere Menschen ernst nehmen können. Ein Beispiel für einen engagierten, selbstkritischen Dialog (als "fiktiven Briefwechsel") auf hohem Niveau, der Gemeinsamkeiten betont und Differenzen gleichberechtigt nebeneinander bestehen läßt, stellt das Buch "Nachhaltigkeit als politische Ökologie" dar. Und wenn Du Kritik äußern möchtest, und sei sie noch so tiefgreifend, dann tue es - aber respektvoll - statt auszugrenzen! Gebe dem Dialog eine Chance!