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PDS-Programmentwurf, Teil 1
Maintainer: Hans-Gert Gräbe, Version 1, 03.05.2001
Projekt-Typ:
Status: Archiv
(1) Sozialismus ist für uns ein notwendiges Ziel -- eine Gesellschaft, in der die freie Entwicklung der Einzelnen zur Bedingung der freien Entwicklung aller geworden ist. Sozialismus ist für uns eine Bewegung gegen die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, gegen patriarchale Unterdrückung, gegen die Ausplünderung der Natur, für die Bewahrung und Entwicklung menschlicher Kultur, für die Durchsetzung der Menschenrechte, für eine Gesellschaft, in der die Menschen ihre Angelegenheiten demokratisch und auf rationale Weise regeln. Sozialismus ist für uns ein Wertesystem, in dem Freiheit, Gleichheit und Solidarität, menschliche Emanzipa-tion, soziale Gerechtigkeit, Erhalt der Natur und Frieden untrennbar verbunden sind.
Die Zivilisationsgeschichte ist die Geschichte der Herrschaft von Klassen und sozialen Gruppen. Mittels dieser Herrschaft beuteten sie andere aus und eigneten sich große Teile des gesellschaftlichen Reichtums an. Zugleich ist sie die Geschichte des Kampfes sozialer Bewegungen um die gerechte Teilhabe aller an diesem Reichtum. Diese Bewegungen ergriffen die Position ausgebeuteter und unterdrückter sozialer Klassen und Schichten und erzwangen historische Kompromisse. Gegen die Barbarei von Gewalt, Herrschaft und Ausbeutung setzten sie Elemente von ziviler Konfliktlösung, Teilhabe und gerechter Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums durch, verteidigten ihre Würde, schufen Bedingungen lebenswerter Gesellschaften. Dieser Kampf hat in den letzten zweihundertfünfzig Jahre grundsätzlich neue Formen angenommen.
Waren die vorkapitalistischen Gesellschaften durch eine über große Zeiträume hin weit gehend gleichbleibende und beschränkte technologische Grundlage geprägt, so ist das Zeitalter der modernen kapitalistischen Gesellschaften durch die "fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige Unsicherheit und Bewegung" (Marx) gekennzeichnet. Wir leben in einer Welt immer neuer technologischer, wirtschaftlicher, sozialer, politischer und kultureller Revolutionen. Die großen sozialen Probleme der Gegenwart sind globale Probleme.
(3.1) Geschichte der Produktivkraftrevolution, 04.05.2001, 22:03, Rolf Köhne: Der Satz "Die großen sozialen Probleme der Gegenwart sind globale Probleme" ist hier vöölig deplaziert. Statt dessen müsste hier stehen: "Die Zivilisationsgeschichte der Menschheit ist auch eine Geschichte der Produktivkraftentwicklung". (Meretz)
Waren die vorkapitalistischen Herrschaftsverhältnisse vor allem Verhältnisse persönlicher Herrschaft von Hausherren über ihre Frauen und Kinder, von Sklavenhaltern über ihre Sklavinnen und Sklaven, von Feudalherren über ihre Vasallen und Leibeigenen, so sind die modernen kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse überwiegend unpersönlicher Natur. Sie erscheinen als Zwänge des Marktes oder der Bürokratie. Die Unterordnung der gesamten Gesellschaft unter die Kapitalverwertung, die Erhebung der Profitmaximierung zum obersten Prinzip zeichnen die kapitalistischen Gesellschaften aus.
Die Möglichkeiten moderner Gesellschaften können völlig gegensätzlich genutzt werden: barbarisch oder gerecht, herrschaftlich oder emanzipativ, ausbeuterisch oder solidarisch. Der moderne Kapitalismus, die Vorherrschaft des "Nordens" über den "Süden", das heutige Patriarchat, die exzessive Naturausbeutung und Degeneration der Lebensbedingungen heutiger und zukünftiger Generationen sind Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse. Durch sie werden die Potenziale dieser neuen gesellschaftlichen Entwicklungsweise im Interesse weniger und auf Kosten anderer angeeignet. Wir wollen diese Verhältnisse verändern und letztlich überwinden.
Wir unterscheiden deutlich zwischen dem kapitalistischen Charakter der heutigen Gesellschaften und den zivilisatorischen Errungenschaften, die in diesen Gesellschaften erreicht wurden. Die Durchsetzung wichtiger demokratischer Grundrechte, die partielle Anerkennung des Sozialstaatsprinzips, ein öffentliches Bildungs- und Gesundheitssystem stellen Ergebnisse des Kampfes moderner sozialer Bewegungen dar, die immer wieder bedroht, unterhöhlt oder beseitigt werden können. Weder das Wahlrecht, noch das Recht auf Bildung oder der Schutz bei Alter und Krankheit wurden den Arbeitern, den Frauen, den Alten der unteren Klassen und Schichten geschenkt. Sie wurden erkämpft, ertrotzt und nur gelegentlich vorbeugend zugestanden. Diese Errungenschaften sind Ausdruck von Emanzipation und Solidarität. Sie sind kostbare Güter. Wir wollen sie verteidigen und ausbauen.
Die Erfahrung der sozialen und politischen Kämpfe der Vergangenheit ist: Menschen können sich nur dann frei und solidarisch entwickeln, wenn sie über die dafür notwendigen Grundbedingungen des Lebens verfügen. Ohne sie bleiben alle formal verbrieften Rechte ohne Gehalt. Ohne sie sind Menschen Ausbeutung, Unterdrückung und Diskriminierung ausgesetzt. Es ist eine erschreckende Tatsache, dass für viele Millionen Menschen Krieg eine Realität ist. Die Angst vor Gewalt wächst. Umwelt wird zerstört. Arbeit und Erwerb sind nicht gesichert. Die Angst vor sozialer Unsicherheit und Verarmung macht sich breit. Die Mehrheit der Menschen fühlt sich fremden Entscheidungen ohnmächtig ausgeliefert. Vielen ist der Zugang zu Bildung und Kultur verwehrt.
Unsere programmatischen Ziele gehen von einer einfachen Frage aus: "Was braucht der Mensch?". In den Kämpfen ausgebeuteter, unterdrückter und diskriminierter sozialer Gruppen hat sich gezeigt: Menschen brauchen die Möglichkeit, über die gesellschaftlichen Bedingungen ihres Lebens gemeinsam mit anderen zu entscheiden. Sonst bleiben sie den Entscheidungen anderer unterworfen. Sie brauchen den Schutz vor Gewalt. Sie brauchen saubere Luft und sauberes Wasser. Sie brauchen Arbeit und Erwerb. Sie brauchen Bildung und Kultur. Sie brauchen soziale Sicherheit und Gesundheit.
(8.1) 19.02.2002, 16:34, Christian Apl: Was "der" Mensch gerade braucht, sollte sie/er vor allem jederzeit auch mitteilen können und dementsprechend Gehör und Unterstützung finden.
Darüber hinaus sollte die Frage "Was braucht der Mensch?" ständig neu gestellt und vor allem die Antworten auch berücksichtigt werden. Allein die Frage nach standardisierbaren "Grundbedürfnissen" reicht nicht aus! Sie erzeugt standardisierte, um nicht zu sagen verdinglichte Menschen.
Es sind diese elementaren Güter, die Menschen benötigen, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Es sind diese Lebensbedingungen, die sie brauchen, um ihre Fähigkeiten und Bedürfnisse, produktiven Kräfte und sittlichen Maßstäbe entwickeln zu können. Es ist die Verfügung über diese Güter, die darüber entscheidet, ob Menschen frei oder unfrei sind. Es sind deshalb auch keine beliebigen Güter. Sie sind nicht durch einander oder durch andere Güter ersetzbar. Es sind grundlegende Freiheitsgüter. Der Anspruch auf diese Güter ist deshalb auch als Anspruch auf fundamentale Menschenrechte formuliert worden. Es war die Internationale, die den Kampf um diese Menschenrechte zu ihrer weltumspannenden Botschaft machte.
Sozialismus geht von den realen Bedürfnissen und Interessen von Menschen aus. Sozialismus fragt danach, welche Lebensbedingungen Menschen hervorbringen müssen, um frei zu sein, und was sie tun müssen, damit die Verfügung über diese Güter nicht zur Ausbeutung und Unterdrückung anderer führt. Sozialismus ist für uns jene historische Bewegung, die die gesellschaftlichen Macht- und Eigentumsverhältnisse so gestalten will, dass diese Güter auch wirklich effektiv und umweltgerecht produziert werden und dass über sie solidarisch verfügt wird. Die Geschichte der modernen Gesellschaften ist geprägt durch den Kampf sozialer Gruppen für oder gegen Emanzipation und Solidarität, für oder gegen eine prinzipielle Gleichheit des Zugangs zu den Freiheitsgütern unserer Gesellschaften. Es ist dieser Kampf, der die Weltgeschichte der letzten zweihundert Jahre geprägt hat. Es ist ein Kampf für oder gegen die Veränderung von Eigentums- und Machtverhältnissen. Es ist ein Kampf darum, wer den gesellschaftlichen Reichtum aneignen und wer über ihn verfügen darf. In diesem Kampf entwickeln wir unser Verständnis sozialistischer Werte.
Für uns ist sozialistische Politik eine Politik für Gerechtigkeit. Ihr Ziel ist es, die strukturellen Bedingungen von Unfreiheit, Ungleichheit und Ausbeutung, die Macht- und Eigentumsverhältnisse, auf denen diese beruhen, zurückzudrängen und zu überwinden. Um die Entstehung, Festigung und Durchsetzung von Eigentumsverhältnissen, die ein Leben in Freiheit, Gleichheit und Solidarität ermöglichen, kämpfen wir heute und in Zukunft. Jeder Schritt realer Bewegung, durch den der Zugang zu den Grundbedingungen individuellen Lebens egalitärer gestaltet wird, jeder Schritt zu einer demokratischen und gemeinwohlorientierten Verfügung über Eigentum ist für uns ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit und in Richtung Sozialismus.
Für uns ist sozialistische Politik eine Politik, die gleiche politische und soziale Möglichkeiten von Freiheit für jede und jeden schaffen will. Freiheit ist der Bezugspunkt dieser Politik. Gleichheit ist das Maß, das diese Politik an den Zugang zu den grundlegenden Freiheitsgütern anlegt. Ohne Gleichheit ist Freiheit nur die Kehrseite von Ausbeutung. Und ohne die Schaffung der realen Bedingungen freier Selbstverwirklichung für jede und jeden ist jede Gleichheit Unterdrückung. Freiheit und Gleichheit haben eine gemeinsame Wurzel -- Solidarität.
Freiheit ist nicht nur ein Recht, Freiheit ist auch eine Pflicht. Es ist die Pflicht zur Gerechtigkeit. Es ist die Pflicht, dafür zu wirken, dass die grundlegenden Freiheiten, die soziale Gruppen für sich in Anspruch nehmen, zu Freiheiten aller anderen werden können. Für uns ist Freiheit nicht als egoistisches Haben, sondern als solidarisches Tun zu erreichen. So definieren wir die sozialistischen Werte, auf die wir uns in unserem Programm von 1993 geeinigt hatten. Wir legen sie gegenwartsbezogener Politik in den Kommunen, Ländern, im Bund, in der Europäischen Union und im globalen Maßstab zugrunde.
Unternehmertum und betriebswirtschaftliches Gewinninteresse sind wichtige Bedingungen von Innovation und Effizienz. Die heutige gesamtgesellschaftliche Dominanz von Profit ist jedoch mit unserer Vorstellung von Gerechtigkeit und mit der durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gebotenen Sozialpflichtigkeit des Eigentums unvereinbar. Weil wir das persönliche Eigentum von Menschen als eine Grundlage freier Selbstbestimmung verteidigen, lehnen wir die Vorherrschaft kapitalistischer Eigentumsverhältnisse ab, die Millionen von Menschen um dieses persönliche Eigentum bringt.
(14.1) Unternehmertum und betriebswirtschaftliches Gewinninteresse?, 04.05.2001, 13:03, Rolf Köhne: Der erste Satz ist zunächst höchst problematisch. In den meisten Medienreaktionen wurde auch genau diese Passage des Entwurfs hervorgehoben und als Gesinnungswandel interpretiert. „Unternehmer“ sind hierzulande immer noch überwiegend kapitalistische Eigentümer von Produktionsmitteln, deren Gewinn auf der Ausbeutung von Lohnarbeit beruht. Einen solchen Satz unter der Überschrift „Unser sozialistisches Ziel“ zu bringen, ist mehr als eine lässliche Sünde. Vor allem aber ist die Aussage sachlich falsch. Erstens wird hier der Innovationsbegriff auf technische Innovationen reduziert. Zweitens werden technische Innovationen auch unter anderen Bedingungen hervorgebracht – man denke an den Sputnikschock oder an Linux. Drittens verhindert das „betriebswirtschaftliche Gewinninteresse“ ebenso notwendige Innovationen bzw. verzögert sie um 20 Jahre wie bei der Brennstoffzelle. Viertens ergeben sich so noch lange nicht die technischen Innovationen, die wir wirklich brauchen – die Technikentwicklung kann nicht unabhängig von der Kapitalverwertung betrachtet werden. Fünftens machen sich die Autoren keinerlei Gedanken um den Effizienzbegriff; sie berücksichtigen weder die Externalisierung sozialer noch ökologischer Kosten. Sechstens wird übersehen, daß die gegenseitige Konkurrenz um den technischen Vorsprung zu einem volkswirtschaftlich ineffizienten Ansteigen der Abschreibungen führt bzw. mit Marx‘schen Worten zu „Produktion um der Produktion willen“. Und siebtens schließlich ist es höchst ineffizient, wenn aus „betriebswirtschaftlichem Gewinninteresse“ die Arbeitskraft von Millionen Erwerbsloser nicht genutzt werden kann – mal ganz abgesehen von den menschlichen Schicksalen.
(14.1.1) Re: Unternehmertum und betriebswirtschaftliches Gewinninteresse?, 12.06.2001, 21:57, kein PDS-Mitglied: In der Diskussion um die Frage, ob die PDS nun kommunistisch und ihre Bekämpfung nur eine Vorsetzung des "Kalten Krieges" sei, finde ich diesen Beitrag recht interessant. Augenscheinlich stösst ja bereits auch nur der zarte Ansatz zum Modell "Markt" auf die deutliche Ablehnung dieses Kommentators. Wenn jede Form des Gewinnstrebens abgelehnt wird, machen private Unternehmen keinen Sinn und das macht wiederum damit die Einführung von Staatsbetrieben notwendig. Und da diese sich nicht freiwillig nach den Bedürfnissen ihrer "Kunden" richten werden, müssen sie dann zentral gelenkt werden. Genau wie früher, nur hat das da auch schon nicht funktioniert! Da hilft es auch nicht Marx zu zitieren und mit wilden theoretischen Formeln herumzuwirbeln. Mein Tip: legt "Das Kapital" aus der Hand, arbeitet mal die Zeit von 1945-1989 auf zieht dann mal neue Schlüsse, wie ihr die Welt retten wollt!
(14.1.1.1) Re: Unternehmertum und betriebswirtschaftliches Gewinninteresse?, 16.10.2003, 08:45, Hans-Joachim Weise ??: Schade, daß da wieder einmal jemand anonym diskutiert und am Ende leider nicht gerade sachlich ist. Ohne Gewinn kann ein Unternehmen natürlich ncht existieren. Die Frage ist nur, wie der Gewinn erwirtschaftet wird: durch neue, material-, energie- und zeitsparende umweltgerechteTechnologien oder durch verschärften Leistungdruck auf die Beschäftigten mit Akkord, unbezahlten Überstunden, Lohnkürzungen usw. Die zweite Frage ist die nach der Verwendung des Gewinns - für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten, für die Unterstützung sozialer und kultureller Projekte in den Kommunen beispielsweise, oder für die ohnehin gut gefüllten Privatschatullen von Großaktionären und Spitzenmanager, selbst solchen, die durch eigene Unfähigkeit Unternehmen in den Ruin getrieben haben, siehe die millionenschweren Abfindungen bei Mannesmann-Mobilfunk! Niemand kann leugnen, daß gerade dieses ausschließlich am privaten Interesse orientierte Gewinnstreben eine wichtige Ursache allen Übels, vor allem der immer weiter ansteigenden Arbeitslosigkeit, ist. So wird auch die PDS nicht darum herumkommen, sich ernsthaft Gedanken über neue Formen des Eigentums an den Produktionsmitteln zu machen, Formen jenseits von einstigem sozialistischem Staatseigentum und derzeitigem großkapitalistischen Privateigentum. Es muß möglich sein, Eigentumsformen zu entwickeln, die der gesamten Gesellschaft und nicht lediglich einer kleinen Gruppen von Besitzenden, der die Interessen der Nichtbesitzenden im wesentlichen gleichgültig sind, Nutzen bringen.
Diese sozialistische Grundüberzeugung vertreten wir im Angesicht einer zutiefst bedrohlichen Differenz zwischen weltverändernden technischen Fähigkeiten der Menschen und ihrer durch Macht- und Eigentumsverhältnisse begrenzten Fähigkeit zur Verantwortung für ihr Tun. Patentierung menschlichen Erbguts und gentechnische Veränderung des Menschen werden greifbar. Unkontrollierte Wachstumsinteressen stellen die Naturgrundlagen menschlichen Lebens in Frage. Längst kann die Menschheit durch den Einsatz moderner Waffensysteme vernichtet werden.
Notwendig sind die radikale Ökologisierung der Gesellschaft und ein neuer Typ des wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technischen Fortschritts. Eine solche alternative Produktions- und Lebensweise bedarf einer von Entfremdung befreiten Arbeitswelt und eines Alltags, der nicht durch Konsum als Selbstzweck, sondern durch Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, nicht durch private Nischen in einer Massengesellschaft, sondern durch Individualität und Gemeinschaftlichkeit bestimmt wird.
Reale Vergesellschaftung setzt demokratische Entscheidungsprozesse auf lokaler, regionaler, nationaler, europäischer und globaler Ebene voraus. Strategische Entscheidungen über die Richtungen, Normen und Einschränkungen der sozialen, wissenschaftlich-technischen, ökologischen und kulturellen Entwicklung bedürfen bewusster und demokratischer Gestaltung sowie der Mitbestimmung der Produzentinnen und Produzenten, der Verbraucherinnen und Verbraucher, der Kommunen und der gesellschaftlichen Bewegungen.
Grundmerkmale einer sozialistischen Gesellschaft, wie wir sie anstreben, sind Verwirklichung der Selbstbestimmungsrechte aller Menschen und Völker in der Einheit von politischen, sozialen und kulturellen Rechten; eine sich auf die politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und ökologischen Verhältnisse erstreckende Demokratie; Emanzipation der Produktions-, Verteilungs- und Konsumtionsweise von der Herrschaft der Interessen des Kapitals und deren Unterordnung unter das Ziel, allen die Bedingungen eines selbstbestimmten und solidarischen Lebens zur Verfügung zu stellen; Bewahrung der natürlichen Umwelt; Einheit von Rechtsstaat und Sozialstaat; Frieden und Solidarität nach innen und außen.
Die konkreten Aufgaben der sozialistischen Bewegung ergeben sich aus den realen Widersprüchen und Konflikten und aus den herangereiften Entwicklungspotenzialen, nicht aber aus einem abstrakten Geschichtsplan. Angesichts der drängenden Nöte kämpfen wir um alternative Entwicklungswege. Sie werden das Resultat politischer Auseinandersetzungen sein, die bereits heute geführt werden.
2. Unser sozialistischer Weg
Ziel moderner sozialer Emanzipationsbewegungen ist Gerechtigkeit. Sie kämpfen für die Schaffung gleicher sozialer Möglichkeiten des Zugangs aller zu den wichtigsten Gütern der Gesellschaft unabhängig von Klassenzugehörigkeit, Geschlecht, Nation, ethnischer Herkunft oder Hautfarbe, unabhängig von Behinderungen oder sexuellen Orientierungen, unabhängig vom Lebensort auf diesem gemeinsamen Planeten. Es sind Bewegungen, die gegen Herrschaft und Ausbeutung auf Solidarität und Emanzipation zielen. Es sind Menschenrechtsbewegungen.
(20.1) ???, 04.05.2001, 22:20, Rolf Köhne: Ist das Ziel moderner Emanzipationsbewegungen wirklich Gerechtigkeit? Oder haben wir es nicht vielmehr mit Bewegungen zu tun, die verallgemeinerbare Interessen wie Frieden, saubere Umwelt, keine AKW's usw. gegen die Privatinteressen einer Minderheit durchsetzen wollen?
Die modernen sozialen und politischen Emanzipationsbewegungen sind der Ausgangspunkt jeder sozialistischen Politik. Eine besonders enge Beziehung ist der Sozialismus historisch mit der Arbeiterbewegung, später mit der Frauenbewegung und der antikolonialen Bewegung eingegangen. Sozialistische Politik kann auch heute nur im engsten Zusammenwirken von Gewerkschaften, mit den Bewegungen von Arbeitslosen und Frauenrechtlerinnen, mit antirassistischen, antimilitaristischen und antiimperialistischen Bewegungen, mit Friedensbewegungen und Bürgerbewegungen, mit den Bewegungen von Menschen mit Behinderungen, von Landlosen und indigenen Bewegungen, mit sozial engagierten religiösen Bewegungen, Künstlerinnen und Künstlern, Intellektuellen und vielen anderen, die sich solidarisch engagieren, verwirklicht werden.
Aus den modernen sozialen Emanzipationsbewegungen gingen jene Gegenmächte hervor, durch die Herrschaft und Ausbeutung historisch immer wieder eingeschränkt wurden. Sie sind die wichtigste Bedingung jedes humanen und sozialen Fortschritts. Nicht aus dem Frieden mit den Herrschenden, sondern aus der Gegenwehr der Unterdrückten und aller, die sich solidarisch engagieren, entsteht eine menschlichere Gesellschaft. Die dabei gewählten Mittel müssen den Zielen von Gewaltfreiheit und Emanzipation entsprechen, da sie sonst nur zum Ausgangspunkt neuer Herrschaft und Unterdrückung werden.
Wir wollen niemandem ein glücksbringendes System verordnen. Wir streben weder eine Diktatur noch die Einführung von Patentlösungen an. Im Gegenteil: Wir setzen uns dafür ein, dass alle Menschen jene Grundgüter, jenes Eigentum und jene Macht in die Hände bekommen, die sie in die Lage versetzen, selbstbestimmt, frei und solidarisch über die Gestaltung ihrer gesellschaftlichen Lebensbedingungen zu entscheiden. Dies ist für uns wirkliche Demokratisierung und tatsächliche Sozialisierung. Dies ist unsere radikal sozialistische Position zu Macht und Eigentum.
Die Eigentumsfrage ist für uns eine Grundfrage sozialistischer Bewegung. Sie ist für uns nicht primär eine Frage der Rechtstitel, sondern eine Frage der realen Verfügung über wirtschaftliche Machtressourcen. Entscheidend sind realer Inhalt und soziale Wirkung konkreter Eigentumsordnungen. Die Alternative zum kapitalistischen Eigentum besteht für uns deshalb nicht im allumfassenden Staatseigentum, sondern in der demokratischen Entscheidung über gesellschaftliche Grundprozesse und der Förderung jener Eigentumsformen, die es am ehesten erlauben, die menschlichen Grundgüter effizient bereitzustellen und gerecht zu verteilen.
Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich in die Lage versetzen, demokratisch über die grundlegenden Entwicklungsrichtungen der Wirtschaft und der gesamten Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Verfasstheit der Gesellschaft verlangt weitreichende und demokratische Veränderungen der politischen Kräfteverhältnisse, um gegenüber allen Eigentumsformen übergreifende und gemeinsame Interessen zur Geltung zu bringen.
Die verschiedenen Eigentumsformen haben unter konkreten historischen Bedingungen und Machtverhältnissen ein unterschiedliches Potenzial, Freiheitsgüter hervorzubringen oder zu zerstören, den gleichen Zugang aller zu diesen Gütern zu sichern oder zu blockieren und die effiziente Produktion aller weiteren Güter zu gewährleisten oder zu beeinträchtigen. Jede Eigentumsform, die die natürlichen, sozialen und kulturellen Lebensgrundlagen entwickelt und den Zugang zu den Grundbedingungen menschlichen Lebens erleichtert, sollte gefördert, jede, die Lebensgrundlagen untergräbt oder vernichtet und die diesen Zugang einschränkt oder verhindert, sollte eingeschränkt und gegebenenfalls in andere Formen überführt werden.
Eigentumsfragen sind Fragen der Macht und des Kräfteverhältnisses in der Gesellschaft. Progressiver Wandel der Eigentumsverhältnisse muss durch Gegenmächte bewirkt werden. Auf absehbare Zeit wird es vor allem darauf ankommen, die Verfügungsgewalt über hochkonzentriertes Kapitaleigentum oder scheinbar anonyme Aktienfonds schrittweise einzuschränken: durch Widerstand gegen Deregulierung und Selbstentlassung der Wirtschaftseliten aus sozialen Verpflichtungen, durch sozialstaatliche und umweltpolitische Regelungen, durch Steuer-, Struktur- und Forschungspolitik, durch mehr Einfluss von Gewerkschaften und Betriebsräten, von Kommunen, Umwelt- und Verbraucherorganisationen.
Die fortschreitende Privatisierung von öffentlichem Eigentum und damit von öffentlicher Verfügungsmacht lehnen wir ab. Wir wollen die Bewahrung von Gemeineigentum und seine Ausweitung, wo dies sinnvoll ist. In anderen Fällen unterstützen wir den Übergang bisher staatlichen Eigentums in die Verfügung vieler Träger, die sich zugleich auf wirtschaftlich effiziente, sozial und ökologisch orientierte Weise assoziieren und deren demokratische Verfügungsmacht durch staatlich gesetzte Rahmenbedingungen gestärkt wird. Wir treten für die Stärkung von genossenschaftlichem Eigentum ein. Dies verstehen wir als progressive Schritte der Entbürokratisierung und tatsächlichen Vergesellschaftung.
Demokratisch-sozialistische Eigentumspolitik verlangt, einen für alle sozial gleichen Zugang zu Bildung und Ausbildung und Zugriff auf Information, Wissen und Kultur zu sichern. Dieser Zugang zu den kulturellen Grundgütern erhält in der wissensbasierten Gesellschaft eine zentrale Bedeutung für ein Leben in Gerechtigkeit und Freiheit, vergleichbar dem Eigentum an Maschinen im Industriezeitalter. Die kapitalistische Monopolisierung von Wissen lehnen wir ab.
Die Gewinnung demokratischer politischer Gestaltungsmacht ist auch davon abhängig, ob es gelingt, Sozialismus wieder in eine emanzipatorische Kulturbewegung zu verwandeln. Nur dann, wenn massenhaft Bedürfnisse nach einer selbstbestimmten und solidarischen Lebensweise entstehen, wenn Menschen in dieser Lebensweise einen Zugewinn an Freiheit und Reichtum finden, wird es möglich sein, einer sozialistischen Alternative zum heraufziehenden Kulturkapitalismus Sinn und Gestalt zu verleihen.
Als kapitalismuskritische Opposition und als gesellschaftsgestaltende Kraft wird die PDS Nein sagen zu allen Entwicklungen, die die Dominanz der Kapitalverwertungsinteressen stärken, patriarchale Verhältnisse zementieren, die Gesellschaft sozial spalten, soziale Unsicherheit erhöhen, die natürlichen Lebensgrundlagen zerstören. Und sie wird Ja sagen zu allen Schritten, die dazu beitragen, soziale Standards zu erhalten und auszubauen, zivilisatorische Errungenschaften zu bewahren und weiterzuentwickeln, das Kräfteverhältnis zugunsten von Emanzipation und Solidarität zu verschieben und patriarchale Strukturen aufzubrechen, die Gesellschaft lebenswerter zu machen. In diesen konkreten Widersprüchen wirkend ist sozialistische Politik immer Realpolitik -- sei es durch konsequente Verweigerung, sei es durch überzeugende Reformpolitik und Mitgestaltung. Als reale Politik der Veränderung dieses Kräfteverhältnisses ist sie zugleich Teil eines umfassenden Transformationsprojekts.
Politik der PDS, die dazu beiträgt, emanzipative und solidarische Interessen zu stärken und die Dominanz der Kapitalverwertungsinteressen abzuschwächen, damit verbundene Macht- und Eigentumsverhältnisse zu verändern, weist über den Kapitalismus hinaus. Durch eine solche Politik werden die Verhältnisse für weitergehende Umgestaltungen geöffnet, wird Politik im Alltag visionär, ist die so genannte Kleinarbeit Arbeit an weiter reichenden Zielen. Durch eine sozialistische Politik wird die PDS Teil der Gesellschaft und zugleich eine Kraft ihrer Veränderung. Indem sie konkrete soziale Interessen vieler Menschen nach mehr Solidarität in der Gesellschaft, nach einer bedarfsorientierten sozialen Grundsicherung, nach einer qualifizierten Bildung für alle, nach einem Studium ohne Gebühren, nach Gleichstellung der Geschlechter und lebenswerter Umwelt gegen den neoliberalen Kapitalismus vertritt, beweist sie ihren sozialen Gebrauchswert. Entwicklung sozialistischer Politik und Öffnung in die Gesellschaft hinein sind deshalb zwei Seiten einer Medaille.
Teilschritte in der Reformpolitik der PDS können zwiespältige Wirkungen haben. Sie sind wichtig für begrenzte Verbesserungen. Sie bieten Chancen, Menschen bei der Durchsetzung ihrer berechtigten sozialen Interessen zu unterstützen und sie für weiter reichende Veränderungen zu gewinnen. Von der PDS durchgesetzte oder mitgetragene Reformschritte können in Abhängigkeit von veränderten Kräfteverhältnissen wieder relativiert oder rückgängig gemacht werden. Linke Reformpolitik wird aber dann transformatorisch wirken, wenn es gelingt, Reformen für mehr soziale Sicherheit mit solchen zu verbinden, die den Einfluss der Lohnabhängigen erhöhen, die Profitdominanz zurückdrängen, die den dritten Wirtschaftssektor in Kooperation mit kleinen und mittleren Unternehmen stärken und die zu demokratischer Kontrolle der Banken, Versicherungen und Großunternehmen führen. Einschneidender Wandel kann erreicht werden, wenn es gelingt, die Politik einer sozialen und ökologischen Regulierung zu verpflichten, statt sie profitbestimmten Weltmarktzwängen anzupassen. Dazu gehören weit reichende Rahmensetzungen für den Markt, Innovationsprogramme, wie ein Programm "Sozial-ökologischer Umbau Ost" und insgesamt eine dauerhafte Ausrichtung der Politik auf Gerechtigkeit.
Der demokratische Sozialismus entsteht in und aus der Gesellschaft oder überhaupt nicht. Er misslingt gleichermaßen als isoliertes Projekt kleiner Gruppen wie als Diktatur. Demokratischer Sozialismus ist eine diesseitige Bewegung auf ein diesseitiges Ziel hin -- die Dominanz emanzipativer und solidarischer Interessen über die Interessen an Herrschaft, Ausbeutung und Unterdrückung. Er weist über den Kapitalismus hinaus.