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Umweltschutz von unten: Analyse der Umweltbewegung
Maintainer: Jörg Bergstedt, Version 1, 29.09.2000
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv
(1) Sie ist weder ganz schlecht noch ganz toll. Sie ist nicht einheitlich. Selbst dort, wo scheinbar bestimmte Positionen klar sind, finden sich immer noch Abweichungen im Detail und einzelne AbweichlerInnen vom "mainstream". Dennoch lassen sich Tendenzen bilden, lassen sich Ausrichtungen zusammenfassen. Der Vorwurf, daß so "Schubladen" entstehen, ist gerechtfertigt. Dennoch ist es unumgänglich. Wer eine kritische Reflexion will, muß den Mut haben, Entwicklungen zusammenzufassen, um das, was geschieht, begreifbar zu machen. Wer immer nur darauf pocht, daß es überall Ausnahmen gibt, ist zur Selbstkritik unfähig - unbewußt oder als strategischer Trick, um mit einem "Weiter so" bestimmen zu können, wo es langgeht. Der Umweltschutz ist in einer schweren Krise. Aktuelle Positionen und Forderungen werden kaum wahrgenommen oder sind als Teil neoliberaler Umgestaltungen instrumentalisiert worden von denen, die mit Sicherheit keine Umweltschutzziele verfolgen. Zum Teil aber, und das dürfte das Schlimmste sein, sind UmweltschützerInnen auch TäterInnen geworden - die setzen Kraft und Zeit ein, Konzepte zu entwickeln, die marktgängig sind, sich an wirtschaftlichen Vorgaben ausrichten, also die Grünkosmetik der neoliberalen Modernisierung darstellen. Im folgenden sollen die Hauptrichtungen der Umweltbewegung kurz beschrieben werden. In der Kürze muß pauschalisiert werden. Das ist nötig, um die Verhältnisse zu klären. Hier ist kein Platz für eine Analyse der vielschichtigen Gründe und vor allem der historischen Entwicklung. Wer all das näher begreifen möchte, dem sei das Buch "Agenda, Expo, Sponsoring - Recherchen im Naturschutzfilz" empfohlen (siehe Quellenangaben am Ende).
(2) Bis Ende der 80er Jahre waren sie prägend bis in die Verbands- und Behördenspitzen, heute arbeiten sie vor allem noch in Basisgruppen, mußten aber den Öko-ModernisiererInnen (siehe nächster Absatz) das öffentliche Feld fast völlig überlassen: Arten- und BiotopschützerInnen, oft mit Hang zum Heimatschutz, d.h. mit Interesse ausschließlich an "ihren" Vögeln, Kröten, Tümpeln, Hecken oder auch dem "deutschen Wald". Mit hohem Zeiteinsatz kümmerten sie sich um Lieblingsbiotope und -arten, ohne zu thematisieren, daß andernorts durch Flächenversiegelung, Vergiftung, Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung usw. hektarweise naturnahe Flächen verschwanden. Ging es aber an "ihre" Objekte, so konnte der Widerstand recht hart werden - die beschützte "Scholle" wurde bewacht. Straßenbau, Bachregulierungen, Flurbereinigungen bis hin zur WAA in Wackersdorf konnten dann auf geballten Widerstand auch aus den meist konservativen, obrigkeitsgläubigen Kreisen der Arten- und BiotopschützerInnen treffen (bis zu den Auseinandersetzungen um Wackersdorf war z.B. der bayrische BUND, BN genannt, personell und tatsächlich eng mit der CSU verbunden - das änderte sich dann gravierend). Emanzipatorische Ziele und Diskussionen gibt es kaum bei den konservativen Arten- und BiotopschützerInnen, die zahlenmäßig vor allem in den Basisgruppen des NABU, des BUND, in landesweiten Organisationen oder unorganisierten Vogelschutzgruppen, aber auch unter JägerInnen, FörsterInnen und nachwievor in den Bundesspitzen einiger Organisationen wie dem WWF oder dem DNR anzutreffen sind. So sind sexistisches oder rassistisches Verhalten, Frauen- und AusländerInnenwitze oder Kinder- und Jugendarbeit als disziplinierender Lehrbetrieb dort oft Alltag. Eine Verfilzung mit Parteien, sogar hochrangigen PolitikerInnen oder Wirtschaftsleuten ist üblich. Konservative Naturschutzkreise neigen in der Regel auch zu konservativen Strukturen, also den klassischen Hierarchien mit mächtigen Vorständen und Vorsitzenden, zu bevormundender Kinder- und Jugendarbeit sowie zu ausgeprägter Vereinsmeierei und Konkurrenzverhalten zu anderen Umweltgruppen.
(3) Diese Strömung ist zur Hauptstoßrichtung der letzten Jahre geworden und heute prägend für den Umweltschutz. In ihr spiegelt sich der augenblickliche "mainstream" der Gesellschaft wider, bei dem ökonomische Fragen alle anderen überwiegen, d.h. das Gesellschaftsmodell sowie Mensch und Natur im Einzelnen werden nach Profitinteressen und Verwertbarkeit (Arbeitskraft, Reproduktion, Kreativität bei den Menschen, Rohstoffe und Flächen in der Natur) geordnet und gesteuert. Umweltschutzkonzepte, die sich im Neoliberalismus umsetzen sollen, wurden in den letzten zehn Jahren auf breiter Front entwickelt und verlagern die umweltschutzbezogenen Mechanismen in den Markt: Selbstverpflichtungserklärungen (d.h. die Firmen diktieren die Ziele), Öko-Audit (d.h. die Firmen kontrollieren sich selbst) oder Öko-Steuern (d.h. Umwelt verschmutzen darf, wer das Geld dazu hat) sind die bekanntesten Beispiele. Sie stärken die Macht des Geldes im Markt und nehmen den Menschen die allerletzte Mikrochance auf Mitbestimmung - die Wahl. Denn selbst die Parlamente werden in der neoliberalen Öko-Zukunft keine Mitsprache mehr haben. Politik und Justiz verkommen zu Garanten von Ruhe und innerer Sicherheit zur Absicherung ungestörten Profits, zum einen durch die Organe der inneren und äußeren Sicherheit, zum anderen durch die über staatliche Behörden erreichbare Kontrolle, Steuerung und Planbarkeit sozialer Prozesse (Bildung, Reproduktion usw.).
(4) Deutlich sichtbar wurde die neue Öko-Orientierung erstmals im Jahr 1992, als die Umweltverbände Arm in Arm mit den Großkonzernen den zweiten Deutschen Umwelttag unter das Motto "Dialog" stellten. Vom Dialog waren dann aber sogar kritische Stimmen ausgeschlossen, es gab nur einseitige Selbstdarstellung - vom Grünen Punkt über ADAC und Autohersteller bis zur Chemischen Industrie. Die Mehrheit der Umweltorganisationen wollte sogar die Atomfirmen dabeihaben. Protest im Rahmen des "DUT von unten" wurde von den FunktionärInnen der Umweltorganisationen ausgegrenzt, z.T. sogar niedergeschrien, während Verbrüderungsszenen mit den Konzernbossen an der Tagesordnung waren. Damals war all das noch umstritten. So gab es z.B. im BUND einen harten Streit, der damalige BUND-Chef Weinzierl verweigerte seine Teilnahme. Die Mehrheit im BUND aber war bereits auf neoliberalem Kurs. Wortführerin war Angelika Zahrnt, die heute BUND-Chefin ist. Auch überall anders haben die Öko-Neoliberalen die Meinungsführerschaft übernommen: Jochen Flasbarth im NABU, Reinhard Loske bei den Grünen, Ernst-Ulrich von Weizsäcker als Dauer-Vorwortschreiber und Cheftheoretiker in der Umweltwissenschaft sowie viele, viele kleine und große Öko-KapitalistInnen in Instituten, Verbänden und Behörden.
(5) Beigetragen zu dieser Entwicklung haben vor allem junge Leute, schwerpunktmäßig aus der ehemals radikalen Jugendumweltbewegung. 1992 ging von dort noch der Protest gegen den "Dialog" mit Konzernen aus, auf dem zentralen Flugblatt stand "Ökonomie und Ökologie sind unvereinbar". Heute setzt der Verfasser des genannten Flugblattes selbst auf öko-neoliberale Konzepte - und mit ihm fast alle der prägenden Jugendumweltleute von früher. Sie haben, zusammen mit jungdynamischen QuereinsteigerInnen aus Betriebswirtschaft und Management, eine bemerkenswerte Modernisierungswelle in den Umweltschutz getragen und agieren heute als Hauptamtliche oder BeraterInnen von Umweltorganisationen, Parteien, Geldanlagefirmen oder sonstigen öko-kommerziellen Zentren und Institutionen. So haben sie bewirkt, daß ein zunächst hoffnungsvoller, emanzipatorischer Politikansatz wie der der Jugendumweltbewegung zum Steigbügelhalter für öko-neoliberale Politikansätze der Marke Öko-Steuer, Agenda 21, nachhaltig Wirtschaften usw. wurde.
(6) Öko-Neoliberalismus pur wird auf der Expo 2000 gezeigt, die das öko-neoliberale Hauptwerk Agenda 21 sogar zum eigenen Grundsatzprogramm erklärt hat. Die Expo entwirft im Kern ein Bild der zukünftigen Welt nach zwanzig weiteren Jahren neoliberaler Umgestaltung. Diese Welt ist technisch geprägt, Mensch und Natur sind einer vollkommenen Verwertungslogik unterworfen. Ökologie ist instrumentalisiert, um Effizienz durchzusetzen, denn ein nachhaltiger Umgang mit den Ressourcen Mensch und Natur sichert deren langfristige Ausbeutbarkeit. Die Expo wird nicht nur zeigen, daß die modernen Ökokonzepte auch von den großen Konzernen vertreten werden, sondern daß die moderne Umweltschutzbewegung sich auf die Seite des Neoliberalismus schlägt - WWF, NABU, Teile des BUND, das Wuppertal-Institut, die Grünen, die Naturfreunde - sie alle werden auf der Expo bzw. bei deren weltweiten Projekten selbst dabeisein. Arm in Arm mit DaimlerChrysler, Siemens & Co.
(7) Zu den modernen Umweltschutzkonzepten gehört die Selbstdefinition der Spitzenorganisationen im Umweltschutz als "NGOs" (non-governmental organizations = Nicht-Regierungsorganisationen). Sie sehen sich zwar nicht als Regierung, aber als auf deren Beratung und Lobbyarbeit gerichtete Strukturen. Basisbezug oder öffentlicher Druck fallen damit als Mittel zum Zweck in der Regel ganz weg - Akzeptanz bei den Regierungen ist wichtig. Mit den NGO-Begriff geht auch eine Abgrenzung gegenüber radikaleren Gruppen einher, NGOs sehen sich als Teil der herrschenden Apparate (z.B. fordern sie eines eigenes Parlament für sich neben Bundestag und -rat). Im zunehmender Weise übernehmen NGOs staatliche Aufgaben und agieren wie Behörden. Sie tun das nicht aus der Notwendigkeit heraus, sondern sind stolz darauf, vom Staat dieses Vertrauen zu erhalten.
(8) Nicht überwunden ist die Vereinsmeierei und das Konkurrenzdenken, hierarchische Strukturen sind auch nach der Modernisierung weiter erhalten, wenn sich auch die Methoden geändert haben (Moderation statt Vorsitz, Scheinteams und Scheinbeteiligung statt offensichtlicher Machtstrukturen). Zu einem wesentlichen Teil der Arbeit ist das eigene Management geworden: Mitgliederkampagnen, oft mit Drückerkolonnen, SpendeneintreiberInnen, Sponsoring, Imagebildung usw.
(9) Ökologische Firmen sind ein Teil des Umweltschutzes, da sie vor allem in der praktischen Alltagsgestaltung, noch mehr aber in der öffentlichen Debatte erheblichen Einfluß ausüben. Daher ist ihre Ausrichtung von erheblicher Bedeutung. Es ist schon eine Zeit her, daß Betriebe vor allem als Form politischer Praxis angesehen wurden, einmal zur Verwirklung von Selbstverwaltung, zum anderen als ökologisches Projekt. So stellt jeder ökologische Bauernhof genauso eine Form ökologischer Praxis dar wie andere Firmen, zudem wirken sie in der Öffentlichkeit. In den vergangenen Jahrzehnten ist der Kontakt kommerzieller Öko-Projekte zu Umweltschutzgruppen ständig zurückgegangen. Fast alle Öko-Firmen haben als Zielgruppe das reiche LinksbürgerInnentum ausgewählt, während die früheren Kreise, zu denen auch die aktiven UmweltschützerInnen, darüberhinaus aber z.B. studentisches Milieu, gehörten, weitestgehend verdrängt wurden. Hohe Preise und Schicki-Micki-Touch sind als Folge zum Kennzeichen der meisten Öko-Firmen geworden. Hinzu kommt eine inzwischen sehr weit fortgeschrittene Distanzierung von politischen Gruppen. Waren noch vor wenigen Jahren Aktionsaufrufe usw. typische Verzierung von Schaufenstern, so sind sie heute in den meisten Firmen, z.B. Bioläden, nicht mehr erwünscht - verdrängt durch immer mehr kommerzielle Werbung und zunehmend esoterische Angebote. Anzeigenschaltungen in politischen Magazinen werden bewußt unterlassen, politischen Gruppen die Betriebe nicht mehr als Treffpunkt oder Infrastruktur zur Verfügung gestellt.
(10) Es ist noch nicht lange her, da wurden vor allem die Verbindungen verschiedener Umweltschutzorganisationen zu struktur-rechten, meist nationalistischen Parteien und Gruppen diskutiert. Diese in der Tat vorhandene Gefahr ist geringer geworden. Mit dem Drang der großen Umweltverbände und auch der früheren Verbindungspartei zwischen ökologischen und rechten Ideologien, der ÖDP, zur "neuen Mitte" hat der Einfluß solcher rechtsextremer Kreise abgenommen. Gewachsen jedoch ist der Einfluß esoterischer und spirituell-rechter Zusammenhänge. Betroffen sind davon vor allem die Alternativ-leben-Projekte - in den Kommunen, Ökodörfern sowie ihren Zusammenschlüssen (eurotopia, GEN/Global ecovillage network usw.) stehen sexistisch-spritituelle, rechte oder esoterisch-rassistische FührerInnen ganz weit oben. Vermehrt werden Alternativ-Leben-Projekte und damit indirekt auch ihre Ideologien im Rahmen der um sich greifenden Lebensstildebatte von Umweltschutzorganisationen, Parteien, Instituten usw. gefördert, vor allem im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit. Einen Nebeneinstieg in Umweltschutzzusammenhänge suchen rechte IdeologInnen über die Debatte um Globalisierung und lokale Ökonomie. In der Anti-MAI-Diskussion wirkten Rechte mit, zudem prägen sie über die freiwirtschaftlichen Organisationen und Zeitschriften etliche Tauschringe und lokale Ökonomiedebatten. Aktuell diskutiert werden krasse Formen autoritärer Ökologie. International gibt es den Vorschlag von Grünhelmen, d.h. Truppen, die zur Verhinderung (!) von Umweltschäden Krieg führen. Was ein kriegsauslösender Umweltschaden ist, behalten sich die Führungsnationen ebenso vor wie die Definition, daß Krieg als Mittel hilfreich sei. Ständig ausgebaut wird die Zahl bewaffneter Einheiten, die Naturreservate vor WildererInnen und der einheimischen Bevölkerung schützen - natürlich vor allem in den ärmeren Ländern der Erde und organisiert sowie finanziert aus den Industrieländern mit dem Ziel, Ausgleichs- und Tourismusflächen für die zerstörte Umwelt in den eigenen Ländern zu sichern. Von NGOs, führenden TheoretikerInnen des Umweltschutzes sowie von rechten Organisationen wird der Vorschlag eines "Ökologischen Rates" vertreten, d.h. eines unabwählbaren Gremiums für Ökologiefragen. Damit würden elitäre Machtstrukturen etabliert.
(11) Ein großer Teil der im Umweltschutz aktiven Gruppen bezieht sich in der konkreten Aktion auf einzelne Konfliktpunkte. Hervorzuheben ist hier vor allem die Anti-Atom-Bewegung, aber auch die viel geringere Zahl von Anti-Gentechnik-Gruppen oder UnterstützerInnen von alternativer Energie, lokaler Ökonomie, Radfahren oder ökologischem Landbau bzw. Ernährung. Die politische Bedeutung dieser Zusammenhänge steht und fällt mit der jeweiligen Relevanz des Themas in der gesellschaftlichen Debatte. Insgesamt ist eine abnehmende Bedeutung im Zuge der Abnahme des Umweltinteresses festzustellen. Ausnahmen hiervon bilden die Anti-Castor-Aktionen, ein typisches Beispiel für einen Ein-Punkt-Bezug, der stark von einem Einzelereignis abhängt. Deutlich sichtbar ist dabei weiter, daß für das Einzelereignis auch Gruppen mobilisiert werden, die sonst gar nicht am Thema arbeiten. Der Bezug auf einen konkreten Punkt bedeutet nicht zwangsläufig, daß emanzipatorische Ziele vernachlässigt werden. Sie können sogar an der konkreten Auseinandersetzung geschärft werden, wenn das konkrete Thema die Machtstrukturen und Interessenslagen deutlich machen. Das ist in der Anti-Atom-Bewegung sehr deutlich (auch z.B. in Anti-Gentechnik-Aktionen außerhalb Mitteleuropas, so etwa in Indien, wo anti-neoliberaler Kampf sehr stark mit Widerstand gegen die Gentechnik verknüpft wird), wo eine grundsätzlicheHerrschaftskritik ebenso zu finden ist wie Kontakte zu anderen politischen Aktionsfeldern, z.B. dem Kampf gegen den Neofaschismus.
(12) Emanzipatorische Positionen bedeuten, die Selbstbestimmung der Menschen und die Selbstorganisation der Gesellschaft zum zentralen Ziel zu machen. Auf die eigenen Organisationsformen bezogen werden Autonomieprinzipien, dezentrale Aktionskonzepte und Basisdemokratie diskutiert, z.T. auch zentralistischen, staatsanbiedernden oder verbandsmeierischen Positionen gegenübergestellt - allerdings bislang noch wenig durchsetzungsfähig, was den zentralen Verbänden mit ihren oft staatsnahen Strategien viel Freiraum beläßt (siehe Köln-Aktivitäten im Juni 1999 oder ihre Beteiligung an der Expo 2000). Emanzipatorische Positionen im Umweltschutz kommen als Einzelforderung z.B. in Anti-Atom-Zusammenhängen vor, darüberhinaus gibt es eine recht junge Debatte um eine grundlegende Veränderung von Umweltschutzstrategien und -aktionsformen hin zu einem emanzipatorischen Umweltschutz. Dabei geht es zum einem um die Umweltschutzkonzepte selbst als auch um die Beteiligung an gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen insgesamt. Emanzipatorischer Umweltschutz will Teil einer emanzipatorischen Gesamtbewegung sein, weil andere emanzipatorische Ziele als gleichwertig gesehen und vor allem eine Erreichung auch der emanzipatorischen Umweltschutzziele ohne gesamtgesellschaftsliche Umwälzungen nicht als durchführbar betrachtet werden. Die Idee des emanzipatorischen Umweltschutzes wird zur Zeit nur von sehr wenigen Basisgruppen und -zusammenhängen getragen, die sich als "ökologischer Teil" z.B. am Expo- und neoliberalen Widerstand beteiligen, direkte Aktionen durchführen und sich stark in der Öffentlichkeitsarbeit und politischen Debatten engagieren.
(13) Angesicht der Erfolglosigkeit des Umweltschutzes spricht alles für eine gründliche Analyse von politischen Strategien und Organisationsstrukturen der Umweltbewegung. Zu welchen sie führt, ist eine Frage der Zielsetzung und kann unterschiedlich ausfallen. UmweltschützerInnen, die emanzipatorische Ziele vertreten und von einer selbstbestimmten Gesellschaft träumen, werden andere Schlüsse daraus ziehen als die, die auch eine Öko-Diktatur in Kauf nehmen würden, damit nur ihr Braunkehlchen geschützt oder das AKW am Ort abgeschaltet wird. An dieser Stelle werden keine Strategiehinweise für den letztgenannten, den Umweltschutz von oben gegeben. Die Abtrennung ökologischer von emanzipatorischen Zielen ist falsch und gefährlich, beläßt oder verstärkt sie doch die aktuellen Machtverhältnisse. Ökonomische Interessen stehen einem Schutz der Lebensgrundlagen immer entgegen, d.h. eine Stärkung der Macht von Markt und Konzernen gefährdet die Natur genauso wie die Menschen). Für eine emanzipatorische Ökologie sollen dagegen im folgenden zusammenfassende Hinweise gegeben werden, für Näheres sei auf das Buch "Perspektiven radikaler, emanzipatorischer Umweltschutzarbeit" (siehe Quellen) verwiesen.
(14) - sich deutlicher als bisher artikulieren, sich öko-neoliberalen, rechten, esoterischen und sonstigen anti-emanzipatorischen Konzepten entgegenstellen, Streit nicht scheuen, Debatten eingehen, die Auseinandersetzung suchen (und sich ihr nicht angewidert verweigern mit der Folge, den anti-emanzipatorischen Positionen das Feld zu überlassen). Diskussionen, Podien, Bücher, Zeitschriften, Flugblätter, Stör- und direkte Aktionen auch bei Debatten um den Umweltschutz bzw. gegen Vereinnahmungs-, Beruhigungs- und öko-neoliberale Inzenierungen (Agenda-Tische, Expo-Öko-Veranstaltungen usw.) können dafür geeignete Mittel sein.
(15) - eigene Gegenperspektiven entwickeln, Visionen diskutieren und streuen, der Zeit des scheinbar alternativlosen Kapitalismus ein Ende bereiten, öko-neoliberalen Konzepten andere Entwürfe und Vorschläge entgegensetzen.
(16) - Beispiele und Modelle schaffen, im Kleinen wie im Großen. Diese müssen öffentlich und offensiv eingebracht werden
(17) - auch sichtbar als Gegensatz zu öko-neoliberalen Projekten.
(18) - zum Teil einer emanzipatorischen Bewegung werden, d.h. sich aktiv dort einbringen, wo solche übergreifenden Bezüge bestehen, Ziele entwickelt, Positionen eingebracht und Aktionen durchgeführt werden. Besonders geeignete Möglichkeiten sind z.Zt. der Anti-Expo-Widerstand, globale Aktionstage und -zusammenhänge.
(19) - emanzipatorische Ziele in der eigenen Arbeit und in den eigenen politischen Forderungen berücksichtigen, d.h. emanzipatorischer Umweltschutz ist immer u.a. antisexistisch, antirassistisch, antihierarchisch und antistaatlich. Das gilt auch für die internen Strukturen, die Selbstorganisation fördern und Dominanz verhindern sollen.
(20) Der Aufbau eigener emanzipatorischer Öko-Projekte und -Modelle, die Beteiligung an einer übergreifenden emanzipatorischen Bewegung und die Auseinandersetzung mit der anti-emanzipatorischen neoliberalen Politik einschließlich des dazupassenden Ökologie-Mainstreams stellen die drei Säulen der notwendigen Arbeit dar. Sie bedingen auch einen entschiedene Auseinandersetzung z.B. in und mit Verbänden, EinzelfunktionärInnen, Parteien und anderen, die sich z.B. für neoliberale Öko-Konzepte, Hierarchien, rechte oder esoterische Ziele einsetzen. Der emanzipatorische Umweltschutz ist ein neuer Entwurf. Er hat keine Chance, wenn er sich selbst zurückhält und Konflikten aus dem Weg geht. Er muß praktisch werden - im Sinne von Widerstand und positiven Modellen. Und er muß aus Fehlern früherer Versuche von Veränderungen lernen. Radikale Projektionen dürfen nicht in Modernisierungen enden, die am Ende das neoliberale Gesellschaftsmodell oder autoritäre Strukturen nur stärken. Auf in den Kampf - graswurzelnd und offensiv!
(21) Eine detaillierte Analyse der Geschichte, Strukturen, Verfilzung und aktueller Entwicklungen im Natur- und Umweltschutz findet sich im Medienpaket "Agenda, Expo, Sponsoring" (siehe Kasten). Emanzipatorischer Umweltschutz im Internet: http://go.to/umwelt Infopaket zum emanzipatorischen Umweltschutz gegen 6 DM in Briefmarken beim Institut für Ökologie, Turmstr. 14A, 23843 Bad Oldesloe