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Umweltschutz von unten: Umweltbildung von unten

Maintainer: Jörg Bergstedt, Version 1, 29.09.2000
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Umweltbildung von unten: Heraus aus dem Würgegriff des Staates! (Von Thomas Schmidt, Umweltwerkstatt Lübeck)

(1) Das Ökologieproblem führt laut Umfragen schon länger nicht mehr die Sorgenhitlisten der Bevölkerung an. Dennoch ist deswegen der Ruf nach mehr Umweltbildung, um endlich eine der grundlegendsten Fragen menschlicher Existenzsicherung wenigstens ansatzweise zu bearbeiten, nicht leiser geworden. Und das, obwohl kaum einer wirklich daran zu glauben scheint, daß die allgemein übliche Ökopädagogik irgendetwas Entscheidendes bewirkt. Schaut man genauer hin, muß man feststellen, daß dieser Eindruck wahrlich seine Berechtigung hat. Umweltbildung läßt seit Jahren einen ihrer wichtigsten Tätigkeitsbereiche systematisch außer acht.

Politisch konsequentes Handeln nötig!

(2) In der wissenschaftlichen Theorie ist es unumstritten, daß zur Lösung der ökologischen und sozialen Probleme letztlich nur politisch konsequentes Handeln beitragen kann. Darum findet sich in der Fachliteratur der Hinweis, daß Bildung zur praktischen und selbstbestimmten Einflußnahme auf Politik befähigen soll. Genau das jedoch findet seit Jahren so gut wie gar nicht mehr statt. Vorbei scheinen die Zeiten, wo es das Markenzeichen der Umweltbewegung war, Druck zu machen. Umweltbildung, wie sie aktuell für notwendig erachtet wird, wurde von ihr überhaupt erst angestoßen und jahrelang intensiv geprägt. Denn direkt aus dem Widerstand gegen Umwelt und Menschen belastende Maßnahmen heraus zu agieren, heißt auch, ständig dazuzulernen. Beispielsweise über die Machtmechanismen und Interessenslagen in unserer Gesellschaft oder über den Wert gegenseitiger Solidarität in Protestsituationen. Derartige Erfahrungen sind denn auch zurecht in pädagogische Konzepte eingeflossen. Von Fachleuten wird ihnen bescheinigt, sie würden im Gegensatz zu den üblichen Formen theoretischer Bildung wesentlich intensiver zu wertvollen persönlichkeitsbildenden Lernprozessen führen.

Kritische gesellschaftspolitische Ansätze ohne Chance!

(3) Derartige kritische gesellschaftspolitische Konzepte hatte jedoch keine Chance. Staatliche Politik hat es meisterhaft verstanden, nur bestimmte Ansätze der Umwelterziehung zuzulassen. Diese gehen bis heute weitgehend davon aus, daß es zur Lösung der Probleme ausreicht, wenn der Einzelne im Alltag verantwortlich handelt und wenn weitere technische Neuerungen eingeführt werden. Eine grundlegende Umstrukturierung sozialer, wirtschaftlicher und politischer Verhältnisse ist nicht vorgesehen. Die wirklich spannenden Fragen bleiben außen vor. Dementsprechend langweilig sieht der umweltpädagogische Mainstream aus. Auch kann es nicht verwundern, daß insbesondere Jugendliche allergisch darauf reagieren. Sie sollen persönlich handeln, während der Rest der Gesellschaft ihnen das Gegenteil dessen vorlebt, was pädagogisch als sinnvoll vermittelt werden muß. Mittlerweile hat sich allerdings herumgesprochen, daß derartige Rahmenbedingungen vor allem Resignation, Verdrängung und Zukunftsängste erzeugen. Und so ist es außerdem üblich geworden, die belastenden Gefühle im Rahmen positiver Naturerlebnisse und esoterischer Betätigung vergessen zu machen. Die ganze Sache hat leider mindestens einen Haken, denn eine Lösung der Probleme kommt damit kein Stückchen näher.

Nachhaltigkeit und Agenda 21

(4) Auf Dauer sind politisches Engagement und Mitbestimmung also unverzichtbar. Das Interesse staatlicher Politik muß in dieser Situation darin liegen, sie auf kontrollierbare Weise zuzulassen. Die ersehnte Zauberformel wurde 1992 auf dem sogenannten Erdgipfel in Rio ausgeheckt. Seitdem ist politische Mitbestimmung innerhalb des dort mit Hilfe der Konzepte "Nachhaltigkeit" und "Agenda 21" vorgesehenen Rahmens wieder im Kommen. Sie sehen eine Bejahung von beständigem Wirtschaftswachstum und "Zukunftstechnologien" wie der Atomkraft oder der Gentechnologie vor. Ferner fordern sie die Bevölkerung zu aktiver Mitwirkung daran auf, die kapitalistische Wirtschaft umzubauen. Es gilt, die Grenzen der Ausbeutung so gut einzuhalten, daß diese als solche möglichst lange systematischen Bestand haben wird. In der Umweltbildung wird aktuell intensiv darüber diskutiert, ob diese Vorstellungen als neues Leitbild übernommen werden sollen. Bedenken und Gegenstimmen sind nur in seltenen Einzelfällen zu vernehmen. Das macht das langjährige Fehlen einer Umweltbildung, die auch ihren eigenen gesellschaftspolitischen Stellenwert kritisch hinterfragt, umso schmerzlicher bewußt.

Alternativen

(5) Dennoch gibt es natürlich Alternativen. Sie bestehen darin, politischen Widerstand und Bildungsprozesse wieder zusammenzudenken. Allerdings müßten die dafür bereits vorhandenen Konzepte überarbeitet und erweitert werden. Auch gilt es dabei, noch jede Menge pädagogischer Fragen zu lösen, damit ein aktueller und überzeugenden Ansatz konsequent kritischer politischer Umweltbildung entsteht. Immerhin besteht die Chance, daß Umweltbildung dadurch spannend wird - nahezu so spannend wie das Leben, das sie angeblich bewältigen helfen will.

Infos und Quellen

(6) Zur Zeit weitet sich die Debatte um den "Umweltschutz von unten" immer mehr aus: Vorträge, Workshops auf Kongressen und Seminare befassen sich mit dem Thema. Für Neu-EinsteigerInnen gibt es ein Infopaket (6 DM) sowie die Bücher "Agenda, Expo, Sponsoring", Band 1 und Quellen-CD zu "Recherchen im Naturschutzfilz, Band 2 zu "Perspektiven radikaler, emanzipatorischer Umweltschutzarbeit" (je 39,80 DM pro Buch, 49,80 DM für CD, IKO-Verlag). Infos im Internet Internet: http://go.to/umwelt.


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