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Streitpunkte - produktive Arbeit und Wertsubstanz
Maintainer: Werner Imhof, Version 1, 25.01.2003
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv
(1) Produktive Arbeit ist immer auch zweckbestimmte Produktion von Gebrauchswerten durch die Aneignung und Umformung von Naturstoff; das ist ihre allgemeine Bestimmung. Auch in der Warenproduktion, der einfachen wie der kapitalistischen, ist die Produktion von Gebrauchswerten notwendige Bedingung produktiver Arbeit. Aber nicht jede Produktion von Gebrauchswerten oder nützliche Arbeit gilt hier umgekehrt auch als produktiv. Als produktiv gilt sie nur, wenn sie Wert bzw. - bei kapitalistischer Produktion - nicht nur Wert, sondern auch Mehrwert bildet. Um zu verstehen, was Mehrwert bildende Arbeit ist, muß man offenbar verstehen, was Wert bildende Arbeit ist. Bei der Diskussion darüber wird nun oft das Allereinfachste übersehen, daß sie nichts anderes beinhaltet als Produktion von Gebrauchswerten für den Austausch, was die Produktion als private voraussetzt. Als produktive Arbeit zählt Arbeit nur, wenn sie in dieser besonderen gesellschaftlichen Form stattfindet und wenn diese im erfolgreichen Austausch ihre Bestätigung findet. Allein die besondere Form der gesellschaftlichen Arbeit macht Gebrauchswerte zu Tauschwerten, zu Trägern von (altem und neuem) Wert. Und nur in dieser Form kann sie auch Mehrwert bilden, wenn die Arbeit zusätzlich formbestimmt ist als Lohnarbeit, die sich gegen Kapital tauscht.
(1.1) Wenn, Allein, Wert wertet, 26.01.2003, 01:51, Uwe Berger: Kapital täuscht, und zwar als "tote Arbeit" raubt es Kraft.
(1.2) 27.01.2003, 10:39, Ulrich Leicht: Für mich als bisheriger Mitdiskutant um die angesprochenen oder besser nur hintergründig aufflackernden "Streitfragen" ist die Klärung von Fragen nach produktiver/unproduktiver Arbeit kein Streit um Definitionen und/oder subjektive Einschätzungen sondern um analytische Kategorien, die helfen können, den offensichtlich zunehmenden krisenhaften Verwertungsprozessen des real existierenden Kapitalismus näher auf die Spur zu kommen. Die Brisanz liegt für mich darin, daß wie Marx in den "Grundrissen" - nicht nur dort aber dort am prägnantesten (weil die Themenstellung aller geplanten Bücher entwerfend) und sprachlich zudem am schönsten - die innere Schranke des Kapitalismus problematisiert und den "Zusammenbruch" schlußfolgert, der allerdings nicht - wie meist verstanden - als Apokalypse auf uns am "Tag-X" herniederkommt, sondern einen Prozess beschreibt, in dem wir - sehr wahrscheinlich auch ohne die Hoffnung auf einen point of return - heute mittendrin stecken.# Von dieser Dimension ist in Werners 7 Punkten - wie aber auch sonst in seinen Texten - keine Rede. Im Gegenteil liegt als Quintessenz seiner Argumentation hier nahe: Nicht nur die Kategorie "Arbeit" ist ewig, sondern auch mehr oder weniger jeder Job und jede Beschäftigung, "sofern sie nur im Austausch gegen Geld erfolgt" [siehe unter(2)], produktiv. Wenn dem so ist und wie unter (7.) hervorgehoben, die NIP der "Wertausdruck der jährlichen produktiven Gesamtarbeit" nicht nur dem "Scheine" nach sondern real ist, dann ist auch die Krisenhaftigkeit des Sytems ein "irrationaler Schein", der sich auch auflösen läßt bzw. mit und nach jeder Rezension eine Lösung findet. Na dann ein "langes bis ewiges Leben" nicht nur für die "lebedige" sondern auch für die "tote Arbeit".
(1.2.2) 01.02.2003, 17:16, Werner Imhof: Den monierten Nebensatz aus Absatz 2 "sofern sie nur im Austausch gegen Geld erfolgt" habe ich korrigiert. Bei einigem guten Willen hättest Du ihn auch als Versehen erkennen können, weil er mit der vorstehenden Bestimmung Wert und Mehrwert bildender Arbeit nicht kompatibel ist. Die aber übergehst Du stillschweigend (um mir im nächsten Kommentar lächerliche Behauptungen über "mehrwertschöpfende Produktion" anzudichten). Offensichtlich stimmst Du ihr nicht zu. Aber erklärst den Dissens nicht, und Du verlierst auch nicht ein Wort über Deine eigene Auffassung produktiver Arbeit. Nach einem Bemühen um "Klärung" "analytischer Kategorien" sieht das nicht aus. Statt dessen bemängelst Du, daß bei mir von der "Dimension" des "sehr wahrscheinlich" unumkehrbaren Zusammenbruchsprozesses des Kapitalismus nicht die Rede ist. In der Tat. Erstens teile ich nicht die Krisentheorie, die von einem "Ausbrennen der Wertsubstanz" (Kurz) und schrumpfender Profitmasse ausgeht, weil sie auf einem theoretischen Irrtum beruht und die Empirie ignoriert. (Der jüngste ILO-Bericht stellt z.B. neben wachsender globaler Arbeitslosigkeit eine gleichzeitige globale Zunahme der "Erwerbspersonen" fest, selbst auf dem afrikanischen Kontinent, also von Leuten, die als Kleinproduzenten oder Lohnarbeiter für den Markt produzieren.) Für mich stellt sich die "Krisenhaftigkeit des Systems" (u.a.!) immer noch umgekehrt dar als Problem zunehmender Kapitalakkumulation, die ebenso in Spekulationsblasen mündet wie in unvermeidlicher Kapitalvernichtung. Zweitens halte ich nichts von Zusammenbruchsprophezeihungen oder –beschwörungen, weil kein Zusammenbruch dauerhaft und endgültig sein wird, solange nicht die Lohnabhängigen, auf deren Arbeit der Kapitalismus beruht, ihm ein Ende setzen. Dazu aber werden sie nur dann fähig, bereit und begierig sein, wenn sie wissen, was sie selbst anders und besser machen können, d.h. wenn sie eine selbstbestimmte praktische Aneignungs- und Aufhebungsperspektive besitzen. Und eine der Bedingungen, daß sich eine solche Perspektive überhaupt entwickeln und verbreiten kann, ist die Entmystifizierung der gesellschaftlichen Praxis, die sich kapitalistische Marktwirtschaft nennt, durch die Kritik des "Allereinfachsten", daß sie nur eine bestimmte, gegensätzliche Form der Produktion für den Austausch ist, die objektiv längst obsolet geworden ist.
(1.2.2.1) 05.02.2003, 16:10, Werner Imhof: "Zunehmende Kapitalakkumulation" ist ein falscher Ausdruck. Gemeint war, wie auch in Absatz 7 angedeutet, eine chronische Überproduktion von anlagesuchendem Geldkapital.
(1.2.2.2) 18.02.2003, 22:23, Ulrich Leicht: Leiste gerne Abbitte für die sicher zu provokante Auslegung in diesen Beispielen. Wäre die Frage, was, wenn Polizei- und Soldatendienste, wie ja durchaus schon real, privatisiert werden? Sind wir dann immer noch d'accord - unproduktiv!? Die Krise und die "Krisis" können wir im Moment getrost beiseite lassen. Dies ergibt sich von allein am Schluß der Debatte oder auch nicht, wenn der produktiven Verschleierung von Arbeiten ein wenig von ihrem Zauber genommen ist.
In diesem Zusammenhang finde ich es allerdings erstaunlich, daß Du, der in der Auseinandersetzung richtigerweise immer den Akzent darauf legt, nicht bei den Oberflächenerscheinungen - z. B. Profit und Ausbebeutung etc. - stehen zu bleiben, so umstandslos die ILO-Zahlen über Erwerbsarbeit unkommentiert als Argumentationshilfe und Beweis heranziehst. Das spannende ist doch
1) und wir werden dies demnächst mit Mini-Jobs und Leiharbeit noch in großem Stil hierzulande erleben: wie heute schon weltweit und auch im Jobwundwerland USA noch mehr prekäre Jobs, wo jedes Mitglied einer Familie einen ausübt oder einer mehrere solcher Jobs, die zum Überleben gerade reichen oder auch nicht. Das muß nicht zwangsläufig (denn nicht unwesentlich ersetzen diese Arbeitsformen herkömmliche geregelte) kann aber sogar die Erwerbstätigenzahl erhöhen. Aber noch wichter
2): Was ist denn davon wirklich produktive, wert- und mehrwertschöpfende, kapitalproduktive Arbeit?
Ich drücke mich übgrigens nicht vor einer Definition, die ist oben mit Marx und hier mit meinen Worten gegeben. Diese grundsätzliche Aussage (Kapitalismus, Wertvergesellschaftung muß es allerdings schon sein) ist nur Annäherung an die Problematik, sie reicht und sagt noch nicht viel aus. Näheres bringt vielleicht die weitere Debatte zu Tage.
(1.2.2.2.1) 22.02.2003, 16:51, Werner Imhof: Abbitte angekommen. Aber es bleibt trotzdem ein merkwürdiger Diskussionsstil: Erst wirfst Du mir vor, daß ich die "Dimension" der Krise nicht anspreche; und wenn ich darauf antworte, ist es "im Moment" doch nicht wichtig... Sei's drum.
Die Privatisierung von Polizei und Soldaten allein besagt noch nicht viel. Entscheidend ist, ob sie ihre Arbeitskraft gegen Kapital oder gegen Einkommen tauschen, ob sie also als Lohnarbeiter Gebrauchswert für den Austausch gegen Geld produzieren oder für die unmittelbare, austauschfreie Konsumtion. Ein Trupp privater Leibwächter bei einem Millionär verzehrt nur dessen Revenue. Sind dieselben Leute dagegen Angestellte einer Firma, die dem Millionär "Sicherheit" verkauft, tauschen sie ihre Arbeitskraft gegen Kapital und leisten "produktive" Arbeit, die sich in bezahlte und unbezahlte teilt. (Die Ausbeutung ist im übrigen alles andere als eine "Oberflächenerscheinung".) - Daß die ILO-Angaben über die wachsende Zahl von "Erwerbspersonen" nicht zwangsläufig auch ein wachsendes Arbeitsvolumen belegen, ist ja richtig. Theoretisch könnte es sogar schrumpfen, wenn wachsende Personenzahl durch allgemeine Verdrängung von Vollzeitjobs durch Minijobs oder allgemeine Arbeitszeitverkürzung überkompensiert würde. Das aber scheint mir nicht gerade globaler Trend zu sein.
(1.2.2.2.1.1) 01.10.2004, 22:11, Hans-Gert Gräbe: In einschlägigen BWL-Publikationen wird so was als "Dienstleistungsprodukt" gehandelt, um menschliche Tätigkeit, die eigentlich prozesshaften Charakter hat, auch in diesem Kalkül darzustellen und marktgängig zu machen, indem ihr künstlich Produktcharakter verliehen und damit ein raum-zeitlicher Ereignispunkt auf dem Markt zugewiesen wird, ohne dessen Existenz eine Wertrealisierung nicht auskommt. Extrem spannend, welche Widersprüche sich da auch in der BWL-Theorie auftun.
(1.2.2.2.1.1.1) 15.10.2004, 15:30, Werner Imhof: Was eine Dienstleistung wertbildend und -realisierend macht, ist nicht ein "künstlicher Produktcharakter" oder ein "raum-zeitlicher Ereignispunkt auf dem Markt", sondern die Tatsache, daß sie Gegenstand einer Markt- oder Austauschbeziehung ist, die die Dienstleistung als Privatarbeit qualifiziert, deren Nutzung durch "Fremde" an ihren Wertersatz, die Lieferung einer gleichwertigen Menge gesellschaftlicher Arbeitszeit, gebunden ist; die sich also über ihren Tauschwert als Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit geltend machen und bewähren muß. Ob ein Arbeitsprodukt Wert darstellt und realisiert oder nicht, hängt nicht im geringsten davon ab, ob es dingliche Form annimmt oder im Moment seiner Produktion auch schon konsumiert wird, sondern allein von der gesellschaftlichen Form der Produktion und der entsprechenden Form ihrer Vermittlung mit der Konsumtion.
(1.2.2.2.1.1.1.1) 19.10.2004, 09:06, Hans-Gert Gräbe: Sie muss Privatarbeit und Gegenstand eine Austauschhandlung sein, es müssen Mühe- und Nutzenaspekt in einem raumzeitlichen Punkt (dem Moment der Vertragsunterzeichnung - da wird das "Dienstleistungsprodukt" verkauft) konzentriert werden, um die Dienstleistung überhaupt marktgängig zu machen. Denn ein Dienstleister bekommt heute kaum noch relevante Teile seines Angebots nach Stundensätzen bezahlt. Und ein a posteriori setzbarer Nachbesserungsrahmen ist auch so gut wie zu vernachlässigen.
Dieser Realisationspunkt, der nach meinem Verständnis Marktmechanismen generell immanent ist, liegt im klassischen Produktmarkt nach der Produktion, im Dienstleistungsmarkt aber vor der Erbringung der Dienstleistung. Während also im ersteren Fall der Produzent (hier - im Sinne der Wertrealisierung - also der Unternehmer!) "nur" das Risiko der korrekten Prospektierung der eigenen (bzw. von ihm ausgebeuteten) Arbeit trägt, wird auf ihn im zweiteren Fall auch das Risiko der "widrigen Umstände" abgewälzt.
Das bleibt in deiner Argumentation allerdings ausgeblendet, wenn du dich ausschließlich auf den Müheaspekt konzentrierst.
(1.3) menschliche Arbeit, 16.02.2003, 13:06, Günter Lauterbach: Wenn ich mir in der Nase popele habe ich eine saubere Nase und zahlreiche Gebrauchswerte. Wenn ich jemandem oder jemander in der Nase popele hat er oder sie und ich Gebrauchswerte, er oder sie eine saubere Nase und ich die Freude ihm oder ihr geholfen zu haben. Ich war auf jeden Fall produktiv. Wenn ich dagegen jemandes Nase popele weil ich und das andere Mensch einen Tausch (Leistung gegen Leistung) im Sinne hatten, dann habe ich im Verhältniss des Privateigentums (wo der Mensch im Menschen seine Schranke findet) zwar des andern Nase gereinigt (Gebrauchswert) aber nicht unbedingt produktiv gearbeitet. Das Popeln war mir sowieso ekelig aber ich erhalte nicht die gleiche Arbeitszeit vom Bepopelten zurück weil die gesellschaftliche Durchschnittspopelei in kürzerer Zeit stattfindet. Nicht die Nase sondern die von jedem Inhalt gereinigte abstrakte menschliche Arbeit war das Ziel der beiden Popelfreunde.
(1.3.1) 22.02.2003, 16:50, Werner Imhof: Ein popeliger Kommentar zeugt nicht unbedingt von Gehirnschmalz. Wenn beide gleichermaßen nur an von jedem Inhalt gereinigter abstrakter menschlicher Arbeit interessiert wären, würde der Käufer sein Geld behalten, statt es für eine Popelei wegzugeben.
(1.3.1.1) ja, ich bin doof und stolz darauf, 18.04.2003, 20:49, Günter Lauterbach: jeder mensch ist seinen körperlichen und geistigen fähigkeiten, sowie seiner historischen stellung nach - notwendigerweise beschränkt.http://homepages.compuserve.de/GLauterbach5/index.htm
(1.3.1.2) Noch ein Versuch, 21.06.2003, 10:01, Günter Lauterbach: Ich denke schon, daß die kapitalistische Gesellschaft einen popeligen (sehr beschränkten) Zweck hat. Es geht doch nur darum aus Geld (dahinter lauert der Wert- d.h. abstrakte, gegen den Inhalt gleich - Gültige, nur im Gehirn zu verarbeitende und bearbeitbare rein mengenmäßige menschliche Arbeit = Sklaventätigkeit) mehr Geld zu machen. Wo das nicht geht, weil z.B. keiner mehr das konstante Kapital investieren kann, das aus dem Grund weil es a) zu groß ist oder b) es von vornherein klar ist, daß der damit produzierte Mist nicht mehr unters wertförmige Publikum zu verschachern ist (100 Milliarden Computer in der Woche und 30 Trilliarden Meter Toilettenpapier am Tag lassen sich, trotz kuscheliger Bärenwerbung einfach nicht mehr unterbringen) verlischt der Kapitalprozeß. Der Grund: die o.g. Menge wird nur noch von 25 Arbeitern auf der Welt hergestellt, weil sie es können bedingt durch die Tatsache, daß soviel kostenlose Naturkraft in die Produktion gepreßt ist. Will sagen der im Gebrauchswert enthaltende Wert ist nicht mehr zu realisieren. Der theoretische Point Zero ist: Die Produktionsmittel sind Biologisiert, will heißen der Müll stellt sich selber her ohne menschliche Zutat (Produktion und Reproduktion)! Damit ist alles da- aber keiner kann mehr kaufen oder verkaufen. Das stellt sich dann ohne den "freien" Willen her. Gelle? Im Kapitalismus (Wuchergesellschaft) besteht die "Verunreinigung" ja gerade im Gebrauchswert, der im übrigen nur am Anfang der ganzen Kacke nicht vom Wert völlig verdreht wird (Heuer fressen eben Kühe ihre Artgenossen und Frauen schlachten Kinder ab- als Soldat- Wertgegenständlich, Sinnen-los, usw. ). Der Arbeiter hat eben nur Wert solange er Wert verwertet. Wo nicht, greifen "Gesundheitsreformen", "Riesterrenten", "Schulreformen", "Reformen des Arbeitsmarktes"(- der lustige Menschenhandel in Selbstprostitution-", das übliche "Spar"gequatsche usw. - mit der Konsequenz der Verarmung - nicht durchs' Gequatsche, sondern durch das wirkliche Tun- Raum, d.h. die Auflösung der kapitalistischen "Sozialstaatlichkeit" (eine Staatlichkeit außerhalb der Sozialität wäre mal eine echt-lustige Neuerung) ist in vollem Gange. Das Ding läuft los, wie der Torpedo aus dem Rohr und wanns' trefft dann wummerts' und wenns' halt nit trefft, da Wummerts' ah. Keine politische oder sonstige Partei kann es mehr aufhalten, denn es ist eben nicht parteilich das Miststück Wert. Es ist Ideologieform der Mensch - Maschinenarbeit (oder der Widerspruch Lebendes - Totes) und die hört heuer eben auf! So oder so! Der Urkommunismus hat auf einem lebenden Organismus beruht: dem Regenwald. Darum war diese Produktionsweise eben organisch die Klassengesellschaften unorganisch. ... und da wäre ich vielleicht gerne im Kommunismus um jemanden zu popeln oder so. Das ist aber ein Gefühl und das hat in der "reinen" wertförmigen (abstrakten jenseits des Sinnlichen) Wissenschaft nichts zu suchen. Ich denke die Menschen sind heute in der Zivilisation wirklich gute "Denk" "Maschinen" aber Gefühlsmäßig sind sie völlig Verblödet. Wenn nicht: Ich entschuldige mich ganz Brav und Lieb bei allen Vollblut- und sonstigen Denkern. Aber ein leiser Zweifel bleibt. dCvG.
(1.3.1.2.1) Re: Noch ein Versuch, 22.06.2003, 20:00, Bernd vd Brincken:
.. aha, und was sei nun "die kapitalistische Gesellschaft"? - Die _ganze_ Gesellschaft, die insgesamt (noch) kapitalistisch sei, oder der kap. _Teil_ der (ganzen) Gesellschaft?
"Es geht doch nur darum aus Geld .. mehr Geld zu machen" ist eine beliebige Setzung des Beobachters, die man etwa zu "es geht nur darum, Kohlenstoff zu oxidieren, mit Atemzügen, mit Autos, Heizungen usw." oder "es geht nur darum, das andere Geschlecht zu beeindrucken" umschreiben kann - führt alles gleichermaßen zu nix.
Geld ist (u.a.) ein Kommunikationsmittel für (kapitalistische) Organisationen; entweder lohnt es, sich mit dessen Mechanismen zu beschäftigen, dann aber vollständig - oder nicht, dann bitte lieber schwimmen gehen.
Experten für Subsistenzwirtschaft, auch deutsche, sind in Euro-Asien übrigens vielerorts willkommen.
(1.4) Ein Grunddissenz?, 18.02.2003, 21:32, Ulrich Leicht: Ich denke, dass ein Dissenz in der Einleitung und in vielen der angeschnittenen Streitfragen letztlich schon darin liegt, daß die Veranstaltung "kapitalistische Produktionsweise" vielleicht doch ziemlich verschieden gesehen wird und in der Folge auch einige der Basiskategorien, die sie konstituieren - Arbeit, Wert, etc. Mal abgesehen davon, daß zumindest mit Marx (allenfalls anders bei Engels) diese Unterscheidung von einfacher (=wertschaffender) und kapitalistischer (zusätzlich =mehrwertschaffender) Warenproduktion anzuzweifeln ist, betonst Du für die kapitalistische Produktion genau die Momente, die nicht für ihn prägend sind und die Marx - ob nun gücklich formuliert oder nicht sei dahingestellt - allenfalls als formationsübergreifende Konstante, conditio humana, aber nicht für den eigentlichen kapitalistischen (Re)Produktionprozeß als charakteristisch beschreibt - produktive als nützliche, Güter, Gebrauchswerte schaffende und austauschende Arbeit. Immer wieder äußert er sich dazu in einer Weise ähnlich wie im folgenden:
Das Resultat des capitalistischen Productionsprocesses ist weder ein bloses Product (Gebrauchswerth), noch Waare, d.h. Gebrauchswerth, der einen bestimmten Tauschwerth hat. Sein Resultat, sein Product ist Schöpfung des Mehrwerths für das Capital und daher faktisch Verwandlung von Geld oder Waare in Capital, was sie vor dem Productionsproceß blos der Intention nach, an sich, ihrer Bestimmung nach sind. In dem Productionsprozeß wird mehr Arbeit eingesaugt als gekauft ist und dieß Einsaugen, Aneignen fremder Arbeit, die im Productionsprozeß vollbracht will, ist weder unmittelbare Zweck des capitalistischen Productionsprozesses, denn was das Capital als Capital (daher der Capitalist als Capitalist) produciren will, ist weder unmittelbar Gebrauchswerth zum Selbstconsum, noch Waare, um sie erst in Geld und später in Gebrauchswerthe zu verwandeln. Ihr Zweck ist die Bereicherung, die Verwerthung des Werths, seine Vergrössrung, also das Erhalten des alten Werths und Schaffen von Mehrwerth. Und dieß spezifische Product des capitalistischen Productionsprocesses erreicht es nur im Austausch mit der Arbeit, die daher produktive Arbeit heißt
Die Arbeit, damit sie Waare producire,muß nützliche Arbeit sein, einen Gebrauchswerth producieren, sich in einem Gebrauchswerth darstellen. Und nur Arbeit, die sich in Waare darstellt, also in Gebrauchswerthen, ist daher Arbeit, womit sich Capital austauscht. Dieß ist selbstverständliche Voraussetzung. Aber es ist nicht dieser concrete Charakter der Arbeit, ihr Gebrauchswerth als solcher, ... was ihren spezifischen Gebrauchswerth für das Capital bildet, sie daher zu productiver Arbeit im System der capitalistischen Production stempelt. Was ihren spezifischen Gebrauchswerth für das Capital bildet, ist nicht ihr bestimmter nützlicher Charakter, so wenig wie die besondren nützlichen Eigenschaften des Products, worin sie sich vergegenstädnlicht. Sondern ihr Charakter als dasschöpferisches Element des Tauschwerths, abstracte Arbeit und zwar nicht, daß sie überhaupt ein bestimmtes Quantum dieser allgemeinen Arbeit vorstellt, sondern ein grösseres Quantum als in ihrem Preiß, d.h. dem Werth des Arbeitsvermögens enthalten ist.
Aus: Zur Kritik der Politischen Ökonomie (Manuskript 1861 - 1863),MEGA 2, II, 3.6, Seite 2172]
Also eher "Produktion um der Produktion willen", "Selbstzweck der Wertverwertung", das "automatische Subjekt" Wert - sozusagen als Auge des Hurricans der kapitalistischen Veranstaltung, um das sich wesentlich alles dreht und durch das alles in Gang gesetzt ist und wird.
(1.4.1) Re: Ein Grunddissenz?, 22.02.2003, 16:52, Werner Imhof: Die Unterscheidung zwischen einfacher und kapitalistischer Warenproduktion macht nicht nur Engels, sondern auch Marx. Die Verwandlung des Produkts in Ware spielte aber in vorbürgerlichen, zumal in den "altasiatischen, antiken usw. Produktionsweisen", nur eine untergeordnete Rolle (vgl. MEW 23, 93). Was anderes hat aber auch Engels nicht behauptet. Er hat auch nie behauptet, daß Marx in den ersten drei Kapiteln des "Kapital" eine eigenständige historische Epoche "einfacher Warenproduktion" beschrieben hätte. Marx beginnt mit der "einfachen Warenproduktion" nicht aus historischen, sondern aus logischen Gründen. Um zu wissen, was Mehrwert ist, muß man wissen, was die allgemeinere Kategorie des Werts bedeutet, und um zu verstehen, was Kapital ist, muß man verstehen, was Geld ist. Die gängige Kritik an Engels ist für mich entweder ein Scheingefecht - oder Ausdruck eines Problems mit der Wertbestimmung überhaupt. So scheint es mir auch bei Dir zu sein. Wenn Du die "austauschende Arbeit" (gemeint ist wohl der Austausch von Produkten und die Produktion für den Austausch) "als formationsübergreifende Konstante, conditio humana" betrachtest, dann verabsolutierst ("universalisierst" würde Stefan Meretz sagen) Du die allgemeine Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise, die Verkehrsform des Privateigentums. Der Austausch bzw. die Produktion für den Austausch ist der praktische Grund aller Wertform, auch der Kapitalform, sobald die Produktion auf der Anwendung kollektiver (fremder) Arbeitskraft und gesellschaftlicher Produktionsmittel beruht, und er wird auf dieser Grundlage notwendig zum Selbstzweck, zur Herrschaft des Tauschwerts in Gestalt des Kapitals über den Gebrauchswert und die lebendige Arbeit, die ihn hervorbringt, auch wenn diese Hervorbringung seine lästige Bedingung bleibt. Es ist daher ein Unding, den Kapitalismus aufheben zu wollen, ohne die "austauschende Arbeit" aufzuheben.
(1.4.1.1) Re: Ein Grunddissenz?, 22.06.2003, 20:07, Bernd vd Brincken:
Wert-Reproduktion beruht darüber hinaus (zunehmend) darauf, dass die präzisen Bedingungen (Kosten) seiner Herstellung _geheim_ gehalten und (augenzwinkernd) mythologisiert werden können.
Wie kommen beispielsweise die 3-stelligen Werbemillionen für "Kinder-Schokolade" (Ferrero) zustande?
(1.4.1.2) 01.10.2004, 22:13, Hans-Gert Gräbe: In dieser Unidirektionalität Zustimmung: "Die Produktion für den Austausch ist der praktische Grund aller Wertform". Austausch wird deshalb nicht automatisch mit der Wertform verschwinden, wenn auch andere Formen denkbar sind. Sie wird in dieser Form wohl so lange erfolgen, wie der Austausch nicht zeitnah kommunikativ begleitet werden kann. Das ist aber heute zunehmend möglich und wirkt auf die Austauschformen bereits zurück (zunehmende Entkopplung von "work flow" und "cash flow").
(1.4.1.2.1) 15.10.2004, 15:31, Werner Imhof: Der Austausch, um den es hier geht, ist nicht der freie Austausch von Zärtlichkeiten oder von Erfahrungen, sondern der zwanghafte Austausch von Arbeitszeitäquivalenten, die gesellschaftliche Verkehrsform von Privateigentümern. Dieser Austausch erscheint heute noch als notwendige Form der Vermittlung der Produktion mit der Konsumtion. Tatsächlich ist er eine dieser Vermittlung äußerliche, sie störende Bedingung, die mit ihrer "zeitnahen kommunikativen Begleitung" überhaupt nichts zu tun hat. Erst der "cash flow" macht den "work flow" zum Teil eines Austauschprozesses. Und solange die Menschen daran festhalten, werden sie auch die Wertform nicht los, worin immer sie ihre Tauschäquivalente auch darstellen mögen. Es ist ein Irrtum zu meinen, man könnte die Wertform verschwinden lassen, am Äquivalententausch aber festhalten.
(1.4.1.2.1.1) 19.10.2004, 11:08, Hans-Gert Gräbe: Ich paraphrasiere meine Bemerkung: Wenn man durch die Form - die Wertform - hindurchschaut auf den Grund der Dinge, dann sieht man das Wesen: Den Austausch zwischen den unterschiedlich spezialisierten und hochgradig arbeitsteilig operierenden Gliedern des Gesamtarbeiters. Das ist die dingliche Seite, die "kommunistische Vernetzung der Sachen" (Kurz). Allerdings ist sie nicht homogen, sondern hochgradig granular strukturiert. Deshalb kann m.E. die Frage nur lauten: Welche Elemente von Austausch (im von dir gebrauchten Sinne des Werts) haben Bestand auch jenseits der Wertform und welche werden obsolet. Oder anders: Wie kann die Wertform verschwinden, ohne diese essentiellen Elemente des Austauschs zu beschädigen?
(1.5) Gebrauchswerte für den Austausch, 01.10.2004, 22:06, Hans-Gert Gräbe: Offensichtlich ist es ein mit dem Kapitalismus beginnender neuer Schwerpunkt, eigene Arbeit nicht primär auf eigene Bedürfnisse, sondern auf Bedürfnisse anderer auszurichten. Der Grund ist m.E. bereits da in der "Beherrschung der Macht der Agentien" zu suchen, d.h. dem Erwerb je sehr spezieller Kompetenz zur Herstellung sehr spezieller Gebrauchsgüter deutlich über den Eigenbedarf hinaus (um mal die eigentlich ebenfalls zu hinterfragende Produktfokussierung beizubehalten). Zugleich muss ich mich darauf verlassen können, dass andere die so entstehenden Lücken in meinem eigenen Bedarf bemühen zu decken. Das ist in gesellschaftsrelevanten Dimensionen wohl neu gegenüber vorkapitalistischen Gesellschaften.
Markt drängt den Menschen also etwas auf, was der Stand der Arbeitsteilung erfordert, was aber selbst der psychischen Konditionierung der bisherigen Menschen so wesensfremd ist, dass es zunächst nicht anders als unreflektiert und damit in entfremdeter Form daherkommen kann. Heute sind sowohl die Mittel als auch die Erfordernisse zur Kontemplation und schließlich Überwindung dieser Entfremdung vorhanden.
Der Charakter der Arbeit wird damit ein gesellschaftlicher (und ist es bereits, wenn man die von Kurz thematisierte "kommunistische Vergesellschaftung der Sachen" als gegeben akzeptiert), die begleitende Wissenskomponente "Kompetenz" ist aber von ihrer Natur her eine inhärent individuelle, die allerdings einem Sozialisierungsprozess, der Sozialisierung des gesellschaftlich handlungsmächtig verfügbaren Wissens, unterworfen ist. Das bleibt in diesen Betrachtungen völlig ausgeblendet.
Die Eigenzeit dieser von mir thematisierten Aspekte von Entwicklung liegt im Bereich von Jahrhunderten und nimmt damit zugleich die Dimension ins Visier, deren Fehlen Uli Leicht kritisiert hat. Mehr dazu in meinem Aufsatz http://www.opentheory.org/mtb-mawi.
(1.5.1) 15.10.2004, 15:33, Werner Imhof: Zwei Einwände. Erstens ist der "Markt" nicht die Durchsetzungsform oder auch nur notwendige Bedingung gesellschaftlicher Arbeitsteilung. Arbeitsteilung war und ist möglich, ohne daß die Menschen dafür über den Austausch miteinander verkehren. Zweitens ist Arbeitsteilung der "psychischen Konditionierung des bisherigen Menschen" keineswegs wesensfremd und daher auch nicht Ursache von Entfremdung. Was den Menschen von seiner Arbeit und seinem Produkt entfremdet, ist die Produktion für den Markt im allgemeinen und die kapitalistische Produktion im besonderen, in der die Produzenten fremdes Privateigentum produzieren. Beide setzen die Entfremdung des Menschen von seinesgleichen voraus, ihre Getrenntheit als Privatproduzenten wie ihre Trennung in Produktionsmittel- und bloße Arbeitskraftbesitzer. Die Entfremdung ist daher auch durch keinerlei "Kontemplation" und "begleitende Wissenskomponente" zu überwinden, sondern nur durch die Aufhebung der getrennten und trennenden Praxis der Menschen. Kurz' "Kommunismus der Sachen" ist eine contradictio in subiecto.
(1.5.1.1) 19.10.2004, 11:55, Hans-Gert Gräbe: Vielleicht ist es aber doch genau umgekehrt? So wie ein Kind zuerst bewusst sich selbst, dann seine Eltern und viel später - erst in der Pubertät - auch andere in der Vielschichtigkeit ihrer Persönlichkeit und ihrer Rückwirkung auf das Selbst wahrnimmt, so könnte es ja auch sein, dass die "Entfremdung des Menschen von seinesgleichen" der Ausgangszustand ist, der nun Schritt für Schritt (Zeithorizont: Jahrhunderte!) überwunden werden kann. Vielleicht ist es also nicht die Produktion für den Markt, die entfremdet, sondern umgekehrt die Entfremdung, die zu marktförmiger Produktionsorganisation führt? Wenn das so wäre (wovon ich ausgehe), dann wäre natürlich Kontemplation der Königsweg, Entfremdung zu überwinden. Was Marx wohl ähnlich gesehen hat: "Reform des Bewusstseins ... durch Analysierung des mystischen, sich selbst unklaren Bewusstseins." (MEW 1, S. 346)
(2) Da der produktive oder unproduktive Charakter der Arbeit, beliebiger Gebrauchswert ihrer Produkte vorausgesetzt, allein von ihrer gesellschaftlichen Form abhängt und sich diese Form im realisierten Austausch der Produkte erfüllt oder erschöpft, hat seine Bestimmung auch weder mit der Beschaffenheit, der Form oder der späteren Funktion der Gebrauchswerte zu tun, die sie hervorbringt, noch damit, ob sie sich gegen Kapital oder gegen Einkommen, gleich welcher Herkunft, austauschen. Irrig ist deshalb die Vorstellung, daß produktive Arbeit sich in dinglichen Gebrauchswerten vergegenständlichen müsse, weshalb Dienstleistungen, bei denen Produktion und Konsumtion zusammenfallen, grundsätzlich unproduktiv seien; ebenso der umgekehrte Schluß, daß alle Arbeiten, die sich in dinglichen Produkten vergegenständlichen, deswegen auch produktiv seien. Eine besondere Variante dieses Irrtums bestimmt bis heute die Theorie der Krisis-Gruppe; danach ist nur die Arbeit produktiv, deren Produkt seinerseits wieder "in ein bestimmtes Produkt eingeht" (weshalb z.B. Infrastrukturarbeiten unproduktiv seien; Kurz 1986) oder die sich "in Einzelprodukten verkörpert" (Lohoff 2003). Tatsächlich ist die bloße Entsorgung dinglicher Abfälle ebenso produktive (und daher auch kapitalistisch organisierbare) Arbeit wie eine Konzertveranstaltung, die Produktion von Panzern, die Altenpflege oder die Produktion von Computersoftware, sofern sie nur im Austausch gegen Geld erfolgt, während die Arbeit der Werbebranche, obwohl materielle Produkte wie Plakate oder Fernsehspots liefernd, größtenteils (soweit sie nicht noch zum Gebrauchswert der beworbenen Produkte beiträgt) unproduktiv ist und nur bereits realisierten Mehrwert verbraucht, statt selbst Wert und Mehrwert zu bilden.
(2.1) produktive Arbeit, 26.01.2003, 21:21, Birgit Niemann: Also wenn Dich hier richtig verstehe, dann nennst Du einzig und allein nur solche Arbeit produktiv, die zur erweiterten ReProduktion von Kapital beiträgt, unabhängig davon, ob die erzeugten Produkte stofflich oder virtuell sind. Alle Arbeiten, die "nur" reproduktive Zwecke des Menschen sichern, ohne gleichzeitig den Selbstzweck des Kapitals zu bedienen, wären danach nicht produktiv. Dies ist zumindestens eine klare Auffassung, die mit vielem Durcheinander Schluss machen würde. Allerdings wäre es für mich gewöhnungsbedürftig, den Produktivitätsbegriff allein für den warenproduktiven "Stoffwechsel" des Kapitals zu reservieren und alle anderen (re)produktiven Prozesse aus diesem Begriff auszuschließen. Es kommt mir unrichtig vor, z.B. das Herstellen eines Holzregals zum eigenen Gebrauch unproduktiv zu nennen. Schon deshalb, weil im Begriff "produktiv" das Produkt steckt, dass doch schon existierte, bevor es historisch zur Ware transformierte. Aus meiner Sicht wäre es eindeutiger, alle Arbeit, die zur erweiterten Kapitalreproduktion beiträgt, als wertproduzierende Arbeit zu bezeichnen, statt den Produktivitätsbegriff allein auf die Warenproduktion zu reduzieren.
(2.1.1) Re: produktive Arbeit, 27.01.2003, 13:10, Ulrich Leicht: Ich denke, daß Du die Differenz mit Werner im Prinzip richtig siehst, und daß Werner im Grundsatz richtig liegt. Was mensch herkömmlich mit produktiv assoziiert, spielt in der ver-kehrten kapitalistischen Welt der "Verwertung um ihrer selbst Willen" keine Rolle. Im Gegenteil. Das kapital-unproduktive und wertlose Tun - wie die Reproduktionsarbeiten zumeist des weiblichen Geschlechts im Schatten des Werts, die vielfältigen Tätigkeiten der Menschen in ihrer freien Zeit oder auch das Entwickleln "freier Software" - ist das, was uns Menschen eigentlich not- und gut-tut. Du oder auch Franz N. (unter 3.1) hebt zu Recht hervor, daß dieses Gesellschaftssystem nur einen perversen wertgeprägten Begriff von "produktiver Arbeit" kennt, der wenig bis nichts mit einem "sinnvollen Tun", dem emanzipativen Ziel eines "produktiven Müßigangs" zu tun hat.# Meine Frage zu Werners Position und Kritik wäre eine andere: daß er der sehr differenzierten und komplexen Marxschen Analyse zu dieser Problematik nicht gerecht wird und auch zu direkt dieser widersprechenden und den realen Verhältnissen nicht gerecht werdenden Schlußfolgerungen kommt. Bei ihm nach Marx absolut "unproduktive" Sektoren wie z.B. die reinen und die meisten aller Zirkulationskosten (Bank- und Versicherungsgeschäfte jeder Art eingeschlossen), staatliche oder ärztliche Dienste, der Soldat und Polizist umstandslos wie auch alle immer umfangreicher werdenden "faux frais" der gesamtgesellschaftlichen Produktion von der Infrastrukltur bis zur Müllentsorgung, zu mehrwertschöpfender Produktion werden.# Ob mensch Werner richtig versteht oder nicht, ist aus meiner Sicht deshalb nicht immer so einfach, weil er sehr darauf bedacht ist, die Marxsche Kritik der Politischen Ökonomie mit "eigenen Worten" und Kategorien, wie ich finde nicht selten auch "eigenwilligen" Interpretationen (Werner würde sagen: "irrigen Vorstellungen") zum Ausdruck zu bringen. Marxsche Gedanken über "an sich produktiv", "sowohl prduktive als auch unproduktive Arbeit", Unterscheidungen von "formell" oder "substanziell", "relativ" oder "absolut" produktiv/unproduktiv, eine in diesem Zusammenhang von Marx auch für notwendig erachtete, wenn auch nicht ausgearbeitete kreislauftheoretische, den gesamten kapitalistischen Akkumulationsprozeß einbeziehende Sicht der Problematik, offensichtlich keine Rolle spielen. Eine Formulierung solcher Gesichtspunkte hatte ich in der internen Debatte eingefordert und versuche mich momentan daran.
(2.1.1.1) Re: produktive Arbeit, 01.02.2003, 17:18, Werner Imhof: Deine "Frage zu Werners Position" besteht aus einer ziemlich gehässigen Erfindung. Weder habe ich "die reinen und die meisten aller Zirkulationskosten (Bank- und Versicherungsgeschäfte aller Art eingeschlossen)" je irgendwo zu "mehrwertschöpfender Produktion" erhoben noch derlei pauschal über "staatliche Dienste", gar "Soldat und Polizist", behauptet. Es gibt öffentliche Dienste und Einrichtungen, die unentgeltlich zur Verfügung stehen, weil sie aus Steuermitteln finanziert werden, die also weder Wert bilden noch realisieren. Und es gibt öffentliche Dienste und Unternehmen, die sich über den Austausch ihrer Produkte gegen Geld reproduzieren, also Teil der produktiven Gesamtarbeit darstellen, auch wenn sie weniger als den unter kapitalistischen Verhältnissen üblichen Produktionspreis realisieren. Wenn Dir diese Unterscheidung falsch oder Marx "nicht gerecht werdend" erscheint, kannst Du Dich mit ihr auseinandersetzen (oder auch nicht), aber Du solltest darauf verzichten (können), mir ersatzweise solchen Schwachsinn wie den "mehrwertschöpfenden" Soldaten oder Polizisten anzuhängen.
(2.1.2) Re: produktive Arbeit, 28.01.2003, 17:43, Werner Imhof: Ich reserviere den Produktivitätsbegriff weder für den "warenpropduzierenden 'Stoffwechsel' des Kapitals" noch reduziere ich ihn "allein auf die Warenproduktion". Schließlich habe ich gesagt: Produktive Arbeit ist immer auch zweckbestimmte Produktion von Gebrauchswerten durch die Aneignung und Umformung von Naturstoff. In diesem allgemeinen Sinne ist selbstverständlich auch die Herstellung eines Holzregals zum eigenen Gebrauch produktive Arbeit. Aber sie ist nicht produktiv im Sinne der Warenproduktion, hinsichtlich der Bildung von Wert, schon gar nicht im Sinne der kapitalistischen Warenproduktion, in der produktive Arbeit nicht nur Wert, sondern auch Mehrwert bilden muß. Es sind die gesellschaftlichen Verhältnisse, die den Produktivitätsbegriff für Arbeit einer bestimmten Form reservieren, nicht ich. Ich kann diesem verengten Begriff produktiver Arbeit den allgemeinen Produktivitätsbegriff entgegenstellen und darauf beharren, daß auch meine private Arbeit für den Eigenbedarf produktiv ist. Doch das wäre eine hilflose, um nicht zu sagen: moralisierende, Kritik, weil sie nichts aussagt über die Besonderheit der Arbeit, die allein Wert bzw. Wert und Mehrwert bildet. Und um deren Bestimmung geht es doch, sie war und ist strittig.
(2.1.3) 28.01.2003, 17:44, Werner Imhof: Diese Bestimmung kann sich nun gerade nicht in einer Formulierung wie der Deinen erschöpfen, daß – nicht für mich, sondern - im Rahmen oder auf dem Boden kapitalistischer Verhältnisse nur solche Arbeit als "produktiv" gilt, "die zur erweiterten Reproduktion von Kapital beiträgt, unabhängig davon, ob die erzeugten Produkte stofflich oder virtuell sind". Das ist nur eine (nicht sehr glücklich) abgewandelte Formulierung des Problems, aber nicht seiner Erklärung. Die liegt in der besonderen gesellschaftlichen Form der Arbeit, die bestimmt ist als privat betriebene Produktion beliebiger Gebrauchswerte für den Austausch (in dieser Form bildet sie Wert, und nur in dieser Form kann sie auch Mehrwert bilden, wenn sie nämlich zusätzlich bestimmt ist:), und zwar als Lohnarbeit, die sich gegen Kapital tauscht. Lohnarbeit, die sich gegen Einkommen tauscht, z.B. die Dienste eines privaten Chauffeurs, bildet keinen Wert, also auch keinen Mehrwert; sie ersetzt das verausgabte Einkommen nicht, sie verzehrt es. Ist derselbe Mensch selbständig und verkauft seine Dienste (statt seiner Arbeitskraft), trägt seine Arbeit zum gesellschaftlichen Wertprodukt bei, wie er selbst einen Teil dieses Produkts im Austausch realisiert. Ist er Angestellter einer Firma, die Fahrdienste verkauft, trägt der produzierte Wert auch zur gesellschaftlichen Mehrwertmasse bei, während sich der realisierte Neuwert in Ersatz des variablen Kapitals und Profit teilt. Andererseits kann Lohnarbeit sich gegen Kapital tauschen, ohne Wert und Mehrwert zu bilden, weil sie keine Gebrauchswerte für den Austausch produziert, wie z.B. die Angestellten einer Werbeabteilung, die nur realisierten Mehrwert verzehren, oder die einer selbständigen Werbeagentur, deren Arbeit der Aneignung eines Teils des von ihren Kunden realisierten Mehrwerts dient. Einzelkapitalistisch betrachtet mag solche Arbeit produktiv scheinen, gesellschaftlich betrachtet gehört sie zu den faux frais der kapitalistischen Produktion. Und da Wert und Mehrwert gesellschaftliche Kategorien sind, Ausdruck der gesellschaftlichen Gesamtarbeit, erschließt sich der produktive oder unproduktive Charakter bestimmter Arbeiten nur bei gesellschaftlicher Betrachtungsweise.
(2.1.4) Re: produktive Arbeit, 01.10.2004, 22:15, Hans-Gert Gräbe: Im Fokus der kapitalistischen Gesellschaft steht zweifellos die "Erwerbsarbeit", die aber undenkbar ist ohne die (historisch ältere) familiäre Reproduktionsarbeit als Fundament und die (ebenfalls bereits vorkapitalistisch rudimentär vorhandene, heute enorm an Gewicht gewinnende) Infrastrukturarbeit als Rahmen.
Es ist aber durchaus sinnvoll, im Rahmen einer Kapitalismusanalyse diese anderen Arbeitsformen als nicht produktiv auszublenden. Für die Analyse heutiger Umbrüche reicht das nicht aus.
(2.1.4.1) Re: produktive Arbeit, 15.10.2004, 15:34, Werner Imhof: Der Begriff der "Erwerbsarbeit" ist zum einen bürgerliches Kauderwelsch, das absichtlich alle Formen von Lohnarbeit mit "Unternehmertätigkeit" und "freiberuflicher Tätigkeit" in einen Topf wirft. Zum andern ist es ein Fehler, die "Erwerbsarbeit" der "Reproduktionsarbeit" und der "Infrastrukturarbeit" entgegenzustellen. Auch die kapitalistische Lohnarbeit ist Reproduktionsarbeit. Ohne sie würde unsere Gesellschaft in wenigen Tagen oder Wochen verrecken. Das Besondere der familiären Arbeit ist nicht, daß sie der Reproduktion dient, sondern daß sie dies ohne trennende Austauschbeziehungen tut. Und daß "Infrastrukturarbeit" aus der "Erwerbsarbeit" herausfalle, weil sie "der Allgemeinheit" diene, daher "nicht marktgängig" sei und "keine Werte im Sinne des Marxschen Modells schöpfen" könne (wie Du in einem Deiner Texte schreibst), ist ein Kurz-Schluß, der auf einem verqueren Wertbegriff beruht (siehe oben Absatz #2). Es ist deshalb auch unbegründet, von einem "Ausblenden" der Infrastrukturarbeit als besonderer "Arbeitsform" zu reden. Der Begriff der Infrastruktur besagt überhaupt nichts über die gesellschaftliche Form der Arbeit, die sie erschafft, sondern charakterisiert nur ihren Gebrauchswert, ihre Funktion, allgemeine Produktionsbedingung zu sein, notwendig für die Verwertung aller oder doch vieler Einzelkapitale. Ob sie selbst als Kapital produziert werden kann, das sich durch Austausch mit ihren Nutzern verwertet, oder vom Staat aus gesellschaftlicher Revenue (Steuern) finanziert werden muß, steht auf einem ganz anderen Blatt, hängt u.a. von der Größe des vorzuschießenden Kapitals, der Umschlagszeit und dem Umfang der zahlungsfähigen Nachfrage ab. Das ist aber nicht Thema des vorliegenden Textes. Hier geht es allein um allgemeine Formbestimmungen der Arbeit, die in dieser Gesellschaft als produktive Arbeit gilt oder erscheint, und darin sind jede Menge Infrastrukturarbeiten eingeschlossen.
(2.1.4.1.1) 19.10.2004, 12:09, Hans-Gert Gräbe: Ich spreche hier ausschließlich von "Erwerbsarbeit" als Synonym für die auch von dir verwendete produktive Arbeit im engeren Sinne, also "zweckgerichtete Tätigkeit" im Sinne Marxens Kapitalismusanalyse. Dies setzt die familiäre Reproduktionsarbeit (nur von dieser habe ich gesprochen) voraus und alimentiert sie, indem der Preis der Ware Arbeitskraft das mit abdeckt (so jedenfalls Marx). Was Infrastrukturarbeit betrifft, und das ist in der Tat ein recht zentraler Begriff bei mir, verstehe ich deine Argeumentation nicht. Zum einen gibt es heute genügend Beispiele der Reproduktion von Infrastruktur in kooperativen Kontexten, also sowohl jenseits von Einzelkapitalen als auch jenseits des Staates. Für mich Keime von Assoziationsformen von (noch längst nicht freien, aber) Produzenten, aus denen (nach Marx) die neue Gesellschaft aufgebaut sein wird. Also doch eine ganz spannende Frage (und besonders in Zeiten der Renaissance wirtschaftsliberaler Konzepte), die hier bestehenden Grenzen der Möglichkeiten von Einzelkapitalen auch mal theoretisch auszuloten.
Du schreibst selbst, dass über Einzelkapitale vermittelte Produktion offensichtlich nur bis zu einer gewissen "Reichweite der Agentien" möglich ist. Jenseits siehst du nur Staat und wendest dein Antlitz geringschätzig ab. Warum? Ist es nicht genau diese Front, diese wachsende Reichweite der Agentien, an welcher der realsozialistische Staatsansatz gescheitert ist? Und der heute zunehmend das Kapitalprinzip erodiert?
(2.2) 01.10.2004, 22:16, Hans-Gert Gräbe: Du schreibst so einfach dahin "beliebiger Gebrauchswert [im BWL-Jargon: zahlungskräftige Nachfrage - HGG] ihrer Produkte vorausgesetzt" und qualifizierst in (5) den Rest als "Ausschuss" ab. Indem du das so einfach in die Voraussetzung deiner Argumentation steckst, blendest du die erste und m.E. progressive Leistung des Marktes, einen solchen Interessenabgleich in einer gewissen historischen Etappe der Menschheitsentwicklung überhaupt zu vermitteln, und damit zugleich die erste Hälfte der "Wertschöpfungskette", den Prozess der Zwecksetzung selbst, aus.
(2.2.1) 15.10.2004, 15:36, Werner Imhof: Ich weiß nicht, wie Du dazu kommst, den Gebrauchswert von Arbeitsprodukten, also ihre Eignung, irgendwelche menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen, mit der zahlungskräftigen Nachfrage nach ihnen gleichzusetzen. Ich bezweifle auch, daß diese Gleichsetzung in der BWL Usus ist; schließlich lernt man als BWLer auch etwas über Marketing, über Methoden, Bedürfnisse zu wecken und in zahlungsfähige Nachfrage umzusetzen. Vor allem aber argumentierst Du am Thema vorbei. Die "Zwecksetzung" vor und in der Produktion ist notwendige Bedingung auch der "Wertschöpfung", aber sie erklärt nicht im mindestens, warum und wann sich die Produktion als "Wertschöpfung" (und vermehrung) darstellt. Und allein darum geht es hier.
(2.2.1.1) 19.10.2004, 12:13, Hans-Gert Gräbe: Mich interessiert in der Tat auch eher die umgekehrte Frage: Was bleibt, wenn sich Produktion nicht als Wertschöpfung darstellt. Da bleibt für mich zentral der Nutzenaspekt, der anders als über Wertmechanismen sozialisiert werden muss. Insofern verstehe ich insbesondere dein Beispiel mit der Werbeindustrie nicht. Es werden ja gerade Produkte beworben, deren Wert noch nicht realisiert ist und deren Nutzenaspekt "rübergebracht" werden muss/soll.
(2.4) Korrektur, 28.01.2003, 19:16, Werner Imhof: Uli Leicht hat Recht: Der Nebensatz im letzten Satz "sofern sie nur im Austausch gegen Geld erfolgt" ist natürlich Quatsch, ein Verschreiber. Richtig muß es heißen: sofern sie nur Gebrauchswert für den Austausch gegen Geld liefert.
(2.5) produktiv & unproduktive arbeit, 31.01.2003, 22:44, Wolf Göhring: Den begriff produktiver und unproduktiver arbeit hat Marx verwendet, aber nicht erfunden. Adam Smith hat 1776 in "Wealth of Nations" im "Book II: Of the Nature, Accumulation, and Employment of Stock" das "chap. III: Of the Accumulation of Capital, or of the Productive and Unproductive Labour" mit insgesamt 21 seiten diesem thema gewidmet (nachdr. Prometheus Books, New York 1991, 270-290).
Ich zitiere die erste seite davon:
There is one sort of labour which adds to the value of the subject upon which it is bestowed: there is another which has no such effect. The former , as it produces a value, may be called productive; the latter, unproductive labour. Thus the labour of a manufacturer adds, generally, to the value of the materials which he works upon, that of his own maintenance, and of his master's profit. The labour of a menial servant, on the contrary, adds to the value of nothing. Though the manufacturer has his wages advanced to him by his master, he, in reality, costs him no expense, the value of those wages being generally restored, together with a profit, in the improved value of the subject upon which his labour is bestowed. But the maintenance of a menial servant never is restored. A man grows rich by employing a multitude of manufacturers: he grows poor, by maintaining a multitude of menial servants. The labour of the latter, however has its value, and deserves its reward as well as that of the former. But the labour of the manufacturer fixes and realizes itself in some particular subject or vendible commodity, which lasts for some time at least after that labour is past. It is, as it were, a certain quantity of labour stocked and stored up to be employed, if necessary, upon some other occasion. That subject, or what is the same thing, the price of that subject, can afterwards, if necessary, put into motion a quantity of labour equal to that which had originally produced it. The labour of the menial servant, on the contrary, does not fix or realize itself in any particular subject or vendible commodity. His services generally perish in the very instant of their performance, and seldom leave any trace or value behind them, for which an equal quantity of service could afterwards be procured.
Ich vermute, dass sich Smith mit dieser unterscheidung bereits auf vorgaenger abstuetzte.
(2.5.1) Re: produktiv & unproduktive arbeit, 01.02.2003, 17:48, Werner Imhof: Smith macht hier den Fehler, produktive und unproduktive Arbeit an die Form des Produkts zu binden. Die Arbeit des Manufakturarbeiters gilt ihm deshalb als produktiv, weil sie sich in einem bestimmten Gegenstand verkörpert, einer verkäuflichen Ware, die wenigstens noch einige Zeit nach dem Arbeitsende existiert. Und die Arbeit des Dienstboten gilt ihm deshalb als unproduktiv, weil seine Dienste im Moment der Verrichtung verschwinden. Tatsächlich ist ersterer produktiv, weil er Gebrauchswert für den Austausch herstellt (und dem Manufakturbetreiber Profit beschert), während letzterer unproduktiv ist, weil er nicht sein Produkt, seine Dienste tauscht, sondern seine Arbeitskraft.
(3) Der realisierte Austausch bestätigt die getrennten Privatarbeiten als Glieder der produktiven gesellschaftlichen Gesamtarbeit. Sie bildet die "Substanz" der Warenwerte, nur nicht als empirischer Komplex qualitativ besonderer Teilarbeiten unterschiedlicher Kompliziertheit und Intensität, sondern als von allen qualitativen Besonderheiten und individuellen Unterschieden abstrahierende Verausgabung einer einzigen gesellschaftlichen Arbeitskraft, und zwar einfacher Arbeitskraft, wie sie "im Durchschnitt jeder gewöhnliche Mensch, ohne besondere Entwicklung, in seinem leiblichen Organismus besitzt". Die Reduktion der konkreten Gesamtarbeit auf gleiche menschliche Arbeit schließt also die Auflösung komplizierter Arbeit in einfache Arbeit "als ihre Maßeinheit" ein. Die physiologische Lesart der gleichen menschlichen Arbeit als "Verausgabung von Hirn, Muskel, Nerv, Hand" ist keine "naturalistische" Fehldeutung gesellschaftlicher Verhältnisse (M.Heinrich), sondern nur eine Umschreibung einfacher Arbeit.
(3.1) 25.01.2003, 18:03, Franz Nahrada: vor allem ist sie eine ziemlich gewaltsam geltend gemachte Abstraktion von aller Besonderheit und allem Inhalt. Es ist ziemlich müßig, auf den "produktiven" Charakter der gesellschaftlichen Gesamtarbeit zu verweisen, wenn sie auf der Trennung der Produzenten vom Sinn und vom Inhalt ihrer Tätigkeit beruht. Wenn dabei nicht mehr ausgesagt wird als daß Arbeit ein "Produkt" hat, so erscheint schon der unverengte Produktivitätsbegriff ideologisch - rechtfertigend.. Aber darauf wird ja unter Punkt 6 sowieso nochmal extra eingegangen.
(3.1.1) 28.01.2003, 17:45, Werner Imhof: Ich habe nicht auf den "produktiven" Charakter der gesellschaftlichen Gesamtarbeit "verwiesen", sondern vielmehr darauf, daß im Rahmen - oder um es anders zu sagen: im Sinne - der Warenproduktion nur die Arbeit als produktiv und damit auch als Teil der produktiven Gesamtarbeit gilt, die Gebrauchswerte für den Austausch produziert und sich in ihm realisiert, weil nur diese Arbeit "Wert" bildet. Es ist die Produktionsweise, die die gesellschaftliche Geltung von Arbeit als produktiver verengt, weil sie auf der Trennung der Produzenten voneinander und damit auf dem Austausch beruht. Daraus "nicht mehr" als die Aussage zu lesen, "daß Arbeit ein 'Produkt' hat", heißt gerade das simple, aber entscheidende Spezifikum "übersehen" oder übergehen, das die Bestimmung wertbildender Arbeit von der allgemeinen Bestimmung produktiver Arbeit als "Bildnerin von Gebrauchswerten" unterscheidet: daß ihr Produkt für den Austausch bestimmt ist.
(3.2) 01.10.2004, 22:20, Hans-Gert Gräbe: Eine solche Reduktion wird an der Stelle absurd, wo es nicht mehr auf die "einfache Arbeitskraft, wie sie im Durchschnitt jeder gewöhnliche Mensch, ohne besondere Entwicklung, in seinem leiblichen Organismus besitzt" ankommt, sondern die je individuelle Kompetenz die zentrale Rolle spielt, "wenn die Schöpfung des wirklichen Reichtums weniger abhängt von der Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit als von der Macht der Agentien, die während der Arbeitszeit in Bewegung gesetzt werden und die selbst wieder [...] in keinem Verhältnis steht zur unmittelbaren Arbeitszeit, die ihre Produktion kostet, sondern vielmehr abhängt vom allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem Fortschritt der Technologie."
Die Querverbindung zu (2.2) ist offensichtlich. Ich will sie dennoch anmerken.
(3.2.1) 15.10.2004, 15:37, Werner Imhof: Die Reduktion auf einfache Durchschnittsarbeit, die Dir absurd vorkommt, ist nun mal gesellschaftliche Praxis, und zwar gerade um der unterschiedlichen individuellen Kompetenz im Austausch Rechnung zu tragen und qualifizierte Arbeit bzw. Arbeitskraft als multiplizierte einfache Arbeit bzw. Arbeitskraft zu gewichten. Oder würdest Du als Professor auch für den Lohn einer Putzfrau arbeiten? Die Reduktion aller verschiedenartigen individuellen Kompetenzen auf bloß quantitativ unterschiedliche Teile einer einzigen einfachen Durchschnittsarbeitskraft wird die Menschen solange begleiten, wie sie ihre individuellen Arbeitskräfte als Privateigentum betrachten, das sie nur gegen entsprechende Äquivalente in Bewegung setzen. Und sagt nicht auch die PDS, "Arbeit muß sich lohnen"?...
(3.2.1.1) 19.10.2004, 12:23, Hans-Gert Gräbe: Es gibt genügend Leute mit Professorenqualifikation (und besonders im Osten auch mit dem formalen Titel), die als Taxifahrer oder Putzfrauen arbeiten und auch so bezahlt werden. Das nur nebenbei, denn es gehört nicht zum Kern der hier gestellten Frage. Der ist, dass Professoren aus gutem Grund keinen Lohn, sondern Gehalt erhalten. Die (mit der Einführung der W-Besoldung übrigens tendenziell sinkende) Höhe hat etwas mit der gesellschaftlichen Anerkennung ihrer Arbeit zu tun. Dass es kein Lohn ist hat damit zu tun, dass die Frage nach der genauen Größe deines "Multiplikationsfaktors", um sie als "multiplizierte einfache Arbeit" zu begreifen, schlichtweg nicht beantwortet werden kann.
Was den PDS-Slogan betrifft, so habe ich mit ihn Schwierigkeiten wie mit allen Slogans - sie erlauben eine zu große Interpretationsbreite. Aber klar - Arbeit muss sich lohnen im Sinne von gesellschaftlicher Anerkennung. Der Mensch ist ein soziales Wesen und auch psychsich so konditioniert, dass er ohne gesellschaftliche Anerkennung degeneriert oder einfach eingeht. In diesem Sinne möchte ich immer wissen, was meine Arbeit "wert" ist. Und wenn die Anerkennung die Form einer spannenden Debatte hat, in die ich derzeit vielleicht sogar mehr Zeit investiere als ich mit Blick auf andere Verpflichtungen sollte ...
(4) Komplizierte Arbeit gilt als multiplizierte einfache Arbeit, weil sie Verausgabung qualifizierter Arbeitskraft ist, deren Ausbildung selbst wieder gesellschaftliche Arbeitszeit verbraucht hat; ihre Verausgabung stellt also einen höheren Anteil an der gesellschaftlichen Gesamtarbeit dar als die Verausgabung einfacher Arbeitskraft. Jede besondere Qualifikation der Arbeitskraft ist eine Form des Wissens, sei es handwerkliches Know-how oder wissenschaftliches Verständnis bestimmter Naturvorgänge. Die Art des Wissens ist jedoch völlig unmaßgeblich für seine Rolle im Wertbildungsprozeß, in den es nur als bestimmtes Quantum gleicher menschlicher Arbeit eingeht, und das auch nur, soweit es als Teil qualifizierter Arbeitskraft in der Produktion für den Austausch angewandt wird, sich in einer Tätigkeit oder einem Produkt objektiviert. Die Arbeit eines Taxifahrers mit akademischem Grad bildet nicht mehr Wert als die seines Kollegen mit Hauptschulabschluß. Getrennt von lebendiger Arbeit ist Wissen entweder bloß subjektive Potenz, oder es ist bereits vergegenständlichtes Wissen oder verselbständigte Information, also Produkt, Produktions- oder Konsumtionsmittel. Wo und wie auch immer "vergegenständlichtes Wissen" aber bildet oder "schafft" überhaupt keinen Wert, es kann allenfalls welchen enthalten oder darstellen, sofern es nämlich für den Austausch produziert wurde. Sein Wert bestimmt sich dann, wie der Wert jeder anderen Ware, durch den zu seiner Herstellung notwendigen Anteil an der Gesamtarbeit, der bei kapitalistischer Produktion die Form des Produktionspreises annimmt. Freie Software dagegen besitzt, da nicht für den Austausch, sondern für die freie Nutzung produziert, auch keinen Wert.
(4.1) 01.10.2004, 22:23, Hans-Gert Gräbe: "Die Art des Wissens ist jedoch völlig unmaßgeblich für seine Rolle im Wertbildungsprozess." Marx hat in den "Grundrissen" nach der oben zitierten Stelle die möglichen Formen der Einbeziehung der "Macht der Agentien" in den Wertbildungsprozess durchdekliniert, als capital fixe oder capital circulant, Abschreibungs- oder Rentenansätze und war mit keinem davon zufrieden:
"In dieser Umwandlung ist es weder die unmittelbare Arbeit, die der Mensch selbst verrichtet, noch die Zeit, die er arbeitet, sondern die Aneignung seiner eignen allgemeinen Produktivkraft, sein Verständnis der Natur und die Beherrschung derselben durch sein Dasein als Gesellschaftskörper - in einem Wort die Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums, die als der große Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums erscheint."
Ganz so ist es also nicht, es sei denn, man erkennt den infrastrukturellen Charakter von Wissen an. Dann ist es aber wertlos, wie Marx an anderer Stelle betont: "Einmal entdeckt, kostet das Gesetz über die Abweichung der Magnetnadel im Wirkungskreis eines elektrischen Stroms oder über Erzeugung von Magnetismus im Eisen, um das ein elektrischer Strom kreist, keinen Deut." Das blendet aber zugleich die Frage nach der Allokation der Ressourcen für die Wissensreproduktion aus.
(4.1.1) "... kostet ....keinen deut", 04.10.2004, 11:46, Wolf Göhring: Das hat Marx schoen pointiert, und doch auch daneben gegriffen. Mich hat das erlernen dieses gesetzes einige zeit gekostet, meinen lehrer auch. Wenn mans vertieft, wird daraus die ganze elektrodynamik. Schulbuecher, einiges an unterricht, fuer einen teil der bevoelkerung studium der e-technik oder der physik, praktika: kostet ziemlich viel, obwohl laengst entdeckt.
Das gesetz waere nach einer generation vergessen, wenn es nicht mit grossem aufwand an die naechste weitergegeben wuerde, die es erst nach dieser weitergabe nutzen kann. Die geschichte haelt einige beispiele fuer verlorenes wissen bereit.
Die reproduktion jenes gesetzes wie jeder andern entdeckung ueberhaupt ist ganz in die kapitalistische warenproduktion eingebunden: schulgebaeude, buecher, andere unterrichtsmaterialien, entlohntes lehrpersonal (staatlich vom ideellen gesamtkapitalisten organisiert /pisa-studie/ oder private dienstleiter /gatts/).
(4.1.1.1) 05.10.2004, 11:43, Hans-Gert Gräbe: Nun, vielleicht nicht ganz daneben; du kennst auch andere Publikationen von mir, um zu wissen, dass ich mehr zur Wissenssozialisation zu sagen habe als in diesem Kommentar.
Aber du hast natürlich recht, dass 1) Wissen einem Sozialisierungprozess unterworfen ist und 2) Wissen gesellschaftsmächtig nur als individuelle Kompetenz, als lebendiges Wissen, wirkt. Mehr von mir dazu in http://www.opentheory.org/mtb-mawi.
" Die reproduktion jenes gesetzes wie jeder andern entdeckung ueberhaupt ist ganz in die kapitalistische warenproduktion eingebunden": Das ist nicht die Reproduktion des Gesetzes, sondern die materiellen Bedingungen für die Reproduktion. Wie "Erwerbsarbeit" nicht ohne die familiäre Reproduktionsarbeit auskommt, so kommt auch die Infrastrukturarbeit nicht ohne die im engeren Sinne produktive Arbeit aus.
(4.1.2) 15.10.2004, 15:38, Werner Imhof: Marx "dekliniert" in den "Grundrissen" nicht "die möglichen Formen der Einbeziehung der 'Macht der Agentien' in den Wertbildungsprozeß" durch, er deckt den "Widerspruch zwischen der Grundlage der bürgerlichen Produktion (Wertmaß) und ihrer Entwicklung selbst" auf. Ich zitiere: "Der Austausch von lebendiger Arbeit gegen vergegenständlichte, d.h. das Setzen der gesellschaftlichen Arbeit in der Form des Gegensatzes von Kapital und Lohnarbeit ist die letzte Entwicklung des Wertverhältnisses und der auf dem Wert beruhenden Produktion. Ihre Voraussetzung ist und bleibt die Masse unmittelbarer Arbeitszeit, das Quantum angewandter Arbeit als der entscheidende Faktor der Produktion des Reichtums. In dem Maße aber, wie die große Industrie sich entwickelt, wird die Schöpfung des wirklichen Reichtums abhängig weniger von der Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit, als von der Macht der Agentien, die während der Arbeitszeit in Bewegung gesetzt werden und die selbst wieder deren powerful effectiveness selbst wieder in keinem Verhältnis steht zur unmittelbaren Arbeitszeit, die ihre Produktion kostet, sondern vielmehr abhängt vom allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem Fortschritt der Technologie, oder der Anwendung dieser Wissenschaft auf die Produktion. (...) Der wirkliche Reichtum manifestiert sich vielmehr und dies enthüllt die große Industrie im ungeheuren Mißverhältnis zwischen der angewandten Arbeitszeit und ihrem Produkt, wie ebenso im qualitativen Mißverhältnis zwischen der auf eine reine Abstraktion reduzierten Arbeit und der Gewalt des Produktionsprozesses, den sie bewacht." Marx kritisiert das Mißverhältnis zwischen dem Erfolgsmaßstab der kapitalistischen Produktion, der unmittelbar, d.h. unter dem Kommando des Einzelkapitals angewandten lebendigen Arbeit, und den gesellschaftlichen Agentien, die sie für ihren bornierten Zweck mobilisiert, während sie ihn gleichzeitig blamieren. Wenn Du meinst, daß Marx hier seine Unzufriedenheit mit seiner eigenen Erklärung der Rolle dieser Agentien im Wertbildungsprozeß ausdrückt, sitzt Du einem groben Mißverständnis auf.
(4.1.2.1) 19.10.2004, 12:29, Hans-Gert Gräbe: Da hast du mich falsch verstanden. Marx macht hier m.E. deutlich, dass er nicht nur an die Grenzen seiner Theorie gestoßen ist, seiner theoretischen Kapitalismus-Analyse (jenseits dieser Grenze kann die Zeit kein Maß für Mühe mehr sein, auch nicht als multiplizierte einfache Durchschnittsarbeit), sondern auch an die Grenzen kapitalistischer Praxis, denn diese entäußert sich ja gerade im aus der Wertabstraktion folgenden "Gesetz von der Ökonomie der Zeit".
(4.2) Freie Software, 01.10.2004, 22:24, Hans-Gert Gräbe: Freie Software ist ein typisches Infrastrukturelement, eine in kooperativer Form reproduzierte Menge von Softwarebausteinen, aus denen sich entweder - als Auftragswerke - gehaltvolle Applikationen "zusammenschrauben" lassen, die dann auch richtig Geld kosten dürfen, oder die genauso nützliche Werkzeuge sind, wie der Satz des Pythagoras; vorausgesetzt man weiß von seiner Existenz und besitzt die Kompetenz ihn korrekt anzuwenden. In diesem Sinne also ungeheuer wichtig, absolut unproduktiv und vollkommen wertlos (was die Absurdität der Ausblendung dieses Bereichs noch einmal verdeutlicht). Das wirklich Verblüffende an Freier Software ist, dass hier die "Tragödie der Allgemeingüter" nicht zuschlägt. Im Gegenteil, die Beteiligten (und dazu gehören inzwischen durchaus auch global players wie IBM) bringen soviel kooperativen Verstand auf, die gemeinsame Reproduktion dieser Infrastruktur jenseits staatlicher Intervention zu Wege zu bringen.
(5) Nur über den Austausch kann sich Privatarbeit als Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit bewähren und zum Wertprodukt beitragen. Privatarbeit, deren Produkt unverkäuflich, "Ausschuß" bleibt, zählt daher nicht als gesellschaftliche Arbeit, bildet keinen Wert. Das Produkt mag für seinen Produzenten Wert- oder Warenform besitzen und einen Geldnamen, einen Preis, tragen. Doch seine Form bleibt eine fiktive Form und sein Geldname Schall und Rauch, weil sie sich nicht im Austausch realisieren können. Die aufgewandte Arbeit bleibt vergeudete Arbeit, verlorene Zeit. Man kann sie vernichtete Zeit nennen, nicht aber vernichteten Wert. Denn Wert entsteht nicht durch Arbeitsaufwand schlechthin, sondern nur durch Aufwand, der sich im Austausch als gültiger Teil der Gesamtarbeit bewährt. Was die vergeudete Produktionszeit allerdings vernichtet, ist alter, bereits realisierter Wert, in Gestalt der verbrauchten Produktionsmittel nämlich und - wenn die Produktion kapitalistisch betrieben war - auch in Form des als Lohn verausgabten variablen Kapitals.
(6) Die Kategorie der gleichen menschlichen Arbeit ist keine gesellschaftliche "Errungenschaft", die die Warenproduktion überdauern wird. Die Gleichheit der "Wertsubstanz" besteht ja nicht nur in der Abstraktion von allen qualitativen Unterschieden, sie besteht auch in der Reduktion ihres unterschiedlichen quantitativen Gewichts auf einfache Arbeit als ihr gemeinsames Maß. Ihre Gleichheit ist nicht Ausdruck wirklicher Gleichheit der Warenproduzenten oder ihrer Arbeiten, sondern gerade ihrer Ungleichheit. Die Reduktion ihrer ungleich komplizierten Arbeiten auf gleiche einfache Arbeit ist nur die Form, in der sie sich gegenseitig das Recht einräumen, diese Ungleichheit in Rechnung zu stellen. Nur eine auf Privatarbeit und Austausch beruhende, vom Privatkalkül beherrschte Gesellschaft hat es nötig, ihre komplexe konkrete Gesamtarbeit als imaginär aufgeblähtes Quantum gleicher einfacher Arbeit in der fetischistischen Form des Werts ihrer Produkte darzustellen. Jenseits der Warenproduktion verliert mit dieser Praxis auch die Kategorie der gleichen menschlichen Arbeit ihren Sinn. Die Gesamtarbeit der Gesellschaft bleibt der Gesamtkomplex ihrer konkreten Teilarbeiten.
(6.1) 01.10.2004, 22:25, Hans-Gert Gräbe: "Die Reduktion ihrer ungleich komplizierten Arbeiten auf gleiche einfache Arbeit ist nur die Form, ... diese ... in Rechnung zu stellen." Genau das kann man in einem Kontext mit entsprechenden Kommunikationsmöglichkeiten genauer besprechen. Die Tatsache, dass eine solche Abrechnung besprochen werden muss oder wenigstens einer Besprechung prinzipiell zugänglich ist, ist eine davon vollkommen disparate Frage. Die Vision einer "unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit", die ja letztlich ein homogenes Gesellschaftsmodell im Hintergrund hat, teile ich nicht. Weiter fortschreitende Arbeitsteilung führt zu weiterer gesellschaftlicher Zergliederung, die nur in kooperativen Arbeitsformen aufgefangen werden kann in längs funktionaler Grenzen abgrenzbarer "Sphären" mit je eigenen, vielleicht auch oft laxen, Abrechnungsverfahren innerhalb und zwischen diesen Sphären. Jeder einigermaßen komplexe Organismus in der Natur ist so organisiert.
(6.1.1) 15.10.2004, 15:41, Werner Imhof: Was ein "homogenes Gesellschaftsmodell" sein soll, weiß ich nicht; ich verfolge und bastle keine Modelle. Wenn Du aber meinst, gesellschaftliche Kooperation sei nur möglich mittels "Abrechnungsverfahren", mit denen die Menschen sich gegenseitig ihre verschiedenen Arbeiten in Rechnung stellen, dann bist Du offensichtlich dabei, das Privatkalkül des Äquivalententauschs zum ewigen Prinzip der menschlichen Natur zu erheben. Ja, Du steigerst es sogar noch zum angeblichen Grundprinzip der belebten Natur überhaupt. Tut mir leid, aber wie auf dieser Basis noch eine produktive Diskussion möglich sein soll, sehe ich nicht.
(6.1.1.1) 19.10.2004, 13:18, Hans-Gert Gräbe: Hast du den konfrontativen Charakter dieser Gesellschaft so verinnerlicht, dass du dir nicht mal vorstellen kannst, dass man über solche Fragen auch mal gemeinsam (und wenn es beim Bier ist) sprechen kann? Muss es unbedingt ein "gegenseitiges in Rechnung stellen" sein? Kann es nicht auch ein (von anderen hinterfragbares) Statement sein: "Ich hatte die und die Mühe damit"? Geschieht das heute nicht schon an vielen Stellen, und wenn es beim kleinen Handwerker um die Ecke ist?
Für mich war interessant, wie wichtig unseren Studenten im Softwaretechnik-Praktikum ( http://pcai003.informatik.uni-leipzig.de/swp-04/) das Instrument "Aufwandsanalyse" war, das wir zunächst gar nicht vorgesehen hatten. Und zwar als teaminternes Abgleichmittel, um ein gewisses Maß von (gefühlter) Gerechtigkeit herzustellen. Wobei jeder Einzelne was aufgeschrieben hat, was in 95% der Fälle auch diskussionslos von den anderen Teammitgliedern "geschluckt" wurde. Interessant waren die restlichen 5%, die aber ohne die anderen 95% gar nicht (alles projektintern!) diskutierbar gewesen wären.
Da sich die Studenten alles selber ausdenken müssen, insbesondere auch die Formen ihrer sozialen Interaktion, ist das Praktikum auch anderweitig eine Fundgrube für kooperative Arbeitsformen jenseits der Wertschöpfung im engeren Sinne.
(7) Das Nettoinlandsprodukt (NIP = BIP minus Abschreibungen) ist der Wertausdruck der jährlichen produktiven Gesamtarbeit. (Seine Entstehungsrechnung scheint irrational, weil sie Zirkulationsdienstleistungen ebenso wie den Verbrauch der "öffentlichen Hände" als Bereiche der Wertschöpfung anführt. Der Schein läßt sich jedoch auflösen. Die "Wertschöpfung" des Zirkulationssektors repräsentiert realisierten bzw. - als "Entgelt für Bankdienstleistungen" - übertragenen Mehrwert der produktiven Bereiche, während der "Produktionswert" der öffentlichen Hände einen Teil des vorjährigen BIP darstellt, Umsatz- und indirekte Steuern nämlich, der gegen Produkte des laufenden Jahres, sog. Vorleistungen, getauscht und in Löhnen und Gehältern verausgabt wird, die sich ebenfalls gegen Produkte des laufenden Jahres tauschen.) Wenn auch die Wachstumsraten des NIP mit dem Entwicklungsgrad der kapitalistischen Warenproduktion abnehmen, so zeigt ihr andauerndes, nur durch Rezessionen unterbrochenes Wachstum doch eine entsprechende Zunahme der Wertsubstanz an, national wie global. Sie dürfte national vor allem auf die Intensivierung der Arbeit zurückzuführen sein, die die Verkürzung der Tages- und Jahresarbeitszeit überkompensiert hat, global dagegen vor allem auf die Ausdehnung der Produktion für den Austausch. Da gleichzeitig der Anteil der notwendigen Arbeit an der Gesamtarbeit sinkt (weil Teuerung und Arbeitsproduktivität zusammen in der Regel stärker zunehmen als die Löhne), steigt die jährliche Mehrwertmasse und mit ihr auch die Profitmasse des gesellschaftlichen Gesamtkapitals. Das Problem des Kapitals ist nicht eine "schrumpfende Profitmasse", sondern die profitable Wiederanlage einer wachsenden Profitmasse im Kampf gegen den tendenziellen Fall der Profitrate.
(7.1) 25.01.2003, 18:13, Franz Nahrada: Das Wachstum des NIP kann aber auch fiktive Wertschöpfung zum Inhalt und zur Grundlage haben. Hier wird ohne Rücksicht auf die verschiedenen Formen des Kredits und der Staatsverschuldung direkt von einer sehr abgeleiteten Kategorie der Oberfläche wie BIP auf die Entwicklung der Wertmasse geschlossen.Die Krisis ist damit noch lange nicht widerlegt.
(7.1.1) 27.01.2003, 13:41, Ulrich Leicht: Ich würde es etwas drastischer formulieren. Das NIP (wie dann analog in anderem Berechnungszuammenhang auch BIP und BSP) "kann" nicht nur sondern "hat" in zumehmenden Masse auch fiktive Wertschöpfung zur Grundlage, darüberhinaus in zunehmendem Masse auch "formelle Wertschöpfung" und die wachsende Palette der "faux frais" (die relativ und absolut unproduktiven Veranstaltungen dieser Produktionsweise). Es ist wohl so, daß das NIP eine jener "Mystifikationen" ist, die die realen Verhältnisse vernebeln. Das NIP wird nicht nur immer weniger "Wert", es hat wohl auch nur beschränkten "Wert" in der Aussagekraft über die wahren "Wertverhältnisse", "Wertschöpfung" und "Wertmasse" der Gesellschaft. Kauf und Verkauf und Umsatzzahlen machen noch keinen "wertvollen" Sommer, auch nicht im anderen Jahr. Was nicht ist, kann auch nicht zu anderer Jahreszeit sei es durch "Realisierung" bzw. in diesem Falle "Repräsentation" "wert" oder "mehr-Wert" werden. Heißt nicht, und darauf macht Werner in einem anderen Text - http://www.opentheory.org/kw48_00-1/text.phtml - zu recht aufmerksam, daß wir diesen Zahlen und Berechnungen keine Aufmerksamkeit schenken sollten. Sie sind das empirische Material, aus dem wenn auch nicht unbedingt mehr "Wert" aber wichtige Erkenntnisse für Entwicklungen geschöpft werden können.
(7.1.1.1) 01.02.2003, 17:20, Werner Imhof: "Kauf und Verkauf und Umsatzzahlen machen noch keinen 'wertvollen' Sommer..." Nun ja, irgendein produzierter Gebrauchswert muß schon an dem dran sein, was da ge- und verkauft wird; bloße Zirkulationsdienste vermehren nicht die gesellschaftliche Wertsubstanz, sie verbrauchen welche. Aber diese Einschränkung gefällt Dir ja nicht. Was wird nicht alles an Gebrauchswerten für den Verkauf produziert – in der Rüstungsproduktion, im Gesundheitswesen, in der Müllentsorgung. Es kann doch nicht sein, daß alle diese Arbeiten als Verausgabung gesellschaftlicher Arbeitskraft zählen... Aber wie begründen, daß nicht sein kann, was nicht sein darf? Da Du Dich scheust (bisher jedenfalls), produktive Arbeit an der Art des Gebrauchswerts festzumachen, bleibt nur ein Ausweg: den Austausch selbst für unmaßgeblich zu erklären...
(7.1.1.2) 01.02.2003, 17:21, Werner Imhof: Marx beginnt bekanntlich das "Kapital" mit der Analyse der Ware als doppelt bestimmtem Arbeitsprodukt, als Gebrauchswert und als Träger von Tauschwert. Er leitet aus der Austauschbarkeit der Gebrauchswerte, aus ihrer wechselseitigen Funktion als Tauschwert, eine gemeinsame "Wertsubstanz" ab, gleichförmige einfache Arbeit als Verausgabung der gesamten Arbeitskraft der Gesellschaft, und die Wertgröße als gesellschaftlich notwendigen Anteil an der Gesamtarbeit. Aus dem Austauschverhältnis zweier Waren entwickelt er die Geldform und zeigt das "höchst Einfache", das die "Herren Ökonomen" bisher übersehen haben, daß "die einfachste Warenform, worin ihr Wert noch nicht [wie im Preis] als Verhältnis [!] zu allen anderen Waren, sondern nur als Unterschiednes von ihrer eignen Naturalform ausgedrückt ist, das ganze Geheimnis der Geldform und damit, in nuce, aller bürgerlichen Formen des Arbeitsprodukts enthält". Und nun kommt Uli Leicht und erklärt das alles für unmaßgeblich: "Kauf und Verkauf machen noch keinen 'wertvollen' Sommer." Ich nenne das nicht "Klärung analytischer Kategorien", sondern "wertkritische" Mystifikation des "höchst Einfachen".
(7.1.1.3) "wahrer Wert", 22.06.2003, 21:04, Bernd vd Brincken:
Es gibt keinen "wahren Wert".
Ein Wert ist so weit "wahr", wie Märkte (Absatz- aber auch Investoren-M.) an ihn glauben.
Nicht mehr und nicht weniger.
Alles andere ist "pure romanticism".
(7.1.2) fiktive Wertschöpfung, 28.01.2003, 17:47, Werner Imhof: Wenn fiktive Wertschöpfung in das BIP einginge, wäre dazu der Nachweis zu führen. Das aber dürfte schwerfallen. Denn in das BIP gehen nur im Austausch realisierte Werte ein, nicht fiktive Buchwerte wie Aktienkurse oder Immobilienpreise. Sobald diese aber realisiert werden, findet keine fiktive Wertschöpfung statt, sondern bloße Umverteilung realisierten Werts. Auch ist Kredit keine fiktive Wertschöpfung, sondern entweder Verkauf gegen Zahlungsversprechen, das irgendwann eingelöst werden muß (andernfalls tritt Wertvernichtung ein), oder Anwendung von Leihkapital, also fremden realisierten Kapitals oder Einkommens, das ebenfalls irgendwann mit Zins zurückfließen muß, wenn es sich nicht als Wertvernichtung herausstellen soll. Schließlich ist auch Staatsverschuldung keine fiktive Wertschöpfung, sondern Abschöpfung realisierten Werts bzw. Mehrwerts, der den Gläubigern bis zur Tilgung nicht mehr als Kapital oder Revenue zur Verfügung steht. Man kann sich natürlich über die Empirie erheben mit dem Argument, daß sie "bloße Oberflächenerscheinung" sei. Nur sollte man dann konsequenterweise auch den Anspruch aufgeben, irgend etwas über das in der Erscheinung Erscheinende aussagen zu können.
(7.1.2.1) Staatsschulden, 01.02.2003, 17:22, Werner Imhof: Staatliche Schuldpapiere sind Zahlungsversprechen aus künftiger, noch gar nicht realisierter "Wertschöpfung", Anweisungen auf Arbeit kommender Jahre. Dadurch daß sie gehandelt werden, den Besitzer wechseln können, ergibt sich noch keine "fiktive Wertschöpfung". Das wäre erst der Fall, wenn die Schuldtitel selbst als Geld fungieren, also in die Sphäre der Warenzirkulation eintreten würden. Dann fände Austausch vorhandenen Werts mit vorerst fiktivem Wert statt, und das jährliche Wertprodukt würde durch den Vorgriff auf künftige Arbeit aufgebläht. Mir ist aber nicht bekannt, daß staatliche Schuldtitel irgendwo als Zahlungsmittel dienen (können). In Deutschland jedenfalls unterliegen sie der Kontrolle der Bundesschuldenverwaltung.
(7.1.2.2) Re: fiktive Wertschöpfung, 18.02.2003, 22:50, Ulrich Leicht: Zunächst einmal geht in das in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ausgewiesene Sozialprodukt ein großer und immer größer werdenden Anteil ein, der sozusagen durch - möglicherweise ja unstittige - "unproduktive Arbeit" mit geschaffen wurde. Wie diese ansonsten vom gesamtgesellschaftlichen Mehrwert abgezogen werden muß, so natürlich auch von dieser Art "Wohlstands- und Leistungsbilanzrechnung" einer Gesellschaft.
Spannender ist aber die Klärung der Frage, ob nicht heute näher betrachtet auf der ersten Blick "eindeutige" Realakkumulation immer mehr fiktive Akkumulation ist (nicht nur das Beispiel New Economy gibt Hinweise), Scheinakkumulation, die auf Pump nicht nur ersten Grades basiert, und in so starkem Maße erst durch zukünftige produktive Arbeit real und realisiert werden muß, und sich letzendlich als "produktive, wertmäßige Luftschlösser" entpuppen, die kollabieren. "Fiktiv" in diesem Sinne hatte ich im Auge.
(7.1.2.2.1) Re: fiktive Wertschöpfung, 22.02.2003, 16:55, Werner Imhof: Mit pauschalen Behauptungen ist eine Kritik der VGR nicht zu leisten. Hinsichtlich der unproduktiven Arbeit im Zirkulationssektor liegst Du auch falsch. Das "Sozialprodukt" wird durch diese Arbeit nicht "mit geschaffen". Die Zirkulationsarbeit kann keinen Wert "schaffen", sie kann nur produzierten Wert realisieren und an ihm partizipieren (wie im Handel) oder anderswo realisierten Wert aneignen und verbrauchen (wie bei Finanzdiensten und in der Werbung). Was in der VGR als "Produktionswert" dieser unproduktiven Bereiche erscheint, repräsentiert also einen Teil des realen Wertprodukts, der nur nicht da auftaucht, wo er entstanden ist, sondern da, wo er realisiert und angeeignet wird. Fiktion ist nicht der im Zirkulationssektor auftauchende Wert, sondern seine Entstehung in der Zirkulation. Er muß deshalb auch nicht vom "gesamtgesellschaftlichen Mehrwert abgezogen werden", zumal diese Größe als solche in der VGR überhaupt nicht auftaucht. Was vom ausgewiesenen Profit (nicht Mehrwert) des produktiven Kapitals abgezogen werden muß, sind die Zinseinnahmen des Bankkapitals, und dieser Abzug wird in der Entstehungsrechnung des BIP auch vorgenommen. Die Ausgaben für Werbung figurieren dagegen offenbar unter den "Vorleistungen", die aber ebenfalls vom Produktionswert abgezogen werden. Im Detail bleiben und entstehen durchaus eine ganze Reihe von Ungereimtheiten, von Zuordnungs- und Abgrenzungsproblemen. Aber um die zu klären und die Daten der VGR aussagefähig zu machen, muß man sich mit der Materie schon konkret auseinandersetzen.