Home   Was ist ot ?   Regeln   Mitglieder   Maintainer   Impressum   FAQ/Hilfe  

Kritik der abstrakten Subjektkritik

Maintainer: Annette Schlemm, Version 1, 23.05.2002
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

1. Die Kritik

(1) Da haben wir uns gerade zu einem „Subjektstandpunkt“ durchgekämpft (Schlemm 2002) und haben genug Grund diesen gegen die oft unbedachte Praxis des „andere-zum-Objekt-machens“ zu verteidigen. „Subjektivität“ steht dabei für jenes prinzipiell Unverfügbare, das die individuelle Möglichkeitsbeziehung jedes Menschen gegenüber der Welt anzeigt. Nun kollidiert dieses Bemühen mit der Demontage des Subjekt-Begriffs durch die „Krisis-Gruppe“ (Lohoff).

(2) Lohoff beschreibt die Abwendung vom Subjektbegriff bei „Krisis“ in mehreren Stufen:

  1. Die traditionelle Vorstellung, es gäbe "Emanzipationssubjekte a priori (...), die es nur mehr vom "an sich" zum "für sich" zu befördern gelte" (Lohoff) – gemeint ist damit das Proletariat - wurde gleich zu Beginn aufgegeben (Kritik des "Arbeiterbewegungsmarxismus").

  2. Trotzdem blieb die emanzipative Perspektive weiterhin an das Schicksal des Subjekts gebunden. Eine gewisse Subjektivität wurde vorausgesetzt, die lediglich als durch warengesellschaftliche Zwänge begrenzt vorgestellt wurde. Befreiung konnte dann als Aufhebung der Begrenzungen für das Subjekt, das dadurch erst zu sich selbst kommen konnte, gedacht werden.

  3. Jetzt jedoch fordert Lohoff dazu auf, nur noch "jenseits der Subjektform" zu denken und zu handeln.

(3) Kritik sollte deutlich machen, was eigentlich kritisiert wird. Das Subjekt im Sinne (I) (Emanzipationssubjekt a priori) ist bereits negiert. Welche Subjektivität wird in (III) negiert? Zuerst bleibt die im Punkt (II) noch „übriggebliebene“ Subjektivität inhaltlich unbestimmt. Später benennt sie Lohoff mit „ein mit sich identisches Gesamtsubjekt, das sich die Emanzipation von der Warenform auf die Fahnen schreibt“.
Ja, gegen solch einen als positiv bewerteten Subjektbegriff würde ich alle Argumente auch unterstützen. Kennt Lohoff allerdings nur diesen Pappkameraden von „Subjekt“?

(4) Ich habe den Eindruck, bei Krisis besteht die Methode darin, nach und nach alle irgendwie mit der „Moderne“ verbundenen Begriffe auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen. Wir können dazu ein Wörterbuch nehmen und es der Reihe nach durchnehmen. Im Moment sind wir halt beim „Subjekt“ angekommen. Wäre ich Krisianerin, würde ich mir als nächstes das Wort „Gesellschaft“ vornehmen. Auch dies ist ja „nur eine Abstraktion“ in bürgerlich verfasster Form.

(4.1) 24.05.2002, 12:06, Benni Bärmann: Darauf antwortet Lohoff ja schon unter Punkt I.5. Vermutlich reicht Dir diese Antwort nicht, aber mit so einer Pauschalkritik bringst Du das bestimmt nicht rüber. Diesen Absatz kann man IMHO getrost streichen, ohne dass Deine Kritik an Deutlichkeit verliert.

(4.2) 24.05.2002, 12:09, Robert Halbhuber: Das ist eigentlich doch gar nicht so schlimm!Subjekt sein heißt nämlich der eigenen Objektivierung untertänig sein. Gesellschaft ist halt von einer heutigen emanzipativen Betrachtung her gesehen,der Zusammenhang in dessen Grenzen sich die Menschen verhalten mußten und müssen.Menschliche Zusammenhaenge wird es auch nach einer Aufhebung geben.Das Bestehen der Subjektform ist nicht unbedingt notwendig,und nicht nur das, sondern geradezu schädlich.Gesellschaft ist heute nur als negative Vergesellschaftung möglich.Ziel einer Aufhebung muß sein diesen Zusammenhang, der die Subjektform immer wieder reproduziert,die Grundlagen zu entziehen-unter anderen die Herrschaftsform die als Denkform Kontrolle und Selbstkontrolle darstelllt-die Philosophie.

(4.2.1) 29.05.2002, 17:59, Annette Schlemm: Darum geht es ja in dem ganzen Text. Wieso soll es so sein, daß: "Subjekt sein heißt nämlich der eigenen Objektivierung untertänig sein." Wer behauptet das? Wer hat das Recht, mir ein Wort "wegzunehmen"? Ich denke, wir sollten hier wirklich sorgfältiger sein. Ich denke, angemessene Kritik führt zum Weiterdenken und Vertiefen von Begriffsdefinitionen, aber abstraktes Verneinen führt nie sehr weit...

(4.2.1.1) 02.07.2002, 13:51, Robert Halbhuber: Na ja das du da auf das Recht rekurrierst ist ja kein Zufall,da du ja dein abstraktes Selbst ver- teidigen musst.Mit dem vorschreitenden Krisenprozess wird diese Frage immer weniger wichtig. Ich habe kein Recht und ich will keines haben,genauso wie ich auf die damit zusammenhaengende Pflicht verzichten kann.Viva Hate! Subjekt -Objekt =Kampf auf Leben und Tod und zwar auf der Ebene um mit (Sohn Rethel) zu sprechen,auf der Ebene das das Brot das der eine isst,den anderen nicht satt macht.Aus der Trennung von Warenform und Denkform seine Festigkeit beziehen,und dann sich als Erkennendes abfeiern ,ist Subjektivitaet in der schmerzloseren Variante bildungs- buergerlichen Selbstschau,am anderen Ende dieser Subjektivitaet ist der neben dem Touri -Zug herlaufende sudanische Hungerbauch .Das Dritte das Vermittelt ist in beiden Faellen ,die in Krisenprozessen sich immer weniger vermittelde abstrakte Arbeit,die in den Verliererregionen, teiweise zur Subjektivitaet des Amoklaufs uebergeht. Das ich mich auf deine aesthetisierende Warte einlasse,kannst du von mir nicht erwarten!

(4.2.2) 16.10.2002, 23:26, Ano Nym: Hey I'm Robert Halbhuber!

(5) Nun, ganz so schematisch läuft es nicht und Lohoff nennt auch inhaltliche Gründe seiner Ablehnung des Subjektbegriffs:

1.1. Subjekt-Objekt-Verhältnis

(6) Ein Subjekt läßt sich immer nur als Gegenstück zu einem Objekt denken. Mit dem Subjekt holt man sich die Objektivierung immer mit ins Boot.
„Um auf den sozialen Zusammenhang bezogen als Subjekt zu figurieren, bedarf der Einzelne oder eine soziale Gruppe natürlich eines sozialen Objekts. Weil Gesellschaft nun einmal eine intermenschliche Veranstaltung ist, kommen für diesen Part aber nur andere Menschen in Frage. In Hinblick auf das gesellschaftliche Ganze heißt das nichts anderes: wer als Subjekt denkt und agiert, verhält sich zum eigenen gesellschaftlichen Zusammenhang immer schon wie zu einer vorausgesetzten, äußeren Größe.... Mehr noch, das Subjekt wird zum Subjekt, indem es andere zum Objekt degradiert.“

(6.1) Re: 1.1. Subjekt-Objekt-Verhältnis, 23.05.2002, 19:15, Hanna Behrend: Die Erkenntnis, ein Subjekt zu sein, bedeutet lediglich, die Mitmenschen als Andere und umgekehrt sich als eine/n von diesen Anderen Differente/n erkennen und wahrnehmen zu können. Von "Degradierung" kann bei diesem individuellen Wahrnehmen der eigenen Person nicht die Rede sein. Die Selbstwahrnehmung als Subjekt ist die Grundlage menschlicher Reflektionsfähigkeit.

(6.1.1) Re: 1.1. Subjekt-Objekt-Verhältnis, 24.05.2002, 12:11, Benni Bärmann: Das was Du beschreibst, würde ich als "Individuum" bezeichnen. "Subjekt" ist aber schon nochmal was anderes. Z.B. ist ein Subjekt für mich immer mit Handlung verbunden. Zum Individuum-sein reicht vielleicht schon die blosse Wahrnehmung von der Welt getrennt zu sein. Beides sind im übrigen historisch gewachsene Begriffe. Auch Individualität ist nichts selbstverständliches. Mystisches Denken z.B. hat ja gerade zum Ziel diese Grenze zwischen Welt und Ich aufzuheben.
Diese Unterscheidung zwischen "Individuum" und "Subjekt" findet zwar in beiden Texten irgendwie statt, aber für mich haben da beide noch nicht den Punkt getroffen. Bin aber selbst noch auf der Suche.

(6.1.1.1) Re: 1.1. Subjekt-Objekt-Verhältnis, 24.05.2002, 13:05, Robert Halbhuber: Das heutige mystische Denken ist nur noch was für Zuspätgekommene.Wir sind nicht mehr in den Siebzigern.Und überhaupt wir sind dafür hunderte von Jahren zu spät.Du mußt nicht mehr aus dem Inkrementalismus herauspringen wollen,der verabschiedet sich sowieso.Mystik bring da nichts -höchstens betriebswirtschafliches Denken.Ich und meine Firma,Ich und meine Arbeit-.Verschmelzen ,verschmelzen im Wahnsinnigwerden meines Gebrauchlos gewordenen Gebrauchs-alles wird zur Arbeit für den der Arbeit zu haben hat.Die letzte Konsequenz ist dann die Arbeit am Nächsten, mit dem Schießgewehr,danach ist das patriachale Selbst am Ende seiner historischen Reise.Mystik im Spätmittelalter(oder auch Frühbürgertum) war die Suche nach Gott,Mystik heute hat es immer mit sdem Selbst zu schaffen.Ich war in meinen Leben schon sehr krank gewesen.Ich habe Kundalini Yoga betrieben.Die haben es da auch immer mit Mystik,und vor allem mit dem Selbst.Und sie haben es mit dem kleinen Selbst das sich mit dem großen Selbst vereinigen soll-also Kosmologische Penetration und Größenwahn zu tun.Wer geht dahin? Die Sprößlinge der Überwachungs und Strafmaschine brauchen das um in der Konkurrenz,Psychotechniken zu lernen ,um sich vom Streß der Selektion zu erholen,um nicht ganz mit dem Sozialen zu brechen.Wie schön das es all die lieben Menschen gibt,und überhaupt auch Adolf Hitler war lieb-lieb zu Tieren ,da er ja einen Schäferhund hatte.

(6.1.1.1.1) Re: 1.1. Subjekt-Objekt-Verhältnis, 24.05.2002, 13:46, Benni Bärmann: Oh mein Gott, beruhig Dich mal wieder. Mystik war nur ein Beispiel.

(6.1.2) Re: 1.1.Subjekt-Objekt, 24.05.2002, 12:29, Robert Halbhuber: Und der Vermittler ist die Beziehung der Menschen untereinander ,die diese Selbstwahrnehmung so richtig schmerzhaft macht.Bei Hegel ist auf der Ebene des subjektiven Geistes auch von Kampf auf Leben und Tod die Rede.Das Verhältnis klärt aber nicht was der innere Zusammenhang dieses Verhältnisses ist .Das ist nicht Sache der Philosophie sondern einer geschichtlichen Betrachtung,die die Genese dieses Verhältnisses zeigt.Der idealistische Philosophie hat in ihrer Sittenorientierung und in der Ablehnung derselben,immer ein Bezug.Dieser Bezug ist oberflächlich die Plicht,schaut man sich das genauer so ist die Pflicht nur ein Ausdruck des Gesellschaftlichen Zwangsverhältnis das sich zu dieser Zeit konstituierte-die Arbeit.Sehr deutlich wird das in Kants Grundlegung der Methaphysik der Sitten ,in der die faulen Insulaner nicht für sie(die Pflicht) geeignet sind.Aufschlußreich ist auch die Beschäftigung mit den englischen Empiristen zB.John Locke ,in der Indianer zB keinen Wert schaffen können und deshalb nicht gesellschaftsfähig sind, da sie mit dem Land nichts anstellen wollen.Und dann noch Hegels Weltgeist-eine Homage an den Fetischismus.

(6.3) Re: 1.1. Subjekt-Objekt-Verhältnis, 30.05.2003, 13:22, anne stanke: ist es nicht anders herum, daß objekt existiert nur, weil das subjekt sich darüber versteht. was war zuerst, huhn oder ei? so kommen wir nicht weiter, problematisch ist die gravierende abhängigkeit im denken bezüglich des subjekt - objekt - dualismus. unser bewußtsein ist in der lage, zu transzendieren, sich von alle dem abzuheben und seinen körper als von anderen erkanntes objekt stehen zu lassen. niemand fühlt sich wohl in der rolle des beobachteten. wissen wir denn nicht, daß unser gegenüber, den wir realisiert haben, ohne mit ihm/ ihr zu kommunizieren, daß er/ sie denkt. tod dem subjekt - es wird uns auf immer verfolgen und beschneidet uns in der freiheit, anders zu denken. naja und die aufklärer haben auch ein bißchen schuld.

(7) Später verdeutlicht Lohoff, daß er sich nur eine „strikte Trennung vom Objekt“ für das Subjekt vorstellen kann. „Die Subjekt-Objekt-Dichotomie scheidet zwei Daseinsweisen...“ und sie „steht für eine strikte Trennung in einen aktiven und einen passiven Part“.

1.2. Objektivität der Naturerkenntnis

(8) Moderne Wissenschaftstheorie macht immer deutlicher, daß nicht die Natur „an sich“ von Menschen wissenschaftlich untersucht wird, sondern Anteile von ihr erst „zum Objekt gemacht“ werden (siehe auch Schlemm 2000). Dies wird auch in der Wissenschaftskritik innerhalb des „Krisis“-Kreises diskutiert und kritisiert – und ist nicht ganz so neu, wie sie behaupten.

(9) Worauf ich jetzt noch warte, ist die Antwort darauf, wie Naturwissenschaft (ich meine mit Absicht nicht spirituelle Versenkung oder ähnliches) ohne Objektivierungen möglich ist. Soweit mir bewusst ist, ist bereits jede Dokumentation eines fließenden Gedanken – und mag es noch so eine subjektivistische Erkenntnis sein – mit der Objektivierung in Wort oder Schrift verbunden... Bereits jede Auswahl eines Themas macht aus der Fülle der unendlichen Welt ein „Objekt“... Aber ich lasse mich gern überraschen mit einer Wissenschaft ohne Objektivierung aus Krisis-Kreisen.

(9.1) 29.05.2002, 18:03, Annette Schlemm: Nun ja, dies ist ein weites Thema. Ich gebe zu, daß ich auch darüber nachdenke, wie die Qualitäten wieder in das Denken hineinzubekommen sind (ich hab grad gelesen, daß ein Bloch-Schüler, Jürgen Teller, dazu promovieren wollten, aber wegen dem Weggang Blochs aus Leipzig nicht mehr durfte). Dazu gibts in den wissenschaftstheoretischen Texten von mir mehr...
Hier wollte ich nur der Vollständigkeit halber darauf verweisen, daß der Begriff des Erkenntnis-Subjektes auch zu behandeln sein wird... aber nach meiner Kenntnis ist es für Krisis-Vertreter (hier Peter Ortlieb) auch hier typisch, bei abstrakter Kritik und Räsonnierem stehen zu bleiben...

(9.1.1) Re: Qualität ins Denken, 31.05.2002, 11:22, Konrad Stoeber: Irgendwas fehlt hier, bitte nachtragen.

(9.1.1.1) Re: Qualität ins Denken, 06.06.2002, 17:32, Annette Schlemm: Nein, für diesen Text will ichs dabei belassen. Das ist schon wieder ein neues Thema.

(10) Auch im gesellschaftlichen Bereich erzwingt die Subjektform Objektivierungen. Erstens gegenüber dem gesellschaftlichen Zusammenhang: dieser ist nach Lohoff für das Subjekt immer eine „vorausgesetzte, äußere Größe“. Zweitens wird auch das Individuum nur zum Subjekt, indem es andere Individuen nur noch als Objekte betrachtet/behandelt.
„In der Beziehung zum anderen kann das Subjekt seinen Status als souveränen Aktor nur behaupten, indem es in ein instrumentelles Verhältnis zu ihm tritt. Die Verallgemeinerung der Subjektform macht aus diesem Verhältnis ein Verhältnis zur wechselseitigen Instrumentalisierung.“ (Lohoff)
Drittens macht das Subjekt unweigerlich auch sich selbst zum Objekt.

2. Die Kritik der Kritik

(11) Mit diesen Aussagen hat Lohoff durchaus Recht. Nur was bedeutet dieses Rechthaben? Ist es der Weisheit letzter Schluß? Da Lohoff selbst dem von ihm kritisierten Begriff keine Alternative entgegenstellt, wird auch kaum klar, von welchem Standpunkt aus seine Kritik geführt wird. Deutlich wird, daß jegliche Objektivierung als Negatives, Abzulehnendes vorausgesetzt wird. Denn die Kritik gilt immer als durchgeführt, wenn nachgewiesen wurde, wieso das Subjektive Objektives bedingt, zu Objektivierungen führt. Warum diese Voraussetzung mit getragen werden soll, bleibt unbegründet. Sie verstellt jedoch die Entwicklung des Begriffs „Subjekt“ über seine abstrakte Form hinaus.

2.1. Abstrakte Subjektivität - Objektivität

(12) Der ständige Verweis auf „strikte Trennungen“ und „Dichotomien“ zeigt schon an, daß ein Denken objektiver Widersprüche bei Krisis nicht möglich ist. Es könnte ja sein, daß das Subjekt-Objekt-Verhältnis eine in sich widersprüchliche Dialektik darstellt. Was dies sein könnte, ist vom Krisis-Standpunkt aus völlig undenkbar. Dialektik deutet sich gerade da an, wo etwas mit sich selbst identisch ist – aber eben nicht nur auf abstrakte Weise („A“ = „A“ bzw. „A“ = „Nicht-B“, wie „Subjekt“ = „Nicht-Objekt“), sondern ebenfalls „in sich entgegengesetzte Bestimmungen enthält“ (Hegel 1833/1982, S. 247). Ein konkretes Subjekt ist dialektisch gesehen nur dann ein Subjekt, wenn es nicht nur seine Subjektivität als statisch-Abstraktes (gegenüber den Objekten) beibehält, sondern sich in widersprüchlichen Prozessen mit Tätigkeit und Vergegenständlichungen/ Objektivierungen als Ausdruck dieser Tätigkeit immer wieder neu erzeugt.

Abstraktheit

(13) „Abstrakt“ gesehen, wie es Lohoff auch für den Punkt II ausdrücklich voraussetzt, ist dies natürlich nicht sichtbar. Jegliche Objektivierung wird verteufelt und festgestellt, daß ein ihr abstrakt entgegengesetztes Subjektives ebenfalls nur zu solcherweise kritisierter Objektiverung führt. Das reproduziert die Grundlagen der Dialektik: Abstrakt gesehen fällt Jedes notwendigerweise in sein Gegenteil. Erstes Kapitel des Ersten Abschnitts des Ersten Teils der dialektischen Logik: Wegen ihrer abstrakten Unbestimmtheit ist das „Sein“ dasselbe wie das „Nichts“: „Nichts ist... Bestimmungslosigkeit und damit überhaupt dasselbe, wie das reine Sein ist.“ (Hegel 1812/1986, S. 83). Aber dieses Wissen ist für Hegel nur der allereinfachste Ausgangspunkt und treibt ihn zur dialektischen Weiterführung der Begriffsbildungen, während es die Gewohnheit der Krisianer zu sein scheint, hier den Verstand zu verlieren und nicht mehr zur Vernunft kommen zu können.

Abstrakte Subjektivität

(14) Die Subjektivität wird abstrakt inhaltlich nur als Entgegensetzung zum Objektiven betrachtet. In dieser Bestimmung sind alle Subjekte als einander gleich vorausgesetzt. Es gibt dann keine individuelle Besonderheit der Subjekte, sondern nur ihre Gleichheit, insofern sie sich Objektivem entgegensetzen.
Der Subjektbegriff kann mithin hier nur in seiner abstrakten Identität (Ein Subjekt ist und bleibt ein Subjekt, insofern es dem Objektiven entgegengesetzt ist) gedacht werden. Dass es dabei gleichzeitig in sich unterschieden und mannigfaltig sein könnte (Besonderheiten der individuellen Subjektivitäten) wird kategorisch ausgeschlossen.

(15) Von Dialektik haben Krisianer wirklich nichts mitbekommen.
Damit reproduzieren sie, die so allergisch auf alle vermuteten Anhaftungen bürgerlichen Denkens reagieren, ausgerechnet selbst nur bürgerlich-abstrakte Denkformen, speziell in der für sie nur abstrakt denkbaren Form von Subjektivität.

(15.1) 09.07.2002, 15:43, Ano Nym: Das ist nicht nur Raesonnieren-sondern auch Resentiment!Bildungsbuergerliche Quatsch. Was du mitbekommen hast ist eine Ueberdosis professoralen Duenkels.Viele Gruesse von Oben- auf der Spitze der Pyramide.Pauschalisierung ueber Pauschalisierung.Das haettest du dir auch sparen koennen!Schwach!Das ist nicht mehr souverain.Verfallsform der Bidungsbuergerlichen Hetze. Mein Niveau hatte ein Niveau.

(16) Wie sie auch sonst nicht zu einer Aufhebungsperspektive kommen, können sie auch hier nur das reproduzieren, was vorliegt und in abstrakter Form negieren, aber nicht einmal gedanklich aufheben. Aus der abstrakten Definition (als Gegenteil zum Objekt, d.h. seiner abstraktesten Bestimmung, in der Behauptung, nur das sei eine angemessene Definition) heraus wird vorausgesetzt, daß jedes Subjekt sich „stets im Feindesland“ befinde und eine Alternative, ein „Subjekt als Wesen, das sich selber Zweck ist“, könne nur als „bloße Behauptung, eine notwendige Fiktion“ gedacht werden. Nicht denkbar ist dann: „Ein Wesen, welches keinen Gegenstand außer sich hat, ist kein gegenständliches Wesen.“ (Marx 1944/1990, S. 578).

(17) Warum das Nicht-Identische unbedingt „Feindesland“ sein soll, bleibt unbegründet. Unter dieser Voraussetzung ist es undenkbar, daß die Vergegenständlichung (Objektivierung) des Subjektiven notwendig zu seinem Wesen gehört.
„Das gegenständliche Wesen wirkt gegenständlich, und es würde nicht gegenständlich wirken, wenn nicht das Gegenständliche in seiner Wesensbestimmung läge.“ (Marx 1944/1990, S. 577)

(18) Damit wird zwar Lohoffs Kritikinhalt bestätigt (das Subjektive habe das Objektive an sich), es erscheint aber in einem ganz anderen Licht: als dialektisches Wechselverhältnis, nicht als abstraktes Gegeneinander.
Gerade indem Lohoff der Subjektform den „Mensch(en) als sinnliches Wesen“ gegenüber stellt, zeigt er sein Bedürfnis nach einer lebendigen, aber auch sinnlich-gegenständlich wirkenden Identität und er kritisiert damit die von ihm selbst gesetzte Abstraktheit des Subjektbegriffs.

(19) Wieso sollte man bei dieser als ungenügend nachgewiesenen abstrakten Bestimmung des Begriffs „Subjekt“ stehen bleiben? Die von Lohoff angefügten historischen Begriffsbestimmungen bei Descartes, Kant usw. sind tatsächlich, wegen ihrer begrenzten Sicht, der Gleichsetzung von Vernünftigkeit mit Subjektivität, gerade dem Verlust des Sinnlichen und Gegenständlichen, zu kritisieren. Weil das kleine Einmaleins zur Berechnung von Differenzialgleichungssystemen nicht ausreicht, sollen wir also die Axiomatik der Zahlbegriffe aufgeben – weil auch das kleine Einmaleins sie verwendet - , statt sie weiter zu entwickeln?

2.2. Abstraktes Natur-Mensch-Verhältnis

(20) Es ist sicher auch kein Zufall, daß die wichtigste Subjekt-Objekt-Dialektik bei Lohoff überhaupt keine Erwähnung findet: diejenige im praktisch-gegenständlich-sinnlichen Lebensprozesse der wirklichen Menschen. Hier ist die Vergegenständlichung der menschlichen Tätigkeit (wenn wir in Rücksicht auf die Krisianer schon nicht von „Arbeit“ sprechen wollen) im Prozeß der Reproduktion der individuellen und gesellschaftlichen Lebensgrundlagen essentiell.

(21) Wir kennen die krisistypische Ablehnung des Wortes „Arbeit“ für jene Tätigkeiten, die vermittelt über gesellschaftlich organisierte Reproduktionsprozesse der individuellen und gesellschaftlichen Reproduktion dienen. Mit dem Verlust des Wortes für „Arbeit“ ist aber bei Krisis auch jegliches Bewusstsein dafür verschwunden, daß das, was damit inhaltlich gemeint war, durchaus Thema von Betrachtungen bleiben muß. Dies wirkt sich hier bei der Behandlung der Subjekt-Objekt-Dialektik auf verhängnisvolle Weise aus.
Deshalb kann auch das in diese Reproduktionshandlungen eingebundene Erkennen, die wissenschaftliche Tätigkeit nicht mehr in diesem Kontext betrachtet werden, sondern unterliegt rein abstrakten Räsonnements.

(21.1) 24.05.2002, 12:17, Benni Bärmann: Meiner Wahrnehmung nach ist "Arbeit" bei Krisis schon noch etwas mehr als nur gesellschaftliche Reproduktion. Das wäre ja ein unhistorischer Arbeitsbegriff und den kritisieren sie ja gerade. Worin genau dieses "mehr" besteht, ist mir aber grad auch nicht klar.

(21.1.1) 29.05.2002, 18:05, Annette Schlemm: Dann müssen wir es eben neu bezeichnen. Es geht um jenen typisch menschlich-gesellschaftlichen Prozeß, der mit auch mit "Handeln" oder "Aneignen" umschrieben wird, auf jeden Fall aber eine ganz wichtige Subjekt-Objekt-(Prozeß)-Dialektik beinhaltet, die wir eben nicht vergessen dürfen, wenn das Ganze nicht kontemplativ vom wirklichen, gegenständlichen Leben abheben soll.

2.3. Abstraktion der gesellschaftlichen Subjektivität

(22) Lohoff findet die im Kapitalismus real gegebene Abstraktion zwischen vereinzeltem Individuum und abstrakt-äußerlicher Gesellschaftlichkeit auch in den bürgerlichen Denkformen wieder. Seine Kritik lässt jedoch nicht erkennen, worin eine angemessene Aufhebung bestehen kann (mehr dann dazu unter 4.3.). Deshalb bleibt die Kritik ebenfalls nur abstrakt.

3. „Subjekt“ auf welcher Ebene

(23) Letztlich wird es darauf ankommen, die verschiedenen Ebenen, auf denen das Wort „Subjekt“ verwendet werden kann, nicht zu verwechseln.
Das sind:

(1) die Ebene des unmittelbar-Konkreten:

(24) Hier geht es um die empirisch vorfindbaren Personen als Träger der Subjekten zugesprochenen Eigenschaften und Fähigkeiten im Prozeß ihres Lebens, die selbst auch "Subjekte" genannt werden.

(24.1) Re: (1) die Ebene des unmittelbar-Konkreten:, 24.05.2002, 12:18, Benni Bärmann: Vielleicht erschöpft sich das, was man "Individuum" nennt dann schon in dieser Ebene? Also Individuum = unmittelbar konkretes Subjekt?

(24.1.1) Re: (1) die Ebene des unmittelbar-Konkreten:, 29.05.2002, 18:06, Annette Schlemm: Naja. "Individuum" wird oft auch schon für biologische Organismen verwendet, die ja das, um was es mir bei "Subjektivität" geht, nicht mit tragen (individuelle Möglichkeitsbeziehung gegenüber der Welt, Bedingungsveränderung).

(24.1.1.1) Re: (1) die Ebene des unmittelbar-Konkreten:, 02.07.2002, 23:00, Benni Bärmann: also vielleicht "menschliches Individuum"?

(24.1.2) Re: (1) die Ebene des unmittelbar-Konkreten:, 23.10.2002, 16:47, Robert Halbhuber: Ich würde an diesem Punkt von Faktizität der Überantwortung im Heideggerschen Sinne sprechen.Übertragen auf eine fetischkritische Auseinandersetzung bedeutet dieses Unmittelbare ein ausgeliefert sein.Das unmittelbar Konkrete ist die existenzielle und existenziale Angst,der Selbstbezug und und das gesellschaftliche Zwangsverhältnis .Das Individuum ist nicht gleichzusetzen mit der Subjekform auch nicht mit einer anzunehmneden konkreten.Das Individuum muß mit der Subjektfom zurechtkommen,geht aber nicht darin auf. Das auf sich "Selbstehende" verhindert jeden konkreten gesellschaftlichen Bezug.Das Äquivalent ist der Narziß,und der ist konkret historisch.Das Individuum kann in seiner Einzelheit sehr wohl auch kollektiv bestimmt sein zb .in der Form des majestätischen Wir.

(2) die Ebene des verständig-Abstrakten:

(25) In der Abstraktion wird von individuellen Besonderheiten (der Unterschiedlichkeit) der unmittelbar-konkreten Subjekte abstrahiert und ihre Subjekthaftigkeit allein in der abstrakten Entgegensetzung mit allem Objektiven gesehen. In diesem Fall wird allein die abstrakte Identität jedes Subjekts mit sich in der abstrakten-äußerlichen Entgegensetzung zum Objektiven erkannt. Die von Lohoff genannten Subjektbegriffe fallen genau in diese Ebene. Einmal wird das Subjekt dem gesellschaftlichen Zusammenhang untergeordnet vorgestellt (im mittelalterlichen Denken) und das andere Mal wird das Subjekt – zumindest scheinbar – dem gesellschaftlichen bzw. den natürlichen Zusammenhängen vor- bzw. übergeordnet (im modernen bürgerlichen Denken). Aus einander entgegenstehenden Abstraktionen kann nicht viel geschlossen werden – sie verweisen eher auf die Notwendigkeit einer anderen als der abstrakten Denkform.

Realabstraktionen

(26) Besonders kompliziert wird der Status dieser Ebene im Rahmen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, weil hier diese Abstraktionen nicht nur willkürlich im Kopf gebildet werden, sondern durch die gesellschaftliche Struktur (Isolierung der einzelnen Menschen durch die Trennung von und Privatisierung der gemeinschaftlichen Lebensgrundlagen und Produktionsmittel) sogenannte "Realabstraktionen" existieren. Die vereinzelten Menschen sind hier tatsächlich miteinander nur äußerlich (über waren- und wertförmige Beziehungen) verbunden, und die Gesellschaft erscheint ihnen als "äußere Sache" und nicht als eigenes Tun. Wird Subjekthaftigkeit auf diese eine Subjektform reduziert, bleibt das Denken in dieser gesellschaftlichen Form befangen. Diese Subjektform ist tatsächlich das Ergebnis eines langen historischen Prozesses. Aber muß es sein Abschluß sein, wie Lohoff behauptet? Alles, was Lohoff zur Kritik der Subjektbegriffe bei Descartes und Kant usw. schreibt, ist nicht falsch, verweist aber lediglich auf die Beschränktheit dieser zweiten Ebene.

(3) die Ebene des wesentlich-Gesetzmäßigen:

(27) Zwischen dem Verständigen (2): und dem Vernünftigen(4), dem Abstrakten und dem geistig-Konkreten begegnen wir dem für die Wissenschaft typischen Verhältnis zwischen Erscheinung und Wesen. Das Wesen der "Subjektivität" tritt in Erscheinung in Form unmittelbarer, konkreter Existenzformen. Jedes Wesen muß zur Erscheinung kommen, denn ein "Wesen an sich" gibt es nicht (etwa eine "reine Subjektivität/Individualität", die nicht durch ihre konkrete Erscheinungsform "verunreinigt" wäre).

(28) Jeder Inhalt hat eine Form. Form zu sein, ist für sich betrachtet erst einmal überhaupt nicht kritikwürdig (Subjektkritik als Subjektformkritik bei Lohoff). Es geht darum, bestimmte konkrete Formen (z.b. bürgerliche Subjektform) angemessen zu kritisieren.

(29) Das Wesen ist dabei nicht nur als abstrakte Einheit zu sehen (obgleich das wissenschaftliche Denken sehr nahe am verständigen Denken liegt und als das Wesen oft nur die abstrakte Adäquatheit missverstanden wird), sondern es ist jene innere Einheit, die die spezifische Dynamik bestimmt. Damit ist bereits die innere Widersprüchlichkeit enthalten, aber noch nicht inhaltlich bestimmt.

(29.1) 24.05.2002, 12:20, Benni Bärmann: Diesen Punkt (3) hab ich auch nach mehrmaligem lesen nicht so recht verstanden. Das nur als Feedback. Liegt bestimmt an mir :-)

(29.1.1) 29.05.2002, 18:11, Annette Schlemm: Nun, dafür gibts berechtigterweise ganze Bücher. Hier steht nur die Zusammenfassung. Wichtig ist für das Verstehen des Unterschieds zwischen abstrahierendem und dialektischem Denken nur die Unterscheidung 2) und 4). 1) muß aber noch rein, um klar zu machen, wo diese häufige Denkaktivität (soweit es Denken ist) reingehört. Und 3) habe ich noch reingenommen um zu zeigen, wo die in der Erkenntnistheorie wichtige Unterscheidung zwischen "Wesen" und "Erscheinung" reingehört. Wissenschaft wird ja doch meist definiert als etwas, was nicht nur Erscheinungen beschreibt oder zusammenträgt, sondern nach so etwas wie dem "Wesen" sucht... Dieses Wesen erscheint dann auch in Form von "Gesetzen" die nun wirklich typisch für wissenschaftliches Erkennen sind. In dieser Form ist es aber weder dem rein abstrakten noch dem rein dialektischen Denken zuzuschreiben, sondern steht sozusagen dazwischen. Das "wesentliche Verhältnis" als "Gesetz" (Hegel) erfaßt schon das Wesentliche gegenüber dem Unwesentlichen(alsomehr als 2), aber noch in ruhender Form, nicht in Form der widersprüchlichen Prozessualität, wie dann in 4).

(4) die Ebene des vernünftig-geistig-Konkreten:

(30) Die Abstraktheit der Ebenen (2) und (3) wird aufgehoben, wenn nicht mehr von der inneren Widersprüchlichkeit der Momente innerhalb der mit sich identischen Einheit abstrahiert wird und das Wesen nicht mehr nur als in sich ruhender Grund der Dynamik betrachtet wird. Der Reichtum mannigfaltiger Momente und Beziehungen der Einheit (Totalität) wird geistig reproduziert, die Identität von Identität und Unterschied ist denkbar geworden – die Totalität wird begriffen (zum Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten siehe Schlemm 1996/98). Ein Subjekt ist also eine Einheit, die ihren Subjektstatus beibehält (nicht zum Objekt wird), aber dies gerade dadurch erreicht, daß sie in ihrer Tätigkeit, im Lebensprozeß, der Praxis Vergegenständlichungen/Objektivierungen realisiert.

(30.1) Re: (4) die Ebene des vernünftig-geistig-Konkreten:, 30.05.2002, 23:00, Konrad Stoeber: Manchmal wird der Gegenstand auch entgegenständlicht, z.B. beim Essen, und solange nicht gefressen wird, geschieht das auf sehr menschliche - halt gesellschaftliche - Weise. Man benutzt nicht nur Klaue und Zahn, sondern der Tisch wird fein gedeckt, und die Nahrungsaufnahme erfolgt bei Kerzenlicht vermittels zierlicher Bestecke. - Selbst da steht das Subjekt nicht nackt da.

(31) Das muß sich nicht nur auf rationale Tätigkeiten beziehen (Lohoff erwähnt öfter die tatsächlich einseitige historische Bezogenheit des Subjektbegriffs auf Rationalität), sondern auch andere Befindlichkeiten des Menschen streben – z.B. in der Kunst – nachdrücklich nach Objektivierungen, um sich – sich davon wieder abstoßend - weiter entfalten zu können.
Aufgrund des zeitlichen Prozesses ist es gerade nicht ausgeschlossen, daß mehrere Subjekte intersubjektiv kooperieren, und gerade in dieser Gemeinsamkeit ihre individuelle Subjektivität weiter entfalten. Die Objektivierung ihrer Tätigkeit verrinnt in der Vergangenheit und wird zur Grundlage gegenwärtigen und zukünftigen Handelns.

(32) Auch in der Beziehung zwischen Menschen ist Objektivierung sogar notwendig zur Bestätigung der eigenen Subjektivität. Wenn nur ich meine "innere" Subjektivität spüre, wenn nur ich mich nur "für mich selbst" entfalte – fehlt mir die mir selbst notwendige Gesellschaftlichkeit meines Lebens. Ich spüre diese Gesellschaftlichkeit durchaus vor allem in der Verobjektivierung. Ich brauche die Objektivierung meiner Subjektivität.

(32.1) 24.05.2002, 12:22, Benni Bärmann: Das sehe ich noch nicht so recht, wieso Objektivierung unbedingt nötig sein soll. Ich habe Selbstentfaltung (im oekonux-Sinne) immer als Subjekt-Subjekt-Relation verstanden und nicht als wechselseitige Objektivierung.

(32.1.1) 29.05.2002, 18:16, Annette Schlemm: Immer beides!!! Mich hat der Text von Lohoff dran erinnert, daß das Subjektive nicht nur "in sich" bleibt, sondern jedes Aus-sich-Herausgehen (um beim anderen Subjekt ankommen zu können), ist auch eine Art Objektivierung. Und das muß ja nicht als was per definitionem "Schlechtes" betrachtet werden. Mir ist dazu wirklich spontan das Bedürfnis eingefallen, "Spuren hinterlassen" zu wollen. Daß man sich erinnert. Aber an was da erinnert wird, ist immer (dem andern gegenüber) etwas Objektiviertes. Die Begriffe verschwimmen hier ein wenig, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man das sieht. Aber es wäre nicht exakt so zu tun, als gäbe es den Effekt der Objektivierung nicht (bei Sartre als "der Blick" thematisiert).

4. Ein anderer Subjektbegriff

(33) Es ist deutlich zu erkennen, daß alle Bestimmungen, die Lohoff der Subjektivität zuschreibt, der Ebene (2) zuzurechnen sind. Und als solche sind sie als beschränkt zu kritisiereren – einerseits in ihrer Vorfindlichkeit als objektive Realabstraktionen und andererseits in der diese abbildenden Begrifflichkeit. Aber eine Phase, in der die Erkenntnis die abstrakte Einheit einer Sache und der sie beschreibenden Kategorie erkennt, ist auch notwendig. Bleibt sie aber bei dieser abstrakten Einheit stehen, verbaut sie sich das Begreifen der bewegungsbestimmenden inneren konkreten Widersprüchlichkeit. Schwarz-Weiß-Denken, „Gut“-„Böse“- Dichotomien und alle „strikten Trennungen“ zwischen miteinander Vermitteltem können zwar verständige Abstraktionen sein, sind aber noch nicht vernünftig.

(34) Lohoff betont selbst, daß seine Subjektkritik „streng genommen“ nur als „Subjektformkritik“ verstanden werden kann. Damit kommt er zum Punkt: Ja, real tritt Subjektivität immer in konkreten Formen auf. Aber nicht, daß die Subjektivität überhaupt Formen annimmt, kann kritisiert werden, sondern die konkrete Subjektform in einer konkreten Gesellschaft kann tatsächlich begründet kritisiert werden.

(34.1) Subjektform, 03.06.2002, 19:01, Stefan Meretz: Nach meinem Eindruck argumentierst du an Lohoff teilweise vorbei - und er - würde er antworten - auch an dir (Petras Argumentation in 54.1.1.1 deutet das an). Für Lohoff ist Subjekt(ivität) nicht etwas genuin menschliches - ein ontisches Faktum -, sondern historisches Produkt der warenproduzierenden Gesellschaft. Seine Formkritik ist - durchaus konsistent - immer auch Kritik einer Subjektontologie in dem Sinne, dass es unzulässig ist, die bürgerliche Subjektivität zum Menschlichen schlechthin zu erklären. Diese Kritik finde ich berechtigt. Sie ist aber in ihrer Abstraktheit und Formfixiertheit (respektive Inhaltsleere) gleichzeitig Kritik jeder Ontologie. Was der Mensch ist, ist unklar, "Subjekt" ist er jedenfalls nicht - so ungefähr. Ihm jetzt vorzuhalten, seine Kritik der Subjektform (=bürgerlichen Form) gehe fehl, denn nicht "daß Subjektivität überhaupt Formen annimmt, kann kritisiert werden, sondern (nur, S.M.) die konkrete Subjektform in einer konkreten Gesellschaft" wird er in seiner Logik kontern mit dem Verweis darauf, dass "Subjektivität" ein bürgerliches Produkt, also der genau (ontologische) Standpunkt sei, um den zu kritisieren es ja gerade ginge. Jede Kritik, die das nicht sähe, reproduziere eben nur jenen Standpunkt, auf dem sie selbst steht. - So ungefähr. Das empfinde ich als Dilemma.

(35) Die abstrakte ist eine durchaus notwendige Durchgangsstufen des Erkennens. Es ist wichtig, die in sich ruhende Identität, die Entgegensetzung zu Anderem als Bestimmung seines Gegenstands, hier des „Subjekts“ zu erkennen. Dialektisches Erkennen geht dann weiter und kommt von den im Abstrakten festgehaltenen Entgegensetzungen zu den konkreten wirklichen Bewegungsformen, in denen die konkrete Widersprüchlichkeit sich im Prozeß weiter treibt (zu Ebene 4). Die vorher vereinzelten, nur entgegengesetzten Elemente begründen sich als Abstraktion von in Wirklichkeit dialektisch miteinander vermittelten Momenten. Das Erkennen wird zum Begreifen, zum Aufgreifen der vielfältig in sich widersprüchlichen Mannigfaltigkeit in ihrer Prozeßhaftigkeit. Von der abstrahierenden Verständigkeit kommt es zur dialektischen Vernunft. Das heißt, es kann dazu kommen, wenn sich das Erkenntnissubjekt nicht verweigert.

4.1. Die Subjekt-Objekt-Dialektik

(36) Wir hatten bei Lohoff lediglich den Standpunkt einer Entgegensetzung von „Subjekt“ und „Sinnlichem“ gefunden. Es bleibt unergründlich, warum jene, die meinen den Marxismus weiterentwickelt zu haben, seine grundlegendsten Grundlagen immer wieder vergessen. Die abstrakte Entgegensetzung von Subjekt und Objekt wurde deutlich in der 1. Feuerbachthese von Marx überwunden. Hier kritisiert er am bis dahin vorliegenden Materialismus, „daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, die Sinnlichkeit nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefasst wird; nicht aber als menschliche sinnliche Tätigkeit, Praxis, nicht subjektiv.“ (Marx 1988/1990, S. 533).

(37) Marx kritisiert Hegels Subjektbegriff, weil bei dem „nur die Abstraktion des Menschen, das Selbstbewusstsein“ (Marx 1844/1990, S. 577) zum Subjekt wurde statt des „wirklichen Menschen“. Die Subjektivität des wirklichen Menschen jedoch ist „die Subjektivität gegenständlicher Wesenskräfte, deren Aktion daher auch eine gegenständliche sein muß.“ (ebd.). Dieses Gegenständliche ist kein „Feindesland“ mehr. Es ist Verkörperung der Wesenskräfte des Menschen und und die Voraussetzung seiner Setzung als natürliches Wesen. Es ist ihm nicht wirklich fremd, sondern nur in betrachtender oder in realer Abstraktion. Diese Abstraktion ist jedoch durch dialektische Konkretion aufzuheben, nicht durch abstrakte Kritik des Abstrakten.

4.2. Mensch-Natur-Dialektik

(38) Wenn wir von konkreten Menschen sprechen, lässt sich der von Lohoff ausgesparte Aspekt des Reproduktionshandelns nicht aussparen. Im Gegenteil – er rückt ins Zentrum, denn in diesem Prozeß bewegt sich die spezifische Subjekt-Objekt-Dialektik als Natur-Mensch-Produkt-Dialektik. Marx verdeutlicht den damit eingenommenen Ausgangspunkt:
„In Gesellschaft produzierende Individuen – daher gesellschaftlich bestimmte Produktion der Individuen ist natürlich der Ausgangspunkt.“ (Marx 1858/1983, S. 19).

Produktion

(39) Natürlich geraten wir damit ins Fahrwasser des „Produktivismus“, Produktion wird als wesentlicher Handlungsprozeß betrachtet und nicht das Denken oder andere menschliche Bestimmungen. Bei Marx war die Rolle dieses Wesentlichen nie, alles andere unter sich zu subsumieren. Aber es ist auch nicht nur ein beliebiges Subsystem neben beliebigen anderen:
„In allen Gesellschaftsformen ist des eine bestimmte Produktion, die allen übrigen und deren Verhältnisse daher auch allen übrigen Rang und Einfluß anweist. Es ist eine allgemeine Beleuchtung, worin alle übrigen Farben getaucht sind und [die] sie in ihrer Besonderheit modifiziert.“ (Marx 1858/1983, S.40)

(39.1) Re: Produktion, 24.05.2002, 12:30, Benni Bärmann: Oben sprichst Du noch von blosser Gegenständlichkeit und hier ist es jetzt schon "Produktion". Das ist ein Sprung, den ich so nicht mitgehen würde. Einmal kann Gegenständlichkeit ja viel mehr sein als nur Produktion (Spiel, Sex, Party, ...) und ausserdem ist die Grenze von "Produktion" eh ziemlich schwierig zu fassen. Es gibt einen Text von lazarato zu dem Thema: http://www.copyriot.com/unefarce/no4/tarde.html wo das problematisiert wird.

(39.1.1) Re: Produktion, 29.05.2002, 18:17, Annette Schlemm: Aber die Produktion ist eben derjenige Umgang mit Gegenständlichkeit, bei dem die gesellschaftliche Vermittlung wesentlich ist (was es bei Sex, Party etc. nicht ist).

(39.1.1.1) Re: Produktion, 30.05.2002, 01:38, Benni Bärmann: Sehe ich anders. Zeig mir die Party, bei der es nicht um gesellschaftliche Vermittlung geht. Oder Spiele: Da entstehen ganze (Sub-)Kulturen rund um einzelne Spiele, etc. Und auch die sexuellen Gewohnheiten, Vorlieben, etc. von Menschen sind alles andere als einfach nur intersubjektiv. Ich denke es gibt verdammt viel mehr als das was klassisch unter Produktion verstanden wird, was aber trotzdem Gesellschaft entscheidend mit prägt. Entweder bezeichnet man das dann auch als "Produktion", so wie Lazarato in dem obigen Text oder man muss sich für diese Bereiche eine Nicht-Produktivistische Theorie stricken.

(39.1.1.2) Re: Produktion, 30.05.2002, 23:51, Konrad Stoeber: Das solltest Du mal erklären, weil’s mir völlig neu ist, dass nur die Produktion derjenige Umgang mit Gegenständlichkeit (ist), bei dem die gesellschaftliche Vermittlung wesentlich ist. Darf man daraus schlussfolgern, dass etwa Konsumtion (Zirkulation, Distribution) der Umgang mit Gegenständlichkeit ist, bei dem die gesellschaftliche Vermittlung unwesentlich ist ? Ich müsste lange überlegen, welche menschliche Tätigkeit (auch die privateste) nicht gesellschaftlich vermittelt ist. Und da finde ich bestenfalls bei Verhaltensweisen, die wir von unseren tierischen Vorfahren übernommen haben. (gedankenverloren am Kopf kratzen, Reflexe, Übersprungshandlungen u.s.w.)

(39.1.1.3) Re: Produktion, 30.05.2002, 23:52, Konrad Stoeber: Insofern hat natürlich Benni recht, sobald bei einer Party trockener Rotwein getrunken, gequalmt und gekifft wird, ja sobald der eine oder andere PartygastIn (in den Tanzpausen) spricht und ihm eine andere zuzuhören versucht, der Lärm der Boxen ihn dabei stört, sobald es beim Sex nicht wie bei den Karnickeln zugeht (Lack und Leder) und/oder Kondome genommen werden, sind das wesentlich gesellschaftlich vermittelte Betätigungsweisen. Oder was ist für Dich ein Umgang mit Gegenständlichkeit, der wesentlich gesellschaftlich vermittelt ist ? Und wenn Du’s gern etwas politökonomischer hättest: Erst die Konsumtion gibt der Ware ihren „finishing stroke“. An Benni: Also ich würde es mit „Produktion“ bei dem belassen, was klassisch unter Produktion verstanden wird. Es gibt in der Gesellschaft tatsächlich mehr als nur Produktion. Wäre ja nicht auszuhalten sonst.

(39.1.1.3.1) Re: Produktion, 31.05.2002, 00:12, Konrad Stoeber: War noch nicht fertig, aber der Meister hat mich 23:55 Uhr meiner Korrekturmöglichkeiten beraubt. In Klammern nach "finishing stroke" - Marx: Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie -

(39.1.1.3.1.1) Korrektur, 04.06.2002, 04:37, Stefan Meretz: Das mit der beraubten Korrekturmöglichkeit ist kein Feature, sondern ein Bug - und nun auch behoben: Bis 6 Uhr, dem Versendetermin der Kommentare, ist die Korrektur möglich.

(40) Die abstrakte Bestimmung der Produktion ist:
„Alle Produktion ist Aneignung der Natur von seiten des Individuums innerhalb und vermittels einer bestimmten Gesellschaftsform.“ (Marx 1858/1983, S. 23)
Produktion ist also jener Begriff, der die Mensch-Natur-Dialektik ausdrückt. In der eben genannten abstrakten Form ist aber noch „keine wirkliche geschichtliche Produktionsstufe begriffen.“ (Marx 1858/1983, S. 24)

(41) Es ist eine Konkretisierung notwendig: „Wenn also von Produktion die Rede ist, ist immer die Rede von Produktion auf einer bestimmten gesellschaftlichen Entwicklungsstufe...“ (Marx 1858/1983, S. 20). Wir erfahren anhand dieses Begriffs beispielhaft den Übergang von der abstrakten Erkennntnisebene (2) zum dialektischen Begreifen (4):
„Allein alle Epochen der Produktion haben gewisse Merkmale gemein, gemeinsame Bestimmungen. Die Produktion im Allgemeinen ist eine Abstraktion, aber eine verständige Abstraktion, sofern sie wirklich das Gemeinsame hervorhebt, fixiert und uns daher die Wiederholung erspart. Indes dies Allgemeine, oder das durch Vergleichung herausgesonderte Gemeinsame, ist selbst in vielfach Gegliedertes, in verschiedne Bestimmungen Auseinanderfahrendes. Einiges davon gehört allen Epochen; andres einigen gemeinsam.“ (Marx 1858/1983, S. 21)

4.3. Subjektivität und Gesellschaftlichkeit

(42) Subjektivität und Gesellschaftlichkeit können nach Lohoff nur in ihrer Entgegensetzung verstanden werden. Subjektivität meint – nach Lohoff - damit eine vereinzelte Individualität, die dem abstrakt betrachteten Allgemeinen äußerlich gegenübersteht. Welche alternative, d.h. nicht äußerliche, nur gegensätzliche Beziehung zwischen (bei Lohoff nichtsubjektivem) Individuum und Gesellschaft bestehen könnte, bleibt ungesagt.

Individualität

(43) Auch „Individualität“, die Lohoff nebenbei als positive Alternative gegenüber der abstrakten Subjektivität erwähnt, könnte den gleichen abstrakten Kritiken unterworfen werden, weil abstrakt gesehen Individualität das Gegenteil von Universalität ist. Nur konkret betrachtet enthält sie ihre Besonderheit im Universellen. Abstrakt gesehen entsagt jede Kategorie einer positiven Bestimmung. Das Spielchen kann bis ins Unendliche getrieben werden, bis wir keine Worte mehr übrig haben. Genau wie sich die Aufhebungsperspektive nicht im Abstrakten, sondern nur in der konkreten widersprüchlichen Totalität erkennen lässt, benötigt Erkenntnisfortschritt den Übergang vom Abstrakten zum dialektisch-Konkreten. Worte wie „Subjektivität“ erhalten dann einen anderen Inhalt. Die bloße Kritik seines abstrakten Gehalts (der einfachen Bestimmtheit als „Negation des Objektiven“) geht dann voll an diesem möglichen Inhalt vorbei.

(44) Welcher Inhalt ist es, der mit in dem Begriff „Subjektivität“ neben der abstrakten Entgegensetzung zum Objektiven enthalten sein kann?
Lohoff selbst setzt gegen den Subjektbegriff eine „emphatisch verstandene Individualität“. Sie soll sich von der Subjektivität dadurch unterscheiden, daß sie „Beziehungsreichtum zum Hintergrund“ habe. Dieser Beziehungsreichtum setzt – entgegen der abstrakt gesetzten Gleichheit – voraus, daß die Individualitäten jeweils Besondere sind. Sie stehen einem Allgemeinen (z.B. dem gesellschaftlichen Zusammenhang) zwar gegenüber, aber nicht in abstrakter Entgegensetzung (als isoliert-Einzelne), sondern als Besondere im allgemeinen Zusammenhang. Diese gleiche dialektische Logik von Einzelnem-Allgemeinem-Besonderen kann auch für die Objekt-Subjekt-Beziehung gedacht werden. Subjekte sind mit sich identisch und verändern sich gleichzeitig in einem ständigen Prozeß, der auch Objektivierung beinhaltet. Oder zeitlich gesehen: Vor sich hat das Subjekt ein Möglichkeitsfeld, ein spezifisches Möglichkeitsfeld, das seine Subjektivität ausmacht. Im Moment des „Gerinnens der Gegenwart“ sinkt das Ergebnis des Handelns in die Vergangenheit, vergegenständlicht/ verdinglicht/ verobjektiviert sich.

(44.1) Re: Subjektivität, 26.05.2002, 18:19, Konrad Stoeber: Vieles an Aneinandervorbeireden und verschwiemelten Begrifflichkeiten in der Diskussion erklärt sich m.E. daraus, dass die Kritik der Kritik der abstrakten Subjektivität selbst bei der abstrakten Gegenüberstellung von Subjekt und Objekt stehen bleibt, solange Subjekte als mittellose Subjekte unterstellt werden. Bei Lohoff ist vom Mittel nur beiläufig die Rede im Zusammenhang mit der Zwecksetzung, hier gar nicht.

(44.2) Re: Subjektivität, 26.05.2002, 18:21, Konrad Stoeber: Von einer Subjekt-Objekt-Dialektik zu reden macht erst Sinn, wenn ich den Übergang zu einer Beziehung Subjekt-Mittel-Objekt mache. Im „Fahrwasser des „Produktivismus“ erscheint das seltsamerweise als ganz selbstverständlich, fällt aber beständig aus der Reflexion, wenn menschliche Betätigungsweisen jenseits der Produktion in Betracht kommen.

(44.3) Re: Subjektivität, 26.05.2002, 18:22, Konrad Stoeber: Bei Lichte besehen ist das mittellose Subjekt eine Lachnummer, denn welche menschliche Betätigungsweise sollte denn ohne Mittel ihren Zweck erfüllen ? Die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt erhält erst ihre konkrete Form, Geschichte, Dynamik durch die Aneignung einer Objektwelt, die via Aneignung zum Mittel wird. Die wunderbar bunte und verrückte Welt menschlicher Betätigungsweisen liegt empirisch vor uns als wunderbar bunte und verrückte Welt der Mittel. Und damit ich nicht in der Ruch einer allzu großen Nähe zum Produktivismus gerate, führe ich hier spaßeshalber mal „Lack und Leder“ als Beispiel an.# Die empirischen Gegenstände, von denen also die Rede ist, sind als (angeeignete) Mittel dann „verlängerte Subjektivität“, als Objekte sind sie „nur“ Gegenstand des Bedürfnisses. Einer objektivierenden Betrachtungsweise entgeht dann natürlich der Unterschied zwischen einer Gitarre im Schaufenster und der Gitarre, der durch die Hände von Paco di Lucia atemberaubende Klänge entlockt werden.

(44.4) Re: Subjektivität, 26.05.2002, 19:00, Konrad Stoeber: „Das Subjekt befindet sich nicht nur, quasi ex definitione, stets im Feindesland; das Selbst das jenseits der Selbstinstrumentalisierung liegen soll, das Subjekt als Wesen, das sich selber Zweck ist, bleibt eine bloße Behauptung, eine notwendige Fiktion.“ schreibt Lohoff. Damit erscheint es ihm unvorstellbar, dass ein Subjekt in seine Tätigkeit versunken ist, diese Tätigkeit ihm Selbstzweck ist obwohl das Produkt dieser Tätigkeit – um beim Gitarrenspiel zu bleiben - den Zuhörern Mittel des Genusses ist. #Das „Selbstbewusstsein“ ist bei der Ausführung eines Jobs dann möglicherweise nur die Signatur dafür, dass diese Tätigkeit dem Subjekt äußerlich ist.

(44.5) Re: Subjektivität, 28.05.2002, 19:40, Konrad Stoeber: Die Aneignungsweise von Objekten ist nicht durch das „nackte“, abstrakte, mittellose Subjekt bestimmt, sondern durch seine Mittel. Indem es ein Objekt via Tätigkeit aneignet, wird aus dem Objekt ein Mittel seiner Subjektivität, bestimmt sich das Subjekt selbst als Subjekt. Insofern gilt das Mittel als Repräsentant der Einheit von Subjekt und Objekt. Wird das Objekt nicht angeeignet, geht irgendwas bei der Übung schief, hat sich das Subjekt nicht als Subjekt bestätigt. Es leidet und wird unwirsch.

(44.5.1) Re: Subjektivität, 29.05.2002, 18:18, Annette Schlemm: Richtig! Das mit den Mitteln sollten wir uns merken. Brauchen wir an anderer Stelle auch immer wieder... (siehe Texte zur Kritischen Psychologie).

Spezifische Möglichkeitsbeziehung

(45) Ich habe nicht umsonst auf eine spezifische Möglichkeitsbeziehung verwiesen: Das, was das mit Emanzipation und Freiheit seit Anbeginn des Nachdenkens über Menschen verbunden ist, ist die Möglichkeit, zwischen Handlungsmöglichkeiten entscheiden zu können und neue Möglichkeiten schaffen zu können.

(46) Diese Fähigkeit wird z.B. bei Hegel durchaus auch mit dem Begriff der „Individualität“, denn "was auf die Individualität Einfluß und welchen Einfluß es haben soll... hängt darum nur von der Individualität selbst ab" (Hegel 1807/1988, S. 205), indem es "entweder den Strom der einströmenden Wirklichkeit an ihm gewähren läßt oder daß es ihn abbricht und verkehrt...." (ebd., S.206 ).

(47) Lohoff selbst verdanke ich den Hinweis auf Adorno, der (in der „Negativen Dialektik“, S. 257) die Subjektivität der Menschen mit ihrer Möglichkeit verbindet, eigene Zwecke zu verfolgen, „die in den gesellschaftlichen nicht unvermittelt aufgehen.“ Sie haben die Möglichkeit, nicht nur funktionieren für umfassender Zwecke, sondern individuell entscheiden und neue Zwecke und Möglichkeiten setzen zu können. In der Kritischen Psychologie wird dies als spezifische Möglichkeitsbeziehung der Menschen gegenüber der Welt bezeichnet (Holzkamp 1983, S. 236).

Konkrete statt abstrakte Möglichkeiten

(48) Diese Möglichkeiten haben jedoch wenig Sinn, wenn sie offen bleiben, wenn das Subjekt nicht irgend etwas daraus macht – wenn es seine spezifischen Zwecke nicht auch in die Welt einwebt, er Spuren hinterlässt, er sie vergegenständlicht/verobjektiviert. Auch jeder Theorietext eines Krisianers ist solch eine Objektivierung...

Möglichkeiten und Möglichkeiten

(49) Menschen haben insbesondere zwei Arten von Möglichkeiten. Einerseits das Ausschreiten der Möglichkeiten im Rahmen gegebener umfassender Zusammenhangsstrukturen (Lohoff nennt so etwas an anderer Stelle z.B. „Emanzipation in der Form“)– andererseits jedoch die Möglichkeit, genau diesen Rahmen auch in Frage zu stellen („Emanzipation von der Form“) und (dies natürlich nicht individuell) auch zu verändern.

Konkrete Subjektivität

(50) Zur konkreten Bestimmung von Subjektivität gehört also:

(50.1) Re: Konkrete Subjektivität, 28.05.2002, 13:51, Konrad Stoeber: Zum ersten: Was macht denn nun die Spezifik der Möglichkeitsbeziehung gegenüber der Umwelt aus ? Haben andere lebendige Organismen nicht auch eine (art)spezifische Möglichkeitsbeziehung gegenüber der Umwelt ? Zum zweiten: Das machen Tiere jederzeit, indem sie fressen, jagen kurz: leben. Schönes Beispiel: die Spinne, indem sie ein Netz webt.

(50.1.1) Re: Konkrete Subjektivität, 29.05.2002, 18:22, Annette Schlemm: Okay, bitte nachlesen bei Philosophen und anderen DenkerInnen (alles zu "Freiheit"), Psychologen und anderen, z.B. bei Leontjew (da habe ich es grad gefunden), dann genauer bei Holzkamp und zum Kennenlernen siehe auch: http://www.thur.de/philo/kp/freiheit.htm
Die "Möglichkeiten" der Tiere haben immer was mit direkten konkreten biologischen Funktionen zu tun, die der Menschen eben nicht...

(50.1.1.1) Re: Konkrete Subjektivität, 29.05.2002, 22:28, Konrad Stoeber: 1. Ich dachte, das hier ist eine Diskussion. Das Austeilen von Hausaufgaben ist aber Schulmeisterei. 2. Leontjew und Holzkamp sind mir einigermaßen bekannt, haben sie aber jemals an spielende Tiere und ihre Umwelt spielerisch exploriende Tiere gedacht ? Alles nur biologische Funktion ? Da kann man auch mal bei Lorenz was nachlesen. (Rache ist süß!)

(50.1.1.1.1) Re: Konkrete Subjektivität, 03.06.2002, 17:38, Stefan Meretz: Wenn dir Holzkamp bekannt ist, dann doch bestimmt auch seine Ausführungen über die biologische Funktionalität des Spiels der Jungtiere? Ja, das Spiel hat bei Tieren - und nur da - die biologische Funktion, das artspezifisch notwendige Verhaltensrepertoire zu erlernen. Das Spiel ist evolutionäres Differenzierungsprodukt der Lernfähigkeit.

(50.1.1.1.2) Re: Konkrete Subjektivität, 06.06.2002, 17:33, Annette Schlemm: Es geht nun wirklich nicht um Hausaufgaben, sondern um Literaturhinweise bzw. Links. Es kann schließlich nicht jede Erklärung und Argumentation noch mal für jede/n neu abgeschrieben werden.
Das Spiel von Tieren haben natürlich weder Leontjew noch Holzkamp übersehen. In der biologischen Literatur wird aber auch ziemlich genau ausgeführt, welche BIOLOGISCHE FUNKTION dieses Spiel hat.
Wenigstens kann kein Tier überleben, das nur spielt und nicht - mit den dabei gelernten Fähigkeiten - sich innerhalb seiner Population um Nahrung und Überleben kümmert. Bei Menschen ist das anders, da können viele ihr Leben lang nur spielen (oder sie sollten es können).

(50.1.1.2) Re: Konkrete Subjektivität, 01.06.2002, 16:33, Konrad Stoeber: Aha, daher weht der Wind: Habe bei Stefan Meretz gelesen: "Eine "Wahl" darf für den Organismus auf vormenschlichem Niveau nicht unterstellt werden...." Das klingt aber sehr kategorisch. Gibts dafür andere als innertheoretische Gründe ?

(50.1.1.2.1) Re: Konkrete Subjektivität, 03.06.2002, 17:50, Stefan Meretz: Was meinst du mit "innertheoretisch"? Meinst du einen Argumentationszusammenhang? Den obigen Satz von mir (aus welchem Text stammt der - aus dem Kopf zitiert?) hast du offensichtlich aus selbigem geholt. Den bitte ich dann aber auch zur Kenntnis zu nehmen, dort stehen IMHO die vermissten Argumente. Einige jedenfalls.

(50.1.1.2.2) Re: Konkrete Subjektivität, 06.06.2002, 17:36, Annette Schlemm: Ja, gibts. Die ganze Lebenspraxis der Menschen, die eben was anderes ist als ledigliches biologisches Funktionieren. Mir ist es auf jeden Fall auch wichtig, diese menschliche Besonderheit nicht irgendwo aus einem sonstwoher kommendem "Geist" abzuleiten, bzw. sie auf das rein-Geistige zu reduzieren, sondern den Zusammenhang zur Gesellschaftlichkeit der Menschen zu sehen. Das sehen verschiedene Konzepte so und daß sich Stefan und ich oft auf die Kritische Psychologie beziehen, spricht sich wirklich rum. Das kommt aber nicht nur vom Wind, der da weht, sondern von in sich begründeten Überlegungen.

(50.1.3) Begriff Möglichkeit, 03.06.2002, 17:33, Stefan Meretz: Zum ersten: Die genannten anderen Organismen leben in einer artspezifischen Umwelt, in der es einen Raum an herstellbaren Bedeutungs-Bedarfs-Aktivitäts-Kombinationen gibt. Welcher Bedarf wie emotional bewertet bzw. dessen emotionale Wertigkeit wie antizipiert wird, dann wie zur Aktualisierung welcher Bedeutung und schliesslich welcher Aktivität führt, ist jeweils in der und durch die Umweltsituation festgelegt. Zum zweiten: Genau das machen die Tiere. Sie realisieren eine jeweils situationsgebunde spezifische Bedeutungs-Bedarfs-Aktivitäts-Kombinationen. Da kann man natürlich beobachtend von außen sagen: Ist doch toll wie viele Möglichkeiten die Tiere haben. Für die Tiere sind es aber keine. Mit dem Begriff 'Möglichkeit' ist hier also nicht eine Art "Variantenreichtum" o.dgl. gemeint, sondern die Möglichkeit der erkennenden Distanz und Auswahl von Aktivitätsalternativen. Die haben die Tiere nicht. Mir ist bekannt, dass viele (auch sog. kritische) WissenschaftlerInnen das Gegenteil behaupten. Es bleiben jedoch nur analogisierende Beobachtungen, Schlüsse vom Standpunkt dritter Person, denn - leider, leider - sind "intersubjektive" Beziehungen zu Tieren nicht möglich (auch da gibt's Gegenbehauptungen, na ja).

(50.1.3.1) Re: Begriff Möglichkeit, 04.06.2002, 00:36, Konrad Stoeber: Mit der „erkennenden Distanz und der Auswahl von Aktivitätsalternativen“ als Charakteristikum von „spezifischer Möglichkeitsbeziehung zur Welt“ unterstellst Du schon entwickelte menschliche Bestimmungen. Wenn ich die willkürlich rauskrame, was ich Dir hier nicht unterstelle, könnte ich mit der gleichen Berechtigung sagen, Menschen sind Subjekte, die Kaffee trinken. Das Problem besteht darin, dass, je weiter ich stammesgeschichtlich zurückgehe, desto verwaschener werden die Unterschiede zwischen den Menschen und ihren äffischen Vorfahren. Da die Werkzeugproduktion eine exponierte Bedeutung bei der Entstehung des Menschen hatte, würde ich dieser Logik folgen wollen, wenn ich einen zwingenden Zusammenhang zwischen Werkzeugproduktion und der Etablierung solcher spezifischer Möglichkeitsbeziehungen sehen und nachvollziehen könnte. Sehe ich aber nicht...

(50.1.3.1.1) Re: Begriff Möglichkeit, 04.06.2002, 09:28, Stefan Meretz: Was dir wie eine Unterstellung anmuten mag, ist dennoch Resultat einer historisch-empirischen Analyse - allerdings nicht von mir, sondern von dem genannten Holzkamp und anderen. Und wenn du die Analyse nachvollziehst, dann wirst du sehen, dass die "Unterschiede" in der Rekonstruktion der Genese des Menschen nicht verwaschener, sondern sehr klar werden. Das (von dir vermutete) Argument mit der Werkzeugherstellung als dem Unterschied stammt von bürgerlichen WissenschaftlerInnen (übrigens mit Marx als Zeugen), das sie selbst auch immer wieder "widerlegen" mit dem (Fehl-)Schluss: Irgendwie gibt es ja doch kaum oder wenn, dann nur quantitative Unterschiede. Schon die "Methode" des Vergleichs ist äußerst zweifelhaft. Sie führt eben in der Tat dazu, dass ich "einen Vogel finde, der sich ein Stöckchen als Werkzeug zurichtet" oder "einen Affen kenne, der Kaffee trinkt". - Ich kann deine Fragen gut nachvollziehen, sie aber hier nicht beantworten: Das geht nicht "mal eben". Ich kann dir auch keinen Online-Text nennen, in dem die Rolle der Werkzeugherstellung (die sie natürlich spielt) angemessen dargestellt ist.

(50.1.3.1.1.1) Re: Begriff Möglichkeit, 04.06.2002, 19:23, Konrad Stoeber: Wenn ich „Werkzeugproduktion“ wie Du wohl vermutest, wie ein Merkmal betrachte, an dem ich entscheide, ob Mensch ist oder nicht, ist schon alles zu spät. Das ist nun auch ganz und gar nicht die Verfahrensweise unter der die Bedeutung der Werkzeugproduktion und -benutzung für die Rekonstruktion der Anthropogenese zu sehen ist. Da kann man natürlich auch jede Menge anderer Bestimmungen anführen, unter anderem etwa auch die Psyche als „Vermittlungsinstanz“ zwischen Biotischem und Sozialem. Leider lässt sich aber konkretes Verhalten nicht aus der Psyche erklären, bestenfalls abstraktes, also die Möglichkeit von Verhalten.

(50.1.3.1.1.2) Re: Begriff Möglichkeit, 04.06.2002, 19:24, Konrad Stoeber: Innerhalb des evolutionstheoretischen Denkens hat bekanntermaßen die Verhaltensbiologie jede Menge Material geliefert, die es nahe legt, tierischem Verhalten einen entscheidenden Stellenwert innerhalb der theoretischen Rekonstruktion der biotischen Evolution beizumessen, wie etwa in der Evolutionären Erkenntnistheorie.

(50.1.3.1.1.3) Re: Begriff Möglichkeit, 04.06.2002, 19:24, Konrad Stoeber: Daraus ergibt sich dann, wenn ich über Anthropogenese rede, die Frage, welches besondere Verhalten die Besonderheiten des Menschen gegenüber seinen tierischen Vorfahren erzeugt. D.i die Frage, wie wird beispielsweise aus dem tierischen Ohr ein menschliches (z.B. musikalisches) Ohr, wie aus dem tierischen Auge ein menschliches „für die Schönheit der Form“, wie aus der tierischen Hand eine menschliche Hand (zum Arbeiten, Trommel schlagen, malen, Knute schwingen oder Banknoten abzählen), aus dem tierischen Bein ein menschliches (für die Tretmühle, zum Steptanzen oder Gasgeben). Weiter: Wie wird aus tierischer Motivation menschliche Motivation, aus tierischer Wahrnehmung menschliche, wie aus tierischer Kommunikation Sprache, wie aus tierischen Sozialverbänden menschliche Gesellschaften. Man wird hier unschwer die Passage aus den Manuskripten von 1844 wiedererkennen, die Marx abschließt mit: „Die Bildung der 5 Sinne ist eine Arbeit der ganzen bisherigen Weltgeschichte.“

(50.1.3.1.1.4) Re: Begriff Möglichkeit, 04.06.2002, 19:40, Konrad Stoeber: Und... bürgerliche WissenschaftlerInnen sind immer die anderen. (Frei nach Karl Kraus)

(50.1.3.1.1.4.1) Re: Begriff Möglichkeit, 05.06.2002, 10:01, Stefan Meretz: Puh, glücklicherweise erklärst du mir nicht, es gäbe nur "gute" oder "schlechte" vulgo: "richtige" oder "falsche" aber keine "bürgerliche" Wissenschaft.

(50.1.3.1.1.4.1.1) Re: Wissenschaft, 05.06.2002, 23:19, Konrad Stoeber: Die Etikettierung von WissenschaftlerInnen (bürgerliche und nonbürgerliche - was ist denn da der Maßstab ?) halte ich nicht für sonderlich hilfreich für linke Diskussion. Wenn ich gegen Etikettierung bin, dann natürlich auch gegen die anderen, die Du für erwähnennswert gehalten hast.#Prima Beispiele für solche Etikettierungen etwa des „Mendelismus-Morganismus“ kannst Du in den Sitzungsberichten der Sowjetischen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften 1948 nachlesen. (Im übrigen gute Darstellung der Szenerie bei J.P. Regelmann: Zur Geschichte des Lyssenkoismus. Kann leider nicht sagen, ob's ein bürgerlicher Wissenschaftler ist, falls das wichtig ist.) - Letzteres konnte ich mir einfach nicht verkneifen.

(50.1.3.1.1.4.1.1.1) Re: Wissenschaft, 06.06.2002, 17:41, Annette Schlemm: Nun ja, es ist schon besser, immer genau und konkret zu kritisieren. Es scheint aber doch typisch für "bürgerliche" GesellschaftstheoretikerInnen zu sein, Menschen unter - für sich nicht änderbare - Bedingungen zu setzen und gerade die Veränderbarkeit der jeweils zugrundeliegenden Bedingungen nicht zu sehen, zu leugnen etc...

(50.1.3.1.2) Re: Begriff Möglichkeit, 06.06.2002, 17:38, Annette Schlemm: Ja, diesen Zusammenhang gibt es. Darf ich bitte darauf verzichten, die drei A-4-Seiten dazu hier aufzuschreiben und doch wieder auf einen Link bzw. die Originalliteratur zu verweisen?
http://www.thur.de/philo/kp/anthropogenese.htm bzw. Holzkamp, Grundlegung der Psychologie, S. 162-184
(ich sehe grad, daß Stefan auch schon geantwortet hat - ich habe all diese Antworten etwas eher vorbereitet, komme kaum noch nach....)

(51) In diesen Bestimmungen ist die Besonderheit der einzelnen Subjekte nachdrücklich gefordert – ihre Entgegensetzung gegenüber der Objektivität tritt in den Hintergrund der Begriffsbedeutung und verändert sich auch. Sie verliert ihre reine Negativität, sondern wird geradezu zur Bedingung für die jeweils weitere Entfaltung der Subjektivität (Entwicklung und Widersprüche – DialektikerInnen wissen das...).

Subjektivität als Prozeß

(52) Wenn wir die Subjektivität nicht als fertiges Ding, sondern in ihrer Prozeßhaftigkeit begreifen, erledigt sich auch der Vorwurf von Lohoff (an sein abstraktes Subjekt), es wäre in seiner Selbstgleichheit keine Biographie, „kann (...) von Zustand zu Zustand springen und nur so (...) in der Lage (sein) sich frei in der Welt der Angebote zu bewegen“. Jeder Prozeß setzt das Freie im Moment des Gerinnes der Gegenwart fest und baut auf dem Gewesenen auf. Das freie, willkürliche Springen ist nur denkbar, wenn von der Realität und der Prozeßhaftigkeit der Welt abstrahiert wird.

(52.1) Re: Subjektivität als Prozeß, 23.05.2002, 19:30, Hanna Behrend: Das ist m.M. entscheidend. In diesem Prozess konstituiert sich das Subjekt immer wieder neu in Relation zu seiner objektiven Umwelt, den vorgefundenen gesellschaftlichen Strukturen und den anderen Individuen und Gruppen. Es findet gewissermaßen ein ständiger "Stoffwechselprozess" zwischen Subjekt und Objekt statt und es hängt von dem gesamten Beziehunggefüge, in dem das sich abspielt, welchen Charakter dieser Stoffwechsel annimmt.

(52.2) Re: Subjektivität als Prozeß, 24.05.2002, 12:37, Robert Halbhuber: Freiheit ist bei den Chinesen die Vogelfreiheit-zum Abschuß freigegeben.Und zwar immer wieder zum Abschuß freigegeben.Der Prozeß ist die permanente gegenseitige Bedrohung,der dinglich vemittelten Ressourcenknappheit. Angebot und Nachfrage ,Projektmanagement und viele andere Dinge aus dem betriebswirtschaftlichen Gruselkabinet.

(52.3) Re: Subjektivität als Prozeß, 28.05.2002, 19:32, Konrad Stoeber: Wodurch erlangt denn Subjektivität ihre Prozeßhaftigkeit ? Durch die Aneignung „menschlicher Wesenskräfte“. Indem es sich seine gegenständliche Welt zum Mittel macht und seine Subjektivität damit selbst verändert. Man muß ein Instrument eben nicht nur haben sondern an diesem Instrument auch seine z.B. Fingerfertigkeit üben, damit das Instrument auch von einem ihm entsprechenden Subjekt gehandhabt wird, sonst wird’s nix. Eine Biographie erlangt ein Mensch eben nicht, indem er als sich selbst ewig gleiches und damit stinklangweiliges Subjekt einem ebenso stinklangweiligen Objekt gegenübersteht sondern es sich mit immer neuen Mitteln sich selbst verändert und sich damit immer neue gegenständliche Welten schafft. Das einer Universalität von Mitteln entsprechende universelle Subjekt kann dann frei und meinetwegen willkürlich „springen“ oder: Das freie Spiel seiner Kräfte genießen.

Selbstkritik

(53) Diese Prozeßhaftigkeit ist mir erst beim Erarbeiten dieses Textes so deutlich geworden. Ich muß zugeben, daß ich in meinem vorigen Text über den Subjektstandpunkt (Schlemm 2002) selbst auch undialektisch wurde, weil ich die Subjektivität der Objektivierung zu abstrakt positiv gegenübergestellt und ihre Prozeßhaftigkeit übersehen und sie damit vereinseitigt habe.

Zusammenfassung

(54) Das wirkliche Leben ist kein nur Subjektives oder nur Objektives. Es ist auch keine statische Versöhnung in ununterscheidbarer Einheitlichkeit. Es ist ein Prozeß, indem weder Dichotomisierungen angemessen sind, noch nur rein abstrakte Negationen. Das Abstrakte und ihre Negationen schweben im Leeren, mögen manche Geister verwirren, die sich ebenfalls auf diese Ebene verirrt haben. Das wirkliche, auch das geistige Leben, spielt sich aber woanders ab...

(54.1) Re: Zusammenfassung, 24.05.2002, 12:35, Benni Bärmann: Generell finde ich den Text sehr spannend!

Was mich jedoch etwas stört ist der teilweise doch sehr agressive Ton Krisis gegenüber. Das ist mir schon wieder zu viel von den üblichen linken Grabenkämpfen angehaucht. Eine produktive Auseinandersetzung funktioniert in einem solchen Tonfall erfahrungsgemäß nicht. Ich seh´ die Polemiken in der Antwort - so es denn eine gibt - schon wieder vor mir (Krisis ist da ja auch immer ganz gross drin). Sowas erschwert doch die Kommunikation nur unnötig.

(54.1.1) Re: Zusammenfassung, 29.05.2002, 18:28, Annette Schlemm: Ja, so sehr, daß ich wirklich nicht viel Lust hatte (wie immer), mich überhaupt auf einen Krisis-Text einzulassen. Ich hatte parallel grad noch einiges von Lohoff gelesen (zu Emanzipation), das ist mir wohl ziemlich übel aufs Gemüt geschlagen und ich konnte einige Seitenhiebe nicht unterdrücken.
Als ich Lohoff so las und mich ärgerte, erinnerte ich mich, daß Marx durchaus auch so einen Ton drauf haben konnte. Aber er bezog sich immer auf konkrete Textstellen, nie so pauschal und abstrakt, wie es mir aus Krisis immer wieder entgegenschlägt.
Manchmal bin ich halt auch nicht nur eine Theoretikerin, sondern hab auch was gefühlsmäßig rüberzubringen, was nicht nur mit Emoticons geht ;-/
Ansonsten läufts doch inhaltlich ziemlich gut, oder? Ich muß nur ein wenig passen, mein Computer hat den Geist aufgegeben...

(54.1.1.1) Re: Zusammenfassung, 01.06.2002, 23:13, Petra Haarmann: Liebe Annette, liegt darin vielleicht der Grund, daß Du allen und jedem geantwortet hast - aber nicht dem Robert? Er ist also ein "Krisianer" und von daher ... naja. Ich sehe das von Deiner Seite eher so, daß der ontologische Mensch (schön überhistorisch, damit es einen Standpunkt für die Kritik gibt)sich mittels Arbeit als ebenfalls ontologischem Begriff mal solo, mal über die Gesellschaft, mit Natur vermittelt. Fertig, Subjekt-Objekt-Dichotmie gerettet und dann mit emotionaler Wesenheit und Sprache (auch irgendwie außerhalb jeder Historizität!) aufgehübscht. Die Frage aber, ob "Arbeit" in unserer Gesellschaft die gesellschaftliche Vermittlung konstituiert und von daher "Subjektivität" und "Objektivität" erst entstehen, bleibt dann logischerweise ungestellt. Das läuft dann darauf hinaus eine andere "Objektivität" zu installieren, was dazu noch mit dem Label "doppelte Negation" ettiketiert wird (alle anderen habens nicht geschnallt und steuern Richtung Katastrophe a la Pol Pot), und als "positives" neue Gesellschaftssubstanz installiert werden soll.

(54.1.1.1.1) Re: Zusammenfassung, 06.06.2002, 17:35, Annette Schlemm: Ich hab nicht drauf geachtet "wem" ich antworte, ich bin nach den Inhalten gegangen. Inwieweit ich Robert übersehen habe, ist mir gar nicht bewußt, ich habs auch nicht danach bewertet, ob er ein "Krisianer" ist (solch eine Zuordnung weiß ich meistens sowieso nicht). - Nein, jetzt beim Nachlesen sehe ich, daß ich bisher noch gar nicht wußte, daß er vielleicht "Krisianer" ist. Inhaltlich hat er im Wesentlichen widerholt, was ich von Lohoff kenne, da muß ich doch nicht jedesmal neu darauf eingehen, oder?

Ansonsten verstehe ich Deine Bemerkungen so gut wie gar nicht.
Sind sie eine Kennzeichnung meines Textes? Wenn ja, merke ich wieder mal, daß ich doch über alles ganze Bücher schreiben muß, weils sonst immer nur verkürzt verstanden werden kann.
Mir geht es auf jeden Fall nicht darum, eine "Subjekt-Objekt-Dichotomie" zu retten, sondern sie in ihrer Abstraktheit aufzuheben, was erst ein Begreifen ihres dialektischen Verhältnisses ermöglichen kann.

Literatur:

(55) Hegel, Georg Friedrich Wilhelm (1807/1988): Phänomelogie des Geistes. Hamburg: Felix Meiner Verlag
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1812/1986): Wissenschaft der Logik. Erster Band. Frankfurt am Main: Suhrkamp
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1833/1982): Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Erster Band. Leipzig: Verlag Philipp Reclam jun.
Holzkamp, Klaus (1983): Grundlegung der Psychologie, Frankfurt/New York
Lohoff, Ernst: Subjekt der Emanzipation oder Emanzipation vom Subjekt. siehe auch:
http://www.giga.or.at/others/krisis/e-lohoff_emanzipation-vom-subjekt.html
Marx, Karl (1888/1990): Thesen über Feuerbach. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Band 3, Berlin Dietz-Verlag, 1990
Marx, Karl (1844/1990): Ökonomisch-Philosophische Manuskripte. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Band 40, Berlin Dietz-Verlag, 1990
Marx, Karl (1858/1983): Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. In Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Band 42, Berlin Dietz-Verlag 1983
Schlemm, Annette (1996/98): Allgemeines ist nicht allgemein. In: http://www.thur.de/philo/as123.htm
Schlemm, Annette (2000): Physikalische Gesetze. In: http://www.thur.de/philo/physgesetz.htm#_Toc499100645
Schlemm, Annette (2002): Theorie und (Anti-)Politik vom Subjektstandpunkt aus. In: http://www.thur.de/philo/kp/subjekt2.htm

(55.1) Re: Literatur:, 06.06.2002, 17:47, Annette Schlemm: Siehe zum Subjektbegriff auch: http://www.opentheory.org/subjekt2/text.phtml - hier gehts weniger polemisch, mehr systematisch zu... (und erstaunlicherweise wird da fast gar nicht diskutiert... vielleicht brauchts doch ein wenig Polemik?)


Valid HTML 4.01 Transitional